Prolog
Prolog
Er war in einer ganz schönen Scheiße gelandet.
Qualmend, immer noch unruhig wartend, sah er sich um, und entdeckte immer wieder dasselbe. Junge dünne Menschen, alte dicke Menschen, junge dicke Menschen und alte dünne Menschen. Dazu noch ein paar, die anscheinend nicht mal Essen konnten… oder scheißen?
Selten hatte er so viel Elend gesehen. Es ging diesen Leuten hier gut, sie hatten ein Dach über den Kopf, genügend Nahrung und Trinken ebenso. Aber anscheinend kamen sie mit der Realität nicht klar. Waren schon so von der Werbung und von anderen Dingen infiltriert, geschändet und getrieben, das sie ihr eigenes Bewusstsein verloren hatten. Sie wirkten nur noch wie seelenlose Puppen, nur auf die nächste Mahlzeit oder die nächste Waage achtend.
Erbärmlich.
Er hatte absolut nichts hier zu suchen. Er war hier völlig fehl am Platz! Wütend einen noch tieferen Zug ausstoßend entdeckte er verwundert, dass die nun auch schon wieder alle war. Genervt ließ er die noch leicht qualmende Zigarette in seinen notdürftigen Aschenbecher fallen – hier waren es die Überreste seines Cappuccinos. Und er hasste das Getränk doch, wie konnten andere Leute es nur trinken? Alleine schon der Geruch…
„Hier, für Sie.“
Seine Ungeduld nicht versteckend nahm er das altertümliche Telefon und fragte sofort:“Wollt ihr mich verarschen? Was soll ich hier?“
„Aber…“ erklang eine sanfte Stimme am anderen Ende. Knurrend ließ der andere diese ausreden. Schließlich war es seine Schwester.
„Dort gibt es eine gute Akkupunkturtherapie. Versuch es wenigstens, ja? Deine Reha wird da auch weitergeführt. Und du solltest etwas Kontakt…“
„… zu anderen Menschen haben, ich weis… aber nur 2 Wochen, klar?“
„Nein, wies es aussieht über 1 Monat, ansonsten erkennt man noch keine Wirkung…“ „Willst du mich killen?“ stöhnte er, während am anderen Ende ein glucksender Laut kam.
„Nein, du überlebst das schon, und nimm zu, ja?“
Dann war Schluss.
Er gab der etwas sehr, sehr fülligen Frau den Telefonhörer zurück, während er den Reflex, sich die Hände zu waschen, ziemlich unterdrückte. Wenn einer von diesen kranken Bastarden das Ding vor ihm angefasst hatten…
„Wie es aussieht ist alles geklärt… Mr. Czaijka bringt sie zu ihrem Zimmer.“
Mit den Augen rollend nahm er es hin. Den dieser Kerl, der nun vor ihm stand, brachte sicher die dreifache Masse von ihm auf… und das reine Muskeln. Er fürchtete sich weis Gott nicht, aber anlegen wollte er sich mit dem Riesenkerl auch nicht. So ließ er seinen Vorrat an Zigaretten doch lieber in der Hosentasche.
„OK.“
Und so rollte er, für ihn persönlich, der Hölle entgegen.
Ein blauhaariger Junge kam kurz darauf aufgeregt zur Schwester gelaufen. Er wirkte recht schlaksig, hatte dennoch eine gesunde Farbe und wollte auch nicht so recht in die Menge der Essgestörten und Behinderten hineinpassen. Doch hatte selbst er seinen Grund hier zu sein.
"Ich hab wieder einen!"
Gab jener nur freudig grinsend von sich. Das Grinsen wirkte etwas schief, war unter dem Personal aber schon wohl bekannt.
"Wirklich? Dann zeig mal her..."
Die füllige Schwester brachte ihm ein herzliches Lächeln entgegen und schien völlig interessiert am neusten Fund des Jungen. Jener öffnete nun langsam seine hohlen Hände, worauf der kleine Marienkäfer auch gleich hinauskrabbelte und sich seinen Weg über seinen Handrücken bahnte.
"Der ist aber süß! Bring ihn besser schnell wieder nach Hause... seine Eltern machen sich bestimmt Sorgen um ihn..."
Wieder lächelte die Schwester herzlich und strich dem großen Jungen über die Wange. Dann sah die Schwester noch einmal kurz auf das kleine Insekt.
"Hast du denn schon gezählt wie alt er ist?"
Erschrocken darüber, dass er das völlig vergessen hatte machte sich der Junge auch gleich daran die schwarzen Punkte auf dem roten Panzer zu zählen.
"... vier... fünf... Fünf! Er ist Fünf!"
Gab er schließlich stolz bekannt und grinste wieder sein schiefes Grinsen.
Die Schwester lächelte wieder und kniff ihm wieder zärtlich in die Wange.
"Das hast du toll gemacht... Und schau mal, du bist dann genau viermal so alt wie er!"
Wieder völlig fasziniert von dieser neuen Tatsache schaute er erst verblüfft und lachte dann.
"Ja, da muss er noch wachsen... dann ist er sicher bald genauso alt wie ich!"
Die Schwester machte sich nicht die Mühe ihm erklären zu wollen, dass sie irgendwann nicht gleichalt waren, da er ja selbst immer älter wurde. Davon abgesehen, dass Insekten selten über ein Jahr lebten. Doch sich hatte sich daran schon lange gewöhnt, lächelte nur und bejahte. Schließlich schickte sie ihn nochmals raus um den kleinen Käfer wieder zu seiner Familie zu bringen.
Als der Junge außer Sicht- und Hörweite war seufzte sie nur. Eine andere Schwester kam vorbei und musterte sie fragend.
"Was ist los?"
Jene sah kurz von ein paar Akten auf, seufzte erneut und sah in die Richtung in die ihr Schützling verschwunden war.
"Der Kleine wieder... es macht mich immer traurig..."
Die angesprochene wusste genau von wem die Rede war, immerhin war im gesamten Personal, vor allem unter den Schwestern, sehr wohl bekannt. Jene seufzte ebenfalls:
"Ich weiß Bea... Vor allem die Eltern tun mir Leid, das wünsche ich niemandem..."
Leicht den Kopf schüttelnd ging jene Schwester nun auch weiter ihrer Wege.
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