Zum Inhalt der Seite

Chalk 'n Cheese

Wenn man das Unerkannte entdeckt
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Besuch

Mit schmerzender Lunge versuchte Emily weiter zu atmen, doch es schien beinahe unmöglich, beim nächsten Atemzug nicht zu sterben.

Dann hörten sie wütende Rufe. Verzweifelte Rufe, nicht im wirren Durcheinander zu orten.

Beide Stimmen vermischten sich und dann wurde es plötzlich dunkler und warm und die Stimmen waren erstaunlich nahe und ruhig.
 

Emily öffnete erschöpft ihre Augen und sah eine gelbliche Decke über ihr.

Sie hörte, dass sich Stimmen entfernten, die weiterhin panisch klangen. Dann war es weitgehend ruhig.

Nur ein Schluchzen und ein leises Flüstern durchdrangen die Stille.

„Emily?“

Emily fühlte sich angesprochen, doch sie sah keinen Körper zur Stimme.

Erst als Christopher sich über ihr Gesicht lehnte, wurde sie klarer im Kopf.

Doch ihre Gliedmaßen waren derart gefroren, dass sie nicht wusste, ob sie sich bewegte oder ob alles taub war.

„Es geht gleich besser. Was habt ihr da draußen gemacht?“ Christopher war besorgt und legte seine Stirn auf Emilys.

Die schluckte, wobei ihr Hals fürchterlich brannte, doch sie bekam ein Flüstern raus.

„Shoppen.“

„Shoppen?“, fragte Christopher laut und sah sich um.

Emilys Blick folgte ihm und er sah Tom auf der Couch gegenüber, der Anna fest an sich gepresst hatte und Christopher fraglich ansah.

„Ohne uns Bescheid zu sagen?“, mahnte Christopher und drehte sich wieder zu Emily.

„Sorry …“, flüsterte sie und zuckte gleichzeitig zusammen.

Ihr Körper brannte, aber sie wusste, dass sie auftaute.

Christopher legte noch zwei Wolldecken mehr über Emily und zog sie sanft hoch an seine Schulter.

Er griff nach einer Tasse mit dampfendem Inhalt.

„Tee“, sagte er kurz angebunden und hielt Emily den dampfenden Früchtetee unter die Nase.

Allein der warme Dampf war das wohltuendste, was sie seit langem erlebt hatte. Sie nippte ein paar Mal und nahm dann mit zitternden Händen die Tasse zwischen ihre Hände, während sie an Christophers Schulter angelehnt saß und die Augen genüsslich geschlossen hatte.
 

„Anna“, krächzte sie und sah zwischen Tom und ihr hin und her.

Anna war immer noch an Toms Brust angelehnt und allein ihre verweinten Augen wanderten zu Emily herüber. Sie lächelte leicht.

Emily seufzte erleichtert auf. Ihr ging es also soweit auch gut. Sie musste Christopher schnellstmöglich fragen, ob der Schneesturm tatsächlich vampirischer Natur war oder ob sie sich nur getäuscht hatte.
 

„Ist es ok, wenn ich heute Nacht bei ihr bleiben könnte?“ Toms Frage kam überraschend, doch Christopher und Emily nickten gleichzeitig.

„Danke“, lächelte er. „Wir gehen dann in unser Zimmer.“ Er hatte Christopher zugenickt und nahm Anna Schließlich in die Arme und trug sie weg.

Beide sahen ihnen nach und sagten nichts.

„Sollen wir auch hoch?“ Christophers Frage klang müde und Emily nickte leicht.

„Ja, ich bin echt kaputt.“ Sie stellte die Tasse auf dem Tisch ab und nahm die Decken von sich herunter.

„Also willst du auch…?“

Bevor Emily wusste, was er meinte, lag sie ebenfalls in seinen Armen und Christopher grinste sie an.

„Meine Prinzessin, die dem Schneesturm fast erlegen hätte“, hauchte er wehmütig und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

„Niemals“, flüsterte Emily müde und schloss erneut die Augen.
 

Das nächste, was sie merkte, war ein warmes, weiches Bett, in dem sie lag. Alles war ruhig. Doch sie hörte jemanden neben sich atmen und spürte auch die Wärmequelle.

„Bist du wach?“, flüsterte Christopher sanft und Emily öffnete langsam die Augen.

Es war relativ dunkel, doch der weiße Schnee draußen reflektierte das Licht der wenigen Straßenlaternen.
 

Er strich ihr über die Wange und ließ seine Finger auf ihrem Schlüsselbein ruhen.

„Hab … hab ich geschlafen? Wie lange?“, antwortete sie verschlafen und streckte sich leicht.

Er schmunzelte.

„Ja, über zwei Stunden tief und fest.“

Emily drehte sich auf den Bauch und sah, dass die Vorhänge zugezogen waren.

„Wie viel Uhr ist es?“

„Kurz nach 8 Uhr abends.“

„Hm …“ Sie setzte sich auf und sah sich um.

„Sind wir allein?“

„Ja. Tom und Anna sind unten in unserem Zimmer.“

Emily dachte daran, was Anna für einen Aufstand wegen des Negligees gemacht hatte und fragte sich, ob die beiden wohl heute Nacht…

„Warum fragst du?“

„Aach, nur so.“ Sie wurde ein wenig rot, doch dann durchzuckten sie die Erinnerungen an den Schneesturm und ihr Verlangen nach Gewissheit entflammte erneut.

Christopher setzte sich ebenfalls auf.

Emily drehte sich abrupt zu ihm um und setzte ein ernstes Gesicht auf.

„Hast du was gespürt?“, fragte sie direkt und beließ es bei den vier Wörtern.

Christopher stellte sich dumm, zog eine Augenbraue hoch und brummte fragend.

„Na, wegen dem Schneesturm. Das war doch kein normaler Vorfall. Irgendwie … hatte der was … unheimliches, etwas erdrückendes.“

Sie sah ihn hoffnungsvoll an, dass er sie doch bitte bestätigen solle, um sich nicht ganz dumm vorzukommen.

Christopher seufzte und stand vom Bett auf. Er ging auf das Fenster zu und blinzelte durch die Vorhänge nach draußen.

Er drehte sich um wieder, blieb jedoch am Fenster stehen.
 

„Ja, du hast recht.“ Er sah auf den Boden.

„Ein reinblütiger Vampir ist in der Nähe“, sagte er schnell und sah Emily von unten herauf an.

Die bekam große Augen.

„Ein … Reinblut? Was will er hier?“, fragte sie und versuchte, ihre Angst und ihre Neugierde zurückzuhalten.
 

„Ich weiß nicht. Er ist hungrig. Aber solche hochrangigen Vampiren sind nicht wie ich.“

Er kam wieder zum Bett und setzte sich schließlich auf die Kante.

„Nicht wie du?“, hakte Emily nach und kam ihm näher.

„Ja. Sie sind … würdevoller und stolzer. Ihnen ist nicht jeder recht zum Verzehr.“

„Ach, na toll. Aber wenn der wen aus meiner Klasse abmurkst, sind es schon zwei in einem Monat! Das darf nicht passieren! Weißt du, wo er genau ist?“

Christopher schloss die Augen und schien sich zu konzentrieren.
 

„Er … ist etwa … 15 Kilometer entfernt …“, sagte Christopher schließlich.

„So weit?“ Emily runzelte die Stirn.

„Ja, und er wird noch einige Zeit brauchen, bis er hier ist. Er ist sehr geschwächt und konnte so gerade noch das Wetter günstiger gestalten, um in dieser Siedlung hier wieder zu Kräften zu kommen.“

Emily krallte sich an seinen Oberarm und er sah sie etwas geschockt an.

„Bitte“, flehte Emily, „beschütze unsere Klasse!“

Christophers Miene wurde wieder weicher.

„Ich versuche mein Bestes. Solange er geschwächt ist, habe ich gute Chancen.“ Er grinste siegessicher an und Emily schien beruhigt.
 

„Ach, was war vorhin? Ihr wart shoppen?“ Emily zuckte zusammen und wurde ein wenig rot.

„J-ja“, antwortete sie knapp.

„Und, was gefunden?“ Christopher schien sie ganz ohne Hintergedanken zu fragen.

Emily suchte nach ihrer Tasche, doch sie sah sie nirgends.

„Ja. Aber ich hab die Tüte wohl im Schnee verloren.“ Sie sah bedröppelt auf ihre Bettdecke.

„Nnnnicht ganz.“

Christopher holte eine Tüte unterm Bett hervor und ließ sie vor Emilys Nase baumeln.
 

„Hast du reingeschaut?“, fragte sie und wurde noch roter.

„Jain“, entgegnete er scheinheilig und pfiff ablenkend.

„Spanner! Dabei sollte es eine Überraschung werden.“

„Höh?“ Christopher spitzte die Ohren.

„Etwa für mich?“ Er wartete gespannt auf die Antwort, doch bekam nur einen strafenden Blick von Emily.

„Klar. Aber wenn’s dir nicht gefällt, kann ich-“

„Bloß nicht!“

Sie nahm dies als Ablehnung an und schaute enttäuscht.

„Dann tausche ich’s wieder um. Aber beschwer dich nicht-“

„N-nicht umtauschen! Anziehen!“, berichtigte er sich schnell und drückte Emily die Tüte in die Hände.

Sie sah ihn perplex an.

„Jetzt?“

Er nickte.

„Aber … lass uns doch lieber … also … vielleicht nicht, wenn alle schon schlafen und … lass uns noch warten!“

Christopher sah sie belustigt an.

„Glaubst du, ich will dich hier vernaschen?“

Sie erstarrte in der Bewegung.

„Nein, das soll ein besonderer Moment werden.“ Er lächelte sanft.

Sie nickte und war froh über seine Zustimmung.

„Aber …“, begann er erneut und malte Kreise auf dem Bettlaken.

„So ein kleiner Vorgeschmack wäre schon toll…“ Er sah sie mit flehendem Blick an und Emily nickte nachgiebig. Doch in dem kleinen Zimmer gab es keine Möglichkeit, sich ungestört, umzuziehen.

„Dreh dich um! Nicht gucken!“, sagte sie schließlich und Christophers drehte sich nörgelnd um.

„Wenn wir‘s tun, seh ich dich doch auch so …“ Er zog einen Schmollmund und wartete zur Wand gewandt.

„Das … ist was anderes. Dann hast du wenigstens noch etwas, worauf du dich freuen kannst“, meinte Emily, während sie sich umzog.

Christopher grunzte.

„Da gibt es noch einiges mehr, worauf man sich freuen kann.“

Emily lachte.

„Ja!“
 

Christopher wollte sich gerade umdrehen, um zu sehen, wie weit Emily war, und merkte, wie sie sich an seinen Rücken warf.

Er stützte sich an seinen Knien ab.

„Nicht lachen! Mich hat noch keiner so … gesehen“, flüsterte sie mit zitternder Stimme an sein Ohr.

Christopher nickte lächelnd und Emily ließ ihn sich umdrehen.

Die Unterwäsche unterstrich ihre leicht gebräunte Haut, die in der Dunkelheit zwar kaum zu sehen, aber zu erahnen war.

Das leicht bläulich-weiße Licht vom Schnee und der Nacht ließ ihre weiblichen Rundungen mystisch erscheinen und Christopher war sprachlos.

So lange Zeit hatte er keinen Frauenkörper mehr aus dieser Nähe gesehen und einen so wohlgeformten dazu.

„Wunderschön“, flüsterte er.

Emily war es sichtlich peinlich. Sie fühlte sich wie auf dem Präsentierteller, obwohl es dunkel genug war um nicht alles sehen zu können.

Plötzlich fühlte sie zwei warme Hände an ihrer Hüfte, die sie leicht nach vorn zogen und sich schließlich um sie schlangen.

Christopher lehnte seinen Kopf gegen ihren Bauch und seufzte leicht.

Emily strich durch seine Haare.
 

„Emily…“ Christophers Stimme war voller Sehnsucht und Emily schreckte ein wenig auf.

„Was-?“, fragte sie, doch wurde im selben Moment auf die Matratze unter Christopher gezogen.

Er sah sie gierig an, doch war über ihr erstarrt.

Sie spürte seinen wärmenden Körper und merkte erst jetzt, wie ausgekühlt sie war, als sie dort in Unterwäsche gestanden hatte. Sie griff nach seinem Oberteil und zog ihn auf sich hinunter.

Christopher atmete unregelmäßig und küsste sie erregt.
 

Emily wusste nicht genau, was nun folgen würde. Entweder … oder … Doch sie hatten doch gerade noch beschlossen, zu warten!?

Seine Hände tasteten ihren Körper immer fordernder ab und gelangten immer tiefer ihre Seite hinunter, bis sie ebenfalls erregt ihr Bein anwinkelte und sich gegen ihn presste.

Er streichelte ihr Bein sanft.
 

Beinahe wären sie erstickt, hätte Chris sich nicht augenblicklich von ihr abgewendet und lag nun neben Emily.

Von beiden war nur unregelmäßiges, lautes Atmen zu hören.
 

„Entschuldige“, meinte Emily schließlich und drehte sich auf die Seite zu ihm.

Er schluckte und sah sie fragend an.

„Wofür?“

„Na … ich hätte … sowas nicht kaufen sollen. Nicht hier.“ Sie blickte an sich herunter. Ihre Träger waren an den Armen heruntergezogen worden und ihr Dekolleté war mehr als zu sehen.

Christopher lachte leise.

„Das war doch nicht in erster Linie die Unterwäsche schuld, sondern du.“

Jetzt drehte er sich ebenfalls zu ihr auf die Seite und sah ihr in die Augen.

„Ach so.“ Emily grinste ihn an.
 

„Wir schaffen das schon. Aber selbst wenn wir wieder zurück sind … bei dir zu Hause warten deine Eltern und bei mir würde Robin stören.“

Emilys Miene verfinsterte sich.

„Ja … meine Eltern … Themawechsel!“

Sie kniff ihre Augen zusammen und robbte näher an Christopher heran. Der nahm sie in seine Arme und drückte sie fest an sich.

„Das wird nix. Tom ist auf dem Weg.“

„Was?“ Emily sah perplex zur Zimmertür.

Christopher stieg galant über sie aus dem Bett und deckte sie zu.

„Stell dich schlafend!“, sagte er und hielt einen Finger an den Mund, während er sich neben sie setzte. Dann hörte man ein leises Klopfen und Tom steckte seinen Kopf ins Zimmer.

Christopher sah unschuldig auf und folgte Toms Geste, nach draußen zu kommen.

Leise schloss er die Tür hinter sich.
 

„Wie geht’s ihr?“, fragte Tom und wirkte angespannt.

„Gut. Sie schläft schon die ganze Zeit. Was ist mit Anna?“

„Oh, dasselbe“, antwortete er verwirrt. „Hör mal … es werden noch mehr Schüler vermisst. Aber-“

„Was? Noch mehr?“

Christopher wurde wütend. Dieses dümmliche Reinblut musste den Verstand verloren haben, dass der Schneesturm so weitreichende Folgen hatte.

Er ging an Tom vorbei auf das Fenster zu.

„W-warte Chris! Da ist noch was!“

Er lief Christopher den Gang nach und erreichte ihn erst vor dem Fenster, als Christopher dasselbe öffnete.

„Der Schnee liegt metertief! Wir sind voll eingeschneit. Man kann nicht raus. Noch nicht mal mit Schneeschuhen oder Schneemobilen.“

Christopher sah unglaubwürdig auf die weiße Pracht, die beinahe das gesamte Erdgeschoss einnahm.

Wütend schloss er das Fenster wieder.

Er konnte raus.

Aber das durfte man nicht mitkriegen. Seufzend drehte er wieder um und blieb stehen.
 

„Wie viele fehlen?“, fragte er tonlos ohne Tom anzusehen.

„ Drei Leute, als wir nachgezählt haben. Sie sind nicht über Handy zu erreichen und haben niemandem gesagt, wo sie hingegangen sind. Eigentlich hat auch keiner mitbekommen, dass sie überhaupt weggegangen– Chris!“

Christopher lief schnurstracks zu Emily und blieb vor der Tür stehen.

„Ich hoffe, sie tauchen auf“, sagte er mit einem zerknirschten Gesicht und verschwand daraufhin im Zimmer.

Tom blieb bedröppelt im Flur stehen und begab sich dann wieder nach unten zu Anna.
 

„Was war los?“, fragte Emily sofort und setzte sich auf. Als sie Christophers leidiges Gesicht sah, wurde ihr ängstlich zumute.

„Ist was mit Anna?“

Er schüttelte den Kopf. Doch das beruhigte sie nur ein Stück weit.

„Was dann?“ Sie stand auf, ging zu ihm und streichelte seine Oberarme.

„Drei Schüler fehlen und wir sind eingeschneit“, sagte er und biss sich auf die Unterlippe.

Emily erstarrte.

„S-Schüler?“

Sie lief zum Fenster und riss die Gardinen zur Seite. Der Schnee war wirklich hoch und man konnte meinen, sie wären im Erdgeschoss. Es schneite immer noch unaufhörlich, aber ruhiger.

„Oh mein Gott…“, machte Emily und hielt sich die Hand vor den Mund.

„Soviel Schnee … wie können wir denn jetzt raus? Was ist mit den Schülern? W-wie…“

Emily wurde bewusst, dass sie nicht mehr leben konnten, außer sie hatten sich auf Bäume gerettet oder waren sicher in einem Haus untergekommen, das in der Stadt lag, aber ebenfalls eingeschneit war.
 

Christopher legte ihr die Hände auf die Schulter.

„Ich muss zu ihm. Du wartest!“ Er drückte sie sanft zur Seite und öffnete das Fenster weit.

Emily war erstarrt und sah zu, wie Christopher aufs Fensterbrett stieg.

„Was? Bleib hier!“ Sie wollte ihn gerade fassen, da war er schon heruntergesprungen und verschwunden.

Emily krallte sich an die Fensterbank und sah hinaus, ob er irgendwo zu sehen war, doch nichts außer der weißen Pracht regte sich dort.

„C-Chris…“ Ihre Stimme zitterte und sie bekam keinen lauten Ton heraus.

Was, wenn er nun auch im Schnee versank und …? Und zu wem wollte Chris? Zu dem Vampir? Und wenn er ihn fand, würde er getötet, weil der Vampir Hunger hatte!? Wie konnte er sie nur hier allein zurücklassen!?

Zitternd sank sie zu Boden und warme Heizungsluft strömte ihr entgegen, während Schneeflocken auf ihr Haar niederwehten, die von draußen hereingeweht kamen.

Doch sie spürte nichts von beidem…
 

Christopher lief lautlos durch den Schnee, der bei seiner Geschwindigkeit nicht mal die Chance von einem knirschenden Geräusch hatte.

Er war dem Vampir nahe, der das alles verursacht hatte. Sein Geruch war stechend. Blut mischte sich mit einer ungeheuren Süße, die er von Emilys Blut her kannte und das bereitete ihm auf unerklärliche Weise Sorgen.

Langsam wurde der Geruch so stark, dass Christopher sich fragte, ob ihm seine Nase keinen Streich spielte, da er weit und breit niemanden sah.
 

An einem Baum hielt er inne und schloss seine Augen, um sich besser konzentrieren zu können.

Der Vampir musste hier sein, wenn er es nicht besser wüsste, direkt neben ihm.

Doch als er seine Augen öffnen wollte, spürte er einen stechenden Schmerz in seinem Hals und zwei starke, kalte Hände, die ihn zusammenzudrücken schienen.

Also war er doch hier!? Und nun wollte er Christopher aussaugen. Der Schmerz wollte nicht aufhören und ihm kamen böse Erinnerungen an seine Verwandlung vor etwa zehn Jahren, als sein Stiefvater ausgerastet war. Die genauen Gründe dafür hatte er nie gewusst. Er hatte gar nicht wirklich mitbekommen, dass er zum Vampir wurde. An dem Tag hatte er mit ein paar Freunden bis früh morgens in einem Pub gehangen und kam betrunken nach Hause…

Dann ließ der Schmerz nach und Christopher fiel nach vorn in den Schnee.

‚Nicht tot‘, dachte er glücklich und ihm kam Emilys Bild vor Augen, die jetzt sicher krank vor Sorge sein musste, wo er doch so plötzlich verschwunden war.
 

„Hübsch“, sagte eine sanfte Frauenstimme.

Christopher drehte sich abrupt um und sah eine Frau, die vor ihm hockte und ihn anlächelte. Nicht bösartig, aber voller Ehrlichkeit.

Ihre blonden, gewellten Haare waren durchnässt vom Schnee und ihre Skikleidung ebenfalls.

Sie sah sehr menschlich aus, aber ihre Aura war überwältigend für einen reinblütigen Vampir.
 

Christopher richtete sich auf und hielt ihr eine Hand hin.

„Oh, wie Gentlemen-like, wo ich dich doch so attackiert habe.“ Sie grinste und nahm seine Hand.

„Was wollt Ihr hier?“, fragte Christopher höflich, aber bestimmt.

„Ich bin nur auf der Suche nach Essen, mehr nicht. Der Kampf hat lang gedauert und er ist noch nicht ganz vorbei. Aber ich konnte vorerst fliehen.“

Sie sah traurig in die Ferne.

Christopher sah sie ungläubig an.

„Ihr habt gekämpft? Gegen wen?“

„Du weißt nichts davon? Aber du gehörst doch zur Mittelschicht, die mitgekämpft hat.“

Christopher sah sie perplex an.

„Bitte?“
 

Die Vampirdame seufzte.

„Der Krieg, den wir seit kurzem führen. Es ist ausgeartet, nach langer Zeit. Aber es ist wohl nötig, sonst haben wir niemals Frieden.“

Christopher hatte nicht die geringste Ahnung, welche Konflikte genau in der Welt der Vampire vorherrschten, aber es musste etwas schwerwiegendes sein.
 

„Erzählt mir davon!“

„Doch nicht hier, Junge. Mir ist kalt und ich habe Hunger. Du kommst von einem solchen Ort, nicht wahr? Wie ist das Essen dort?“ Sie rieb ihre Hände und sah ihn erwartungsvoll an.

„Ich“, begann Christopher und er wurde etwas nervös. „Ich werde Euch nicht dorthin führen. Diese Menschen könnt ihr nicht haben, tut mir leid.“

„Oh, du hast sie dir schon reserviert? Und willst mir keinen von denen abgeben? Auch nicht dieses Mädchen?“ Nun wurde ihr Gesicht bösartiger und ihr Grinsen noch breiter.

Christopher wich einen Schritt vor ihr zurück.

„Ihr wisst von ihr? Wie-“ Dann kamen ihm die Fähigkeiten in den Sinn, die reinblütige Vampire hatten und die bei jedem unterschiedlich ausgeprägt waren. Sie musste wohl Gedanken lesen können.
 

„Richtig“, sagte sie und nickte anerkennend. Christopher wurde wütend.

„Vergesst es, ich kann Euch nicht weiterhelfen.“ Er drehte sich um. „Schlagt eine andere Route ein oder…“

„DU drohst mir?“, lachte sie leise auf.

Christopher sah sie über die Schulter hinweg an und knurrte.

„Wenn Ihr mir widersprechen wollt, ja.“ Seine Augen verengten sich zu Schlitzen.
 

Jetzt lachte sie laut auf.

„Das wagst du nicht. Du weißt nicht, wer ich bin, was?“ Ihr Lachen erstarb wieder zu einem Grinsen und sie ging auf ihn zu. Christopher drehte sich abwehrend um.

Die Frau streckte ihre Hand nach ihm aus und berührte sein Gesicht mit zwei Fingern.

„Mein süßer, kleiner Chris“, säuselte sie und sah ihm in die Augen. Dann fiel Christopher augenblicklich in einen tiefen Schlaf und sie fing ihn in ihren Armen auf.

„Leichtgläubiger“, schmunzelte sie und verschwand mit ihm im Schnee.
 


 

„Emily?“ Anna stand augenreibend im Türrahmen und sah Emily am geschlossenen Fenster stehen.

Sie ging auf ihre Freundin zu und gesellte sich neben sie.

„Es hat total viel geschneit. Echt krass.“

„Ja“, seufzte Emily. „Zuviel. Wir sind eingeschneit.“

Anna sah sie erschrocken an und schaute nochmals aus dem Fenster.

„Oh mein Gott…“

Emily ging ein paar Schritte im Zimmer umher. Sie wirkte unruhig und Anna entging das nicht.

„Hey, was ist los? Wir kommen schon noch nach Hause. Die Räumfahrzeuge kommen bestimmt bis morgen Abend, damit wir übermorgen hier wegkommen.“

Emily sah sie missmutig an, lächelte dann aber gespielt.

„Ach, mir ist nur immer noch kalt. Das war aber auch ein Schneesturm.“
 

Anna setzte sich aufs Bett.

„Ja, das ist wahr. Und Tom war so lieb zu mir…“ Sie fasste sich ans Gesicht und seufzte verträumt.

„Aha?“ Emily setzte sich zu ihr und schaute sie neugierig an.

„Jaa … er hielt mich im Arm und meinte, er habe sich Sorgen gemacht und dass ich ihn nie wieder so erschrecken soll.“ Anna wurde rot.

„Und?“, hakte Emily nach.

„Er hat mich gefragt, ob ich dasselbe für ihn empfinden würde, wie er für mich. Und … als ich Ja gesagt habe, hat er mich geküsst … Oh Gott, war das toll!“ Sie ließ sich nach hinten fallen und quietschte aufgeregt.
 

Emily lächelte müde. Sie fühlte einen Anflug von Neid, doch ließ ihn nicht weiter zu.

„Weißt du, er meinte, er liebt mich schon so lange, aber er wollte mir seine Gefühle nicht aufdrängen und die Freundschaft zwischen uns Dreien vielleicht gefährden. Aber da du ja jetzt Chris hast, konnte er es nicht länger für sich behalten. So ein Glück!“

Anna setzte sich wieder auf und grinste Emily glücklich an.
 

„Und, wie läuft es zwischen dir und Chris?“ Sie klatschte Emilys Bein strahlend ab und sah sie erwartungsvoll an. Doch bei Emilys Gesichtsausdruck normalisierte sich ihr Verhalten wieder.

„Eigentlich gut, sehr gut sogar. Aber … wir haben einige interne Schwierigkeiten, die nicht so leicht zu klären sind … Ja, so kann man’s sagen.“

Sie grinste Anna künstlich an.
 

„Ist es der Sex?“, fragte die direkt heraus und fixierte Emily, die rot wurde.

„N-nein, das nicht. Wir haben ja noch gar nicht … also …“ Sie schaute beschämt zu Boden.

Aber Anna erklären, was es mit ihrem Vampirdasein auf sich hatte, konnte sie auch nicht riskieren.

„Es liegt eher an meinen Eltern und seinem Bruder“, berichtigte Emily sich.

„Eine Romeo-und-Julia-Story??“, fragte Anna neugierig und Emily nickte widerstrebend.

„Kann man so sagen, ja.“
 

Anna stand auf und legte die Stirn in Falten (soweit das mit 17 Jahren möglich war).

„Schwierig. Am besten, ihr zieht zusammen! In eine eigene Wohnung. Dann wäre das doch gelöst – Ok, abgesehen vom Geldproblem…“ Sie löste ihre Probleme wie immer auf ihre eigene Weise. Emily grinste.

„Mal schauen“, sagte sie.

„Hm, wo ist Chris eigentlich? Tom ist unten im Aufenthaltsraum, aber den Kerl hab ich nirgends gesehen. Oder versteckst du ihn, weil er nackt ist und ihr eigentlich…?“ Anna kicherte.

„Quatsch!“, entgegnete Emily. „Er … keine Ahnung. Ich hab ihn selbst nicht gesehen.“

Anna nickte.

„Seltsam.“

„Naja, ich geh dann mal wieder zu Tom, ok? Ich wollte ihm unsere erworbenen Heißmacher präsentieren und vielleicht … wird ja was draus.“ Sie zwinkerte ihr zu und ging zur Tür hinaus.

„Aber-“, erwiderte Emily und Anna steckte ihren Kopf nochmals ins Zimmer.

„Aber?“

„Aber seid vorsichtig, wollte ich sagen.“

„Klar!“ Anna grinste und schloss die Tür. Sie trappelte den Flur entlang und war dann nicht mehr zu hören.
 

Emily starrte lange den Boden an. Ihre Gedanken waren weit weg. Würde ihre Zukunft mit Chris auch so rosig werden? Oder war sie geprägt von Unverständnis, Missgunst und Verfolgung von anderen, außenstehenden Personen…? Könnten sie auch so friedlich leben wie normale Menschen?

Was in der kurzen Zeit, seit sie Chris kennengelernt hat, schon alles passiert war, konnte sie kaum glauben. Was würde dann noch folgen!? Noch schlimmer konnte es doch nicht kommen, oder?
 

Ein Knacken ließ Emily aufblicken und sie erschrak, als das Fenster weit geöffnet war und eine Frauengestalt vor ihr auftauchte, die Christopher im Arm hielt.

Sie grinste und warf seinen leblosen Körper auf Emily zu, die erschrocken auf japste, als sie unter Chris‘ Schwere begraben wurde.

„So jung…“, seufzte die Frau und Emily hielt Christopher zitternd im Arm.

„Wer sind Sie? Was haben Sie mit ihm gemacht?“, fragte Emily sie mit bebender Stimme und den Tränen nahe.

Doch die Frau lachte nur genüsslich.

„Er war lecker. Genau richtig. Wenn auch etwas unbekömmlich, da er … naja … sich widersetzt hat und sein Blut irgendwie etwas sauer geworden ist. Aber…“

Sie kam näher auf Emily zu, die sich tiefer ins Bett drückte und streckte ihre Hand nach ihr aus.

„Oh, dieser hasserfüllte Blick!“, bemerkte sie erfreut.

„Du sollst laut ihm besonders gut schmecken…“

Ihre Finger kamen Emilys Gesicht langsam näher und packten sie dann blitzschnell am Kinn.

Doch genauso schnell fuhr ihre Hand wieder zurück und verkrampfte.

„Was war das?“, fragte sie mit geschocktem Gesicht und hielt ihre rechte Hand bedeckt.
 

Emily wusste genau, was passiert war. Sie hatte das leise Zischen genau gehört und wusste, dass sie für ihre Feinde wieder einmal glühend heiß gewesen sein musste. Diese Eigenschaft gefiel ihr langsam und sie machte sie sich zunutze.

Emily legte Christopher sanft aufs Bett und stand auf.

„Wer sind Sie?“, fragte sie mit hasserfülltem Gesicht und kam der Frau näher.

„Ich bin Mary Antonella Fiers und du solltest mir nicht zu nahe kommen, auch wenn du reinblütig bist. Ich greife dich trotzdem an!“

Emily stoppte.

Reinblütig?

Die Frau lachte.

„Du wusstest es nicht? Was bist du denn für eine?“, lachte sie höhnisch.

„Hat man dir das Gedächtnis geraubt? Wie lange lebst du schon? 18 Jahre erst?“ Die Frau las ihre Gedanken ab wie von einem Blatt. Doch Emily versuchte, sich nicht beirren zu lassen.
 

„Dann wirst du mir wohl auch nicht besonders in die Quere kommen können beim Essen, außer, es gibt noch mehr Vampire hier?“, fragte sie gelassen und sah sich um, als würde sie jemanden zu finden hoffen.
 

Emily ballte die Hände zu Fäusten und schrie nun beinahe.

„Sie werden niemanden mehr aussaugen, klar? Hier ist jagdfreies Gebiet! Verschwinden Sie gefälligst!“

Irgendetwas schien der Frau einen dumpfen Schlag verpasst zu haben, da sie wie verdattert zusammengeschrumpft war und Emily furchtvoll ansah.

Die Frau schluckte, nickte, verbeugte sich vor Emily und eilte in die Nacht hinaus.

Nun war Emily an der Reihe, verdattert dreinzuschauen.

So einfach war es, einen Vampir zu verjagen? Das konnte nicht sein, nie und nimmer. Aber was hatte sie denn jetzt anders gemacht? Ihre Haut hatte die Frau nicht erneut berührt … und allein durch Anschreien konnte man sicherlich keine Monster vertreiben…
 

Dann fiel ihr Christopher ein, der immer noch leblos auf dem Bett lag.

Sie vermutete, dass er dringend Blut brauchte und schloss vorsichtshalber die Türe ab, bevor sie sich über ihn beugte und ihn auf den Bauch umdrehte.

„Chris? Chris!“

Sie tätschelte seine Wangen, doch seine Haut war eiskalt.

Konnten Vampiren sterben, indem man ihnen das Blut aussog? Warum hatte Chris sie nicht aufgeklärt!?

„Chris!!“

Langsam wurde Emily panisch. Sie griff nach einer Schere, die auf dem Schreibtisch in einer Box stand und hielt inne. Sich selbst verletzt hatte sie noch nie, aber für Chris …

Doch wo sollte sie sich verletzten? Wo kam am meisten Blut raus, aber so, dass sie nicht verbluten würde?

Sie entschied sich für ihre Armbeuge und kniff die Augen zusammen.

Dann riss sie mit der Klinge ihre Haut auf und fühlte ihr Herz mehr denn je pochen.

‚Für Chris‘, dachte sie immer wieder und hielt ihren Arm, aus dem das Blut hervorquoll, an Christophers Mund. Doch aus dem quoll es ebenfalls hervor. Er schluckte einfach nicht.
 

Emily stockte. Hatte diese Frau ihn wirklich soweit leergesaugt, dass er …? Nein.

„Nein! Chris! Bitte … bitte! Tu mir das nicht an!“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück