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Smile

von

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Smile

Immer wenn ich die Augen schloss, sah ich dich. Du warst allgegenwärtig.

Wenn ich tagsüber meine Wohnung aufräumte, wenn ich einkaufen oder bei der Arbeit war. Wenn ich Nachts versuchte zu schlafen, meine Gedanken auf etwas anderes zu richten versuchte.

Immer dann tauchtest du auf. Dein Gesicht. Deine unendlich traurigen Augen.

So auch heute.
 

Seit Tagen führten meine Gedanken an dich mich zur selben Frage: Warum?

Ich kannte dich nicht, hatte dich nur einmal gesehen. Nur einmal und doch brachte es mich derart aus der Fassung, dass ich an nichts anderes mehr denken konnte, als an dich.

Wahrscheinlich hattest du mich noch nicht einmal gesehen, denn es war nur ein kurzer Augenblick, den unsere Augen aufeinander gerichtet verweilten, ehe du dich abwandtest, weitergingst ohne mich oder irgendetwas oder jemand anderen zu beachten.
 

Entgegen besseren Wissens versuchte ich erneut mich zum Schlaf zu zwingen. Mir war bewusst, dass ich am nächsten Tag aufs Neue schlimm genug aussehen würde, selbst wenn ich es schaffen würde zu schlafen.

Sofort bereute ich diesen Entschluss, denn wieder brachten deine wunderschönen und doch so betrübten Augen mein Herz zum Rasen. Wie sie wohl aussahen, wenn du lächeltest?

Entschlossen schüttelte ich den Kopf, ehe ich ihn zur Seite drehte um die grün leuchtenden Zahlen auf dem Radiowecker neben mir erkennen zu können. Wie ich es befürchtet hatte, zu früh um auf zu stehen und doch zu spät um noch schlaf zu finden.
 

Schweren Herzens trennte ich mich von meinem Bett und beschloss, dass ich mir zuerst eine Tasse Tee machen würde. Vielleicht konnte diese mich zumindest etwas beruhigen.

In Gedanken immer noch bei dir, füllte ich einen kleinen Topf mit etwas Wasser und suchte nach Teebeuteln während dieses begann zu kochen.

Viel zu schnell war der Tee getrunken. Seine Wirkung hatte er komplett verfehlt.

Was hatte ich auch erwartet? Dass er meine Gedanken abschalten konnte, nur weil „Beruhigender Kamillentee“ auf der Packung stand?
 

Genervt von dem Tee, meinen Gedanken und mir selbst warf ich erneut einen Blick auf die Uhr. Warum konnte die Zeit nicht schneller vorübergehen?

Ohne wirklich zu wissen, was ich tun wollte schlüpfte ich in Kleidung die ich auch außerhalb meiner Wohnung tragen konnte, ohne wegen erregung öffentlichen Ärgernisses Jahrzehnte lang eingesperrt zu werden.

Zwar gingen meine Gedanken endlich in andere Richtungen, doch war ich mir nicht sicher, ob es gut wäre diesen neuen Weg zu verfolgen. Es kam doch selten vor, dass so viel Schwachsinn auf einmal in meinem Kopf Platz fand.
 

Ohne Hast zog ich meine Schuhe über die Füße und verließ anschließend die Wohnung.

Als ich an die frische Luft trat spürte ich, wie sämtliche Müdigkeit von mir abfiel. Es war als hätte es diese zahllosen schlaflosen Nächte nie gegeben. Als hätte ich mich niemals selbst verflucht, weil ich nur noch an dich denken konnte. Ich würde mich gut fühlen, wenn mir nicht mit einem Schlag bewusst geworden wäre, weshalb ich mich so fühlte. Weshalb mein gesamter Körper kribbelte und ich einen Tatendrang verspürte, der vergleichbar mit dem eines Kindes war, das unbedingt einen größeren Schatz finden wollte, als sein großer Bruder.
 

Sofort verschwand das Lächeln, das sich unbemerkt in mein Gesicht geschlichen hatte wieder. Ich würde dich auch heute nicht wieder sehen, genauso wenig wie am nächsten oder übernächsten Tag. So wie ich dich auch vor diesem Tag vor genau einer Woche noch nie gesehen hatte.

Es war, als wärst du ein Geist. Eine wunderschöne Illusion, die ich selbst zu verschulden hatte.

Wieder lächelte ich, doch diesmal war mein Lächeln so traurig, wie deine Augen es waren.
 

Ich weiß nicht mehr, wie weit ich gelaufen bin, doch zumindest war ich rechtzeitig in der Arbeit, sodass ich zumindest keine Probleme wegen Verspätung bekam. Ein viel größeres Problem stellte aber schon seit Tagen meine fehlende Konzentration und die daraus folgende Schusseligkeit dar.

Mehr als einmal ließ ich ein Glas fallen, vergaß ich Bestellungen oder brachte falsche Teller zu den Tischen.

Ich mochte es wirklich sehr hier zu arbeiten, doch in letzter Zeit wünschte ich mir beinahe irgendeine Arbeit zu haben, bei der nicht so viel zu Bruch gehen konnte. Aber wenn man kellnerte, ließ es sich nicht umgehen zerbrechliche Dinge sicher von einem Ort zum anderen bringen zu müssen.
 

Nicht nur meine Geschicklichkeit hatte nachgelassen, auch meine Freundlichkeit den Kunden gegenüber. Ich wusste nicht sicher, ob das von Anfang an so war, doch heute bemerkte ich es ganz besonders. Sie waren nicht dumm, bemerkten sofort, dass ich mit meinen Gedanken nicht bei ihnen war, mein Lächeln – wenn ich es denn zustande brachte zu lächeln – glich dem einer leblosen Puppe.
 

Ich war überrascht als ich auch heute ohne ein Wort der Ermahnung davon kam, doch ich nahm es hin und verließ ohne ein Wort des Abschieds meinen Arbeitsplatz.

Wie ferngesteuert trugen meine Beine mich in einen kleinen, doch viel besuchten Park. Dass es regnete bemerkte ich erst, als ich mich auf einer Bank niederließ. Dann hatte es wohl einen Grund, dass beinahe keine Menschen hier waren. Wer war schon verrückt genug, sich bei strömendem Regen ins Freie zu setzen?
 

Bewegungslos saß ich da und starrte ins Leere, meine Gedanken wieder an dich gerichtet. Damit war es wohl so weit, dass ich meine Augen nicht mehr schließen brauchte, um dich zu sehen. Es reichte mir, die undurchdringliche Wand aus Regen anzustarren.

Jeder Tropfen schien dein Gesicht zu haben.
 

Die Zeit verging, der Regen ließ nicht nach. Immer weniger Leute hatten sich blicken lassen, immer schneller waren sie gelaufen. Wohl nach Hause, sie flüchteten vor dem Regen, mochten ihn nicht.

ich mochte ihn. Er ließ mich an dich denken, ohne zu verzweifeln.
 

Eine unbekannte Stimme war es schließlich, die mich aus meinen regnerischen Gedanken riss.

„Warum lächelst du nicht mehr?“

Wer auch immer es war, er war es nicht wert mich umzudrehen. Und doch fragte ich mich, wer es wohl war, der hinter mir stand und mich mit leiser, unsicherer Stimme nach meinem Lächeln fragte. Dem Lächeln, das du mir genommen hattest.
 

Er trat einen Schritt nach vorne, ich konnte ihn nun als undeutlichen Schatten aus den Augenwinkeln erkennen.

„Hat dir der Regen die Stimme weggespült?“

Immer noch klang er unsicher, als wüsste er nicht, ob er überhaupt mit mir sprechen sollte. Ob es richtig war das zu tun.
 

Trotzdem schaffte er es, mich zum Lächeln zu bringen.

„Nein, ich denke nicht“, fiel meine Antwort trotzdem knapp aus. Womöglich hatte ich ihn noch mehr verunsichert, denn eine Weile sagte er nichts mehr.

„Willst du mir sagen, warum du nicht mehr lächelst?“ Beinahe verstand ich seine Worte nicht. Ich wusste nicht wer er war, hatte ihm noch nicht einmal ins Gesicht gesehen und doch verspürte ich einen unglaublichen Drang mich ihm anzuvertrauen.

Entgegen dem, was ich sonst getan hätte folgte ich diesem Gefühl.
 

„Ich muss andauernd an jemanden Denken. Ich kenne ihn nicht, weiß nicht wer er ist, wie er heißt, wie er ist, aber ich muss an ihn denken, Nachts schlafe ich nicht mehr, Tagsüber laufe ich blind durch die Gegend weil ich nicht mehr von ihm los komme. Ich habe ihn doch nur einmal gesehen…“

Ich verstand die Einsamkeit nicht, die mich plötzlich überfiel wie ein Raubtier, doch sie schmerzte beinahe.

„Es ist schade, dass dich jemand so traurig macht. Du hast so ein schönes Lächeln.“
 

Ein leichter Rotschimmer legte sich auf meine Wangen, doch er schien es nicht zu bemerken, denn er sprach gleich weiter.

„Aber ich verstehe dich. Ich muss auch an jemanden denken, den ich nicht kenne.“ Eine solche Sehnsucht lag bei diesen Worten in seiner Stimme, dass mich ein leichter Schauder durchfuhr. Wer war er? Wer konnte so ernst, unsicher und sehnsüchtig zugleich wirken? So erwachsen und verträumt, dass es kaum zu fassen war.
 

Obwohl ich nicht wusste, wie er aussah war er schön für mich. Schön wie nur wenige andere Menschen, weil er war wie er war. Weil er sich überwunden hatte, mich anzusprechen, obwohl er so unsicher war, dass man sein Zittern beinahe hören konnte. Weil er es schaffte, meine Gedanken von dir auf etwas anderes zu lenken. Weil er mich wieder zum Lächeln brachte.
 

Ich spürte seinen Blick, fühlte dass er auf eine Reaktion meinerseits wartete. Doch ich wollte nichts sagen, noch nicht. Langsam wandte ich ihm den Kopf zu, bemerkte erst jetzt, dass er sich neben mir niedergelassen hatte.

Meine Augen glitten über sein Gesicht, sahen den Ausdruck darauf, den Ausdruck in den Augen.

Ich fühlte mich, wie vom Blitz getroffen, als ich in dein Gesicht blickte, mir deine so traurigen Augen so nah waren. Doch endlich begriff ich. Sie waren nicht traurig, nicht betrübt. Sie sind es nie gewesen. Es war die Sehnsucht, die in ihnen stand, eine Sehnsucht so groß, dass sie schwer zu begreifen war, wenn man selbst noch nie so stark gefühlt hatte.
 

Mit einem Mal wusste ich nicht mehr, wie ich mich verhalten sollte. Alles in mit schrie nach Flucht, doch mein Körper weigerte sich zu gehorchen.

Der Schock in meinem Ausdruck hat dich verletzt, das konnte ich dir deutlich ansehen, doch du gingst nicht.

„Es tut mir Leid“, meintest du plötzlich, unsicherer als je zuvor, „Ich wollte mich nicht einmischen.“
 

Mein Körper reagierte von selbst, als du dich erhobst. So schnell hatte ich wohl seit Tagen nicht gehandelt. Innerhalb eines Augenblicks hatte ich dich am Handgelenk gefasst und zurück auf die Bank gezogen. „Ich war nur überrascht. Bleib hier.“

Zögerlich lächelte ich dich an, brachte dich so dazu zu bleiben.

„Du hast mir zugehört. Ich möchte dir auch zuhören, vielleicht kann ich dir helfen.“ Ich glaubte zwar selbst nicht wirklich an den letzten Teil meines Satzes, doch brachte es dich zum Reden.
 

„Zum ersten Mal habe ich ihn vor drei Monaten gesehen. Er sah so glücklich aus, seine Augen strahlten so sehr wie sein Lächeln. Er hat ein wunderschönes Lächeln.“ Dein Blick wurde immer sehnsüchtiger, mit jedem Wort waren deine Wangen etwas roter geworden.

Jede Silbe versetzte mir einen Stich ins Herz.

„Ich weiß nicht wie er heißt, aber als er vor einer Woche aufgehört hat zu lächeln begann ich es zu vermissen. Sein Lächeln und ihn.“
 

Du sahst mir nun direkt in die Augen, als wolltest du mich mit deinem Blick gefangen nehmen.

„Wie heißt du?“, durchbrachst du plötzlich die Stille und es dauerte einen Moment, bis ich mich angesprochen fühlte.

„Kai.“

Ein Zufriedener Ausdruck lag in deinem Gesicht. „Ich bin Aoi.“
 

Langsam, sehr langsam begann ich zu begreifen, doch ich wollte sicher sein, wollte mich nicht täuschen. „Was hast du getan, als du begannst, es zu vermissen?“

„Ich habe ihn gefragt, warum er nicht mehr lächelt. Ich habe mich so dumm angestellt, dass ich ihn dazu gebracht habe zu lächeln, auch wenn es nur ein ganz kleines Lächeln war. Und ich weiß endlich, wie er heißt.“
 

Glück durchströmte mich, als ich dich erneut ansah. Hattest du mir gerade gesagt, dass es dir kein Stück anders erging als mir?

„Ich glaube, du kannst mir helfen.“

Du schienst verwirrt, als du fragtest: „Was meinst du?“

Nun war es an mir unsicher zu sein. Was konnte ich sagen ohne dass es allzu dumm klang? „Du kannst mir helfen, damit ich die Tage wieder klar sehe und nachts Schlaf finde.“
 

Endlich schienst du zu verstehen was ich dir sagen wollte, denn Erkenntnis lag in deinem Blick. „Denkst du denn, dass ich das kann?“ „Ich bin sicher.“

Sachte stupste dein Finger gegen meine Nase, brachte mich dazu mein schönstes Lächeln zu lächeln.
 

Nur für dich.



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