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Jeder für sich

von

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Hinter Dem Ende Der Welt

Wir waren nun in Russland angekommen und hatten in St. Petersburg ein riesiges Open Air Konzert gegeben. Meine Finger taten unglaublich weh, so lange hatte ich noch nie Bass gespielt. Es war ein wirklich bombastischer Auftritt gewesen und wir hatten eben die wohl beste Show seit langem hingelegt.

Dementsprechend erschöpft betrat ich meine Umkleide und ließ mich dort nieder.

Ich bezweifelte, dass die anderen noch vorhatten irgendwo hin zu gehen und das kam mir nur entgegen. Noch eine Feier ohne, und auch nur eine weitere Nacht ohne hätte ich höchstwahrscheinlich nicht überstanden.

Meine Hand griff in die Tasche unter der Bank auf der ich saß und zog ein kleines Päckchen heraus. Ich merkte, wie ich zitterte.

Es war wirklich nötig.

Ich löste die Schnur, die das Papppaket geschlossen hielt und öffnete es. Wie automatisch griffen meine Hände nach dem weißen Paper, formten geübt einen Joint daraus.

Während ich ihn mir zwischen die Lippen steckte, nahm ich mit der anderen Hand ein Feuerzeug heraus, zündete mir das Ding an und nahm einen langen Zug.

Genau das hatte ich gebraucht.

Ich schloss die Augen und lehnte mich gegen die Wand, noch einen Zug nehmend. Langsam beruhigte ich mich wieder, meine Erschöpfung spürte ich nicht mehr.

Genüsslich blies ich den Rauch aus und betrachtete, wie er sich verflüchtigte. Wann hatte ich damit angefangen, Gras zu rauchen?

Ich wusste es schon gar nicht mehr – irgendwann auf einer Party war es gewesen. Ich war nach draußen gegangen und das Mädchen, was mir schon den ganzen Abend gefolgt war, hatte mir was angeboten.

„Hiermit kommst du sogar hinter das Ende der Welt.“, hatte sie gesagt, mit einem Lächeln was kein Zaudern zugelassen hatte.

Und sie hatte Recht behalten. Nach dem ersten Zug war ich weit, sehr weit geflogen.

Bis hinter das Ende der Welt, an einen wunderschönen Ort.
 

Wenn ich so darüber nachdachte – ohne regelmäßige Besuche an diesem Ort würde ich wohl kaum mehr überleben.
 

Dass ich süchtig war, war mir bekannt. Und die Folgen machten sich bereits bemerkbar. Ich wurde aggressiv, wenn ich nichts hatte. Nervös, fürchterlich nervös und aggressiv. Jedes Mal erhöhte ich die Dosis ein Stückchen mehr, sonst konnte ich nicht mehr den Ort voller Ruhe und Harmonie erreichen, das wusste ich.

Ich musste dort hinfliegen.

Mein Leben konnte man nicht mehr wirklich ein Leben nennen – es hatte sich ebenso aufgelöst, wie der Rauch vor meinen Augen. Das Leben als Star ließ nun einmal nicht mehr zu, dass ich glücklich sein konnte.

Jedenfalls nicht ohne.
 

Und noch ein Stich ins Glück, die Wunde bleibt für immer...

Ich musste lächeln.

Bill hatte gewusst, was sich zwischen mir und dem Mädchen abgespielt hatte. Wahrscheinlich hatte er uns beobachtet. Das Lied war eine Reaktion darauf gewesen.

Er war wütend gewesen und hatte sich riesige Sorgen gemacht, dass ich so ende wie das Mädchen im Lied.

Wir hatten nie darüber gesprochen, kein einziges Mal.

Und ich hatte ihm auch nicht gesagt, dass ich diesem Mädchen in seinem Lied ähnlicher geworden war, als er es geahnt hatte.

Ich hatte auch nicht vor, es ihm zu sagen. Es war einfach besser so.
 

Wieder nahm ich einen Zug von meinem Joint. Ohnehin glaubte ich, dass er es nicht mehr verstehen könnte. Dieser Bill, der mir damals wütend das Blatt mit seinem Text hingeworfen hatte und befohlen hatte ich solle es lesen – er war in meinen Augen verschwunden.

Jedem von uns war bekannt, dass unser Sänger den Erfolg nicht verkraftet hatte.

Eigentlich war es uns auch von Anfang an klar gewesen.

Warum hatten wir nicht umgedreht, als wir noch gekonnt hätten?

Darauf wusste wohl keiner eine Antwort.
 

Nachdenklich blickte ich auf den Joint zwischen meinen Fingern.

Keiner von uns konnte mehr aufhören. Wir hatten alle mit dem Erfolg unsere Laster gewonnen, jeder ein anderes. Und mittlerweile war es nur noch Tom, der sich dagegen wehrte, wobei ich glaubte dass auch er diesen Kampf nicht mehr lange durchhalten würde. Wir konnten nicht mehr zurück, dazu waren wir viel zu weit gegangen.
 

Als wir anfingen, an Ruhm zu gewinnen hatte ich mit Gustav eine sehr gute Freundschaft. Ungefähr das, was zwischen Bill und Tom geherrscht hatte. Doch mittlerweile war auch diese Verbindung nur noch eine Erinnerung in der Kategorie „Damals, als wir hätten umdrehen können“.

Gustav hatte angefangen, sich zu verschließen, als Bill angefangen hatte abzuheben. Und damit eine weitere Freundschaft zwischen uns unmöglich gemacht.

Ich war ihm nicht böse.

Wenn er es für besser hielt, sollte er so handeln wie er es tat. Er musste selbst wissen, was gut war und was nicht.

Das mussten wir alle.
 

Ein wenig müde seufzte ich. Ich hatte wirklich genug nachgedacht für heute.

Also schloss ich die Augen, nahm einen weiteren Zug und entspannte mich.

Und flog erneut hinter das Ende der Welt.
 



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