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I still missing you..

von

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I still missing you..

sooo~

nach einem kleinen wunsch von abgemeldet hab ich diese ff hier geschrieben :)

hoffe sie gefällt euch ;)

nyappy!
 

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I still missing you..
 

Ich wusste nicht, wann es war.

Vielleicht beim ersten Blick, den ich wie aus Zufall im richtigen Moment auf den an der Wand hängenden Monitor geworfen hatte, während ich immer und immer wieder den kleinen Ball in meiner Hand auf der leeren Schreibtischplatte aufprallen ließ.

Vielleicht aber schon bereits, als ich den Sportkanal angeschaltet hatte. So, wie eine Vorahnung.

Während meine Lunge urplötzlich beschlossen hatte, für die nächsten paar Augenblicke keinen Sauerstoff mehr zu benötigen, sodass mein Atem gezwungen war auszusetzen, schlug der kleine Muskel, der mich am Leben hielt, rasendschnell in meiner Brust.

Zugleich schien es mir eine Ewigkeit her zu sein, dass ich geblinzelt hatte. Wie denn auch?

Ich glaube, ich hatte einfach Angst, dass das kleine, runde Gesicht, das mir so bekannt war wie mein eigenes, verschwinden würde, wenn ich meinen Blick auch nur einen winzigen Bruchteil einer Sekunde vom Bildschirm abwenden würde.

Obwohl es nur eine Live-Übertragung eines Formel-1-Rennens in der glühenden Wüste Mexikos war und ich mich zudem noch einige Meter vor dem winzigen Bildschirm befand, den mein doch etwas geiziger Chef netterweise in diesem staubigen Büro aufgestellt hatte, konnte ich die winzigen Schweißperlen auf seiner Stirn sehen, die von dort über sein Gesicht rannen. Die wasserstoffblonden Haare glänzten in der prallen Sonne.

Unter den Arm geklemmt hielt er einen roten Helm, passend zu seinem Rennanzug – ich begann allein beim Ansehen dieses Anzuges zu schwitzen, obwohl es draußen bitterkalt war.

Während er mit erschöpfter und doch euphorischer Stimme auf die Fragen des Moderators einging, von dem er nach seinem Sieg für ein Interview abgefangen worden war.

Regungslos hockte ich auf meinem Stuhl, während in mir alte Erinnerungen hochkamen, die ich bisher erfolgreich versucht hatte zu verdrängen.

Es war fast genau zwei Jahre her, dass wir gemeinsam musiziert, auf der Bühne gestanden, die Menschen um einiges glücklicher gemacht haben.

Ein leichtes Lächeln glitt mir auf die Lippen, als ich daran dachte, wie erfolgreich unsere Band Antic Café doch gewesen war. Wochenlang hatten es viele Singles und Alben in die Charts geschafft und auch heute noch, zwei Jahre nach der Komplettauflösung der Band, war der Name Antic Café jedem in Japan ein Begriff.

Als Bou plötzlich bekannt gegeben hatte, dass er aussteigen wolle, war ich geschockt gewesen. Natürlich hatte ich versucht, mit ihm zu reden, doch vergeblich. Und ein Antic Café ohne den kleinen, niedlichen Blondschopf an meiner Seite konnte ich mir einfach nicht vorstellen.

Meine anderen Bandkollegen Teruki und Kanon waren der gleichen Meinung und somit war es beschlossene Sache, erst einmal mit der Musik aufzuhören.

Zu den beiden habe ich noch Kontakt, sie haben ebenfalls einen langweiligen Büro-Job ergattern können und arbeiten wie meine Wenigkeit nebenbei noch als Model.

Aber dass Bou ein berühmter und erfolgreicher Rennfahrer geworden war, hätte ich nie für möglich gehalten.

Damals, direkt nach unserer Auflösung, war er nach Amerika abgereist, ohne mir ein Wort davon zu sagen. Eines Morgens hatte ich seinen Brief vor meiner Tür gefunden, in der er sich verabschiedete und meinte, er würde sich melden.

Zwei verdammte Jahre habe ich auf seinen Anruf gewartet, aber vergebens.
 

Einige Tage waren nun vergangen, seit ich den kleinen Blondschopf im Fernsehen wiedergesehen hatte. Ich weiß, dass ich mich über diesen Zufall freuen sollte, schließlich habe ich ihn zwei Jahre lang nicht gesehen. Aber zugleich fragte ich mich ängstlich, ob er mich nicht längst vergessen hatte. Wer hatte denn bitte geschrieben, dass er sich melden würde?

„Sag mal, was ist eigentlich mit dir los? Du siehst so niedergeschlagen aus“, fragte der Schwarzhaarige neben mir, der gerade ein Fotoshooting hinter sich hatte und sich nun abschminkte. Eigentlich hatte ich heute keinen Termin, ich war nur zum Zusehen gekommen.

Ich räkelte mich in dem kleinen weißen Drehsessel und blickte düster auf den hellen Boden, um dem besorgten Blick auszuweichen, den Kanon über den Spiegel auf mich richtete. „Hmm…ich habe Bou wiedergesehen.“

Kanon, der gerade an seinem rechten Auge den Kajal wegwischen wollte, ließ alles fallen und wandte sich zu seinem Freund um. „Du hast Bou gesehen?“ Er sah ihn überrascht an. „Wo denn? Ich dachte, er wäre in Amerika.“

Ich gab ein gequältes Seufzen von mir. „Natürlich ist er noch in Amerika“, erklärte ich. „Also…denke ich zumindest. Ich habe ihn letztens im Fernsehen per Zufall entdeckt. Er hat beim Formel1-Rennen in Mexiko mitgemacht und auch gewonnen.“

Kanon runzelte die Stirn. „Hat er deswegen unseren Traum von einer erfolgreichen Band zerstört? Um Rennfahrer zu werden?“ Seine Stimme wurde immer wütender.

„Nein, ganz bestimmt nicht“, verteidigte ich den Blondschopf schnell. Doch gleichzeitig fragte ich mich, warum ich das eigentlich tat. „Erstens waren wir schon erfolgreich und zweitens…zweitens…“ Ich schwieg, da mir kein Grund einfiel, wieso Bou Rennfahrer werden sollte.

Obwohl…

Bou und ich kennen uns schon seit dem Kindergarten.

Damals kam eines Tages völlig unerwartet ein kleiner Junge neu in unseren Kindergarten im Dorf. Ich weiß es noch genau, denn ich stand mit einem Spielzeugauto in der Hand am Tor und starrte den Fremdling an, der sich ängstlich an das Hosenbein seiner Mutter klammerte.

Es hatte doch tatsächlich fast eine Ewigkeit gedauert, bis er sich endlich traute, hereinzukommen.

Da er etwas Geheimnisvolles an sich hatte, das ich nicht hatte erklären können, war ich auf ihn zugegangen und hatte ihm ein kleines Rennauto in die Hand gedrückt.

Erneut gab ich einen Seufzer von mir und streckte mich auf dem Drehsessel aus. Desinteressiert sah ich Kanon weiter beim Abschminken zu.

„Miku, tu mir bitte einen Gefallen“, sagte der Schwarzhaarige nach einem Moment und warf mir einen warnenden Blick zu. „Wenn du auch nur noch einmal seufzt, dann kann ich nicht anders, als dich durchzukitzeln!“

Panisch sprang ich auf und hastete vorsichtshalber an die gegenüberliegende Wand, weit weg von Kanon.

Dieser grinste frech. „Geht doch.“
 

„Uhm…Kanon?“

„Miku?“ Der Schwarzhaarige wandte seinen Blick nicht von der Straße ab und hielt das Lenkrad seines Toyotas ruhig in seinen Händen.

„Ich…kann ich dich mal was fragen?“

Kanon nickte und schaltete den Scheibenwischer auf die kleinste Stufe, da er zu regnen angefangen hatte.

„Was soll ich jetzt machen? Ich meine, du weißt, wie gern ich ihn wiedersehen möchte“, sagte ich und blickte nachdenklich aus dem Fenster. Das Dunkel der Nacht und die leuchtenden Reklamen hatten etwas Einschläferndes.

„Ja, das weiß ich“, entgegnete Kanon. „Aber da du mir von deinen starken Gefühlen zu ihm erzählt hast, weiß ich auch, wie schlimm eine erneute Abfuhr wäre.“

„Hey, was heißt hier eine erneute Abfuhr?“, rief ich entrüstet. „Ich habe es ihm nie gesagt!“

„Hat er dir nicht geschrieben, er würde sich melden?“, fragte Kanon. „Und? Hat er das? Vermutlich hat er dich…uns…schon längst vergessen.“ Düster starrte er auf die Straße und ich bemerkte, dass er ein wenig schneller aus erlaubt fuhr. „Mein Gott. Wenn ich den noch einmal in die Finger bekomme, dann kann er was erleben! Er ist schließlich Schuld daran, dass du seit zwei Jahren nicht mehr so bist, wie vorher.“

„Was ist denn mit dir? Du hättest doch auch am liebsten noch weitergemacht“, meinte ich ruhig. Ich wollte keinen Streit anfangen.

„Ja, und ich kann jederzeit wieder mit dem Bass anfangen und in einer Band spielen. Und du kannst auch in jeder Band singen. Antic Café ist Geschichte, das können wir nicht mehr ändern.“

„Aber, Kanon…“ Allein bei diesem Satz musste ich mit den Tränen kämpfen. „So was kannst du doch nicht sagen. Ich will nicht singen, wenn Bou nicht bei mir ist, und das weißt du auch.“

Dieses Mal war es der Schwarzhaarige, der ein tiefes Seufzen von sich gab. „Ich meinte eigentlich auch nicht die Musik.“ Plötzlich lächelte er mich aufmunternd an. „Komm mit zu mir. Ich helfe dir beim Suchen.“

„Nani?“ Verdattert starrte ich ihn an. Hatte ich einen Filmriss oder so was?

„Na, wir suchen jetzt die Adresse von dem Verein raus, wo Bou arbeitet und du schreibst einen Brief an ihn, dass er gefälligst nach Japan kommen soll.“ Kanon bog nach rechts in eine kleine Straße ein. „Du musst ihm doch endlich mal sagen, wie sehr du ihn eigentlich magst.“
 

So kam es, dass ich mich mit Kanon, meinem besten Freund, auf die Suche nach Bou machte.

Doch hundertprozentig dabei war ich nicht wirklich und hörte auch kaum zu, was der Schwarzhaarige neben mir stundenlang erzählte, nachdem er die Internetseite geöffnet hatte.

Ich denke, das lag daran, dass ich mich wohl nur gezwungenermaßen auf die Suche nach dem kleinen Blondschopf machte. Denn ich hatte ihn ja zwei lange Jahre nicht gesehen und bis vor wenigen Tagen kein Lebenszeichen von ihm bekommen. Ich hatte Angst, dass er mich nicht mehr mochte. Dass er mich vielleicht sogar schon vergessen hatte.

Aber ein kleiner Teil in mir brachte mein Herz dazu, mein Blut schneller als gewöhnlich durch die Adern zu pumpen. Entweder lag dies an der Aufregung oder aber daran, dass ich Bou womöglich bald wiedersah.

„Hier, ich denke ich hab’s“, sagte Kanon nach etwa dreistündiger Suche.

Ich schreckte hoch, denn ich war vor lauter Müdigkeit mit dem Kopf neben Kanons Laptop auf dem Schreibtisch eingeschlafen. Okay, wir hatten bis in die Nacht hineingearbeitet, da war es kein Wunder.

Verschlafen blickte ich auf den flimmernden Bildschirm. Kanon hatte dort mit Hilfe seiner Maus eine Adresse blau hinterlegt. „Meinst du, da können wir ihn erreichen?“, fragte ich ihn und sah ihn skeptisch an.

Dieser nickte. „Ich denke schon. Das ist die Adresse von Bous Rennverein, die werden den Brief bestimmt weiterleiten.“

„Hmm…“

So ganz geheuer war mir die ganze Aktion noch nicht.

Sollte ich ihm wirklich einen Brief schreiben? Hallo, Bou! Wie geht’s dir? Schade, dass du dich nicht bei mir gemeldet hast, aber nach zwei Jahren dachte ich mal, ich melde mich einfach mal bei dir! …nee, das konnte ich doch nicht wirklich schreiben! Oder??

„Mach’s doch einfach“, forderte Kanon auf, als hätte er meine Gedanken gelesen. „Es kann doch nur besser werden. Und er hat dich ganz bestimmt nicht vergessen.“

„Wieso hat er sich denn dann nicht bei mir gemeldet?“, wollte ich daraufhin wissen und blickte griesgrämig auf die Adresse.

Kanon zuckte mit den Schultern. „Vielleicht wollte er erst einmal Zeit für sich haben oder fühlte sich durch uns zurückerinnert an Antic Café. Frag ihn doch einfach.“
 

Keine zwei Minuten bekam ich ein weißes Blatt vorgesetzt und mir wurde ein silbern glänzender Kugelschreiber in die Hand gedrückt. Völlig unkreativ starrte ich auf das Blatt, während mir alles Mögliche durch den Kopf schoss, nur Ideen, was ich denn nun schreiben könnte, fehlten.

Hinter mir ertönte ein leises Klicken und ich drehte mich zu Kanon um, der gerade einen Schlüssel aus der Tür zog. „So“, sagte er und wedelte mit dem besagten Objekt vor meiner Nase rum. „Du kommst hier erst raus, wenn du was Ordentliches zu Papier gebracht hast.“

Widerwillig wandte ich mich wieder meiner Aufgabe zu und versuchte, Kanon zu ignorieren, der es sich hinter mir auf dem Bett gemütlich gemacht hatte. Es hätte keinen Sinn gehabt, mich zu wehren.

Ich wollte Bou ja wiedersehen, aber dazu musste ich ihm erst einmal einen Brief schreiben…
 

Hey Bou-chan!

Na? Kennst du mich noch? Ich bin’s, der kleine und nervige Miku!

Ich habe dich neulich im Fernsehen entdeckt und sofort sind alte Erinnerungen hochgekommen. Es ist schön, dass du jetzt bei Formel-1 bekannt geworden bist und ich freue mich für dich. Ehrlich.

Aber wenn ich nicht durch puren Zufall den Sportkanal eingeschaltet hätte, wüsste ich jetzt immer noch nicht, was du nun machst.

Das ist irgendwie traurig…

Du hast in deinem Abschiedsbrief geschrieben dass du dich schon melden würdest. Zwei Jahre habe ich darauf gewartet. Zwei Jahre, die endlos lang waren. Hast du uns schon vergessen? Hast du mich etwa vergessen?

Ich hoffe so sehr das du es nicht getan hast.

Ich werde dir nur verzeihen, wenn du dich sofort in den nächstbesten Flieger setzt und hierher kommst!! Denn ich habe seit zwei Jahren nicht mehr gesungen…nur wegen dir.

Also, wehe du kommst nicht her!

Dann komme ich nämlich eigenhändig nach Amerika und mach dir die Hölle heiß!!

Bis dann,
 

Dein kleiner und nerviger Miku

o( ≧∀≦)o
 


 

Kurz darauf habe ich den Brief in den nächstbesten Briefkasten geworfen und bin nach Hause gegangen. Na ja, was man halt zu Hause nennen kann, denn ich wohne in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in einen etwas heruntergekommenen Wohnblock.

Aber immerhin habe ich ein Dach über den Kopf, warm Wasser, ein Herd und ein gemütliches Bett. Was wollte man mehr?

Sofort fing ich an, meine Wohnung auf Vordermann zu bringen, denn diese sah so aus, als wäre hier eine Splittergranate hochgegangen. Überall konnte man dreckiges Geschirr finden und benutzte Klamotten lagen verteilt auf dem verstaubten Boden, der zusätzlich noch von veralteten Zeitschriften über Mode und Musik bedeckt war.

Wie man sicherlich merken konnte, war ich nicht gerade der ordentlichste Typ.

Aber irgendwo musste Bou ja schlafen, wenn er kam und dann will ich wenigstens einen guten Eindruck machen. Also machte ich mit klopfendem Herzen an die Arbeit.

Denn Bou würde kommen, da war ich mir sicher.
 

Seitdem wartete ich jeden Tag stundenlang auf eine Antwort. Ich ließ mein Handy niemals aus den Augen und selbst bei der Arbeit starrte ich auf das dunkle Display, in der Hoffnung, dass es jede Sekunde aufleuchten würde.

Als ich dann am vierten Tag, nachdem ich den Brief weggeschickt habe, beim Fotoshooting vor der Kamera stand, drückte ich mein Mobiltelefon Kanon in die Hand, der mir zuguckte.

Jeder Gedanke, jeder Augenblick galt in meinen Gedanken dem kleinen Blondschopf, den ich bald wiedersehen würde.

Ich wusste, warum ich so aufgeregt war. Warum ich es kaum abwarten konnte, ihn nach verdammten zwei Jahren wieder zu sehen. Warum mein wild klopfendes Herz meine Brust zuschnürte und mir die Luft nahm.

Ich hatte dieses seltsame und schmerzhafte Gefühl kurz nach Bous Abreise in den Tiefen meines Herzens entdeckt…

Nach dem Shooting gab Kanon mir das Handy wieder zurück. Dankend steckte ich es ein, doch nicht ohne vorher zu kontrollieren, ob nicht doch jemand angerufen hatte.

„Warum guckst du ständig auf dein Handy?“, fragte Kanon ein wenig genervt, denn ich hatte den kleinen Apparat in meiner Tasche in den letzten vier Tagen mehr Aufmerksamkeit geschenkt als meinem besten Freund. „Bou kann dich so gar nicht erreichen. Du hast doch deine Nummer vor ein paar Monaten ändern müssen.“

„Ach, stimmt ja…“
 

Das sorgte dafür, dass ich in den nächsten Tagen nicht mehr so verstärkt auf mein Handy achtete. Allerdings verbrachte ich dafür mehr Zeit in meiner kleinen Wohnung, auf dem Sofa wartend, wenn ich nicht bei der Arbeit oder im Studio war.

Auf was ich wartete, wusste ich selbst nicht.

Pausenlos schoss mir die gleiche Frage durch den Kopf, während ich gedankenverloren auf die verschlossene Tür blickte: Wusste er eigentlich, wo ich wohnte?
 

Das schmerzhafte Gefühl in meiner Brust wurde von Tag zu Tag schlimmer.

Unruhig wanderte ich im Zimmer auf und ab, aß wenig. Die Tür ließ ich nicht aus den Augen, ich schlief sogar auf der Couch, um sie im Blick zu haben. Wenn ich denn schlafen konnte.

Ständig fragte ich mich das Gleiche: Hatte er den Brief schon bekommen?
 

Am zehnten Tag nach dem Briefeinwurf hatte ich wieder ein Fotoshooting mit Kanon zusammen. Vollkommen ausgemergelt und verschlafen betrat ich die Maske und setzte mich sofort auf meinen Platz, um mich zu schminken.

Kanon, der in der hinteren Ecke bei den Kostümen mit einer Mitarbeiterin in ein Gespräch über sein nächstes Outfit vertieft war, kam auf mich zu. „Hey“, sagte er, beugte sich vor und umarmte mich von hinten.

„Hey“, erwiderte ich den Gruß und genoss die wohltuende Umarmung. Unwillkürlich stellte ich mir vor, dass es nicht Kanons Arme waren, sondern die Bous. Ich seufzte innerlich.

Hätte ich ihn doch nie im Fernsehen erkannt…

Kanon ließ von mir ab und setzte sich hinter mich, da er schon fertig war. Da ich nun ungestört war, machte ich mich daran, meine Augen dezent zu schminken.

„Du solltest mehr schlafen.“ Ich hob meinen Kopf ein wenig und bemerkte, dass ich vom Schwarzhaarigen beobachtet wurde. „Dann musst du dir auch keine Augenringe wegschminken.“ Er lächelte leicht. „Ist nur ein kleiner Tipp.“

Teilnahmslos zuckte ich mit den Achseln und wandte mich wieder meinen Augen zu.

Kanon wusste zwar, was ich in Wahrheit für den Blondschopf empfand, doch was wohl gerade in mir abging, das konnte er nicht verstehen. Und er brauchte es auch nicht zu wissen.

Ich seufzte leicht.

Ob er mich schon vergessen hatte?
 

Achtzehn Tage war es nun schon her.

War mein Brief überhaupt angekommen?

Ich lag auf meiner Couch, den Blick Richtung Lehne gerichtet, die Beine angewinkelt. Die Tür beobachtete ich schon lange nicht mehr. Es brachte doch eh nichts. Außerdem würde ich im Fall der unwahrscheinlichsten Fälle schon die Klingel hören.

Hatte er Zeit, um zu kommen?

Mit einer Hand hielt ich mein wild klopfendes und schmerzerfülltes Herz.

Wieso nur musste ich ihn im Fernsehen entdecken? Ich hatte es doch fast geschafft, meine Gefühle zu leugnen.

Doch das, was ich empfand, war seit der Sendung jeden Tag, jede einzelne Sekunde, stärker geworden. Es tat so weh, dass ich kaum noch atmen konnte.

Wollte er vielleicht auch gar nicht kommen?

Plötzlich liefen mir die Tränen unaufhaltsam das Gesicht hinunter. Ich machte erst gar keine Anstalten, sie zurückzuhalten. Denn dazu hatte ich keine Kraft, ich fühlte einfach nur noch den immer größer werdenden Schmerz.

Bewegungslos lag ich auf der Couch und weinte leise vor mich hin, nicht imstande, nach meinem Handy zu greifen, das pausenlos vibrierte. Es würde eh nur Kanon sein, der sich mit mir treffen wollte.
 

Ich wusste nicht, wie lange ich da gelegen hatte.

Es konnte eine Stunde gewesen sein, vielleicht auch zwei. Mein Zeitgefühl ließ echt zu wünschen übrig.

Doch eines weiß ich heute noch ganz genau.

Ich habe dort gelegen, bis es an der Tür geklingelt hatte.

Sofort bin ich zur Tür gehastet. Dabei stieß ich mir das Bein an der Kante der Kommode, auf dem der Fernseher stand. Mein Puls musste wohl in dem Moment auf hundertachtzig gewesen sein.

Ich riss die Tür auf und blieb einen Bruchteil einer Sekunde wie angewurzelt stehen.

Mein Gegenüber war in eine dicke Ski-Jacke eingehüllt und hatte sich einen schwarzen Schal schützend um den Hals gewickelt. Aber er sah genau so aus, wie ich ihn in Erinnerung hatte.

Klein, zierliche Gestalt und wasserstoffblonde Haare, die ihm bis über die Schultern reichten.

„Bou!“, quietschte ich begeistert auf und fiel ihm stürmisch um den Hals.

Dieser stolperte ein paar Schritte zurück, doch auch er schlang die Arme um mich.

Zufrieden seufzend sog ich den angenehmen Duft ein, den seine dünnen Haare verströmten. Ich genoss es einfach, in seinen Armen zu liegen.

Der Schmerz in meiner Brust war nicht mehr da und mir wurde schlagartig warm ums Herz, welches aufgeregt, aber doch angenehm, in mir schlug.

„Wollen wir nicht reingehen?“, flüsterte mir die Stimme leise ins Ohr, die ich seit Jahren nicht mehr gehört und so sehr vermisst habe.

Ich griff nach seiner kleinen Hand und zog ihn in meine Wohnung. Allerdings musste ich mich schon fast dazu zwingen, seine Hand wieder loszulassen.

„Uhm…willst du deine Jacke nicht lieber ausziehen?“, fragte ich. Ein wenig schüchtern war ich noch, schließlich habe ich ihn lange nicht mehr gesehen. Es war ungewohnt, ihn so plötzlich vor mir stehen zu sehen.

Doch zugleich war es ein unbeschreibliches Gefühl, das dadurch ins Unermessliche gesteigert wurde, dass er mich sanft anlächelte. Er zog seine Jacke aus und ich hängte sie an den Haken neben der Tür, direkt neben meine.

„Setz dich doch“, sagte ich zu ihm und deutete auf die Couch. „Ich mache uns einen warmen Kakao.“
 

Keine zwei Minuten später kam ich mit zwei Tassen wieder, aus denen es verführerisch dampfte. Eine drückte ich dem Blonden in die Hand und setzte mich neben ihn, wobei ich unbewusst ein Stück zwischen uns frei gelassen hatte.

Schweigen erfüllte den Raum.

Beide lenkten wir uns damit ab, an unserem Kakao zu nippen oder den aufsteigenden Dampf zu beobachten. Mein Herz raste vor Nervosität so sehr, dass es fast schon wieder schmerzhaft war.

Ich wollte so gerne etwas sagen, aber ich wusste nicht, was.

Zwei Jahre lang habe ich mir ausgemalt, was ich wohl zu ihm sagen würde, wenn wir uns das nächste Mal wiedersahen. Doch es war, als hätte jemand in meinem Kopf den Knopf zum Löschen gedrückt.

„Miku-chan.“

Der sanfte und doch direkte Unterton in Bous Stimme brachte mein Blut in Wallung. Mir war schon fast zu warm.

Ich sah ihn an und unsere Blicke trafen sich.

Wie lange war es wohl her, dass ich in solch tiefe und geheimnisvolle Augen geblickt habe wie diese hier.

„Sag mal…hast du etwa geweint?“ In seinem Blick lag etwas, das ich als Besorgnis erkannte.

Wieso nur machte er sich Sorgen um mich? Wer war es denn, der sich nicht gemeldet hatte, obwohl er es versprochen hatte? Und wer war es wohl, der für meine Tränen verantwortlich war?

Ich wich seinem Blick aus und fühlte mich plötzlich unwohl, der Dampf vor mir schien auf einmal sehr interessant zu sein.

Ich war wohl kein großer Meister, meine Gedanken zu verstecken, denn Bou stellte seine Tasse ab und rutschte näher an mich heran.

„Hör mal“, begann er und zögerte kurz. „Es tut mir schrecklich Leid, dass ich mich nicht bei dir gemeldet habe. Und auch, dass ich mich nicht richtig bei dir verabschiedet habe. Es war nicht richtig und glaube mir, ich habe ein richtig schlechtes Gewissen.“

„Warum?“, fragte ich und kämpfte mit den Tränen. Wenn er doch selbst wusste, dass es ein Fehler war, wieso hatte er ihn denn dann erst begangen? „Jeden verdammten Tag habe ich auf eine Nachricht von dir gewartet. Jeden verdammten Tag“, wiederholte ich mich. „Irgendwann habe ich aufgehört zu warten und einfach nur noch gehofft. Dann habe ich mich gefragt, ob du mich nicht schon vergessen hättest.“

Bou nahm mir die warme Tasse aus der Hand und stellte sie leise auf dem Tisch ab, bevor er mich behutsam, aber doch bestimmt, in seine Arme zog. Mein Herz machte einen kleinen Hüpfer.

„Wie kann ich dich denn vergessen?“, sagte Bou leise. Seine Stimme kitzelte sanft in meinem Ohr. Er drückte mich fester an sich. Unwillkürlich erschrak ich, denn nun merkte ich, wie dünn er eigentlich war. „Ich kenne dich, seit ich denken kann. Du hast mich immer aufgemuntert, wenn es mir mal nicht so gut ging. Du warst immer lieb zu mir und hast mich nie verletzt. Am meisten habe ich deine lustige Art vermisst. Es tut mir schrecklich Leid, ich weiß, dass ich es nicht mehr rückgängig machen kann. Aber ich habe mich sofort, nachdem ich deinen Brief gelesen habe, nach Japan aufgemacht. Sag mal…warum hast du eigentlich eine falsche Adresse hinten auf den Brief geschrieben? Ich bin bei Kanon gelandet!“

Verlegen lächelte ich ihn an. „Ups. Das war ein Versehen.“ Jetzt wusste ich, warum mein Handy vorhin vibriert hatte. Kanon hatte mich offenbar vorwarnen wollen.

„Miku. Du bist doch das Beste, war mir je passiert ist.“

Wenn der kleine Blondschopf doch nur wüsste, wie viel mir das bedeutete.

Ich schlang meine Arme um ihn presste mich an seinen zierlichen Körper. Nie wieder wollte ich ihn loslassen, ihn am Liebsten für immer und ewig festhalten. Ich schloss meine Augen und legte den Kopf auf seine schmale Schulter. Seine Haare kitzelten angenehm in meinem Gesicht. „Bou…“ Ich spürte, wie ich wieder anfing zu weinen und hoffte, dass Bou es nicht mitbekam. „Wieso bist zu Rennfahrer geworden?“

Bou lachte kurz auf. „Es hat sich irgendwie so ergeben. Ich bin über meinen Großonkel in das Geschäft gekommen, er leitet nämlich den Rennstall, wo ich jetzt bin. Es macht mir zwar Spaß, aber die Musik hat mir viel besser gefallen.“ Ich hörte seine Niedergeschlagenheit aus seiner Stimme heraus.

„Aber du wolltest doch aussteigen“, erinnerte ich ihn. Ich löste unsere Umarmung und sah ihn verwirrt an. Unsere Blicke trafen sich und Bou wischte mir sanft die Tränen weg.

„Ich…“, begann er, stockte aber. Er seufzte und sah verlegen weg. „Also…wen ich ehrlich bin, war es nicht wegen der Musik.“

„Weswegen denn dann?“ Gespannt wartete ich auf eine Antwort. Bou hatte damals gesagt, er hätte andere Interessen als die Musik gefunden. Wieso hatte er uns angelogen? Wir waren doch seine Bandkollegen und hatten ein Recht darauf, den wahren Grund zu kennen.

„Uhm….“ Bou schien mit sich selbst zu ringen, was er nun sagen sollte. Nach einem Augenblick der Stille sah er mich verlegen an. „Kann ich dich mal was fragen, Miku-chan?“

Ich nickte. „Klar, das kannst du doch immer.“

„Okay, ich möchte aber eine ehrliche Antwort haben.“

„Gut, wieso sollte ich auch lügen?“, fragte ich und war nun völlig irritiert.

„Also…was empfindest du für mich?“ Er sah mich mit ernstem Blick an.

„Was?“ Verdattert starrte ich ihn an und ich merkte, wie ich rot anlief. Mein Herz klopfte so schnell in meiner Brust, dass ich schon Angst hatte, es würde zerplatzen. Wie kam Bou darauf, mich das zu fragen?

„Miku, bitte.“ Schon fast verzweifelt sah er mich an. „Du hast mich schon verstanden, also antworte jetzt auch.“

Völlig versteinert saß ich neben ihm auf der Couch, unsere Knie berührten sich leicht. Mein Kopf war wie leer gefegt. Ich blickte direkt in seine dunklen Augen, die für mich schon immer etwas Faszinierendes an sich hatten. Doch heute lag noch etwas anderes in seinem Blick, das ich als tiefste Traurigkeit erkannte.

Ich öffnete meinen Mund, um dem Blondschopf mein Herz auszuschütten, wie sehr ich ihn doch mochte, doch dieser war schneller. „Ich habe dich sehr gern, Miku-chan“, sagte er und wich meinem Blick aus. „Wenn ich ehrlich bin, hatte ich Angst, mich bei dir zu melden. Zunächst hatte ich kaum Zeit dazu, weil ich von morgens bis abends beschäftigt war. Dann habe ich mich nicht mehr getraut. Dabei will ich dich doch nicht verlieren.“ Er sah mich wieder an. „Willst du wissen, warum ich gegangen bin? Warum ich so weit weg von Japan wollte?“

Ich nickte. „Natürlich will ich das“, sagte ich leise. Was für eine dumme Frage!

„Sei mir aber bitte nicht böse, Miku-chan“, flehte er mich an. „Ich habe die Band nämlich wegen dir verlassen.“

„Was?“ Entsetzt starrte ich ihn an. Ich wusste nicht, ob ich wütend oder traurig sein sollte. „Aber Bou! Was habe ich denn getan, dass du gegangen bist? Hast du eben nicht noch selbst gesagt, dass ich dich noch nie verletzt hätte? Warum hast du nicht mit mir geredet? Woher soll ich denn wissen, dass dich etwas stört, wenn du mir nichts sagst? Ich - “

„Hey.“ Bou brachte mich zum Verstummen, indem er mir einen Finger auf die Lippen legte. Er sah mir genau in die Augen. „Ich hatte damals nicht den Mumm dazu, es dir zu sagen. Es war so schmerzhaft in deiner Nähe zu sein, dass ich gegangen bin.“

Mit einem kleinen Wink wischte ich seine Hand fort. „Mir was zu sagen?“, hakte ich ungeduldig nach.

Bou seufzte und holte tief Luft. „Wenn ich ehrlich bin, habe ich dich mehr als nur sehr gern. Es geht mir schon seit Jahren so, seit wir die Band zusammen gegründet haben.“

„Und wie?“

Bou pattete mich und sah mich schon fast böse an. „Mensch, tust du nur so oder kapierst du es wirklich nicht?“, rief er. „Ich liebe dich, verdammt. Und jetzt starr mich nicht so an, es hat mir sehr viel Kraft gekostet, es dir so direkt ins Gesicht zu sagen.“

„Wie starre ich dich denn an?“, fragte ich ihn und mir entging keine einzige Bewegung seiner Gesichtsmuskeln, und sei sie auch noch so klein.

Traurig wandte er seinen Blick ab. „Ich weiß, wie absurd meine Gefühle für dich sind und ich schäme mich dafür. Aber, wenn es möglich ist, möchte ich, dass wir trotzdem Freunde bleiben.“

„Ich will aber nicht, dass wir Freunde bleiben“, sagte ich und schubste ihn an den Schultern, sodass er rücklings auf die Couch fiel. Ich beugte mich über ihn und sah ihm in die Augen, bevor ich meinen Blick auf seine schön geformten Lippen heftete. Mein Herz klopfte wild, denn meine Gefühle wurden doch tatsächlich erwidert! „Ich will mehr als das“, flüsterte ich. Mit meinem Kopf wanderte ich immer tiefer, bis sich unsere Nasenspitzen beinahe berührten. Ich wollte endlich wissen, wie es sich anfühlte, ihn zu küssen, und konnte nicht länger warten.

Vorsichtig legte ich meine Lippen auf die seinen. Sie fühlten sich weich an und sanft verstärkte ich den Druck. Mein Herz hüpfte vor Aufregung, als der Kleine unter mir meinen Kuss zaghaft erwiderte und seine Arme um mich schlang.

Wie sehr hatte ich diesen Moment doch herbeigesehnt, in dem der Blonde nur mir gehören würde…



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  chiyo-
2009-09-15T14:37:10+00:00 15.09.2009 16:37
Waaah♥ das ist sooooo toll *-*
Und mit der ich-perspektive wirkt es so als wäre man selbst miku^^ mein herz hat an ein paar stellen richtig mit gehüpft xD

chiyo-
Von:  Rukii
2009-09-13T15:57:00+00:00 13.09.2009 17:57
ah das ist total toll geschrieben.
hab richtig mit miku mitgefühlt!
aber es ist ja alles gut gegangen ^-^
so und jetz schreib fleißig weiter!!

LG
Von:  -Chi-
2009-09-02T20:59:57+00:00 02.09.2009 22:59
Wie süß das ist
Das ist echt toll geschrieben
man hat richtig mit miku mitgefühlt
Du solltest öfter Geschichten aus der Ich-perspektive schreiben, man versetzt sich total in die person rein =)
vllt fällt dir ja i-wann mal etwas zu Kanon/Takuya ein xD

Aufjedenfall find ich die ff toll
Also immer schön weiter schreiben
*knuff*
^_____________^
Von:  Haidogirl
2009-08-27T10:49:35+00:00 27.08.2009 12:49
Ahhh das ist total süß und schön! Ich liebe Happy End!! *o*
Obwohl ich ja am Anfang dachte, Kanon verliebt sih in ihn *lolol*

Schreib doch bitte noch mehr von Miku-Chan!

LG <333333
Von: abgemeldet
2009-08-25T07:49:45+00:00 25.08.2009 09:49
Hach ich fühle mich so geehrt,
nur für mich geschrieben *___*
hach Schatz du bist die beste <3
*rumhops*
jaja der urplötzlich verschwundene Bou xD
*ihn wieder entdeckt habZ*
*rumhibbel*
Ach das is einfach nur sweetz <33
ich liebe deinen Schreibstil ja sowieso ne?
hach ja <33
einfach nur wunder wunder wunderschön *A*
ich kanns miku total nachfühlen,
wie er sich fühlt...
nach den ganzen Jahren ihn wieder zu entdecken!
du schreibst das immer so,
als würde man selbst in Miku's Haut stecken :3~
ich kann einfach nur schwärmen & dich loben <3
*smile*
mach einfach weiter so!
und das wir noch ganz viel von dir lesen *~*

*cookies hinstell*
*smile*
*dich umplüsch*
<33


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