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Due mondi [Tsuna X Reader]

Ein langer Weg
von

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Alptraum

Nach Tagen und Wochen der Sehnsucht, die sich wie Jahre angefühlt haben, hältst du Tsuna endlich wieder im Arm, und es ist so gar nicht, wie es eigentlich sein sollte. Es ist kein schöner Moment der Zweisamkeit, kein stilles Umarmen und Lieben und Glücklichsein. Aber das ist nicht so schlimm, denn trotzdem ist es richtig, was du hier tust. Es ist Trostspenden für einen Menschen, der mit seinen Kräften am Ende ist. Es ist das mindeste, was du tun kannst.

Noch immer lehnt er an dir, dein Arm liegt fest an seinem Rücken und du hältst ihn fest, schweigst und bist einfach da. Es gibt nichts Sinnvolles zu sagen. Du bist sicher, dass Tsuna selbst weiß, dass er weitermachen muss, dass die Familie auf ihn zählt und dass Kyoko nicht gewollt hätte, dass er ihretwegen aufgibt. Du bist sogar verdammt sicher, dass er das weiß. Aber er ist noch nicht so weit, er braucht noch Trauerzeit, und das verstehst du. Du willst ihn in dieser Zeit nur nicht allein lassen. Du willst, dass er nie vergisst, dass du im Zweifel für ihn da sein willst. Du willst beweisen, dass du das kannst – ihm, und dir selbst.

»Ich hab das alles schon einmal geträumt«, sagt er irgendwann. Seine Stimme ist noch immer fürchterlich heiser und du beißt dir auf die Unterlippe, weil wenigstens einer von euch beiden jetzt stark sein muss. »Ich weiß nicht, ob sie in dem Traum damals wirklich tot war… aber sie war weg. Ich konnte sie nirgends finden und sie ist nie wieder aufgetaucht. Alle waren traurig und Ryohei war wütend auf mich, weil ich nicht auf sie aufgepasst habe. Ich konnte Haru nicht trösten, weil ich selbst so durcheinander war, und dann … haben wir alle versucht, ohne sie weiterzumachen. Und es war so schwer.« Er erzittert unter deiner Hand. Du schließt deinen Arm etwas fester um ihn. »So verdammt schwer.«

Du überlegst, ob es irgendeine Erfahrung gibt, die du mit ihm teilen kannst. Irgendetwas, was du ihm erzählen kannst, damit er mit seinem Alptraum nicht allein ist, etwas aus deiner eigenen Alptraumsammlung – aber dann wird dir klar, dass es nichts gibt, was nun an seine Gefühle herankommt. Du hast nichts Ähnliches erlebt, und selbst wenn, wäre es sicherlich nicht tröstend für ihn, weil du dich nie so gefühlt hast wie er sich jetzt fühlt und dich auch nie so fühlen wirst.

»Bisher…«, sagt er leise. »Bisher war es immer anders. Ich… Ich hatte schon so viele Alpträume. So unendlich viele über den… d-den Tod von meinen Freunden, meiner Familie, oder mir selbst. Ich hab das alles schon so oft geträumt, aber es… es ist bisher nie wahr geworden. Wir haben es immer irgendwie geschafft, den Alptraum zu verhindern. Wir haben immer dafür gekämpft, wir sind sogar in die Zukunft gereist dafür, und am Ende haben wir es immer gepackt. Meine Alpträume sind nie Realität geworden… Nur dieser eine.«

Du setzt an, etwas zu sagen, aber dann vergräbt er seinen Kopf in deiner Halsbeuge, seine struppigen Haare streifen dein Gesicht und dein Herzschlag beschleunigt so plötzlich, dass es fast wehtut.

»Ich hab sie am Ende nicht mehr geliebt«, murmelt er, »aber ich mochte sie trotzdem so furchtbar gerne. Sie war so ein beeindruckender Mensch, sie hatte ein erfülltes Leben verdient… Ich wollte Gast auf ihrer Hochzeit sein, und ihre Kinder kennen lernen, ich… Ich wollte, dass sie alt und glücklich stirbt. N-Nicht so. Ich wollte, dass dieser Alptraum nie wahr wird.«

Mit schweren Augenlidern starrst du geradeaus. Die Luft um euch herum wird langsam kühler, die Glühwürmchen haben sich in die Büsche verzogen. »Manche Alpträume«, sagst du ruhig, »werden eben wahr. Das ist nichts, was irgendjemand ändern könnte.«

Du hörst ihn die Nase hochziehen und streichst vorsichtig mit den Fingern über seine Schulter. »Du weißt über sowas Bescheid…«, nuschelt er. »Deine Eltern sind tot, richtig?«

Das hattest du ihm vor Ewigkeiten in einem Restaurant in Palermo erzählt. »Ich hab sie nie wirklich gekannt«, sagst du und lächelst schwach. »Aber ich arbeite in der Varia. Ich kenne mich mit Alpträumen aus. Wir haben sie alle und wir versuchen alle, sie zu bekämpfen, aber manchmal… Manchmal ist das Leben einfach nicht auf deiner Seite. Manchmal läuft es schief und du kannst nichts dagegen tun. Manchmal gibst du dir die größte Mühe, alles richtig zu machen, und dann kommt irgendein Arschloch und macht alles kaputt.« Du schluckst leise, und dann musst du glucksen. »Wahrscheinlich ist das gerade alles andere als tröstend«, fährst du fort. »Aber das ist es, was ich bisher über das Leben gelernt habe. Es tanzt nicht nach deiner Pfeife. Wenn es dich zerstören will, dann tut es das meistens auch. Manche sind stark genug, dagegen anzukämpfen, manche schaffen es einfach nicht. Und egal, wie viel Mühe du dir gibst, deine schlimmsten Alpträume werden irgendwann zur Realität und du stehst ganz allein vor der Aufgabe, das zu verkraften. Das ist eine Lektion, die wir alle früher oder später auf die harte Tour lernen müssen.«

Und plötzlich denkst du, dass es wohl das hier ist, was eure Welten so verschieden macht. Der hoffnungsvolle Tsuna trifft auf das abgebrühte Varia-Mitglied. Und entweder wird das alles zerstören, oder es wird, irgendwann, eure Beziehung ausmachen.

»Du bist grausam«, flüstert er.

Du lächelst. »Ich weiß«, flüsterst du.



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