Zum Inhalt der Seite

Blood Moon - Bis(s) in alle Ewigkeit

Fortsetzung von Rising Sun - Bis(s) das Licht der Sonne erstrahlt
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

[Jacob] Warten auf ein Wunder

Disclaimer:

=> Ich verdiene kein Geld mit meiner Fanfiction.

=> Alle Charaktere die schon in den Twilight-Bänden ihren Auftritt hatten, gehören Stephenie Meyer. Alle Anderen, wie etwa Schüler, Lehrer und vor allem Renesmees und Jakes Kinder, habe ich selbst erfunden.
 

Weitere Infos zur FF, Trailer, Cover & mehr

http://www.chaela.info
 

---------
 

Kapitel 10

Warten auf ein Wunder
 

[Jacob]
 

„Wir haben alle unsere Zeitmaschinen. Unsere Erinnerungen lassen uns in die Vergangenheit reisen und in die Zukunft entführen uns die Träume.“

Das war ein Zitat, das ich mal in einem Film gehört hatte. Aber welcher Traum sollte das sein? Die Albträume, die mich plagten, wann immer ich es doch mal schaffte zu schlafen oder die Wunschträume, die mit jedem Tag mehr und mehr verblassten, während die Verzweiflung stieg. Und das nicht nur bei mir. Sondern bei allen.
 

Seth hatte das Kinn auf die Tischplatte gelegt und starrte seine Tasse an, während er sie im Kreis drehte. Der Kaffee darin, schwappte hin und her und würde sicher bald über den Rand laufen.

„Möchtest du auch einen Kaffee, Jake?“, fragte Bella, während sie das verbrauchte Kaffee-Pad im Müll entsorgte.

„Ja, danke“, antwortete ich, ohne den Blick von Seths drehender Kaffeetasse abzuwenden. Im Hintergrund hörte ich, wie Bella die Dose mit den Pads öffnete, eines davon in die Maschine legte, die Abdeckung schloss und anschließend auf den Startknopf drückte. Dann verstaute sie die Dose wieder im Schrank und wand sich an Seth.

„Gehst du nachher mit Mariella jagen?“

„Wohl kaum“, antwortete er müde und seufzte. Normalerweise verabscheute meine Tochter menschliche Nahrung und zog es vor, Tiere zu jagen, doch es war zu einem Ding der Unmöglichkeit geworden, Mariella und Nessie aus Carlisles Arbeitszimmer wegzubekommen. Sie waren nun beide auf menschliche Kost umgestiegen und aßen ohne zu murren alles, was man ihnen vorsetzte. Und wenn es noch so eklig schmeckte. Sie schienen nicht mal richtig Notiz von dem zu nehmen, was auf ihrem Teller lag. Hauptsache sie verhungerten nicht völlig, während sie Anis Herzmonitor anstarrten und dem immer gleichen monotonen Piepgeräusch lauschten.

„Okay“, sagte Bella. „Dann werd ich nachher für die zwei was kochen.“

„Brauchst du nicht. Kann ich machen“, meinte Seth. Früher hätte er sich als einstiger Koch gefreut, wenn Mariella seine Kreationen gegessen hätte, heute sah ich ihn nur noch bedrückt in seinem Topf rum rühren.

Im ganzen Haus war eine solche Stimmung permanent spürbar. Es war zudem ungewohnt still und regelrecht unheimlich. Da Emmett und Rose noch immer unterwegs waren, blieb auch das Geräusch des laufenden Fernsehers aus.

„Haben Alice und Jasper eigentlich inzwischen die Vampire gefunden, die sie suchen sollten?“, fragte Seth, als ob er meine Gedanken gelesen hätte.

Bella schüttelte den Kopf. Da Alice Gabe die einzige unserer Fähigkeiten war, die einigermaßen nützlich war, wenn es darum ging, Personen ausfindig zu machen, deren Aufenthaltsort man nicht kannte, hatte Carlisle sie losgeschickt, um die Nomaden zu finden. Von allen Vampiren, die Carlisle kannte, waren die Nomaden wohl mit Abstand am meisten herumgekommen und die Chance, dass sie etwas über ein mögliches Gegengift wussten, war entsprechend hoch.

Doch Seths Mittagessen stand gerade noch auf dem Herd und 'zog nach' – wie er es nannte –, da stand eine andere Gruppe Vampire in unserem Wohnzimmer und unterhielt sich angeregt mit Carlisle, Edward und Bella. Sie waren mir alles andere als unbekannt, schließlich waren sie auch gekommen, als es darum gegangen war, Renesmee zu schützen.

„Schön, dass ihr so schnell kommen konntet“, sagte Carlisle gerade, als ich das Wohnzimmer betrat. 'Schnell', wiederholte ich in Gedanken. Von Vampirspeed hatte ich mir in diesen Tagen eigentlich mehr erhofft, als sieben Tage zu warten.

„Wir sind auch sehr froh darüber, euch wiederzusehen“, sagte eine Vampirin mit dunkelbraunem Haar.

„Leider sind die Umstände unseres Wiedersehens nicht sonderlich erfreulich“, fügte einer der zwei männliche Vampire in der Gruppe hinzu.

Carlisle nickte und lächelte dabei sanft, dann wand er seinen Blick plötzlich zu mir. „Jacob“, sagte er und deutete mir mit der Hand an, dass ich zu ihm herüberkommen sollte. „Das sind die Denalis. Vielleicht erinnerst du dich noch an sie.“

Ich nickte. Nur die Namen waren mir selbstverständlich nach vierzig Jahren entfallen, doch Carlisle half mir auf die Sprünge. „Das sind Tanya, ihre Schwester Kate und deren Gefährte Garrett.“ Das Pärchen und deren offensichtliche Anführerin mit rotblondem Haar, lächelte mich an. „Und das hier sind Eleazar und Carmen.“ Auch die übrigen zwei lächelten ruhig. Sie alle hatten bernsteinfarbene Augen, was es für mich leichter machte, ihnen ihr Lächeln abzunehmen.

„Es tut mir sehr Leid, was mit deinen Kindern passiert ist“, sagte Eleazar.

„Wir haben unsere Mutter und unsere Schwester ebenfalls durch die Hand der Volturi sterben sehen und kennen den Schmerz, den du gerade durchleben musst“, fügte Tanya hinzu.

Ich antwortete nichts und beließ es bei einem Nicken, damit sie wussten, dass ihre Beileidsbekundungen bei mir ankam.

„Ist es in Ordnung für dich, wenn ich Eleazar und Carmen zu Anthony lasse?“, fragte Carlisle umsichtig. Ich empfand die Frage zwar als durchaus korrekt, aber auch überflüssig. Sie waren extra deswegen hergekommen und eventuell dazu in der Lage uns zu helfen, warum sollte ich sie also nicht lassen? Ich nickte erneut und begleitete die Vampire nach oben. Als wir die Tür zu Carlisles Arbeitszimmer öffneten, stand Nessie schlagartig von ihrem Stuhl auf und starrte uns an. Es bestand kein Zweifel daran, dass wir sie gerade aus ihrer Trance gerissen hatten. Ihre Augen glänzten und vereinzelte Tränen kullerten über ihre Wange.

„Nessie, das sind Freunde von Carlisle“, klärte ich meine Frau auf. Nessie sah die beiden noch immer etwas nervös an und schien über den plötzlichen Besuch erschrocken. Sie versuchte, ihre Tränen rasch mit dem Handrücken wegzuwischen.

„Du bist groß geworden, bebé linda“, sagte Carmen und trat näher an Renesmee heran. Mariella stellte sich neben ihre Mutter und nahm deren Hand. „Hallo“, sagte sie, ebenfalls etwas reserviert. Der Besuch schien den beiden zu missfallen. Sie wussten wahrscheinlich, dass die Vampire nur helfen wollten, doch das Leben, dass durch den höheren Geräuschpegel und die um herlaufenden Personen in den Raum eingekehrt war, war für sie ungewohnt.

Eleazar stellte sich neben Ani und musterte ihn. Im Augenwinkel sah ich, wie Renesmee ihn mit Argwohn beobachtete. „Eine interessante Variation der Gabe seiner Großmutter“, meinte der Vampir mit dem dunkelbraunen Haar.

„Was?“, fragte Nessie.

„Eleazar besitzt die Fähigkeit Talente zu erkennen“, klärte Edward sie auf.

„Ach so“, antwortete Nessie.

Eleazar schenkte ihr ein zartes Lächeln, doch in Nessies Gesicht konnte ich keine Veränderung wahrnehmen. Sie sah ihn mit einer Mischung aus Trauer, Misstrauen und vielleicht auch Wut an. „Seine Gabe konnte ihm gegen Caius aber auch nicht helfen“, sagte sie verbittert. Ich hatte den Drang, sofort zu ihr zu gehen und sie in meine Arme zu schließen, doch ich spürte, dass ihr Körperkontakt gerade nicht sonderlich wohl war.

Eleazar nickte gedankenverloren. „Das ist bedauerlich aber wahr. Seine Gabe ist, wie die meisten unserer Talente, nur eine Illusion. Ein Trugbild.“

„Eleazar“, riss Carlisle die beiden aus ihrem Gespräch. Eleazar wand sich Carlisle zu und sah ihn fragend an. „In all den Jahren deines Lebens, ist dir irgendwann mal zu Ohren gekommen, ob jemand versucht hat, ein Gegenmittel für das Vampirgift zu finden?“

Alle Personen im Raum beobachteten gespannt Eleazars Reaktion. Teilweise konnte ich leichte Hoffnungsschimmer erkennen – die aber jäh zerschlagen wurden. Eleazar schüttelte den Kopf.

„Nein, niemand“, sagte er.

„Und in deiner Zeit bei den Volturi“, fragte nun Edward. „Da konntest du dir doch sicher als Leibwache ein gutes Bild von Aro machen. Meinst du, er hätte vielleicht Interesse daran gehabt, ein solches Mittel zu entwickeln?“

Wieder schüttelte er den Kopf. „Nein, es tut mir leid, aber das bezweifle ich stark. Aro ist nur daran interessiert, starke Talente für seinen Zirkel zu gewinnen. Nicht aber Verwandlungen zu stoppen oder rückgängig zu machen.“

Nessie setzte sich wieder auf ihren Stuhl, vergrub ihr Gesicht in Anis Bettdecke und begann zu schluchzen. Ich hielt es nicht aus, mich von ihr fernzuhalten, kniete mich neben sie und strich ihr über den Rücken.

„Es tut mir wirklich sehr leid“, betonte Eleazar erneut.

„Das muss es nicht“, erklärte Carlisle. „Ihr seid den weiten Weg zu uns gekommen, um uns zu helfen. Das bedeutet uns sehr viel.“
 

Carlisle und Edward begleiteten die Vampire nach unten. Ich blieb oben bei Nessie und versuchte weiter sie zu beruhigen. Plötzlich spürte ich Mariellas warme Hand auf meiner Schulter. „Du solltest auch mit runtergehen und sie verabschieden. Ich kümmere mich um Mommy.“ Meine Tochter lächelte mich freundlich an. Vielleicht hatte sie recht.

Unten im Wohnzimmer war die Verabschiedung bereits in vollem Gange.

„Bitte informiert uns, sobald es etwas Neues gibt“, bat Tanya.

„Wir werden uns melden“, versprach Edward.

Plötzlich ging die Tür auf und Esme kam mit einem Brief in der Hand herein. Schlagartig starrten alle sie an. Auch ich fixierte mit einem Mal das Papier. Ich hatte keine Zweifel, was den Absender anging. Diesen Geruch verband ich mit Tod. Die Volturi.

„Der war im Briefkasten“, sagte sie nur und überreichte Carlisle das Schriftstück. Er öffnete es sorgfältig. Das Papier war sehr dick und hochwertig, ganz so, wie man es von der falschen, mörderischen Vampirsippe gewöhnt war.

„Darf ich?“, fragte ich ungeduldig und griff nach dem Brief. Carlisle ließ ihn los.

Die Zeilen, die der Blutsauger verfasst hatte, waren mit schwarzen dicken Lettern geschrieben worden:

Ich bedauere sehr, was kürzlich geschah.

In der Hoffnung, dass der junge Anthony wohlauf ist,

Aro
 

„Wohlauf“, hallten die Worte in meinem Kopf wieder.

Ich spürte, wie meine Hände zu zittern begannen, spürte, wie sie das Papier zerreißen wollten, ebenso, wie ich den Blutsauger zerreißen wollte. Jede Faser seines Körpers, jedes Haar, jede Zelle wollte ich ihm einzeln genüsslich vom Körper schälen.

„Jacob“, rief Edward mich an. Ich sah auf und bemerkte, dass mich die Vampire allesamt anstarrten.

„Gib ihn lieber wieder mir“, riet Carlisle und nahm das Schriftstück wieder an sich. Warum sie den Papierfetzen in Sicherheit wissen wollten, war mir ein Rätsel, aber es war mir auch egal. Ich wollte sie, sie alle, nicht das von ihnen besudelte Papier.

„Jacob“, sagte Edward erneut. „Es ist in Ordnung und es ist verständlich. Aber bitte lass dich von diesen Gefühlen nicht beherrschen. Du weißt, wohin sie Anthony gebracht haben.“

Ich funkelte ihn nur kurz an. Ja, ich wusste, wohin sie geführt hatten. Aber ich wusste, dass ich im Falle des Falles nicht so enden würde. Ich würde wahrscheinlich direkt tot umfallen. Und das war wahrscheinlich auch besser so.

„Jake?“, fragte Edward nun. Sein Tonfall war nicht mehr länger mahnend. Es schwang etwas Unsicherheit mit. Ich machte einen verächtlichen Ton, drehte mich um und marschierte wieder die Treppen in Carlisles Arbeitszimmer hinauf, wo ich die Tür derart grob aufriss, dass Nessie erneut erschrocken aufsah. Ich schloss sie wieder hinter mir und lief direkt geradeaus durchs Zimmer Richtung Fenster, wo ich meine Stirn gegen die kühle Scheibe legte und die Augen schloss.

„Daddy?“, fragte Mariella unsicher. Ich hatte meine Tochter deutlich vernommen, aber ich verspürte gerade weder die Lust, noch die Kraft, ihr zu antworten. Ich wollte einfach nur an diese kühle Glasscheibe denken, gegen die ich gerade meine Stirn drückte.

„Jake?“, schaltete sich nun auch Nessie ein. Ich drehte mich müde um und ließ mich an der Wand entlang rutschen, bis ich auf dem Boden saß. Ich spürte die Rillen des Heizkörpers hinter mir. Die Unebenheiten waren ungemütlich, aber ich blieb dennoch sitzen und ließ meinen Kopf sinken. Bis auf das Schlagen der Herzen im Raum und das immer gleiche Piepen, hörte ich einige Minuten gar nichts mehr.

Ich fühlte mich kraftlos, ausgezehrt. Es waren jetzt sieben Tage. Drei blieben also noch. Nur drei. Und ich konnte nichts tun, um zu helfen. Ich musste praktisch dabei zusehen, wie mein Kind langsam starb und wie meine Frau, ebenso wie meine Tochter und ich selbst, von der Verzweiflung darüber aufgefressen wurden. Es zehrte an unseren Nerven, an unserer Kraft, an unserer Seele. Und bis jetzt gab es noch nicht mal den kleinsten Hoffnungsschimmer am Horizont. Edward und Carlisle hatten keinerlei Erfolge gehabt. Keiner der fremden Vampire, zu denen wir bisher Kontakt aufbauen konnten, wusste etwas und Rose , Emmett, Alice und Jasper waren noch immer unterwegs. Es war aussichtslos. Ich winkelte die Knie an und vergrub mein Gesicht darin. Während ich die umliegenden Geräusche nur noch gedämpft vernahm, hörte ich meinen eigenen Atem und mein eigenes Herz nun deutlicher. Doch ich spürte genau, wie jemand den Raum verließ. Und dann... dann spürte ich, wie eine vertraute Hand mein schwarzes Haar streichelte. Ich sah mit feuchten Augen auf und blickte in Renesmees schönes, trauriges, wundervolles Gesicht. Die Tränen taten ihrer Schönheit keinen Abbruch. Sie war noch immer wie ein Engel für mich.

„Entschuldige...“, sagte ich. Ich zog die Nase hoch und wischte meine eigenen Tränen weg.

„Mhm?“, fragte Nessie.

„Ich sollte eigentlich stark sein und dir Kraft und Halt geben, aber stattdessen sitze ich hier rum und heule vor mich hin.“

Nessie schüttelte den Kopf und lächelte sanft. Sie setzte sich neben mich und legte ihren Kopf an meine Schulter. „Ist schon in Ordnung, Jake.“

Ich küsste ihr bronzefarbenes Haar, dann sah sie zu mir hoch. Sie hob ihre bleiche Hand und streichelte über mein rostrotes Gesicht. Mit dem Daumen wischte sie eine einsame noch übrig gebliebene Träne weg, dann setzte sie sich etwas auf, um mich zu küssen. Ich erwiderte ihren Kuss und spürte, wie ihrer feuriger wurde. Ich legte meine Hände an ihre Hüfte und zog sie zu mir auf den Schoß. Nachdem sich unsere Lippen voneinander gelöst hatten, blieb sie dort, schloss die Augen und legte ihren Kopf an meine Brust. Ich streichelte weiter ihr Haar, ihren Nacken und ihren Rücken, bis ihr Atem gleichmäßiger wurde. Sie war eingeschlafen.

Ich sah nach oben zu unserem Sohn, der noch immer regungslos im Bett lag. Ich fragte mich, ob er träumte und wenn ja, welcher Art seine Träume waren. Ich hoffte, dass ihm das starke Medikament wenigstens einen ruhigen sanften Schlaf bescherte. Vielleicht war er jetzt gerade in einer anderen Welt. Vielleicht einer Art Paralleluniversum. Ein Ort, an dem die letzten dreißig Jahre anders verlaufen waren. Vielleicht war er aber auch ein Mensch. Oder ein vollwertiger Vampir. Oder ein Gestaltwandler. Ich hatte ihn nie danach gefragt, wie er mit seiner Art eigentlich zurecht gekommen war. Ob er sich je gewünscht hatte, etwas anderes zu sein...

Wenn ich so darüber nachdachte, konnte ich mich nicht daran erinnern, jemals ein tiefsinniges Gespräch mit ihm geführt zu haben, als er erwachsen war. Wir hatten eigentlich nur nebeneinanderher gelebt. Ich hatte mich darüber aufgeregt, wenn er sich mal wieder tagelang nicht hatte blicken lassen oder wenn er zu spät zu Terminen gekommen war, aber wenn er mal da gewesen war, dann hatte ich mich, um ehrlich zu sein, auch nicht sonderlich viel für ihn interessiert. Er war eben da gewesen. Ich war nie auf den Gedanken gekommen, dass er vielleicht gerade deswegen so häufig nicht da gewesen war. Jetzt erst begriff ich, wie paradox es für ihn gewesen sein musste. Ich hatte mit ihm geschimpft, weil er nicht da war, aber wenn er da war, hatte ich mich nicht für ihn interessiert.

Wenn ich ihn so schlafen sah, wurde mir umso stärker bewusst, dass ich eigentlich kaum was über mein Kind wusste. Was war zum Beispiel sein Lieblingsessen? Gab es etwas was ihm Angst machte oder Spaß? Warum besuchte er nach dreißig Jahren immer noch die Schule, während seiner Schwester das Schulbankdrücken irgendwann zu langweilig geworden war?

Ich hätte mir wahrscheinlich noch tagelang neue Fragen stellen können, auf die ich keine Antwort wusste, aber irgendwann versank auch ich in einen traumlosen Schlaf...

Am nächsten Morgen wurde ich vom einfallenden Licht der Morgensonne geweckt. Ich saß an die Wand gelehnt auf dem Boden, Nessie schlief mit dem Kopf auf meinem Schoß, während sie die Beine angezogen hatte. Ich zog vorsichtig meine Jacke und mein Shirt aus und schob sie unter Nessies Kopf, damit sie nicht aufwachte, dann erhob ich mich leise und drückte auf den kleinen roten Knopf an der Wand. Nahezu geräuschlos fuhren die Rollläden nach unten und dunkelten den Raum ab. Ich warf noch einen Blick auf Renesmee, auf deren Gesicht die Streifen des Sonnenlichts langsam verschwanden. Sie sah so friedlich aus, während sie schlief. Ich hoffte, dass sie ihre Sorgen für einen Moment vergessen konnte und lächelte, ehe ich nach vorn zu Anthonys Bett lief. Noch immer war da dieses monotone Piepen, die vielen Zahlen auf dem Monitor, die mir nichts sagten und die zuckenden Kurven, die mir genauso wenig einleuchteten. Und dann fiel mein Blick auf den dünnen durchsichtigen Schlauch, durch den die Tropfen der klaren Flüssigkeit lief, die der Beutel, der neben Anis Bett an einem Haken hing, verlor. Ich hob die Handfläche unter den Schlauch und strich mit dem Daumen darüber. Es fühlte sich kalt und glatt an. Was würde wohl passieren, wenn ich ihn jetzt umfassen und herausziehen würde? Was würde so eine kleine Bewegung für eine Welle in Gang setzen? Für den Bruchteil weniger Sekunden blitzten die Bilder vor meinem inneren Auge. Der Schlauch, wie er herausgezogen wurde; Ani, wie er sich vor Schmerzen krümmte; das schreckliche permanente Piepen, verursacht durch ein nicht mehr schlagendes Herz. Ich kniff die Augen zu und nahm meine Hand wieder zurück. Ich spürte ein furchtbares kurzes Stechen in der Brust und wollte die Bilder aus meinem Kopf herausbekommen.

„Was tust du da?“ Nessie stand auf einmal neben mir. Ich sah zu ihr hinunter. Ihr Blick war ernst, fast wütend.

„I-ich. Gar nichts“, antwortete ich. Hatte sie gesehen, dass ich den Schlauch berührt hatte? Was ging in ihrem Kopf vor. Konnte sie wirklich glauben, dass ich...?

„Du traust mir das nicht wirklich zu?“, fragte ich nach. Renesmee antwortete nichts und sah mich weiter böse an.

„Nessie, so was würde ich niemals tun!“, beteuerte ich.

Sie verschränkte die Arme und wand ihren Blick ab.

Ich umschloss ihre Oberarme mit meinen Händen und sah sie eindringlich an. „Nessie, du kannst mir immer noch vertrauen. Er ist mein Kind. Ich würde das niemals... niemals tun!“

Langsam wanderten ihre Augen zu mir und füllten sich mit Tränen.

„Nessie?“, fragte ich. Ihre Lippen begannen zu zittern. Sie schluchzte und drückte ihr Gesicht mit einem Mal an meine nackte Brust.

„Es tut mir leid“, wimmerte sie. „Ich weiß gerade gar nicht mehr, was ich noch denken und glauben soll.“

„Scht... scht...“, versuchte ich, sie zu beruhigen und strich ihr durchs Haar, während ich sie sanft hin und her wog. „Ist schon okay.“

Langsam löste sie sich wieder von mir und sah zu Ani. „Ich... ich hab es dir nicht erzählt“, begann sie leise zu sprechen. „Aber am Tag vor unserer Hochzeit hat Alice mir Tarotkarten gelegt, weil sie meine Zukunft ja ansonsten nicht sehen kann. Die Karten für Vergangenheit und Gegenwart waren durchweg gut, aber die... die Karte, die etwas über meine Zukunft sagte... war der Teufel.“

Ich hatte mich noch nie mit Esoterik beschäftigt und wenn ich nicht selbst ein Werwolf wäre, würde ich es wahrscheinlich sogar als Schwachsinn abtun. Ich wusste nicht, was genau die Karte bedeutete, aber ich wusste, dass sie in jedem Fall wohl negativ war. „Warum hast du mir nie davon erzählt?“, fragte ich.

„Ich dachte, es sei nicht notwendig“, antwortete Renesmee traurig. „Alice meinte das, worauf sich die Karte bezog, könnte Jahrzehnte dauern, ehe es in Erscheinung treten würde. Und das es sich nicht unbedingt um Krankheit oder Tod handeln müsste.“

Sie machte eine Pause. Langsam ging sie zu Anis Kopfende und strich ihm über die Stirn. „Aber ich bin mir jetzt ziemlich sicher, dass die Karte das hier meinte. Sie hat mich schon damals davor gewarnt und ich habe die Warnung einfach ignoriert.“

„Nessie... was hätte es dir gebracht permanent Angst zu haben, dass etwas geschieht, was auf einem Stück Pappe steht?“

„Du verstehst es nicht, Jake“, sagte sie und drehte sich zu mir um. „Ich hätte es sehen können, ich hätte es verhindern können.“

„Was sehen? Was verhindern?“ Ich verstand nicht.

„Das hier“, sagte sie und deutete auf Anthony. „Und noch soviel mehr.“

„Und wie hättest du das anstellen sollen?“

Sie überlegte kurz. „Erinnerst du dich noch an den Moment auf dem Bootsdeck?“

„Vor unseren Flitterwochen, ja“, antwortete ich.

„Wo war William, als wir uns verabschiedet haben?“, fragte sie.

Ich musste einen Moment überlegen und versuchte die Erinnerung zu visualisieren, damit sich für mich ein richtiges Bild ergab. „Auf Leahs Arm“, sagte ich dann.

„Und wo war Mariella?“, fragte sie nun.

„Auf Seths Arm“, kam es von mir wie aus der Pistole geschossen. Wo hätte sie auch anders sein sollen?

„Und wo war Anthony?“, stellte sie nun die entscheidende Frage.

Diesmal musste ich wieder überlegen, aber dann erinnerte ich mich daran, dass Nessie sich zu ihm hinunter gekniet und ihn umarmt hatte. „Er... er stand auf dem Bootsdeck.“

Es war die richtige Antwort, da war ich mir sicher, aber ich stand noch immer etwas auf dem Schlauch und war dementsprechend verwirrt, als Nessies Unterlippe wieder zu zittern begann.

„Genau“, sagte sie. Ihre Stimme war, durch den kläglichen Versuch nicht zu weinen, sehr hoch. „Er stand da. Er hatte keinen Seth. Keine Leah.“

Damit hatte sie durchaus Recht, trotzdem verstand ich nicht, was die Prägung mit der Warnung der Tarot-Karte zu tun hatte. Inwiefern hätte sie da etwas bewirken können?

„Du kannst doch nichts dafür, dass er sich nicht geprägt hat. Vielleicht kann er sich ja gar nicht prägen.“

„Darum geht es nicht“, warf sie empört ein. „Man braucht keine Prägung, um glücklich zu werden. Meine Eltern sind der beste Beweis. Es geht mir darum, dass er immer allein war. Will war immer bei Leah, Mariella immer bei Seth. Er muss das doch gesehen haben. Er muss sich schrecklich ungeliebt gefühlt haben, weil er niemanden hatte. Er hat es doch als kleines Kind wahrscheinlich gar nicht verstanden. Er muss den Fehler bei sich gesehen haben, Jake.“

„Als Kind vielleicht“, antwortete ich. „Aber als er älter wurde, hat er doch gewusst, warum die Dinge so sind, wie sie sind. Er hatte ja nicht mal Interesse daran, sich zu prägen.“

„Woher willst du das wissen?“, fragte sie weinend.

Ich wollte etwas kontern – aber die Worte blieben mir im Hals stecken. Ich erinnerte mich an die Zeit, in der ich selbst noch nicht geprägt war. Ich hatte die Prägung als krankhaft empfunden, als etwas, das einem den freien Willen nahm. Ich hatte immer vorgegeben, nie geprägt werden zu wollen. Aber tief im Innern, sehnte ich mich danach. Ich wollte geprägt werden, um den Schmerz einer unerfüllten Liebe nicht länger ertragen zu müssen. Ebenso wie Leah. Ich war sogar stundenlang durch den Park gerannt und hatte fremde Mädchen angestarrt, in der Hoffnung mich auf eine von ihnen zu prägen, wenn ich ihr in die Augen sah, aber es war nichts geschehen. Nichts, bis ich in Renesmees wunderschöne Augen gesehen hatte.

Gut, so wenig ich mein Kind auch zu kennen schien, ich bezweifelte, dass er sich danach sehnte, weil ihn ein Mädchen abgelehnt hatte. Es erschien mir sogar fern jeder erdenklichen Möglichkeit, dass es ein Mädchen auf diesem Erdball gab, das ihn ablehnen würde. Aber eine unerfüllte Liebe musste ja nicht zwangsläufig etwas mit einem Mädchen zu tun haben. Es gab noch soviel mehr Liebe, die man im Leben erfahren konnte.

Renesmee hatte verstanden. Mein Schweigen sagte ihr alles. Sie nickte sachte, wand ihren Blick wieder ab und strich Anthony mit einem Tuch über die Stirn.

„Ich...“, begann ich den Satz und seufzte schwer. „Es tut mir leid. Ich muss mal an die frische Luft.“

Ich drehte mich um und verließ den Raum. Meine Beine trugen mich geradewegs hinaus auf die Veranda. Ich sog die kühle Luft ein wie ein Mann, der zu ertrinken drohte, und sah mich um. Draußen wogen sich die kahlen Bäume im sanften Wind. Wahrscheinlich würden bald wieder die ersten Blumen blühen. Müde strich ich mir über die Stirn. Ich fühlte mich, als sei ich in den letzten zwei Wochen um zweihundert Jahre gealtert und ich sehnte mich nach dem Gefühl von Sorglosigkeit, wie ich es gehabt hatte, als ich noch ein normaler Junge gewesen war. Oder damals, als Renesmee noch klein gewesen war und als unsere Kinder noch in ihren Babyschuhen steckten. Diese Zeiten, in denen ich einfach glücklich und zufrieden gewesen war. Momentan konnte ich nichts weiter tun, als an diese Momente denken und von ihnen zehren. Etwas anderes blieb mir gar nicht übrig, andernfalls würde mich die jetzige Situation gnadenlos auffressen.

Ich wollte gerade wieder zurück zu Nessie gehen, da spürte ich plötzlich, wie jemand näher kam und sah zum Waldrand. Zwischen den Bäumen traten Emmett, Rose, Jasper und Alice hervor. Für einen Augenblick spürte ich in mir einen Funken Hoffnung, aber er verglühte direkt wieder, als ich sie beobachtete, wie sie so gar nicht im Vampirtempo auf das Haus zu kamen. Keiner von ihnen raste mir freudig entgegen, um mir eine frohe Botschaft zu überbringen, keiner lächelte auch nur im Ansatz. Im Gegenteil.

Ich wartete gar nicht, bis sie das Haus erreicht hatten. Ich ging ohne sie zurück ins Haus. Im Wohnzimmer standen bereits Seth, Mariella, Edward, Bella, Esme und Carlisle. Ich ging langsam zum Sessel. Ihre Blicke folgten mir. Es musste für sie zunächst so aussehen, als wollte ich mich hinsetzen. Vielleicht wollte ich das im ersten Moment auch, denn nicht mal Edward reagierte schnell genug. Mir war es egal ob sie da standen, mir war es egal, was sie von mir dachten, ob ich sie erschreckte oder ob sie mich für unmöglich hielten. Aus heiterem Himmel schlug ich mit einer solchen Wucht gegen das Möbelstück, dass es quer durch den Raum rutschte. Wer es nun davor bewahrte die Wand zu durchschlagen oder in die nächste Kommode zu knallen, wusste ich nicht mal. Denn kaum, dass ich meine Wut am Mobiliar ausgelassen hatte, hatte ich einfach nur gebrüllt wie am Spieß und war auf die Knie gegangen.

Dass ich mich nicht verwandelte, wunderte mich nicht mal. Es war keine Wut in mir, kein Hass, höchstens auf mich selbst. Es war nur Schmerz und Trauer und so sehr ich mir auch wünschte, beides durch die Verwandlung in ein Tier abzudämmen, ich tat es nicht. Ich nahm ihn an.
 

***
 

„Kann ich dir vielleicht etwas bringen?“, fragte Esme mütterlich wie immer. Ich knirschte mit den Zähnen und schüttelte dann den Kopf, ohne sie anzusehen. Sie hatten mich auf die Wohnzimmercouch bugsiert, nachdem mein Schreikrampf aufgehört hatte. Aber ihre traurigen Versuche, mir in dieser Situation etwas Gutes tun zu wollen, empfand ich ebenfalls als unangenehm. Ich war eigentlich nicht derjenige, der gern jegliche Schuld auf sich nahm. Diesen Part hatte ich immerzu Edward zugestanden. Aber dieses Mal war es unzweifelhaft der Fall. Ich war Schuld am Zerfall meiner eigenen Familie. Ich hatte zwei meiner Kinder auf dem Gewissen und damit gleichzeitig das Leben der mir wichtigsten Person zerstört. Ich wollte ihr nie wehtun, ich wollte immer nur das Beste für sie und hatte ihr, ohne es zu merken, genau das genommen. Es hatte für Renesmee noch nie etwas Wichtigeres gegeben als ihre Familie. Ihr Leben bestand praktisch nur daraus. Ich wollte bis in alle Ewigkeit mit ihr zusammen sein. Ich hatte es ihr am Altar versprochen. Und ich würde bis zum Schluss an ihrer Seite bleiben. Aber ich war mir sicher, in dem Moment, an dem Anthonys Herz aufhören würde zu schlagen, würde auch unsere Ewigkeit ein Ende finden.
 

Müde stand ich auf und schleifte mich, wie so oft, die Treppe wieder hinauf. Als ich eintrat, bot sich mir das übliche Bild. Ich war mir sicher, dass Nessie mein Geschrei gehört hatte, aber alles was außerhalb dieses Zimmers geschah, prallte momentan an ihr ab. Jede Sekunde, die sie nicht hier verbrachte, war für sie verschwendet. Es machte mir Angst. Sie wirkte auf mich wie hypnotisiert, aber ich verstand sie trotzdem. Und niemals würde ich ihr sagen, dass sie damit aufhören sollte. Stattdessen versuchte ich, sie zu unterstützen, so gut ich konnte. Bevor ich zu ihr hinüber lief, fiel mein Blick zu Carlisle. Er saß an seinem Schreibtisch und skizzierte mal wieder. Das hatte er in den vergangenen acht Tagen häufig getan. Er hatte mir erklärt, es half ihm, den Überblick zu behalten. Ich hatte von Medizin genauso wenig Ahnung wie vom Stricken, aber Carlisle machte sich regelmäßig ein Bild über Anthonys momentanen Zustand. Auf seinem Blatt Papier war mit dicken schwarzen Konturen die Silhouette eines Menschen gezeichnet. Innen war die Zeichnung ursprünglich leer gewesen. Als ich sie das letzte Mal betrachtet hatte, war sie zu einem Drittel mit Farbe bemalt gewesen. Jetzt war sie fast gänzlich ausgefüllt. Ich erschrak innerlich, obwohl ich es ja hatte kommen sehen. Ich sagte aber nichts. Plötzlich stand Nessie neben mir und sah ebenfalls auf Carlisles Schreibtisch. „Was ist das?“, fragte sie. Es erinnerte mich an ihre Kindheit, als vieles noch neu für sie gewesen war, so kindlich stellte sie ihre Frage. Carlisle sah kurz zu mir, dann wieder zu Nessie.

„Das ist meine Art, mir Notizen über Anthonys Zustand zu machen“, antwortete er.

Nessie sah traurig das Bild an und verstummte. Die dunkelrote Farbe füllte die schwarzen Umrisse fast komplett aus. Nur noch das Herz und ein für mich undefinierbarer Punkt in Anis Gesicht oder Hals war noch frei.

„Das Gift frisst sich durch seinen Körper, Renesmee. Ich kann es nicht aufhalten. Es befällt ein Organ nach dem anderen.“

„Abgesehen vom Herz?“, fragte ich mit Blick auf den freien Punkt. Carlisle nickte.

„Und was ist damit?“, fragte Nessie und zeigte auf die zweite Stelle.

„Das weiß ich noch nicht“, antwortete Carlisle. „Sie hat sich erst bei der Kontrolle heute Nachmittag so deutlich herauskristallisiert.“

„Was heißt das?“, wollte ich wissen.

Carlisle schüttelte den Kopf und betrachtete das Blatt. „Normalerweise befällt das Gift alle Organe nacheinander mit Ausnahme des Herzens. Aber es hat diesen Punkt einfach übergangen.“

„Übergangen?“ Es war Edwards Stimme. Er stand mit einem Mal neben Carlisles Schreibtisch und studierte ebenfalls die Skizze. Währenddessen stand der Doc auf und ging hinüber zu Anthony. Wir schauten ihm allesamt gebannt nach und beobachteten, wie er vorsichtig Anis Gesicht in seine Hände nahm. Seine Haut war inzwischen sogar deutlich heller, als die des Vampirs. Carlisle tastete Anis Unterkiefer behutsam mit beiden Daumen ab.

„Aber natürlich“, flüsterte Carlisle.

Mein Herz machte einen Hüpfer, ähnlich dem, als ich die Vampire am Waldrand gesehen hatte. Aber diesmal verschwand der Hoffnungsschimmer nicht sofort wieder.

„Das Gift“, sagte er dann.

„Natürlich...“, hauchte nun auch Edward. Ich drehte mich um und sah gerade noch, wie er zügig das Blatt auf den Tisch klatschte und dann zur Tür hinaus verschwand. Offensichtlich hatte er mal wieder etwas in Gedanken gelesen, was man uns erst erzählen musste.

„Was?“, fragte ich fast schon bissig. „Was ist los?“

Ich bekam keine Antwort. Stattdessen betrat nun Bella den Raum und Carlisle wand sich an Nessie. „Renesmee, bitte verlass mit deiner Mutter den Raum.“

„Was?“, fragte nun auch Nessie. Sie schüttelte energisch den hübschen Kopf. „Nein!“

„Renesmee, bitte“, sagte Bella sanft. Nessie starrte ungläubig ihre Mutter an.

„Was... was ist hier los?!“, wollte Nessie wissen. Ich hörte deutlich die Empörung in ihrer ansonsten schönen, sanften Stimme. Wie so oft sollte ihr Wissen vorenthalten und sie weggeschickt werden. Es war dieselbe Frage, die ich gestellt hatte und auf die auch ich keine Antwort erhalten hatte. „Schatz, bitte komm mit mir“, bat Bella erneut. „Carlisle und dein Vater werden alles tun, was in ihrer Macht steht, aber du kannst ihnen jetzt am meisten helfen, indem du sie in Ruhe das machen lässt, was sie tun müssen.“

Ich wusste nicht, ob es nur mir so vorkam, aber ihre Worte hörten sich so an, als würden die beiden Vampire gleich irgendetwas Schlimmes machen. Nessies Blick beim Verlassen des Zimmers verriet mir, dass es ihr wohl ebenso gegangen war. Ich war froh, dass sie ging, aber ich würde diesen Raum nicht verlassen. Das hatte ich mir vorgenommen. Egal was sie sagten, ich würde bleiben. Als Carlisles goldene Augen mich ansahen, machte ich mich bereits darauf gefasst alles zu verweigern, worum er mich bat. „Jacob, bitte geh und hole Mariella.“

Ich war verwundert darüber, nicht gebeten worden zu sein, den Raum komplett zu verlassen. Warum sollte ich meine Tochter holen? Sie schickten Renesmee weg, weil es ihr nicht gut tun würde, was gleich geschehen würde, aber Mariella, die sich genauso Sorgen machte, holten sie extra dazu?

„Warum?“, fragte ich ungläubig.

„Ich weiß um deine Bedenken, Jacob“, sagte Carlisle verständnisvoll. „Es wird Mariella nicht gefallen, aber ihre Anwesenheit wird ihrem Bruder eine Stütze sein. Sie weiß das. Sie wird es verstehen.“

Ich nickte und verließ das Zimmer, um meine Tochter zu holen, die sich mit Seth ins Wohnzimmer zurückgezogen hatte. Sie wusste nicht, was los war, hatte aber die plötzliche Bewegung im oberen Stockwerk mitbekommen.

„Mariella“, sagte ich und versuchte dabei möglichst neutral zu klingen, um ihr weder Angst noch Hoffnung zu machen. „Kommst du bitte mit nach oben?“

Sie ließ sich natürlich nicht mehrmals bitten. Im Gegenteil. Das Mädchen war flinker oben als ich. Ich betrat erneut den Raum und schloss leise die Tür hinter mir. Mein Blick fiel zunächst auf den Doc, der die Informationen auszulesen schien, die eines der Geräte ihm ausspuckte.

„Ja“, sagte Edward plötzlich als Antwort auf eine unausgesprochene Frage. „Ich bin bereit.“ In seiner Hand hielt er etwas, das ich am ehesten noch als Marmeladenglas bezeichnen würde. Es hatte keinen Deckel, seine Öffnung war aber mit einer milchigen Folie überspannt. Ich wollte gerade wieder fragen, was sie eigentlich vorhatten, aber Carlisle kam mir zuvor.

„Was immer jetzt auch geschehen wird. Ganz gleich, wie schrecklich es aussehen mag oder welche Geräusche ihr hören werdet. Ihr dürft nicht eingreifen. Habt ihr das verstanden?“

Der Arzt sah uns eindringlich an. Meine Tochter und ich nickten nahezu gleichzeitig und schluckten dabei innerlich. Ein schwieriger zu haltendes Versprechen konnte man uns in diesen Minuten sicherlich nicht abverlangen. Er ging einmal um Anthonys Bett herum. „Bei dem weißen Fleck, den Renesmee entdeckte, handelte es sich um Anthonys Giftdrüse. Im Gegensatz zu Renesmee ist Anthony, genau wie Nahuel, giftig. Das wissen wir schon, seit er Jacob als Baby versehentlich biss. Im Gegensatz zu einem vollwertigen Vampir, fließt sein Gift jedoch nicht durch den ganzen Körper. Weder ersetzt es seine Tränenflüssigkeit, noch seinen Speichel, weswegen er auch in der Lage ist, menschliche Nahrung zu sich zu nehmen oder zu weinen. Sein Gift wird nur bei einem Biss freigesetzt und hat ansonsten keine weitere Verwendung in seinem Körper, weswegen es sich auch um eine deutlich kleinere Menge handelt, als es beispielsweise bei Edward der Fall ist. Aber wenn meine Vermutungen sich bewahrheiten sollten...“, er machte eine kleine Pause und ließ seine Worte wirken, „wenn sie sie sich bewahrheiten sollten, dann ist dieses Gift in der Lage Caius Gift zu neutralisieren, wenn es uns gelingt, es in Anthonys Kreislauf zu befördern.“

„Moment...“, sagte ich. Ich konnte kaum fassen, was er da sagte. „Heißt das, die Lösung war die ganze Zeit über... da?“

Carlisle nickte. „Wir sahen den Wald vor lauter Bäumen nicht. Es tut mir leid.“

„Das ist doch jetzt egal“, warf Mariella ein. „Wie kriegst du das Gift nun aus ihm raus und anschließend in seinen Blutkreislauf wieder rein? Mit einer Spritze?“

Carlisle seufzte. „Das wäre in der Tat eine Lösung, Mariella.“

„Es wäre die einfachere Lösung, aber nicht unbedingt die Schlauste“, meinte Edward, der noch immer mit dem Marmeladenglas da stand.

„Warum?“, wollte meine Tochter wissen.

„Ich weiß nicht, inwiefern ich die Drüse zerstöre, wenn ich mit der Nadel ein Loch hinein steche. Auch wenn es nur ein sehr kleines Loch wäre. Die Gefahr, dass Caius Gift dann hineinkommen und auch dieses Organ angreifen könnte, ist zu groß. Vielleicht würde es dann seine Produktion stoppen. Wenn wir kontinuierlich in den nächsten Tagen etwas davon nehmen und benutzen müssten, um ihm zu helfen, hätten wir dazu keine Möglichkeit mehr.“

Mein Blick wanderte wieder zum Glas in Edwards bleichen Fingern und mir schwante Böses. „Ach du scheiße...“, murmelte ich. „Das ist nicht euer Ernst?!“

Ich hatte in meiner Kindheit mal eine Doku über die Giftgewinnung von Schlangen zur Herstellung von Gegengiften gesehen. Ich hatte gesehen, wie sie das arme Tier mit aufgerissenem Maul gegen die Scheibe pressten, damit es aus Panik sein Gift abgab. Jetzt wusste ich, was Carlisle gemeint hatte, als er uns sagte, wir sollten ruhig bleiben, egal was wir sahen oder hörten. Mir wurde ganz schlecht.

„Ich habe jetzt das Sufentanil durch ein leichteres Medikament ersetzt. Er wird gleich zu sich kommen“, fuhr Carlisle fort. „Er wird aber nur einen kurzen Moment ansprechbar sein. Diesen Moment brauchen wir. Du musst dich unbedingt beeilen, Edward.“

Edward nickte. „Das werde ich.“

Ich sah zu, wie sich der Vampir auf Anis Bettkante setzte, darauf wartend, dass dieser aus seinem komaartigen Zustand erwachte und griff schon mal nach der Hand meiner Tochter. Ich wusste jedoch nicht, ob ich sie zurückhalten wollte oder ob ich hoffte, dass sie mich zurückhielt. Ich erinnerte mich an die Giftschlange aus der Doku und als Anthony sich nach ein paar Minuten bewegte und langsam zu sich zu kommen schien, schüttelte ich gedanklich den Kopf. Es war vielleicht die einzige Möglichkeit, um ihn vor dem Tod zu bewahren, aber er tat mir in diesen Minuten fast noch mehr leid, als er es in den letzten Tagen bereits getan hatte. Denn er würde aufwachen, nichtsahnend, was sie gleich mit ihm anstellen würden. Kaum dass er zu sich gekommen war, nahm Edward erneut sein Gesicht in die kalten Hände. Anthony war kaum in der Lage, die roten Augen offen zu halten, da redete Edward schon auf ihn ein. So wie er es kurz nach Anthonys Zusammenbruch bereits getan hatte, um ihn wach zu halten. „Wir haben vielleicht eine Möglichkeit gefunden, dir zu helfen“, sagte er, jedes Wort deutlich betonend. „Aber dazu musst du jetzt mitarbeiten.“

Anis Lider flatterten. Es wirkte so, als würde er gleich wieder bewusstlos werden.

„Nein, du darfst jetzt nicht schlafen. Du musst wach bleiben. Du hast in deinem Leben noch genug Zeit zu schlafen, aber nur wenn du jetzt wach bleibst.“ Edwards Worte waren klar und deutlich und doch prallten sie an meinem Sohn ab wie an einer Backsteinwand. Er glitt einfach wieder zurück in seine Trance. „ANTHONY!!“, brüllte Edward aus voller Kehle und meine Tochter und ich zuckten kurz zusammen. Ohne sein Gesicht loszulassen, drehte Edward sich hilfesuchend zu Carlisle um.

„Du hast keine andere Wahl“, sagte dieser. Edwards topasfarbene Augen wanden sich zu mir, als wolle er sich versichern, dass ich ihm nicht gleich an den Hals sprang. Ich nickte, ohne zu wissen, für was ich ihm eigentlich gerade meine Zustimmung gab. Edward genügte diese Geste um fortzufahren. Es ging alles unheimlich schnell und obwohl ich am liebsten weg geschaut und weg gehört hätte, versuchten meine müden Augen dem Geschehen irgendwie zu folgen. Ohne noch einmal zu zögern oder eine Sekunde tatenlos verstreichen zu lassen, schaffte Edward es irgendwie, mit wenigen blitzschnellen Handgriffen, Anthonys Mund zu öffnen und ihn mit den Zähnen gegen das Glas zu pressen. Doch Edwards grober Griff an Anis Hinterkopf und die unübersehbare Gewalt die er dabei auszuüben schien, wirkte erst, als Anthony von der unangenehmen Situation aus seiner Trance erwachte. Er verstand nicht, was hier los war und vielleicht wirkten wir durch seine getrübten Sinne auch alle wie ein Haufen Monster. Ich wusste es nicht. Aber seine Gestik verriet, dass er Angst hatte. Er presste die Augen zusammen und versuchte den Vampir wegzudrücken, hatte aber bei weitem nicht genug Kraft. Wahrscheinlich hätte er in diesen Minuten nicht mal eine Bierkiste hoch gekriegt. Ich weiß nicht, ob derart viel rohe Gewalt wirklich notwendig gewesen war oder ob das Gift erst in einer Stress- oder Abwehrreaktion freigesetzt werden konnte und Edward deswegen keinen Ton von sich gab, als er das tat. Nicht mal ein „es tut mir leid“ oder ein beruhigendes „Scht... scht..“. Aber ich spürte Erleichterung, als ich die Flüssigkeit ins Glas tropfen sah. Ebenso klar wie Wasser war es und von ähnlicher Konsistenz. Das Licht an der Decke brach sich in ihm und erzeugte ein Spektrum aus bunten Farben, die je nach Lichteinfall zeitweise im Glas sichtbar waren. Kaum zu glauben, dass so etwas Schönes so todbringend war.

Als der komplette Boden des Glases etwa ein Finger breit damit bedeckt war, ließ Edward Anthony plötzlich los. Er ließ seinen Kopf zurück in die Kissen sinken, fegte zu einem Schrank am anderen Ende des Raumes und riss dort eine Schublade auf. Neben mir löste sich die Hand Mariellas aus meinem Griff und ich sah, wie meine Tochter zu ihrem Bruder rannte. Sofort setzte sie sich neben ihn auf die Bettkante und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Es wird alles gut“, flüsterte sie.

Währenddessen war Edward damit beschäftigt, die kostbare Flüssigkeit in mehrere kleine Spritzen ab zufüllen. Fasziniert sah ich zu, wie geschickt er sich dabei anstellte. Er achtete penibel darauf, ja keinen Tropfen davon zu verschütten.

Erst ein kurzes Ausbleiben des ansonsten rhythmischen Piepen von Anthonys Herzmonitor ließ mich wieder zu meinen Kindern schauen. „Was war das?“, fragte ich unsicher und spürte, wie jegliche Wärme aus meinen Gliedern wich. Meine Fingerspitzen wurden plötzlich taub und eiskalt und die Kälte wanderte von ihnen ausgehend durch meinen Körper.

„Edward, bitte beeil dich“, sagte Carlisle ruhig. Mariellas Stirn lag unterdessen auf der ihres Bruders, während sie ihre Hände links und rechts an seine Wangen gelegt hatte. Ihre Augen waren geschlossen, aber ich hörte ihr leises Wimmern und ich sah die zarten Tränen, die ihr hübsches Gesicht hinab liefen.

Anthonys Lider öffneten sich ganz langsam, ehe er hinauf in das Gesicht seiner Schwester blicken konnte, die nun ebenfalls ihre Augen aufschlug, ohne jedoch ihre Stirn von seiner zu nehmen. „Alles wird gut“, flüsterte sie ihm zu. „Alles wird gut... ja?“

Ani nickte zaghaft, ohne etwas zu sagen. Auch wenn ich meinen Sohn kaum kannte, wusste ich doch, wie stark die Bindung zu seiner Schwester war, auch wenn dies das erste Mal war, dass ich sie förmlich spüren und sehen konnte. Es war wie ein unsichtbares Band. Ebenso stark und untrennbar, wie meine Prägung auf Renesmee.

Während ich die Geschwister beobachtete, nahm ich nur am Rande wahr, wie Carlisle die Spritzen von Edward an sich nahm. Diese kleinen Gegenstände, die jetzt alles entscheiden sollten. Wenn das Gift versagte, dann war es vorbei. Das wussten wir alle. Auch mein Sohn.

„Mariella“, sagte der blonde Vampir leise. Widerstrebend stand Mariella auf und machte Carlisle Platz. Insgesamt sieben kleine Spritzen, gefüllt mit wenigen Tropfen, waren es. Jede von ihnen für eine andere Einstichstelle. Das Gift musste, so Carlisle, komplett verteilt werden, um das von Caius zu neutralisieren. Danach konnten wir nur hoffen, dass seine Heilungsfähigkeiten nicht mehr blockiert sein würden und alle Schäden rückgängig gemacht werden konnten.

Die achte Spritze injizierte er dann aber wieder über den Katheder.

„Das ist ein Schlafmittel“, antwortete er auf meinen fragenden Blick hin. Ich nickte und setzte mich auf einen Stuhl. „Hat es denn funktioniert?“

„Das wird uns die Zeit zeigen“, sagte er.

„Was soll das heißen?“, kam nun von Mariella. „Sollen wir hier die Nacht in Ungewissheit verbringen und Morgen früh wacht er vielleicht gar nicht mehr auf?“

„Ich kann dir leider nicht widersprechen“, sagte er ehrlich. „Die nächsten Stunden sind entscheidend. Es tut mir sehr leid, dass ich dir keine zufriedenstellendere Antwort geben kann.“

„Schon okay.“ Sie seufzte und setzte sich auf den Stuhl, der Anthonys Bett am nächsten stand.
 

Was darauf folgte, war eine der schrecklichsten und schlaflosesten Nächte, die ich jemals erlebt hatte. Und doch würde ich diese Nacht um nichts in der Welt wieder hergeben, denn es war diese Nacht gewesen, die alles geändert hatte. All die Sorgen, all die Trauer – alle dunklen Schatten schienen von uns abzufallen. Wir hatten nicht vergessen, was geschehen war und ein Teil der Trauer würde nie verschwinden, denn unser ältestes Kind würde uns immer fehlen, aber in dieser Nacht war es, aufgrund von Renesmees wachsamen Augen und Edwards und Carlisles Wissen gelungen, einen weiteren Verlust zu verhindern.

Meine Renesmee, meine wundervolle hübsche Frau, wirkte mit einem Mal wie ausgewechselt. Als ich ihr am nächsten Morgen verkündete, dass Anthony auf dem Weg der Besserung war, war sie wie erwartet aufgesprungen und nach oben gefegt. Ich blieb unten im Wohnzimmer und unterhielt mich mit den anderen, die mir alle mitteilten, wie erleichtert sie waren und man sah es ihnen auch an. Rosalie gab Emmett gerade einen Kuss auf die Wange, als ich plötzlich Renesmees klangvolle Stimme aus dem oberen Stock hörte.

„Jake?“, rief sie mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Ich ging zum Fuß der Treppe und sah zu ihr hinauf, wie sie dort oben stand und mich förmlich anstrahlte.

„Ja?“, fragte ich.

Ihr Lächeln wurde größer und ohne dass sie irgendetwas darauf antwortete, wirbelte sie auf einmal die Treppe hinab und sprang mir direkt in die Arme. So wie sie es als kleines Kind immer gemacht hatte. Und genau wie damals fing ich sie zielsicher auf und umarmte sie. Ich drückte ihren warmen Körper eng an meinen. Ich hatte diese leichte, beflügelte, glückliche Seite an ihr schon so lange nicht mehr gesehen.

Nessie löste sich langsam aus meinen Armen und sah zu mir hinauf. Sie legte ihre Hand an meine Wange, sah mir in die Augen und streichelte über meine rostrote Haut. „Ich liebe dich“, sagte sie. „So sehr...“

Ich lächelte zurück. „Und ich liebe dich, mein Sonnenschein.“

Sie schüttelte den Kopf. „Du bist die Sonne, nicht ich.“

Ich widersprach ihr nicht, sondern ergriff die Initiative und küsste sie.

Plötzlich hörte ich ein gekünsteltes Husten. Wir lösten uns voneinander und blickten hinter uns, wo Emmett und die anderen standen. „Vergesst nicht, dass wir auch noch hier sind.“

„Ich weiß“, sagte ich, ohne Nessie loszulassen. „Ist mir aber egal“, fuhr ich fort, zuckte mit den Achseln und nahm ihr Gesicht in meine Hände, um meine Lippen erneut auf die ihren zu legen.
 

***

„Jacob“, sprach Seth am frühen Morgen zwei Tage später in Gedanken zu mir. „Ich denke, wir sollten langsam wieder aufbrechen.“ Ich nickte ihm zu.

Wir waren schon lange nicht mehr so entspannt auf einem Streifzug gewesen. Dabei war es ein sehr erleichterndes Gefühl, ein Tier zu sein. Wenn man in der Wolfsform war, war alles, was man zuvor als Mensch getan oder gefühlt hatte, wie aus einer anderen Welt. Man erinnerte sich daran und doch schien es in weiter Ferne zu liegen. Man kam viel einfacher mit allem zurecht, weil man nicht auf dieselbe Weise mit den Problemen umging, wie man es als Mensch tun würde. Man konnte sagen, als Wolf war man frei. Das wohl einzige Gefühl, das man auch in dieser Form noch so sehr spürte, war die Liebe.

„Wahrscheinlich“, kommentierte Seth meine Gedanken.

Ich brummte. „Komm, lass uns zurück gehen. Wird Zeit, dass du wieder aus meinem Kopf verschwindest.“

Seth lachte und folgte mir dann zurück zum Anwesen, wo wir hinter dem Haus ein paar Kleider versteckt hatten.

„Irgendwie hab ich total Hunger“, sagte Seth, während er sich ein weißes Shirt überzog.

„Du hast doch vorhin erst gegessen.“

„Das war mein anderes Ich.“

Ich gab ihm einen gespielten Hieb gegen die Schulter. „Spinner.“

Seth lachte erneut. Diesmal jedoch als Mensch.

„Na los, lass uns reingehen. Ich muss dringend duschen, sonst lässt mich Nessie heute bestimmt nicht neben sich schlafen und ich verbringe die Nacht ungern auf der Couch.“

„Ach wirklich?“, sagte Seth und plusterte sich auf, während wir die Treppen der Veranda hinauf liefen. „Also Mariella mag es, dass ich ein Naturbursche bin.“

„Och, komm Seth“, sagte ich und machte einen angewiderten Gesichtsausdruck. „Hör auf. Das Liebesleben meiner Kinder geht mich nichts an.“

„Stimmt“, antwortete mein Schwiegersohn in Spe. „Tut es nicht.“

Zusammen gingen wir zielsicher in Richtung des nächstgelegenen Badezimmers. Was Badezimmer anging, konnten wir uns hier eigentlich nicht beschweren. Wir hatten mehr als genug davon. Und daher waren uns lange Schlangen vor einem Badezimmer auch unbekannt. Umso verwunderter mussten unsere Gesichter demnach ausgesehen haben, als wir um die Ecke gingen und eine kleine Menschentraube vor der Tür vorfanden.

„Was ist denn hier los?“, fragte Seth zu Mariella gewandt, die mit verschränkten Armen dort stand und sich seitlich an die Wand gelehnt hatte.

„Also ursprünglich“, ergriff Emmett nun das Wort. „Waren hier nur Mariella und Nessie, aber als sich dann noch Edward, Bella, Jasper und Alice dazu gestellt hatten, blieb ich auch stehen, weil ich dachte, es gäbe hier vielleicht was umsonst.“

„Und? Gibt es hier was umsonst?“, fragte Seth in einer Tonlage, die einem glauben machen konnte, er meinte das tatsächlich ernst. Meine Tochter gab ihm einen leichten Klaps. „Schatz!“, fauchte sie bissig. „Das ist nicht lustig! Er ist jetzt schon viel zu lang da drin!“

„Du willst mir nicht ernsthaft sagen, dass ihr hier rumsteht, weil Anthony im Bad ist?“

Mariella antwortete nichts, aber das war auch gar nicht notwendig. Seth und ich wussten auch so, dass er genau richtig spekuliert hatte.

Meine Tochter stöhnte entnervt. „Das macht mich wahnsinnig. Kann nicht einer von euch Jungs mal reingehn und nach dem Rechten sehen?“

„Au au“, sagte Emmett und hob die Hände. „Das Einzige, was ich gerne mal nackt in einem Badezimmer betrachte, ist meine Süße und das Einzige, was ich bewusstlos vor meinen Füßen liegen sehen will, ist ein leckerer Grizzly.“ Rose gab ihm einen Schlag mit dem Ellenbogen in die Seite, ohne seinen Satz weiter zu kommentieren.

„Kommt schon!“, bat Mariella erneut.

„Mariella... Süße“, sagte Alice. „Hör auf dir einen Kopf zu machen. Du kannst ihn doch genauso gut hören wie wir. Er hat vor fünf Minuten das Wasser abgestellt.“

Mariella lehnte sich mit leicht schmollendem Blick wieder gegen die Wand. „Ich mache mir nur Sorgen. Ihr könntet ruhig versuchen, mich zu verstehen.“

„Das tun wir“, meinte Rosalie, ehe sie sich zu Emmett wand und ihn wegschob. „Komm, lass uns gehen.“

Ich ging hinüber zu Nessie, die direkt gegenüber unserer Tochter auf der anderen Seite der Tür stand und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

„Na? War die Jagd erfolgreich?“, fragte sie. Sie klang ein wenig müde und doch viel entspannter als die letzten Wochen.

„Riecht man das nicht?“ Ich grinste sie breit an.

Renesmee lachte. „Doch.“

„Na also“, antwortete ich. „Und genau deswegen, werd ich mir jetzt ein anderes Bad suchen.“

„Die oberste Tür im Schrank links vom Wäschekorb!“, rief Edward plötzlich und ich zuckte fast zusammen und starrte ihn an. Von innen vernahm ich ein leichtes Knurren. Anthony hatte es noch nie gemocht, wenn man seine Gedanken las. Das war eine Eigenschaft, die wir uns teilten. Und doch machte es mich traurig, dass dies vielleicht auch ein Grund dafür war, dass er nicht in meinem Rudel war. Er hatte noch nie die Wolfsgestalt angenommen und ich hatte noch nie seine Gedanken gehört, so wie ich es bei Will getan hatte. Mein Blick fiel jetzt auf Bella, deren Schutzschild das Einzige war, was seines blockieren konnte.

„Er hat seinen Schild auf Carlisles Anweisung freiwillig unten gelassen. Du brauchst mich also nicht so anzuschauen, Jake.“

„Ist ja schon gut“, sagte ich und hob beschwichtigend die Hände. „Wir gehen dann auch jetzt. Komm Seth.“

Renesmee nahm meinen Oberarm, als ich gerade kehrt machen wollte. „Willst du nicht noch kurz warten?“

Ich gab ihr noch einen Kuss. „Tut mir leid, mein Herz, aber ich will heute die Nacht nicht auf der Couch verbringen.“ Dann legte ich einen Arm um Seths Schulter und ging mit ihm in Richtung unseres Hauses.

Die Wahrheit war, dass ich seit Tagen vor meinem Sohn flüchtete. Ich wusste nicht, wie ich mit ihm umgehen sollte, was ich sagen, wie ich mich verhalten sollte. Jetzt einfach so zu tun, als sei alles geklärt, erschien mir falsch. Was ich getan hatte, tat mir leid. Wenn ich die Möglichkeit bekäme, alles anders zu machen, ich würde sie ergreifen. Beginnend von dem Tag an, an dem ich seine roten Augen das erste Mal gesehen hatte. Als er noch ein Baby gewesen war. Als ich zu schwach gewesen war, meinem Instinkt nicht nachzugeben und mein Kind dazu verurteilte, etwas zu sein, was es nicht war. Nessie hatte Recht. Er musste schon immer diese tief verwurzelte instinktive Abneigung, die ich ihm gegenüber immer gespürt hatte, wahrgenommen haben. Die Distanz zwischen uns war mit jedem Jahr, das er älter geworden war, größer geworden. Bis sie schließlich eine riesige Kluft war. Und ich hatte nie den Mut gehabt, über sie hinweg zu springen und auf mein Kind zuzugehen. Und jetzt, jetzt wo ich die Chance für einen Neuanfang hatte, da wagte ich den Sprung noch immer nicht. Nessie wusste das, da war ich mir sicher. Sie sagte aber nichts. Momentan war sie einfach nur froh, dass er nicht gestorben war und genoss jede Sekunde, in der sie sehen konnte, wie es ihm von Tag zu Tag wieder besser ging. Ich hingegen war gestern nicht da gewesen, als er wieder aufgewacht war. Ich hatte einfach Angst davor. Ich war heilfroh, dass unsere Familie so gut auf ihn aufpasste und ebenso wie Mariella, würde ich ihn am liebsten irgendwo einsperren, damit ihm nichts mehr passieren konnte. Aber er hatte schon immer ein sehr eigenständiges Leben und einen starken Wunsch nach Freiheit gehabt. Und das würde er sicher bald wieder einfordern.

Doch zunächst musste er lernen, dass auch er auf Hilfe angewiesen war...
 

***

Nachdem ich fertig geduscht und ein kleines Nickerchen gemacht hatte, ging ich zurück ins Haupthaus, um nach Renesmee zu schauen. Ich hatte eigentlich gedacht, mein Sohn hätte sich inzwischen wieder in Carlisles Zimmer zurückgezogen, schließlich war er noch lange nicht wieder fit. Doch kaum, dass ich das Haus betreten hatte, spürte ich deutlich die Unruhe, die hier herrschte. Die Stimmung von heute Morgen schien wieder komplett gekippt zu sein und schlug mir direkt auf den Magen. Allerdings war ich wohl nicht der Einzige, dessen Magen Zicken machte. Bevor ich das Wohnzimmer erreicht hatte, stürmte meine Frau schon an mir vorbei ins Badezimmer, versenkte irgendwas im Klo und zog einen Lappen aus dem Schrank.

„Was ist passiert?“, fragte ich vorsichtig, als ich im Türrahmen stand.

Nessie ließ einen Wasserstrahl über den Lappen laufen. „Er hat sich übergeben.“

„Oh“, sagte ich und spürte die Erleichterung in mir. Ich hatte schon Schlimmeres befürchtet. So was wie einen Rückfall oder so. „Ist das nicht normal, wenn man zum ersten Mal wieder feste Nahrung zu sich nimmt, nachdem man tagelang künstlich ernährt wurde oder gar nichts bekam?“

„Möglich“, sagte sie besorgt und wrang den Lappen aus, dann ging sie, ohne noch etwas zu sagen, an mir vorbei und lief schnellen Schrittes in Richtung Wohnzimmer. Natürlich war mir nicht entgangen, dass sie sich Sorgen machte. Aber mir war ebenso aufgefallen, dass sie mich irgendwie komisch angesehen hatte. Warum sie das getan hatte, erfuhr ich erst kurz darauf, als ich das Wohnzimmer nun auch betrat. Ani lag in Bauchlage auf dem Sofa, hatte jedoch den Kopf in Richtung des Glastisches gedreht. Seine Augen waren leicht geöffnet und im Grunde sah er eben aus, wie jemand aussah, dem einfach nur verdammt übel war. Für mich noch immer kein Grund zur Sorge, auch wenn das flaue Gefühl in meinem Magen langsam deutlicher spürbar wurde, denn die um mich herumwirbelten und sorgenden Vampire waren nicht unbedingt förderlich für meine innere Ruhe.

„Wann ist das passiert?“, wollte Esme von Mariella wissen, die auf dem Boden neben dem Sofa kniete. „Sofort nach dem Essen oder erst später?“

„Eigentlich... sofort. Also... währenddessen, meine ich.“

„Das war das erste Mal, dass er wieder was gegessen hatte, oder nicht?“, fragte Bella. „Ist doch möglich, dass sich alles erst wieder einrenken muss.“ Sie sprach aus, was ich vermutete. Doch so einfach machten es sich die Vampire nicht.

„Die Frage ist nur, wie lange das dauern wird“, fügte Edward hinzu, der soeben den Raum betreten hatte. „Ich denke, dass wir es hier nicht mit einer menschlichen Eingewöhnungsphase zu tun haben.“

„Sondern?“, wollte Mariella wissen. Jetzt wurde auch Anthony hinter ihr wieder aufmerksamer, setzte sich langsam und etwas zittrig wieder auf und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Armlehne.

„Ich glaube, dass die menschlichen Organe einfach noch zu sehr angegriffen sind und nicht in der Lage sind menschliche Nahrung zu verdauen.“

„Das bedeutet...“, sagte Mariella tonlos.

„Ja“, bestätigte Edward und sah Anthony eindringlich an, dessen Augen nun langsam nach oben zu Edwards Gesicht wanderten. „Was die Nahrungsaufnahme angeht, bist du momentan kein Halbvampir mehr.“

Nun wo er das sagte, fiel mein Blick erst auf die weiße blick dichte Plastiktüte, die er in der Hand hielt und aus der er einen Blutbeutel zog, identisch mit denen, die wir früher Nessie gegeben hatten. Anthonys Augen wurden größer und er begann langsam und dann bestimmter den Kopf zu schütteln und sich dann ziemlich deutlich abwehrend aufzusetzen. „Nein!“

Es war nahezu das erste Wort, dass ich seit seiner Genesung aus seinem Mund gehört hatte und es war so bestimmt und kräftig, dass es mich fast erschreckte.

„Es ist der schnellste Weg, um wieder zu Kräften zu kommen“, sagte Edward.

„Ich würde lieber sterben, als das zu trinken“, konterte Ani und wand den Blick von Edward ab. Er starrte jetzt stur geradeaus und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ich akzeptiere deine Ansichten“, antwortete Edward. „Aber wir haben die letzten zwei Wochen nicht um dein Leben gekämpft, um dich jetzt verhungern zu lassen.“

Anthony reagierte nicht auf Edwards Satz. Er bewegte sich nicht und fixierte weiterhin irgendeinen Punkt hinten an der Wand.

„Was ist mit Tierblut?“, warf Nessie ein.

„Das ist nicht so effektiv, außerdem kann er nicht jagen.“

„Ich jage für ihn“, sagte Mariella und stand entschlossen auf.

„Ja, genau“, meldete sich Emmett zu Wort. „Wo ist das Problem? Einmal blutiges Reh frisch auf den Tisch. Kommt sofort.“

„Kommt überhaupt nicht in Frage“, sagte Alice. „Gegessen wird natürlich außer Haus.“

Die Besorgnis um ihre Polstermöbel schien ihr ins Gesicht geschrieben, hatte sie doch fast das komplette Haus bei unserem Einzug sorgsam eingerichtet und alles bis ins Detail ausgearbeitet. Keine fünf Minuten später war das zuvor noch volle Wohnzimmer wieder leer und nur noch Edward, Bella und ich standen dort. Edward verstaute den Beutel wieder in der Tüte.

„Was sollte das?“, fragte ich ihn. „Du wusstest, dass er auch das Tierblut als Option haben würde. Also... war das ein Test?“

Er lachte nur und verließ den Raum. Eine Antwort blieb er mir schuldig, aber wahrscheinlich überließ er es mir zu glauben, was immer ich glauben wollte. Im Grunde war es egal, ob er das ernst gemeint hatte oder ob er ihn lediglich prüfen wollte. Er hatte es strikt abgelehnt. Er hatte die einzige Reaktion gezeigt, die ich mir wünschte. Und auch die einzig richtige.
 

***

Noch am selben Abend wurde ich zu einer Besprechung abermals ins Wohnzimmer gerufen. Draußen war es bereits stockfinster, so dass das Zimmer durch die hellen Deckenleuchten und die Stehlampen links und rechts des weißen Sofas beleuchtet wurde. Alle waren sie bereits da und hatten sich einen Platz gesucht. Lediglich Emmett stützte sich mit verschränkten Armen über der Rücklehne von Rosalies Sessel ab, auf dessen breiter Armlehne Bella saß. Edward war der Einzige, der zusammen mit Carlisle durch den Raum lief.

„Ah, Jacob. Schön, dass du nun auch hier bist“, sagte er freundlich. Ich nickte ihm kurz zu und steckte dabei in einem Anflug von Verlegenheit meine beiden Hände in die Gesäßtaschen meiner Hose. Obwohl ich es nicht wollte, ging mein Blick als erstes direkt zu Anthony. Er saß ganz links außen komplett auf dem Sofa. Da er in eine Decke gehüllt war, konnte ich es nicht richtig erkennen, aber ich nahm an, dass er es sich im Schneidersitz bequem gemacht hatte. Er erwiderte meinen Blick nur sehr kurz und wand ihn dann wieder ab. Ich konnte nicht mal herauslesen, welcher Art seine Gesinnung momentan zu mir war.

„Warum kannst du nicht eine Weile warten?“ Edwards Frage galt Anthony und seine Tonlage war bereits etwas höher, als es bei einem normalen Gespräch der Fall wäre. Ich wusste nicht, auf was sie sich bezog, denn ich hatte den Anfang nicht mitbekommen, versuchte aber aus dem Kontext eine Antwort zu bekommen. „Für die Volturi wird das Geschehene auch in Jahren noch so aktuell sein wie heute. Es ist ihnen egal, ob du morgen ihre Haustür eintrittst oder erst in dreihundert Jahren. Du musst nicht, kaum dass du wieder stehen kannst, direkt wieder in ihre Arme rennen“, fuhr er fort.

„Ich kann aber nun mal eben keine dreihundert Jahre warten“, antwortete er mit einem leicht bissigen Unterton.

„Um was geht es dir überhaupt?“, fragte Carlisle ruhig wie eh und je. „Meinst du, Rache bringt dich weiter? Nehmen wir an, du seist an Williams Stelle gestorben. Würdest du wollen, dass er für dich ins offene Messer rennt und sein Leben aufs Spiel setzt, obwohl du davon nicht mehr lebendig wirst?“

„Natürlich nicht“, antwortete Anthony. Darauf folgte eine kurze Stille, ehe mein Sohn erneut sprach und zeitgleich mit dem Aussprechen seines nächsten Satzes aufstand. „Es geht aber hier nicht um Rache!“

„Ani, setz dich bitte wieder hin“, bat Mariella, doch ihre sanftmütigen Worte gingen einfach unter und wurden von ihrem Bruder ignoriert.

„Um was dann?“, wollte Edward wissen.

„Ihr denkt vielleicht, Nahuel, seine Schwestern, Mariella und ich wären die einzigen Halbvampire, aber das stimmt nicht!“ Anthony deutete mit einem Arm zum Fenster. „Da draußen sind noch zwei Dutzend mehr und sie werden von den Volturi gefangen gehalten und gezüchtet wie Tiere!“

Entsetzte Blicke. Damit hatte hier wohl keiner gerechnet, hatte man sich doch fest vorgenommen, unseren Jüngsten einfach nur von seinen Rachegedanken fortzubringen, hatte er nun etwas hervorgebracht, das man nicht so einfach beiseite schieben konnte. Mal ganz davon abgesehen, dass es mir dabei momentan lediglich darum ging, meinen Sohn zu schützen. Caius den Kopf abreißen, würde ich definitiv noch. Das hatte ich mir fest vorgenommen.

„Bist du sicher?“, hakte Carlisle nach.

„Ich hab es selber gesehen“, antwortete er ihm. Dann wand er seinen Blick zu Edward. „Was glaubst du, warum sie mich langsam zu sich zogen, angefangen damit, dass sie mir dieses unschuldige Kind vor die Füße warfen? Um unseren Zirkel zu entzweien? Das hab ich auch mal geglaubt. Aber das war nicht Aros Absicht. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, eine 'Super-Rasse' zu züchten.“

Jasper legte nachdenklich eine Hand an sein Kinn. „Er tötete Joham, nur um dessen Plan fortzuführen...“

Ich machte einen verächtlichen Ton. „Und zu uns sagen sie, wir würden wie die bekloppten Hybriden züchten, dabei machen sie das quasi am Fließband...“

In all dem Stimmgewirr, dem Entsetzen und dem Spott drang plötzlich Nessies Stimme hervor, als sie panisch aufsprang, zu Ani rannte und sich in dessen Hemd krallte. „Was haben sie mit dir gemacht?!“, schrie sie ihn förmlich an, doch er blieb ganz ruhig und zupfte ihre zarten Finger vorsichtig aus seinem Shirt. „Gar nichts, Mutter. Ich war fort, ehe Aro mich benutzen konnte.“

„Ah...“, kam es mir plötzlich. „Das erklärt natürlich ihren scheinheiligen Kotz-Brief.“

„Brief?“, fragte Anthony, der davon natürlich nichts wusste.

„Nein“, meinte Carlisle. „Ich denke, der war zur allgemeinen Besänftigung gedacht. Aro weiß, dass er durch den Mord an William und den Angriff auf Anthony eine Basis für eine Verfeindung unserer beiden Zirkel geschaffen hat.“

„Zum gegenwärtigen Zeitpunkt weiß er nicht mal, dass es bei letzterem bei einem Mordversuch geblieben ist, und ich halte es für besser, wenn das auch so bleibt.“

„Keine Sorge“, versicherte Ani. „Ich werd nicht noch mal alleine da rein gehen.“

„Sehr vernünftig.“

„Aber ich werde die Halbvampire dort auch nicht einfach weiter wie Vieh leben lassen. Und ich hab auch schon eine Idee, wer mir dabei behilflich sein könnte.“

„Ah ja?“, fragte Edward erwartungsvoll.

„Du kennst sie nicht... oder vielleicht doch...“, antwortete er und Edward sah genauso schlau aus wie vorher.

„Kennen oder nicht kennen“, schaltete Carlisle sich ein. „Alles was heute Abend besprochen wurde, wird sicherlich noch einmal aufgegriffen werden. Aber fürs Erste ist es das Wichtigste, dass du wieder auf die Beine kommst.“

„Ich steh doch schon.“

„Du weißt, was ich meine. Du wirst in den nächsten zwei bis drei Wochen Hausarrest haben und das Haus lediglich zum Jagen und nur in Begleitung verlassen. Und jetzt, ab ins Bett.“

Anthony verdrehte die Augen und ließ sich etwas angesäuert von Carlisle wegschieben.
 

- Ende Kapitel 10 -



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  vamgirly89
2012-03-16T20:04:33+00:00 16.03.2012 21:04
Wow ich schließe mich Jennalynn an. Bin schon auf das neue gespannt.
Von:  jennalynn
2012-03-16T10:34:34+00:00 16.03.2012 11:34
Das war wieder ein super Kapitel.
Da ist so viel passiert das ich mir sicher bin die Helfte zu vergessen.
Also DIESER BRIEF...Gott ich war so wütend.
Dieser Aro kennt einfach keine Grenzen.
Dann dieses Regenerieren von Anis Gift...das war echt krass.
Ich hab fast auf dem Bildschirm geklebt sp spanned war das.
Aber Jake der kotzt mich auch schon wieder an...nun ist sein Sohn aus dem gröbsten raus und was macht der Trottel...geht ihm wieder aus dem Weg.
Ich hoffe die sprechen sich endlich aus.
Anis Reaktion aufs Menschenblut war einfach spitze.
Edward hat das sicher als Test gemacht und er hat funktioniert.
Schreib bitte schnell weiter.
LG jennalynn


Zurück