Broken
Z e r b r o c h e n
Seit zehn Tagen wartete sie nun schon auf eine Nachricht des Treuetesters Uchiha, welchen sie auf ihren Verlobten Cedric angesetzt hatte.
Umso überraschender war die SMS, die sie vor gut einer Stunde bekommen hatte. Es stand nicht viel darin, sondern nur, dass er Ergebnisse hatte und sie noch am heutigen Tag zu ihm in sein Büro kommen sollte.
Sakura hatte noch zu Ende Mittag gegessen, natürlich allein. Cedric war offiziell arbeiten. Was er inoffiziell tat wollte sie lieber gar nicht wissen.
Aber sie würde gleich erfahren, was Cedric eigentlich immer so trieb. Während sie sich auf die Unterlippe biss überlegte sie, was sie tun würde, wenn er sie wirklich betrog. Könnte sie ihn zur Rede stellen? Oder würde sie einfach ihre Sachen packen und gehen, ohne ihm irgendetwas zu sagen?
Immerhin hatte er ihre Persönlichkeit unterdrückt, da sollte er schon deswegen ihre Meinung zu hören bekommen. Vielleicht sollte sie sich auch erst Naruto dazu holen, wer wusste schon, zu was Cedric alles fähig war, wenn sie ihn damit konfrontierte.
Mit einem leichten Kopfschütteln vertrieb sie ihre Gedanken, fürs Erste. Vielleicht sollte sie erstmal abwarten, was man ihr zu sagen hatte.
Nachdem sie das Auto vor dem Agenturgebäude abgestellt hatte, schritt sie auf das Gebäude zu. Ihre Schritte waren genauso selbstsicher, wie beim ersten Mal. Und trotzdem nagten der Zweifel an ihr, sowie die Angst vor dem, was sie erfahren würde.
Wieder schickte sie die Sekretärin die Treppe hinauf, nur diesmal ging sie langsamer, als beim ersten Mal. Ihr Herzschlag hatte sich verdoppelt und sie zwang sich, ruhig ein- und auszuatmen.
Vor dem Büro blieb sie unschlüssig stehen. Sie schloss die Augen. Egal, was der Uchiha ihr sagen würde, sie würde es gefasst aufnehmen. Niemand brauchte zu sehen, wie verletzlich sie doch war.
Als sie schließlich die Hand zum Anklopfen erhob, öffnete sich die Tür. „Wie lange wollen Sie noch hier rum stehen?“ Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen, als er sie ansah.
Sakura räusperte sich und ließ ihre Hand sinken. „Ich stehe noch gar nicht lange rum. Warten Sie schon lange?“
Er ließ sie hinein, wo sie sich auf den Stuhl sinken lies. „Aber nein. Sie kommen gerade richtig.“ Er schritt quer durch den Raum, hinter den Schreibtisch und nahm ihr gegenüber Platz. „Gut, dass Sie heute noch kommen konnten. Ich denke, es ist wichtig, wenn Sie es sofort wissen.“
Seine Worte schienen nichts Gutes zu bedeuten, trotzdem zwang sie sich, weiterhin neutral auszusehen. „Was konnten Sie herausfinden?“
Er öffnete eine Mappe und reichte ihr ein Bild. Zögernd nahm sie es an. Als sie darauf sah, wie ihr Verlobter es mit einer Blondine ziemlich heiß hergehen ließ, riss sie erschrocken die Augen auf und ein geflüstertes „Oh Gott…“ verließ ihren Mund.
Entsetzt starrte sie auf das Bild in ihren Händen. Sie konnte den Blick einfach nicht abwenden. Und es war eindeutig: Cedric betrog sie. „Ms. Haruno, es tut mir leid, aber das ist noch nicht alles.“
Sakura sah langsam hoch. „Wie meinen Sie das?“
Er breitete vor ihr vier weitere Bilder aus. Auf jedem Bild war Cedric, mit einer anderen Frau abgebildet. Und auf jedem Bild war deutlich, dass er sie betrog. Mit jeder dieser Frauen.
Tränen bildeten sich in ihren Augen und kullerten kurz darauf ihre Wangen hinab. Ihre Hände, die noch immer das erste Bild festhielten, zitterten plötzlich. Sie hatte vieles erwartet, aber so etwas niemals. Sie wusste, dass Cedric durchtrieben war, aber so sehr hätte sie niemals erwartet.
Als sie zwei Hände auf ihren Schultern spürte, wurde ihr erst einmal wieder bewusst, wo sie sich überhaupt befand. Sakura legte das Foto auf den Tisch und strich sich über die Wangen, bevor sie den Blick sank.
„Ich kann mir vorstellen, dass Ihnen das sehr weh tut. Es tut mir leid, dass ich Ihnen keine besseren Nachrichten überbringen konnte. Aber jetzt haben Sie Gewissheit. Besser jetzt, als wenn Sie und er verheiratet wären und es vielleicht sogar Kinder gäbe.“
Sie konnte nicht antworten, der Schock saß noch zu tief. Deswegen nickte sie nur leicht. Er reichte ihr ein Taschentuch, welches sie auch annahm. „Ich danke Ihnen.“ Sie wischte sich damit über die Augen. „Entschuldigung.“
„Es gibt nichts zu entschuldigen.“
Sie biss sich auf die Lippe, bevor sie zu ihm aufsah. Er hatte ihren Stuhl zurückgezogen und stand vor ihr. Er war ihr so nah, dass sie seine Körpertemperatur spüren konnte. Im Gegensatz zu ihr wirkte er so riesig. Sogar durch sein schwarzes T-Shirt konnte sie Bauchmuskeln erahnen. Dann war sie bei seinem Gesicht angelangt und sah in seine Augen. „Könnten Sie die Fotos bitte wegpacken? Ich möchte sie nicht mehr sehen.“
„Natürlich.“ Er drehte sich herum und nahm die Bilder. Anschließend ging er um den Schreibtisch herum und nahm wieder Platz. Die Fotos verstaute er in einer Akte, die zu ihrem Fall gehörte. „Was werden Sie jetzt tun?“
Sie strich sich einige Haarsträhnen hinter die Ohren. „Auf jeden Fall werde ich mich von ihm trennen. Aber wie ich das anstelle, weiß ich noch nicht.“
„Brauchen Sie Hilfe?“
Automatisch hob sie abwehrend die Hände. „Danke, aber ich komme klar. Sie haben doch sicherlich genug anderes zu tun und ich möchte Sie weder damit belasten, noch Sie da rein ziehen.“
Er nickte knapp. „Es ist Ihre Entscheidung. Aber wenn sie Hilfe brauchen, dann können sie mich jederzeit anrufen.“
Sie rang sich ein kleines Lächeln ab. „Ich danke Ihnen.“
Auch er lächelte darauf leicht. Sakura stellte fest, dass sein Lächeln ehrlich war, und doch wirkte es, als hätte er es lange nicht mehr getan.
Als sie die Haustür hörte warf sie einen Blick auf die Uhr in der Küche. 20:46 Uhr – er kommt ja jeden Tag früher von der Arbeit.
Sobald Sakura zu Hause gewesen war, hatte sie ihre gesamten Sachen gepackt und nur darauf gewartet, dass Cedric nach Hause kam. Ihren Kater Zorro, sowie ihre wichtigsten Sachen hatte sie schon bei Naruto vorbeigebracht. Sie musste dann nur noch die kleinere Tasche nehmen, in der nicht ganz so wichtige Dinge eingepackt waren.
Sie hörte seine Schritte auf dem Parkett. Er kam in ihre Richtung. „Hallo Liebling. Tut mir leid, dass es etwas später geworden ist.“ Er zog seine Jacke aus und warf sie über die Stuhllehne. „Gibt’s noch was zu essen?“ Sakura starrte ihn einfach nur an. Sie bemerkte es schon nicht einmal mehr, aber er tat es. „Sakura? Was ist?“
„Was es gibt, Liebling?“ Sie spie den Kosenamen mit einer ordentlichen Portion Gift hinaus. „Wieso lässt du dich nicht von jemand anderem bekochen? Du hast doch freie Auswahl.“
Sie hatte sich gründlich durch den Kopf gehen lassen, was sie tun sollte, wenn er dann wirklich vor ihr stand. Ihre Wahl ist auf Konfrontation mit abschließendem, sehr galantem Abgang gefallen.
Cedric runzelte die Stirn. „Was willst du mir damit sagen?“
Sie lehnte sich zurück. „Liebst du mich noch?“
„Aber natürlich liebe ich dich. Sonst würde ich dich doch nicht heiraten wollen.“
Sakura griff nach dem Glas, welches vor ihr stand und warf es auf ihn. „Lügner!“ Das Glas zerberste über seiner Schulter. Er riss die Augen vor Erstaunen auf. „Bist du verrückt geworden?!“, schrie er sie an.
„Ich weiß, dass du noch eine handvoll anderer Freundinnen hast! Du betrügst mich nach Strich und Faden, Cedric! Ich bin es leid, mir das antun zu müssen! Du hast mich zu etwas gemacht, was ich nicht bin und das lasse ich mir nicht mehr länger gefallen!“
Nach ihrem Wutausbruch war es gespenstisch still geworden. Cedric starrte sie an, als würde sie nicht existieren. Er war sauer, dass sah sie ihm an. „Woher weist du das?“, presste er schließlich zwischen zusammengebissenen Zähnen leise hervor.
Sakura schluckte, aber sie rückte mit der Wahrheit raus. „Ich habe dich beobachten lassen. Ich wusste, dass etwas nicht stimmt. Ich hatte eine Ahnung, dass du mich betrügst. Aber ich wusste doch nicht, dass du es gleich mit fünf anderen Frauen tust! Mit fünf, Cedric!“
Er schwieg zunächst, doch er starrte noch genauso wie vorher. „Was bin ich dir Wert, Cedric, dass du mir so etwas antun musst? Hast du mich jemals geliebt? Oder spielst du mit den anderen Frauen genauso, wie mit mir? Sag es mir, damit ich endlich verschwinden kann!“
Ein Ruck ging durch seinen Körper, er kam zu ihr hinüber und zog sie von ihrem Stuhl empor. „Du hast mir nachspioniert?!“
„Was blieb mir denn anderes übrig!“ Ehe sie irgendetwas tun konnte, klatschte es. Die Tränen der Wut, die sich kurz vorher in ihren Augen gesammelt hatten, kullerten über ihre Wangen. Ihre rechte schmerzte von seinem Schlag, so sehr, dass sie ihre Hand darauf legen mussten. Erschrocken sah sie zu ihm hoch, brachte kein Wort mehr über die Lippen.
Cedric hatte noch immer die Hand erhoben, bereit, für den nächsten Schlag. „Was bildest du dir ein, mir nachzuspionieren?! Und wie kommst du auf die dumme Idee, mich verlassen zu wollen?!“
Als sie nicht reagierte, packte er sie grob an den Armen und stieß sie gegen die Wand hinter ihnen. „Du wirst dir noch wünschen, diese Dinge niemals getan zu haben, Sakura!“
Sie weinte stumm und ließ auch den nächsten Schlag über sich ergehen, ließ Cedric wüten. Er war zu stark für sie. Sie konnte sich nicht wehren. Hätte sie doch nur auf Naruto gehört! Er hätte sie begleiten wollen, dann müsste sie sich das jetzt nicht antun.
Aber nein, sie dachte, sie sei der Sache gewachsen. Auch die Hilfe von dem Uchiha hatte sie ausgeschlagen. Weil sie wirklich dachte, Cedric würde ruhig wie ein Mäuschen zulassen, dass sie ihn verließe.
Sie spürte schon kaum noch, wie er sie immer wieder schlug. Sie hatte sich zurückgezogen und wartete nur noch darauf, dass er ging. Das seine Wut endlich abklang. Das es einfach aufhörte, egal wie.
Sakura konnte nicht einschätzen, wie viel Zeit wirklich vergangen war, als er sie endlich losließ und sie zu Boden sinken konnte. Ihre Tränen waren nicht ein einziges Mal versiegt. Sie wollte nur noch weg von diesem Monster, welches sie so sehr getäuscht hatte.
„Wenn du jemanden davon erzählst, dann bist du dran, Bitch! Damit wir uns verstanden haben, ich finde dich!“ Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und weinte stumm weiter.
Nach einigen Augenblicken hörte sie die Wohnungstür zufallen. Erst dann ließ sie das Schluchzen heraus, was sich die ganze Zeit über in ihr angesammelt hatte. Erst jetzt, wo er weg war, zeigte sie ihre Schwäche. Davor wollte sie sich diese Blöße nicht geben, nicht vor ihm.
Ihre Wangen schmerzten, genauso wie ihre Arme und ihr Bauch. Aber wenigstens hatte er sich nicht noch an ihr vergriffen, dass hätte sie mit Sicherheit nicht überstanden.
Langsam und vorsichtig stand sie auf. Dabei musste sie sich an der Zimmerwand festhalten, weil ihre Knie zitterten. Tief holte sie Luft und versuchte sich durch das gleichmäßige Atmen zu beruhigen. Sie musste sich langsam mal zusammenreißen! Sie wusste nicht, wann Cedric wieder auftauchen würde und bis dahin wollte sie definitiv weg sein.
Mit unsicheren, wackeligen Schritten ging sie aus der Küche, dorthin, wo ihre Tasche stand. Sie ließ sich wieder auf den Boden sinken, aus Angst, dass ihre Beine sie nicht länger trugen. Dann fischte sie ihr Handy aus den Tiefen der Tasche.
Mit genauso zittrigen Händen suchte sie nach seiner Nummer, und wurde fündig. Es gab nur einen Menschen, den sie jetzt sehen wollte.
„Sakura? War er schon da? Wie ist es gelaufen? Geht’s dir gut?“ Er überschüttete sie förmlich mit Fragen. Sie hörte sich selbst tief Luft holen, bevor erneut ein Schluchzen aus ihr hervorbrach. „Sakura?!“ Diesmal klang er alarmierter.
„Naruto… bitte hol mich ab.“
„Süße, ich bin schon unterwegs. Rühr dich nicht vom Fleck!“ Dann legte er auf. Fast hätte sie über seine letzte Aussage gelacht, aber danach war ihr nicht. Sie legte ihr Handy beiseite, zog die Beine an ihren Körper und bettete ihren Kopf auf ihre Knie.
In ihren Kopf herrschte eine unnatürliche Leere. Kein Gedanke ließ sich erfassen. So schnell konnte sich das gesamte Leben für einen ändern. Im ersten Moment war man glücklich, alles lief perfekt, man macht Hochzeitspläne und dann, dann kam der große Umschwung. Man wird verletzt, man ist unglücklich, die Welt, die man sich aufgebaut hat, zerbricht. Wie ein Spiegel, in tausend Scherben. Und man kann nichts mehr flicken.
Wie konnte man sich als lebendiger Mensch nur so leer fühlen? Sakura fühlte sich allein gelassen, einsam. Obwohl sie es nicht war, nein, sie hatte Naruto. Aber er war auch nicht immer da. Und er hatte vor allem sein eigenes Leben, was nicht immer leicht war.
Dann fiel ihr etwas ein, woran sie nicht gedacht hatte. Sie war nicht allein. Vielleicht war sie es in Amerika, aber nicht in England. In ihrer Heimat. Dort wo sie Familie hatte. Dort war sie nicht allein.
Sakura wusste, ihre Mutter würde sie stets mit offenen Armen empfangen. Und sie brauchte ihre Nähe und Wärme jetzt am meisten. Sie würde sie verstehen, als einzige.
Sie würde nach Hause zurückkehren. So schnell wie möglich.
To be continued.