Zum Inhalt der Seite

Outnumbered

Zombiecalypse
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Geschichtenerzähler lügen

„Hast du schon einmal darüber nachgedacht, ob sich das, was wir tun lohnt?“

Cat stützte sich auf den Ellenbogen und wendete sich Aaron zu.

„Einmal? Ich denke permanent darüber nach.“

„Und du zweifelst nicht?“

„Nein, das eigentlich nicht.“, ein Lächeln huschte über seine Mundwinkel und er drehte sich zurück auf den Rücken, blickte in den sternenklaren Abendhimmel, der so weit wirkte, als ob es die Wüste um sie herum nicht geben würde.
 

Nachdem sich Aaron halbwegs wieder beruhigt hatte und sie letztendlich voneinander abgelassen hatten, bemerkte auch Aaron dass sie nicht mehr fuhren und auf seiner Frage nach dem Warum, antwortete Cat nur, das sie vergessen hatten zu tanken, seine Stimme triefte dabei vor Zynismus.

So einfach, so problematisch.

Ohne weitere Absprache, beschlossen sie also die Nacht über im Wagen zu übernachten und am nächsten Morgen weiter zu schauen, denn Jetzt überstürzt weiterzureisen käme in ihrer Situation einem Selbstmord gleich und so blieb ihnen nichts anderes übrig als zu warten und sich zu beruhigen.

Sie kletterten auf die Ladefläche des Pickups und warteten auf die Nacht, die hoffentlich auch die Müdigkeit mit sich bringen würde.
 

Aaron zündete sich eine Zigarette an, ließ damit kurzzeitig geisterhafte Schatten über sein Gesicht tanzen, nahm einen langen Zug und inhalierte das nervenberuhigende Nikotin.

Cat rollte sich wieder zurück, doch anstatt mit dem Blonden zu schimpfen, nahm er ihm die Zigarette aus der Hand und tat selber einen tiefen Zug, ehe er die Kippe zurückgab.

„Hey.“, protestierte Aaron schwach und runzelte die Stirn.

„Wo ist Mister. „Wenn du in meiner Gegenwart rauchst töte ich dich?“

Der Andere schnaubte leise und hustete von dem ungewohnten Rauch.

„Ich habe auch mal geraucht.“, gestand er.

„Wirklich? Wann?“

„Da war ich nicht viel älter als du. Zuhause durfte das keiner wissen, aber unter meinen Freunden war es ganz normal.“, er zwinkerte ihm verschwörerisch zu.

Aaron schwieg darauf nachdenklich und überlegte, ob er ihn fragen konnte, wie das so war mit einer Familie, die es kümmerte ob er rauchte oder nicht.

Mike hatte nie etwas dagegen gehabt, auch wenn er seine Rolle als Ersatzfamilie stets sehr ernst genommen hatte. Naja, mehr oder weniger halt.

Wenn er es recht überlegte, hatte er keine Ahnung, keine Informationen über Cat, außer die, das er ein Jäger war.

Kein Warum, kein was-war-davor.

War das in Ordnung?
 

Ehe Aaron ein paar seiner Fragen auf den Grund gehen konnte, lehnte sich Cat zu ihm und strich etwa Asche von seiner Wange, die sich dorthin verirrt hatte.

„Warum bist du so?“, fragte Aaron leise und suchte den Blick den Älteren.

„Wie denn?“, er wich dem Blick aus.

Ja… Wie sollte Aaron dies fragen, ohne selber dumm zu wirken, oder die leichten Anfänge einer Zuneigung im Keim zu ersticken?

„So… nett?“, schwach, das wusste er selber, aber liebevoll war nicht das Wort, dass er dafür benutzen wollte.

„Bin ich das? Vielleicht bin ich ja gar nicht „nett.“

„Du bist anders, als ich es erwartet hatte.“

„Was hast du denn erwartet?“

„Naja, du weißt schon. Einsamer Mann reist durch die Gegend, killt Untote und trifft auf Milchbubi. Das Klischee eben. Aber du bist nicht…“

„…Psychopatisch?“

„Nicht ganz, du bist nicht der kauziger Kerl, der die ganze Zeit am rumkeifen ist und einen auf böser starker Mann macht, aber in Wahrheit bei Disneyfilmen heult.“

Cat lachte, ein lautes, trockenes Lachen und Aaron sah die Lachfältchen um seine Augen und konnte nicht anders als verstohlen zu grinsen.

„Was hast du nur für schlechte Filme gesehen?“

Aaron zuckte mit der Schulter.

„Jeden?“, Cat lachte wieder, es war ansteckend.

„Nein hör‘ zu, du darfst nicht alles für bare Münze nehmen was du so hörst und siehst.

Bevor ich Jäger wurde hatte ich ein ganz normales Leben in genau so einer ganz normalen Kleinstadt wo du herkommst. Ich werde dir nicht sagen, wo ich gelebt habe, dafür ist es einfach noch zu früh, aber du kannst dir ein ganz normales Bild von mir machen, wenn es dir hilft.

Eine ganz durchschnittliche, amerikanische Familie, Daddy bei der Marine, Mutter Hausfrau, einen großen Bruder, der eine durchschnittliche Sportart spielt und eine kleine Schwester, die am liebsten einen Hund haben würde. Kompletter Durchschnitt.“

Aaron nickte nur.

Es beruhigte ihn irgendwie, dass Cat dies sagte, oder vielleicht auch mehr die Vorstellung das Cat eine normale Vergangenheit hatte. Haben könnte.

Andererseits.

Er sah in seine leblosen Augen, sah die feinen Narben, die bei genauerem hinsehen fast die gesamte Haut bedeckten und die Sorgenfalten, die sich längst um seine Mundwinkel und seiner Stirn breitgemacht hatten, wenn er einmal nicht versuchte sie zu überspielen.

Was mochte mit einem Mann wie ihm passiert sein, dass er nun hier war.

Hier, mitten in einem Krieg, den die Menschheit vermutlich verlieren würde, auf dem Dach eines Pickups, unmittelbar hinter einer zerstörten Stadt und vor allem neben ihm, Aaron.

Was konnte alles im Leben schieflaufen?

Was gab ihm die Gewissheit, dass das was sie taten Sinnvoll war?

Aaron würde Cat gerne tausend Fragen stellen, aber er wusste, dass nun er an der Reihe war, etwas über sich preiszugeben.
 

„Ich habe keine Erinnerung an meine Kindheit.“, begann er langsam und wusste, das Cat ihm aufmerksam zuhörte.

„Ich bin einfach eines Morgens aufgewacht und ein Mann im weißen Kittel sagte mir, dass Mama und Papa nicht mehr hier wären.

Ein Autounfall, Drogen, Alkohol, so genau weiß ich das bis heute nicht. Ich war ein fast fünfjähriger Junge ohne Papiere, ohne augenscheinliche Herkunft und ohne richtiger Erinnerung.

Naja, das war zu einer Zeit, da schwabbte diese Welle aus Drogentoten über die Ostküste, vielleicht hast du davon gehört… Ist auch nicht weiter interessant.

Es war halb so tragisch, ich kann mich nicht an sie erinnern und darum fehlen sie mir nicht.“, Aarons Augen straften ihn Lügen, aber Cat sagte nichts dazu, doch die Erinnerung an die Skandale damals pochten leise in seinem Hinterkopf.

Da war etwas in seiner Erinnerung…

Er ignorierte sie.

„Ich wuchs, bis ich zu alt wurde, in einem Heim für Weisenkinder auf und kam dann zu Mike und seiner Familie.

Mike’s Familie besteht aus einer großen Schwester, die sich immer um alles und jeden gekümmert hat und sie bestand aus einem Mädchen, das etwa so alt war wie ich.“

„Bestand?“

„Sie starb vor zwei Jahren an Multipler Sklerose.“

„So jung?“

„Ja… Wir konnten es auch nicht fassen und Mike ist nie richtig darüber hinweggekommen… Aber… das ist Mikes Geschichte.

Jedenfalls hatte er irgendwoher diese Unmengen an Geld und du weiß so gut wie ich, das Geld nicht vom Himmel fällt, es sei denn du lebst in einem Disneyfilm…

Er eröffnete mit dem Geld diese Spelunke, in der wir uns das erste Mal getroffen haben, und seine Schwester und ich mussten mit ran, Geld für unser Leben und das des Ladens ranschaffen.“, Aaron legte eine bedeutungsschwangere Pause ein und Cat nickte nur.

Es herrschte für einen Moment unangenehmes Schweigen, bis sich Aaron räusperte und Cat zuzwinkerte.

„Naja, aber du weißt doch, Geschichtenerzähler lügen.

Vielleicht hat es sich auch ganz anders zugetragen und das Geld ist wirklich vom Himmel gefallen, Mike hat den Laden geerbt oder meine Mutter war in Wahrheit eine minderjährige Prostituierte und hat mich aus Verzweiflung in einem dunklen Hinterhof zurückgelassen. Mal ehrlich, würde es einen Unterschied machen? Würde es verändern, wer ich bin?“, er seufzte und nahm einen letzten Zug, ehe er die Zigarette vom Dach schnippte.

„Nein, vermutlich würde es nichts ändern.“, amüsierte sich Cat und schlug ihn spielerisch gegen die Schulter.

„Was willst du mit deinen neunzehn Jahren und der Hühnerbrust auch schon erlebt haben? Home sweet home America. Solange du nicht Volljährig bist, schützt dich das Gesetz vor allem bösen.“

Sie tauschten einen Blick aus, der besagte das sie das selbst weder glaubten, noch jemals erlebt hatten.

Fick das System.

Fick das Gesetz, es gab keine Gesetze die irgendwas verhindert hätten und im Krieg schon mal gar nicht.

„Was hast du denn schon erlebt?“, mokierte Aaron daraufhin, hob trotzig das Kinn und sah ihn herausfordernd an.

„Oh nein, zuerst erklärst du mir, was es mit dem Zettel auf sich hat.“

„Was für ein…“, da händigte Cat Aaron den Zettel aus, den er in dessen Hosentasche gefunden hatte.

„Oh. Der Zettel.“

Aaron nahm ihm den Zettel ab, strich mit seinen Fingern über das raue Papier und las das kurze Gedicht, das dort hingeschrieben wurde.
 

„As you left you said you'd be back

And promised that we would be together again.

Visions of the future

Of all the fun times you had promised, filled my head

As we bid farewell“
 

Aaron las es nochmals aufmerksam, und bemerkte, dass dort, wo das Papier abgerissen worden war, noch Ansätze von Buchstaben standen.

„Was glaubst du was das ist?“

„Woher soll ich das wissen? Du hattest es in der Hosentasche.“

Aaron zuckte mit der Schulter und meinte:

„Es hing an den Scheibenwischern, als ich das Auto holte.“

„Sonst keine Hinweise?“

„Nein, nichts.“

„Hm… Ob der Zettel etwas mit dem „Kunstwerk“ an der Tür zu tun hat?“

Aaron schwieg und dachte nach.

Vielleicht? Aber das war doch dämlich.
 

Ganz in Gedanken versunken fragte der Jüngere plötzlich:

„Was machen wir jetzt mit dem Wagen? Ist blöd so ohne Benzin…“

„Was du nicht sagst. Da ich nicht sonderlich scharf darauf bin wieder zurück ins verseuchte St. Louis zu gehen, müssen wir wohl laufen und in der nächsten Stadt ein anderes Auto organisieren.“

„Laut Karte, gibt es im Osten einen Fluss, der nach East St. Louis führt, ob da allerdings schon Solanum ausgebrochen ist oder nicht, kann ich dir nicht sagen, die ganze Umgebung hat sich ziemlich verändert, seid der Krieg ausgebrochen ist.

„Wo liegt denn unser Ziel?“

„Im Westen.“

„Dann wäre es doch schlauer gen Westen zu laufen und dort ein Auto zu suchen?“

Aaron seufzte.

„Das Problem ist nur, die nächst größere Stadt, das müsste Chesterfield sein, ist wirklich weit entfernt und ehe wir dort angekommen sind…“

„Irgendwelche Kleinstädte?“

„Clayton könnten wir versuchen.“

„Wie weit ist es denn?“

„Etwa 8 Meilen, zu Fuß brauchen wir da gut zwei, drei Stunden hin.“

Cat murmelte etwas von verwöhnte Jugend und nickte abwesend.

„Gut. Dann laufen wir bei Morgengrauen los.“

„Wie du willst.“, seufzte Aaron und wusste, das er doch keine Wahl hatte.

„Warum wolltest du eigentlich unbedingt über South Dakota reisen? Nach Idaho wären wir auch schneller gekommen.“

„Ich war lange nicht dort.“, antwortete Cat knapp und signalisierte Aaron mit einem Blick, das dass Thema damit beendet war.

Gut. Aaron seufzte erneut und sah wieder in den Himmel.

„Du bist ein wandelndes Mysterium Cat.“

„Wieso?“

„Weil du „Geheimnis“ mit jeder deiner Poren ausstrahlst.“

Darüber dachte dieser einen Moment nach, ehe er antwortete:

„Aber bei mir weiß man, dass da etwas ist. Ich bin mir sicher, das auch du eine Geschichte hast, aber du handelst, reagierst und tust so, als ob du ein weißes Blatt wärst und es kein Aaron gegeben hat, bevor ich dich angesprochen habe.“

„Vielleicht gab es den auch nicht.“, murmelte er leise und senkte den Blick.

„Komm schon, solange du nicht vom Himmel gefallen bist, musst du eine Geschichte haben.“

Aarons wütender traf Cat unvorbereitet und er zuckte zusammen.

„Es gibt nichts, was ich über mein Leben erzählen könnte.“

Ein wütender Zug legte sich um seinen Mund und aus seinen Augen sprach eine Kälte, die Cat noch nicht bei ihm gesehen hatte.

Resigniert schwieg er und beschloss Aaron nicht unbedingt jetzt auf den Namen anzusprechen.
 

Mit dieser unruhigen Stimmung zwischen ihnen wurde die Nacht lang.

Sehr lang.

Sie sahen sich nicht an, lagen schweigend nebeneinander und hingen ihren eigenen Gedanken nach.

„Schläfst du?“, fragte Aaron leise und rieb sich fröstelnd die Arme - die Nächte hier draußen konnten wirklich fies sein.

Ohne aufzusehen antwortete Cat ruhig:

„Nein.“, er verspürte eigentlich nie wirkliche Müdigkeit.

Seelische Müdigkeit ja, körperliche? Nein, nie.

„Schläfst du jemals?“

„Manchmal, aber ich bin nicht darauf angewiesen.“

„Wieso nicht?“

Ein erschöpftes Lächeln huschte über Cat’s Lippen und er legte seine Jacke über Aarons frierenden Körper.

„Weil das Solanum in mir bestimmte Bedürfnisse unterdrückt.“

Aaron runzelte nachdenklich die Stirn und zog den Stoff fester an sich, roch Cat daran und lächelte.

„So? Welche?“

„Im Großen und Ganzen die Müdigkeit, Hunger, das Gefühl von Kälte – sowas eben.“

„Und das macht dich nicht krank?“

„Bei einem Virus wie diesem kommt es nicht mehr wirklich darauf an, ob sich die Nebenwirkungen als tödlich herausstellen oder nicht.“

Stimmt, das war dumm von ihm.

„Aber Cat?“

„Ja?“

„Sagtest du nicht, das Solanum in dir ist ungefährlich, für dich, wie auch für andere?“
 

Lennie hatte Cat dieselbe Frage gestellt.

Lennie war Aarons Vorgänger, aber mittlerweile seid mehr als einem halben Jahr nicht mehr am Leben.

Die Erinnerung an den brünetten jungen Mann mit dem offenen Lächeln und dem Hang zum Frauenherzen-brechen versetzte Cat einen Stich und er traute sich nicht Aaron anzusehen.
 

„Ja das sagte ich.“

„Und du sagst auch die Wahrheit? Kannst du wirklich unbegrenzt so weitermachen?“

„Warum sollte ich Lügen?“
 

Weil Geschichtenerzähler lügen – grundsätzlich.



Fanfic-Anzeigeoptionen
Blättern mit der linken / rechten Pfeiltaste möglich
Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2011-09-09T12:51:07+00:00 09.09.2011 14:51
Dabei wäre der Gedanke zu tanken doch so naheliegend gewesen, wo sie sich doch ständig Benzin besorgt haben, um die Viecher zu verbrennen.
*kopf schüttel*
Das ist echt mal dumm gelaufen, aber so haben sie wenigstens Zeit, sich miteinander zu unterhalten und es ist ein wirklich tolles Gespräch entstanden. Du hast ein gutes Händchen für Dialoge - Lob an dich. =)
Vor allem gefällt es mir, weil man mehr über die beiden Charaktere erfährt.
Kleinigkeiten, die man gar nicht für so wichtig erachten würde, die aber doch... eine Bedeutung haben. Das Rauchen zum Beispiel. Nimmt der einfach mal nen Zug und erzählt, dass er auch mal geraucht hat. Und schon kommt man auf die Familie und kann von ihr erzählen, dann von Freunden, von Orten... so spinnt es sich immer weiter und das ist toll.
Weil Schweigen können die beiden ja nicht sonderlich gut. XD
Aber Geheimnisse hegen... es wird ja bei weitem nicht alles verraten. Ich bin gespannt, mehr von Cats leben zu hören. Der hat sich ja nun wirklich noch ein wenig bedeckt gehalten.
Bin gespannt, wie es weitergeht.
Nicht, dass die Clayton auch noch so zurück lassen. ;)

lg Rej


Zurück