Was war geschehen, dass es zwischen ihnen nicht mehr so klar war, wie es zu Beginn einst einmal gewesen war? Ein Engel und ein Dämon – nicht dafür geschaffen, zusammen zu sein. Die
Grenzen waren immer klar gesetzt und niemals überschritten worden, oder? Die Distanz war deutlich gewesen, die Abweisung kühl und berechnend. Auf der einen Seite der Selbstschutz, auf der anderen Seite die Aufforderung zum Spiel. Doch nun war es anders, war es nicht mehr so klar zu erkennen, was der eine oder was der anderen denn wollte...
Wann war es ernst geworden?
Wann waren die Grenzen verschwommen, wann der erste Schritt darüber gemacht worden? Wann hatten sich die Blicke getroffen und nicht mehr nur das gefühlt, was man sich doch am
Anfang vorgenommen hatte?!
Dein zuckersüßer roter Mund lutscht alle Worte kugelrund
Selbst im Kampf ergeben sich deine Lippen meinen nicht
Wie ein Blatt auf einem reißenden Fluss hatten sie sich nicht dagegen wehren können, wie es sich nun entwickelt hatte. Keiner von ihnen war auf dem Weg dorthin abgesprungen, denn sie hatten nicht geahnt, wohin es führen würde. Zu sehr waren sie damit beschäftigt gewesen, an ihren Vorstellungen festzuhalten und nicht die Augen zu öffnen für neues Licht, welches das zwischen ihnen anders beleuchtet hätte. Denn was würde geschehen, wenn sie sich öffnen würden?
Beide müssten sie sich eingestehen, dass es nicht mehr das Spiel war, was sie begonnen hatten oder dass dort nicht mehr die Mauer stand, die sie errichtet hatten, um sich selbst vor allem anderen zu schützen. Sie würden sich eingestehen müssen, dass es nicht mehr der Kampf war, den sie die ganze Zeit halbherzig geführt hatten.
An deinen glühend heißen Wangen verbrenn ich meine Finger
Selbst wenn du mich zu Boden wirfst wähne ich mich als Gewinner
Die Abneigung war nach und nach einer seltsamen Gleichgültigkeit gewichen und nun spürte sie nicht einmal mehr diese, nicht wahr? Sie konnte ihm nicht mehr völlig emotionslos gegenüberstehen, wenn er bei ihr war. Oder wenn er sie so ansah. Denn auch in jenen goldenen Augen war so etwas wie Erkennen zu lesen – und vielleicht auch ein wenig Verstehen. Verständnis, welches einen dazu brachte, sich den Worten des anderen doch ein wenig mehr zu öffnen und sich auf eine weitere Sichtweise einzulassen.
Und wann war es geschehen, dass von bloßem Unverständnis und Abneigung jene Gefühle gewechselt waren in solche, die den Blick auf anderes lenkten? Auf diese Augen, die plötzlich gar nicht mehr so furchteinflößend wirkten, sondern viel mehr faszinierten. Auf jene Lippen, die nicht ausschließlich verächtliche Worte hervor spieen, sondern die
auch zum Küssen einluden...
Was ist mit meinem Willen bloß machst meinen Willen willenlos
Plötzlich steht man seinen eigenen Gefühlen völlig hilflos gegenüber. Kann man nicht verhindern, was man in Gegenwart des anderen fühlt und dass es sich nicht mehr mit dem deckt, was man sich doch zu Beginn fest vorgenommen hatte, weil der andere doch so ganz
anders war als man selbst und es nie passen konnte. Nie passen sollte! Ungläubig horcht man in sich hinein und zweifelt an dem, was man dort tief in seinem Innern – in seinem
Herzen, zu finden scheint.
Du bist eis eiskalt
Die ganze Zeit hatte man versucht, sich den anderen vom Leib zu halten und ihn mit verletzenden Worten von sich fern zu halten. Weil man nicht selbst verletzte werden wollte. Weil man sich vor dem Wesen, welches doch so sehr viel anders war als man selbst, fürchtete.
Du bist eis eiskalt
Es war die ganze Zeit ein Kampf gewesen zwischen ihnen beiden und niemand hatte vor, klein beizugeben oder gar versuchen, den anderen zu verstehen und dessen Haltung nachvollziehen zu
können. So waren die Begegnungen gepflastert mit Missverständnissen, die es noch komplizierter machten, entspannt zu sein.
Mein hungriges Herz durchfährt ein bittersüßer Schmerz
Sag mir wie weit, wie weit, wie weit, wie weit willst du gehen?
Mein hungriges Herz durchfährt ein bittersüßes Schwert
Sag nur wie weit, wie weit, wie weit, wie weit wirst du gehen?
Und nun wissen sie beide nicht, was mit ihnen geschieht. Denn dass, was sie fühlen, dürfte nicht sein. Zu verschieden, zu unterschiedlich sind sie doch. Und sie waren sich doch von
Anfang an beide bewusst, dass so etwas nie passieren würde. Etwas anderes als Verachtung und Mitleid könnten ihre Herzen doch niemals für den anderen empfinden. Eingefahren waren
die Seiten, hatte doch keiner von ihnen von seiner Einstellung abweichen wollen.
Doch nun verletzten sie – die Worte, die einen auf Abstand halten sollten. Jetzt lösten die Berührungen ein seltsames Kribbeln aus, die doch eigentlich Ekel und Verachtung hervorrufen
sollten. Mit einem Male war es nicht mehr so einfach, die Grenzen zu sehen und zu befolgen, die man sich vorher selbst gesetzt hatte. Mit einem Male schien da ein Verlangen zu erwachen, was man zuvor doch gar nicht gespürt hatte? Oder doch vielmehr verdrängt und ignoriert?
Deine Augen sehen durch mich durch jemand anderen an
Wenn deine Hände mich berührn verfolgen sie einen Plan
Mit deiner rauen Engelszunge dringst du in mich ein
Angst. Angst davor, dass man sich verlieren würde. Dass man jenen Gefühlen nachgeben würde, die doch so gefährlich und zerstörerisch waren. Noch immer bleibt da das Misstrauen gegenüber dem anderen, der doch längst mit dem gleichen kämpfen muss, wie man selbst. Doch man sieht es noch nicht und glaubt lieber daran, dass der andere diese ‚Schwäche‘ ausnutzen wird und man dann in ein schwarzes Loch fallen wird.
Noch schien man nicht bereit dafür zu sein, seinen eigenem Herzen zu glauben. Seinem Herzen die Freiheit zu geben, so zu fühlen, wie es fühlt. Und es nicht hinter Gittern tief im Innern
vor sich selbst und dem anderen zu verstecken.
Du hälst mich fest was soll das bloß
Drück ich zurück lässt du mich los
Es hatte sich verändert zwischen ihnen. Eiskalt waren die Grenzen verschwommen, hatten sich in einer Wärme begonnen aufzulösen, so dass man nicht mehr wusste, bis wohin man gehen konnte – gehen durfte.
Sag nur wie weit wie weit wie weit wie weit wirst du gehn?