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Der andere Harry Potter

von

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Ein paar Fakten und Hypothesen zu Anfang

Mein Name ist Harry, Harry Potter.

Oh. Oh nein, nicht der Harry Potter. Und genau das ist mein Problem.
 

Es gibt bestimmt eine Menge Leute, die berühmten Persönlichkeiten ähnlich sehen oder die genauso heißen. Vielleicht haben diese Leute sogar ein paar ähnliche Eigenschaften, wie die Berühmtheiten, denen sie ähnlich sind. Vielleicht haben sie den gleichen Geburtstag, ein gleiches Hobby oder die gleiche Vorliebe für kulinarische Genüsse. All das ist ein wunderbar witziger Einwurf in ein Gespräch unter Freunden. Oder ein Gespräch mit einem Mädchen, das man heiß findet – oder während man auf jemand anderen oder etwas wartet.

Aber wisst ihr, was jedes Gespräch zerstört? Wenn man sich in der Zaubererwelt mit dem Namen Harry Potter vorstellt.

Ich muss darauf noch ein bisschen näher eingehen.
 

Wenn ein Muggel sich als Harry Potter vorstellen würde, dann wäre das sicherlich kein Problem. Seit Jahren ist der Name Harry schon unter den beliebtesten Vornamen für neugeborene, süße oder weniger süße kleine Wonneproppen, die aus den Bäuchen englischer Mütter purzeln. Und auch der Nachname Potter kommt in London allein wahrscheinlich über hundertmal im Telefonbuch vor.

Überhaupt gibt es in der Muggelwelt gar keine Berühmtheit mit dem Namen Harry Potter.

Wenn ich also ein Muggel wäre, hätte ich wahrscheinlich weniger Probleme in meinem Leben. Aber das bin ich nicht.

Also weiter im Text.
 

Ich bin ein Zauberer mit dem Namen Harry Potter und ich komme – wie man vielleicht schon erraten konnte – aus England, genauer gesagt aus London. Möglicherweise hätte ich ebenfalls keine Probleme, wenn ich aus einem anderen englischsprachigen Land stammen würde. Vielleicht Amerika oder Kanada. Aber das tue ich nicht.

Nur einmal angenommen, ein Zauberer würde zu jemandem gehen und sich als ein gewisser Harry Potter vorstellen und angenommen dieser Zauberer wäre, sagen wir einmal fünfzig Jahre alt.

Das wäre überhaupt gar kein Problem. Man würde sich danach vielleicht über das Wetter unterhalten, oder über die Frau zuhause oder warum auch immer man sich einander vorgestellt und getroffen hatte.

Angenommen, ein fünfjähriger Zaubererjunge würde sich als Harry Potter vorstellen – auch das wäre kein Problem. Wahrscheinlich würde man die Eltern fragen, ob sie ihren Sohn nach dem Harry Potter benannt haben und wahrscheinlich würden sie diese Frage bejahen.

Problematisch wird es, wenn man ungefähr so alt ist, wie der Harry Potter. Wenn man – na ja sagen wir mal genau dreihundertvierundsechzig Tage älter ist, als der Harry Potter. Das ist schon ziemlich erstaunlich, sollte man so etwas in einer normalen Konversation einwerfen.

Die meisten Zuhörer stutzen dann einen Moment und überlegen: Moment, dreihundervierundsechzig Tage älter? Das ist ja beinahe ein Jahr. Dann hat er also genau einen Tag vor dem berühmten Harry Potter Geburtstag? Seine Eltern haben ihn sicher nach ihm benannt. Nein, warte. Das geht ja gar nicht! Schließlich musste er getauft worden sein, bevor Harry Potter berühmt geworden ist.

Richtig, ich wurde getauft, bevor ein gewisser schwarzer Magier die Eltern von dem Harry Potter getötet hat und der kleine einjährige Sohn der Potters bis in alle Ecken und Winkel der Zaubererwelt bekannt wie ein bunter Hund geworden ist.
 

Ich möchte hier nicht den Eindruck vermitteln, dass ich Harry Potter nicht mag. Also ich meine, den Harry Potter, nicht mich selbst. Er kann ja im Grunde nichts für die Dinge, die ihm passiert sind und soweit ich es höre, ist er auch ein ganz netter Kerl.

Es ist nur so, dass... wie soll ich sagen?

Sein Leben ist wahrscheinlich so unnormal, wie ein Leben nur sein kann – und die Tatsache, dass es ihn gibt und dass sein Leben so unnormal ist, macht auch meines so unnormal, wie es nur sein kann. Und auch dafür kann er nichts.

Aber trotzdem ist es so.
 

Die Wahrheit ist, dass ich manchmal gar nicht so sicher bin, ob ich mein Leben überhaupt als mein eigenes bezeichnen kann. Um das zu verstehen, muss ich zwei Dinge klar stellen.
 

Erstens, ich mag vielleicht Harry Potter heißen, aber ich bin nicht derjenige, der als einziger Zauberer einen Todesfluch überlebt hat und mit einer Blitznarbe davon gekommen ist. Ich habe eine Narbe, sogar auf der Stirn – aber die stammt nicht von einem Fluch (und das ist auch eine ganz andere Geschichte).
 

Zweitens – und das ist die Misere – trotzdem scheinen der Harry Potter und ich eine unendliche Vielzahl an Ähnlichkeiten zu besitzen.
 

Vielleicht sollte ich auch davon noch ein bisschen mehr berichten.

Die Geschichte mit Neville Longbottom

Also, wo fange ich bei dieser Geschichte am besten an?

Bleiben wir doch erstmal bei ein paar Oberflächlichkeiten, oder genauer gesagt dem oberflächlichen Aussehen von dem Harry Potter und mir selbst.

Das ist nämlich so eine Sache.
 

Ich hatte ja bereits erwähnt, dass sowohl er, als auch ich im August Geburtstag haben, ich am 30. und er am 31. (Und ich bestehe auf diesen einen Tag Unterschied. Wirklich. Ich bestehe darauf!) und manch einer mag das bereits für einen witzigen Zufall oder eine erwähnenswerte Gemeinsamkeit halten. Aber nur so lange, bis derjenige mich auch gesehen hat.
 

Es ist nämlich so, dass der berühmte Harry Potter und ich uns ziemlich ähnlich sehen – und das hat mir schon so einige Unannehmlichkeiten eingebracht. Aber dazu später.

Man sagt ja immer, dass Harry James Potter, so sein voller Name (und wieder möchte ich hier den Unterschied betonen, dass mein Zweitname nicht James ist, auch darauf bestehe ich), seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Das rabenschwarze, zerzauste Haar, die Statur, selbst sein Gang ist, wie Snape oft betont hat, genauso arrogant, wie der seines Vaters. Ich zitiere das hier vollkommen wertfrei und nur der Vollständigkeit halber.

Aber seine Augen, und das kriegt Harry James Potter wahrscheinlich genauso oft zu hören, seine Augen sind die der unvergleichlichen Lily Potter, so grün, glänzend und leuchtend.

Eigentlich sollte es ja auch überflüssig sein, das alles zu erwähnen, denn das Aussehen des Jungen, der lebt, sollte wohl jedem bekannt sein.

Wenn nicht, muss man nur einmal an einem beliebigen Tag den Tagespropheten aufschlagen – oder irgendeine andere Zeitung. Oder man geht in ein Buchgeschäft oder in die Bibliothek. In der Zeit der reproduzierbaren Medien ist es nicht schwierig, ein Abbild einer der berühmtesten Personen der Zaubererwelt zu finden.

Aber für den Fall, dass irgendjemandem all diese Möglichkeiten verwehrt bleiben, weiß dieser Jemand nun ja auch Bescheid, wie der Harry Potter aussieht, also kommen wir nun zu dem anderen Harry Potter.

Kommen wir zu mir.
 

Ich erzähle das nun einerseits, damit man die folgende kleine Geschichte versteht und andererseits, um wieder einmal ein paar Unterschiede zu betonen, die mir trotz allem noch bleiben und die mich nicht komplett von der Idee abbringen, dass es doch noch eine individuelle Person namens Harry Potter abgesehen von dem Held Harry Potter gibt.

Wenn ich in den Spiegel sehe, was nicht überdurchschnittlich oft oder selten vorkommt, dann liefert sich mir und allen anderen folgendes Bild. Naja, andere müssen dafür nicht in den Spiegel schauen, sondern nur mir ins Gesicht.

Aber lassen wir das.
 

Soweit es mir bekannt ist, bin ich ein wenig kleiner, als Harry Potter. Zumindest wurde mir das von einigen Mädchen versichert, obwohl ich mich manchmal frage, woher die das so genau wissen wollen. Ich bin wohl außerdem abwechselnd muskulöser und weniger sportlich, als Harry Potter – auch das wurde mir ausschließlich von Mädchen gesagt und in diesem Fall bin ich froh, dass es nur Mädchen waren. Allerdings bin ich noch nicht dahinter gekommen, warum diese Angabe wechselt, aber an diesem kleinen Rätsel arbeite ich noch.

Über meinen Gang hat Snape noch nie ein Wort fallen gelassen, er scheint ihn weder arrogant, noch angemessen zu finden, sondern schlichtweg nicht erwähnenswert. Das ist auch etwas, worüber ich froh bin. Ich persönlich finde meinen Gang übrigens ganz in Ordnung, ich würde ihn als lässig bezeichnen. Die Meinung anderer Mädchen müssen hier ausbleiben, weil sie dazu noch nie etwas gesagt haben.

Leider war es das auch schon mit den offenkundigen Unterschieden und wer meine Erzählung nun aufmerksam verfolgt hat, wird feststellen, dass das überhaupt keine offenkundigen Unterschiede waren.

Und das ist schließlich auch das Problematische.
 

Ich schwöre, dass ich in keiner mir bekannten Weise mit James Potter verwandt bin, aber ganz offensichtlich bin ich ihm wie aus dem Gesicht geschnitten, habe das gleiche rabenschwarze Haar wie er – aber die Augen gleichen unverwechselbar denen von Lily Potter, obwohl ich auch mit dieser bestimmt ganz wunderbaren Person weder verwandt noch verschwägert war.

Kurzum – ich bin wahrscheinlich der glaubhafteste Harry-Potter-Doppelgänger, den es gibt. Rund um die Uhr, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche und 365 Tage im Jahr, komplett ohne Vielsaft-Trank.

Ich frage mich auch ehrlich gesagt manchmal, ob sich überhaupt etwas an mir verändern würde, wenn ich einen Vielsaft-Trank mit Harry Potters Haaren darin einnehmen würde. Möglicherweise wäre das der Schlüssel zur Lösung des Problems ob ich sportlicher oder weniger sportlich als Harry Potter bin. Aber so verzweifelt bin ich ja nicht.

Jedenfalls noch nicht.
 

Aber ich wollte ja eine kleine Geschichte erzählen.

Ich könnte hier eine ganze Reihe von Begebenheiten erzählen, bei denen mich wildfremde Leute angesprochen haben, die mich für den Harry Potter gehalten haben. Es hat schon einige gegeben, die sich erst vor Aufregung kaum beherrschen konnten, als sie mich gesehen haben, um dann vor Scham im Boden zu versinken, als sie feststellen mussten, dass ich doch nicht derjenige bin, für den man mich gehalten hatte.

Manchmal erkläre ich freundlich, dass es sich um einen Irrtum handelt, manchmal tue ich das auch weniger freundlich. Manchmal aber lasse ich es auch einfach nur bleiben und sage den Leuten einfach nur das, was sie hören wollen, damit sie mich in Ruhe lassen.

So kommt es, dass Harry Potter bereits an Orten war und Dinge getan hat, von denen er gar nichts weiß und dass er auch mehr Autogramme gegeben und Hände geschüttelt hat, als ihm bewusst ist.

Ob es moralisch verwerflich ist, dass ich erzähle, ich wäre der echte Harry Potter?

So gesehen, ist es das überhaupt nicht, schließlich bin ich Harry Potter und es ist nicht mein Problem, dass die ganze Zaubererwelt davon ausgeht, dieser Name sei nur einmal in der Geschichte der Menschheit verliehen worden.

Ob ich mich nicht schäme, wenn ich Unwahrheiten über den Harry Potter in die Welt setze?

Eigentlich nicht. Ich glaube nicht wirklich, dass es einen Unterschied für ihn macht, oder nicht. Und es ist ja auch nicht so, als würde ich Rita Kimmkorn von Bettgeschichten, schmutzigen Geheimnissen oder anderen Skandalen erzählen.

Ich habe mich darauf spezialisiert, nette Kleinigkeiten zu erzählen – je nachdem, was die Leute mich fragen.

Und manch einer wäre sehr überrascht, was die Leute alles so fragen.

Es gab diesen einen älteren Herrn, den ich einmal in der Winkelgasse getroffen habe, als ich gerade die Bücher für das nächste Schuljahr besorgt habe. Er wollte ganz dringend von mir wissen, ob ich abgesehen von meiner berühmten Blitznarbe eigentlich noch andere Narben habe.

Ich habe gesagt, dass es solche Narben tatsächlich gibt, besonders wäre da zum Beispiel eine an meinem linken Schulterblatt, welche den perfekten Umriss eines Omegas hat. Noch viel dringender wollte der ältere Herr dann natürlich wissen, woher diese Narbe stammt und mit einem düsteren Blick habe ich ihm zugeflüstert, sie stamme aus der gefährlichen und überaus dramatischen Auseinandersetzung zwischen mir und dem Bergtroll, der im ersten Schuljahr Hermine Granger in der Schule angegriffen hatte.

Ich habe ihm gesagt, dass ich nach Entdeckung dieser Rune mit Professor Trelawney gesprochen hatte und sie mir versichert hatte, diese Rune müsse ein Symbol für mein erneutes Entkommen vor dem sicheren Tod sein.

Gleichzeitig begeistert und beängstigt ist der Mann daraufhin weiter gegangen und ich konnte meine Bücher kaufen.

Das ist eine noch ganz nette kleine Geschichte gewesen. Andere Leute hatten von mir wissen wollen, ob ich noch Jungfrau bin, was meine Meinung zu Dumbeldore sei, wie eigentlich meine Tante Petunia aussehen mochte, ob ich auch blitzförmige Muttermale besitze (Diese Frage wurde mir sogar schon zweimal gestellt und je länger ich darüber nachdenke, desto mehr frage ich mich ebenfalls, ob der Harry Potter tatsächlich ein blitzförmiges Muttermal hat.), was meine Lieblingsgeschmackrichtung der Bertie Botts Bohnen ist und so weiter und so fort. Manche Muggelstämmige haben mich gefragt, was ich eigentlich für eine Sehstärke habe (Denn ich habe vergessen zu erwähnen, dass ich ebenfalls eine Brille trage und aus gewissen Gründen ist es eine unverwechselbar ähnliche, wie die von Harry Potter. Das ist eine Geschichte, die ich auch noch erzählen muss.) und ob ich eigentlich eine Lieblingsmannschaft beim Muggelsport Fußball habe und wenn ja, welche.

Man fragt mich alles Mögliche und ich beantworte diese Fragen nach Lust und Laune.
 

Weil ich, ganz wie Harry Potter, ebenfalls auf Hogwarts bin – nur ein Jahr über ihm – übernehme ich außerdem ab und zu die Aufgabe, all seine Geschichten in der Schule weiter zu verbreiten und um die ein oder andere Einzelheit zu erweitern, für all diejenigen, die es mir glauben.

Eigentlich könnte ich mir diese Aufgabe aber auch meistens sparen, weil der große Harry Potter ohnehin fast ausschließlich Dinge erlebt, die erstaunlich genug sind, um sich selbst zu verbreiten.

Aber ich schweife ab, ich wollte ja eine kleine Geschichte erzählen. Eigentlich ist diese Geschichte gar nicht mal so klein, sie dauert nun schon eine ganze Weile an.

Sie begann in der ersten Woche meines zweiten Schuljahres in Hogwarts, als ich mich gerade auf den Weg machte, um noch schnell eines meiner Bücher zu holen, bevor ich mich in den Unterricht begeben musste. Professor McGonnagal war zu diesem Zeitpunkt nicht gut auf mich zu sprechen, weil ich es geschafft hatte, in Verwandlung meinen Haufen Sonnenblumenkerne in einen Haufen krabbelnder Ameisen zu verwandeln, statt in Knöpfe. Ich schwöre, ich weiß bis heute nicht, wie das passieren konnte – denn jetzt weiß ich, dass beide Zaubersprüche wirklich keinerlei Ähnlichkeit haben.

Aber es ist nun einmal passiert und die Ameisen hatten sich so schnell im Klassenzimmer verbreitet, dass McGonagall sie nicht mehr zurückverwandeln konnte.

Wahrscheinlich hat sie das auch so frustriert; ich glaube die Hauslehrerin von Gryffindor hat gerne immer alles unter Kontrolle.

Jedenfalls wollte ich nichts riskieren und als ich feststellen musste, dass ich schon wieder mein Buch im Schlafraum liegen lassen hatte, habe ich mich so schnell wie möglich auf den Weg gemacht, es zu besorgen.

Mit dem Buch unter dem Arm rannte ich also die Treppen rauf und runter, während Adrenalin durch meine Adern schoss und ich hoffte, dass McGonnagall nicht überpünktlich erscheinen würde – als ich völlig unvorbereitet über etwas stolperte und der Länge nach auf den harten Steinboden krachte - Nase und Brille voraus.

Ich spürte einen Schmerz im Nasenbein und hörte ein altbekanntes Knacken – das musste meiner Brille wieder einmal den Rest gegeben haben. Das war jetzt schon das vierte Mal, dass sie in der Mitte durchgebrochen war.

Ich stöhnte verärgert und rappelte mich wieder auf – und tatsächlich fand ich meine Brille in zwei Hälften wieder vor. Beinahe schon routinemäßig wandte ich den Zauberspruch Oculus Reparo an, das war wahrscheinlich der erste Spruch, den ich mit Sicherheit beherrscht hatte (und der mir seither sehr nützlich gewesen war, denn Brillen können auf extrem kreative und vielfältige Weise kaputt gehen).

Als ich mich aufgerichtet hatte, drehte ich mich um, um zu sehen, was meinen Fall eigentlich verursacht hatte.
 

Nun muss man verstehen, dass es nicht sehr lange dauert, bis man sich in Hogwarts nicht mehr über die Dinge wundert, die man sieht. Am ersten Tag findet man noch die Geister gruselig, man versteht die sich bewegenden Treppen nicht oder steht stundenlang vor den Bildern, die sich bewegen und miteinander reden. Aber irgendwann gewöhnt man sich daran. Dann erstaunt einen vielleicht noch das bunte Wirken der Zaubersprüche, die trotz aller Verbote immer wieder auf den Gängen ausgeführt werden, das wilde Jubeln während einem Quidditchspiel oder die erstaunliche Dekorationen an den Festlichkeiten. Irgendwann wird aber auch das Routine.

Deshalb war ich nicht wirklich überrascht, als ich feststellte, dass ich über einen Jungen gestolpert war, der regungslos am Boden lag Mit dem Gesicht nach unten lag auf dem Flur ein Schüler, der bestimmt nicht älter war, als ich selbst. Soweit ich das beurteilen konnte, hatte ich ihn noch nie vorher gesehen – aber eigentilch präge ich mir auch eher die Vorderansicht eines Menschen ein, als deren Hinterköpfe, also konnte ich nicht ganz sicher sein.

Jedenfalls schien er sich nicht einmal gerührt zu haben, als ich so hart über ihn gefallen war und für einen Moment hatte ich die Befürchtung, dass er es gar nicht mitbekommen hatte.

„Hallo?“, fragte ich den Jungen, „Kannst du mich hören?“

Der Junge nuschelte irgendetwas Unverständliches und ich vergaß, dass ich mich eigentlich beeilen wollte, um rechtzeitig zu McGonagall zu kommen. Einen solchen armen Tropf lässt man einfach nicht allein zurück. Ganz offensichtlich hatte ihn jemand mit einer Ganzkörperklammer gestraft und ehrlich gesagt sah dieser Schüler nicht gerade so aus, als hätte er es wirklich verdient. Beziehungsweise seine Rückenansicht sah nicht danach aus.

Ich zermaterte also mein Gehirn, um ihm zu helfen. Ich wusste, dass ich den Gegenfluch schon einmal gehört hatte und ich war fast sicher, dass ich ihn schon einmal im Unterricht in irgendeinem Fach gesehen hatte. Aber wo? Und wie lautete er noch mal? Es wollte mir partout nicht einfallen und ärgerlich seufzte ich.

Was sollte ich tun? Es war kein Lehrer in der Nähe und wer wusste schon, wie viele andere Leute noch über diesen Jungen stolpern würden, wenn ich losrannte, um jemanden zur Hilfe zu holen.

Nein, diese Aufgabe musste ich selbst lösen.
 

Ich beschloss, den Jungen erst einmal umzudrehen, weil ich es mir ziemlich ungemütlich vorstellte, so mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden zu liegen und sich nicht rühren zu können. Ich kniete mich hin und rollte ihn auf den Rücken – dabei konnte ich dann auch sein Gesicht sehen. Es sah genauso hölzern erstarrt aus, wie der Rest des Jungen, aber seine Augen schienen mich unglaublich dankbar und genauso peinlich berührt anzusehen.

Ich konnte sehen, dass Blut um seine Nase herum angetrocknet war. Wohlmöglich hatte die Nase einen ganz schönen Schlag abbekommen, als der Junge haltlos auf sein Gesicht gefallen war. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie lange er schon hier liegen musste – es musste wirklich schon eine Weile sein, denn er konnte seinen Mund schon wieder ein wenig hin und her bewegen und wollte wohl irgendetwas sagen, aber es kam nur ein unverständliches Brabbeln heraus.

„Keine Sorge, ich werde dir helfen.“, sagte ich und zermaterte mir weiter das Hirn wegen des Gegenfluchs – meine Ambitionen, jemals pünktlich zu McGonnagals Unterricht zu erscheinen, waren lange verflogen.

Plötzlich kam mir ein Geistesblitz, ich zückte meinen Zauberstab und sagte „Finite Incatatem“ Der Junge stieß einen erleichterten Seufzer aus und richtete sich auf. Ich tat das ebenfalls und gab ihm die Hand, um ihn wieder auf die Beine zu tun, erfreut darüber, dass der Zauberspruch funktioniert hatte. Jetzt wusste ich auch wieder, wo ich ihn gehört hatte: In Verteidigung gegen die dunklen Künste hatte unser Lehrer ihn uns gesagt, mit den Worten, dass er nicht sehr einfach auszuführen war. Deshalb war ich maßlos stolz darauf, es geschafft zu haben.

„Vielen Dank.“, sagte der Junge leise und klopfte seinen Umhang ab. Seine Stimme klang etwas nasal und ich befürchtete, dass seine Nase wirklich einiges abbekommen hatte. Jetzt, wo er sich wieder frei bewegen konnte, sah er plötzlich wieder weniger erfreut darüber aus, mir begegnet zu sein. Anscheinend war ihm die Situation unglaublich peinlich. Sorgfältig strich er seine Roben glatt und pflückte Staubflusen von seinem Hausemblem und ich musste erstaunt feststellen, dass er ein Gryffindor war.
 

Nicht, dass ich besonders viele Vorurteile hätte, aber war Gryffindor nicht das Haus der Mutigen und Wehrhaften? Da hatte sich der Hut offenbar einen ganz schönen Scherz geleistet...

Aber das sagte ich nicht.
 

„Kein Problem.“, sagte ich, „Vielleicht solltest du das nächste Mal auf den Rücken fallen.“

Der Junge wurde puterrot und erstarrte, als hätte ihn jemand erneut verflucht. Ich seufzte. Das war ja nicht einmal ein gemeiner Kommentar gewesen und schon war er peinlich berührt. Wo in Merlins Namen steckte denn Gryffindormut in diesem Jungen? Wenn er eine graue Bertie Botts Bohne probierte?

Ich seufzte tonlos und sparte mir diesen Kommentar. Stattdessen fragte ich nach seinem Namen und bat ihn so förmlich und freundlich, wie nur irgendwie möglich, doch einmal in den Krankenflügel zu gehen.

Wenn seine Nase später schief wieder zusammenwuchs, würde er wahrscheinlich nicht weniger gehänselt werden.

Der Junge nickte und murmelte: „Ich bin Neville Longbottom.“ Kurz runzelte ich die Stirn. Longbottom? Irgendetwas sagte mir dieser Name.

Da fiel mir die Begrüßungszeremonie wieder ein und dass es dort einen besonders langen Hutklemmer gegeben hatte, der ebenfalls Longbottom hieß. Wenn ich mich genau erinnerte, hatte er sogar verblüffende Ähnlichkeit mit diesem Neville Longbottom.

Das erklärte wohl einiges. Ich bekam etwas Mitleid mit dem armen Tropf. Keine Woche in der Schule und schon piesakten die anderen Schüler ihn.

„Okay, Neville. Ich muss jetzt schnell in meine Klasse. Pass auf dich auf!“, sagte ich und mir fiel der Zorn der McGonagall wieder ein. Na das konnte ja heiter werden – als ob sie mir diese Geschichte glauben würde. Ich konnte froh sein, wenn sie mich zur Bestrafung nicht in einen Kleiderhaken verwandelte und Hagrid seinen Mantel daran aufhängen ließ.

So schnell ich konnte, nahm ich meine Beine in die Hand und rannte in Richtung Klassenzimmer – dieses Mal war ich aber auf der Hut vor herumliegenden Erstklässlern.

„Danke. Danke, Harry Potter!“, hörte ich Longbottom noch rufen und konnte mich nur einen Moment darüber wundern, woher der Junge nun meinen Namen kannte. Ich hatte mich doch überhaupt nicht vorgestellt, soweit ich mich erinnern konnte.

Dann kam mir aber Peeves in die Quere, ehe ich den Gedanken vollenden konnte. Der Poltergeist bewarf mich laut lachend mit Kreidestücken und warf mir eine Ritterrüstung in den Weg, die ohrenbetäubend schepperte.

Den Unterricht erreichte ich genau fünf Minuten vor Schluss und dafür bekam ich eine saftige Strafarbeit, die mich zwei Wochen jeden Abend beschäftigte. Wo da die Gerechtigkeit lag, kann ich heute auch noch nicht sagen.

Aber ich kann sehr wohl sagen, dass ich damals die erste Begegnung von vielen mit Neville Longbottom hatte und mir kurz darauf klar wurde, warum er meinen Namen so gut kannte.

Mir war nicht bewusst gewesen, dass mit den neuen Erstklässlern in der ersten Woche auch der Harry Potter eingeschult worden war, denn mitten in der Begrüßungszeremonie – daran erinnerte ich mich wenig später – wurde mir schlecht, weil ich zu viele Schokofrösche im Zug gegessen hatte und ich musste den Rest des Tages auf der Toilette verbringen.

Aber das ist eine andere Geschichte und die werde ich im Interesse aller bestimmt niemals genauer erzählen.

Das Ergebnis war jedenfalls, dass ich das großartige Raunen und Murmeln, als der Name von Harry Potter fiel, nicht mitbekommen konnte.

Aber alle anderen hatten in mitbekommen und mit Harry James Potter kamen eine ganze Reihe neuer Probleme für mich in Hogwarts auf.

Neville Longbottom übrigens hatte es geschafft, auf den Krankenflügel zu kommen und bedankte sich wenig später, wie ich irgendwann erfuhr, überschwänglich bei meinem Doppelgänger, der diesen Dank leicht verdutzt hinnahm.

Auch für ihn würde sich diese Situation noch einige Male wiederholen, denn bis heute ist Neville wohl nicht klar, dass es noch den anderen Harry Potter gibt.

Die Geschichte über Quidditch

Die Geschichte über Quidditch
 

Also wussten nach spätestens zwei Wochen alle, dass es fortan zwei Harry Potters in Hogwarts gab – außer einigen wenigen unbedeutenden Randfiguren. Solche Nachrichten verbreiten sich natürlich rasend schnell, schneller als jede Expresseule sein könnte. Die Lehrer redeten darüber, die Schüler tratschten darüber und ich bin mir ziemlich sicher, dass auch die Geister und die Potraits ihren eigenen Klatsch im Umlauf hatten.

Die meisten fanden diesen Umstand einfach nur recht erstaunlich. Andere hielten es für einen schlechten Scherz. Wiederum andere hielten es für einen ziemlich guten Scherz.

Aber wie ich bereits erwähnte – einigen Randpersonen blieb diese pikante Information verschlossen. Das war auch wirklich nicht weiter dramatisch. Ich meine, solcher Tratsch ist auch wirklich nicht für jeden interessant und eigentlich sowieso überflüssig. So toll war diese Sache im Grunde ja auch gar nicht. Bestimmt gab es auch mehrere Dumbledores in England und niemand machte sich darüber großartige Gedanken.

Und daher ist es natürlich ganz und gar nicht weiter tragisch, dass meine Freunde mir es nicht erzählten, dass Harry James Potter nun ebenfalls in Hogwarts war und stattdessen abwarteten, was dieser Umstand noch für eine Geschichte ergeben würde. Worauf sie nicht sehr lange warten mussten.
 

Natürlich – das wird jetzt ein jeder sagen – ist es auch zu einem gewissen Grad meine Schuld. Wahrscheinlich grenzt es auch an ein Ding der Unmöglichkeit, dass ich diese bombastische Information nicht sofort mitbekommen hatte und vielleicht könnte man deshalb auch behaupten, dass ich die nächste kleine Geschichte verdient habe – als Strafe für meine eigene Dummheit.

Dieses Urteil stelle ich jedem frei, es selbst zu fällen.

Ich möchte nur kurz erklären, weshalb es mir nicht gelungen ist, diese für mein Leben so wahnsinnig delikate Information in meinen Wissensstand einzubringen.

Vielleicht wird sich der eine oder andere daran erinnern, dass Harry James Potter seinerzeit in Hogwarts ein überragender Quidditchspieler gewesen war. Als jüngster Sucher seines Hauses seit 100 Jahren gelangen ihm spektakuläre Partien im Sport der Zauberer und unvergessliche Siege, angefangen mit seinem ersten Sieg, bei welchem er den Schnatz mit seinem Mund gefangen hatte.

Ich hatte dieses Spiel gesehen und weiß heute noch genau, wie ich an meinen eigenen Augen gezweifelt habe und zuerst davon überzeugt gewesen war, die Weasley-Zwillinge hätten sich einen ihrer bösartigeren Scherze bei ihrem jüngsten Mannschaftsmitglied erlaubt.

Ich persönlich traue den Weasleys eine ganze Menge zu. Vor allem, seitdem ich im vierten Jahr einmal selbst Opfer einer ihrer Scherze wurde – und damit gezwungenermaßen später ein großer Fan ihrer Scherzartikel.

Aber das hat mit dieser Geschichte wenig zu tun.
 

Kommen wir also zurück zu Harry James Potter, dem ungelogen großartigen Quidditchspieler. Potter und ich teilen eine große Bandbreite an Leidenschaften. Aus sicherer Quelle weiß ich sogar, dass wir die gleiche Marmeladensorte bevorzugen (Waldfrucht).

Und auch Quidditch gehört eindeutig zu diesen Gemeinsamkeiten. Ich liebe diesen Sport, seit ich das erste Mal von ihm gehört habe und den ersten Flug auf einem Besen werde ich mein Leben lang nicht vergessen.

Das Gefühl, sich in die Luft zu schwingen, ungebremst durch Wolken zu brausen und mit dem Wind um die Wette zu fliegen, ist etwas Unvergleichliches. Deshalb habe ich auch den Flugunterricht bei Madam Hooch über alles geliebt – und was soll ich sagen? Dieses Fach hat mir einfach von Anfang an gelegen.

Ich meine, es war nicht unbedingt so, als ob ich in allen anderen Fächern schlecht gewesen bin oder mir sonst nichts Spaß gemacht hat. Mir machen sogar eine ganze Reihe an Fächern Spaß, die ganz und gar nichts mit Besenreiten zu tun haben. Aber nichts übertrifft dieses unfassbare Gefühl der Freiheit.

Ich habe meine Eltern den gesamten Sommer über verrückt damit gemacht, wie sehr ich von dem Fliegen begeistert gewesen bin und ihnen unzählige Male unter die Nase gerieben, dass Erstklässler zwar keinen eigenen Besen haben dürfen, aber Zweitklässler schon.

Deshalb hab ich mich ein Loch in den Bauch gefreut, als ich zu meinem zwölften Geburtstag tatsächlich einen eigenen Besen bekommen habe. Mein erster Besen ist wirklich nichts Besonderes gewesen, es war – glaube ich – ein Sauberwisch. Aber das ist mir egal gewesen.

Am liebsten hätte ich ihn selbst in die Schule geflogen, neben dem Hogwarts Express her und den anderen Schülern im Zug zuwinkend. Das hab ich natürlich nicht gedurft.

Und das ist auch ganz gut so gewesen, denn als ich ein Jahr später von dem Horrortrip von Harry James Potter und Ron Weasley gehört habe, die mit einem fliegenden Auto zur Schule geflogen sind, um letztendlich einen sehr unsanften Zwischenstopp in der peitschenden Weide einzulegen, bin ich heilfroh darüber gewesen, diese Gemeinsamkeit nicht mit meinem berühmten Doppelgänger zu teilen.

Aber ich schweife ab. Kommen wir wieder zurück zur Geschichte.
 

Als das zweite Schuljahr für mich begonnen hat, habe ich es kaum erwarten können, meinen Besen vor meinen Mitschülern auszuprobieren und mein Können zu beweisen. Es ist einer meiner großen Träume gewesen, in meiner Schulmannschaft zu spielen, statt sie nur von den Rängen anzufeuern. Deshalb hab ich förmlich Hummeln im Hintern gehabt, als Madam Hooch uns endlich auf das Quidditchfeld geführt hat, um mit uns den Besenflug zu üben. Mein Plan ist es damals gewesen, eine besonders gute Figur im Unterricht abzugeben, um danach meine Lehrerin zu fragen, wie meine Chancen denn so stünden, in die Hausmannschaft zu kommen. Ich habe mir die Worte stundenlang zurecht gelegt und mich darauf vorbereitet, während allen Übungen hervorzuleuchten und besonders aufzufallen.

Und – was soll ich sagen – es ist mir auf ganzer Linie gelungen. Aber nicht unbedingt so, wie ich mir das vorher gedacht habe.

Zu meinen Schulzeiten habe ich eine sehr gute Freundin in Hogwarts gehabt, die gleichzeitig eine ungemein begabte Hexe gewesen ist. Und ich möchte jetzt keinen einzigen Vergleich zu irgendeiner gewissen Hermine Granger hören!

Wie auch immer. Sie hat um meine Ambitionen wohl gewusst und hat mich mit Sicherheit nur tatkräftig unterstützen wollen, als sie Folgendes getan hat. Die Konsequenzen waren jedoch unerwartet für alle Beteiligten.

Jedenfalls der Name meiner Schulfreundin ist Melissa White und wie ich bereits erwähnte, hat sie versucht, mir bei der Erfüllung meines Traums in die Schulmannschaft zu kommen, zu helfen. Sie hat schon immer ein großes Talent dafür besessen, sich alle möglichen Krankheiten einzufangen – eigentlich ist Melissa fast immer krank gewesen (physisch) – und deshalb hat es niemanden überrascht, als sie am Anfang unserer ersten Flugstunde in diesem Jahr zu Madam Hooch gegangen ist, um sich bei ihr zu entschuldigen.

Ein schwerer Fall von Grünohrenschimmel oder was auch immer. Ich kann mich nicht mehr so genau daran erinnern – auf jeden Fall hat sie nicht am Fliegen teilgenommen, aber mir ein Zwinkern zugeworfen, bevor die erste Übung begonnen hatte. Vielleicht hätte mir das zu Denken geben sollen, aber ich habe mir darüber keine Gedanken gemacht, sondern bin viel zu sehr damit beschäftigt, mein Bestes dabei zu geben, die Bälle zu fangen und zu werfen, die unsere Lehrerin uns gegeben hat.

Zielsicher habe ich in dieser Stunde jeden Ball gefangen. Ich habe ohne zu Zögern jeden Ball im Ring versenkt, den man mir später im Übungsspiel zugespielt hat. Mir ist es gelungen, keinen einzigen durch den Ring gleiten zu lassen, als ich in der Position des Hüters gewesen bin, ich habe einen vortrefflichen Klatscher-Schlag bewiesen und letztendlich habe ich sogar noch im Schnatz-Sucher-Spiel (eine Übungsvariante ohne den echten Schnatz, in dem wir kleine Gummibälle fangen mussten, die Madam Hooch verzaubert hatte) damit punkten können, gleich vier der kleinen Gummibälle zu finden.

Alles ist geradezu erschreckend perfekt gelaufen. Vielleicht hätte mich das misstrauisch stimmen sollen – aber das hat es nicht.
 

Wir waren mitten in einem weiteren Übungsspiel als Abschluss für die Stunde gwesen, als ich plötzlich bemerkt habe, dass meine Haut merkwürdig zu kribbeln begonnen hat. Und im nächsten Moment hörte ich bereits den entsetzten Schrei einer meiner Mitspieler und konnte sehen, wie er erschrocken auf meinen Arm deutete.

Verwirrt habe ich ihn angestarrt und hab dann selbst einen Blick auf meine Haut geworfen – um dann ebenfalls aufzuschreien. Dort, wo vorher meine wunderbar normale und unauffällige Haut gewesen ist, bildeten sich nun blubbernde und leuchtende – ja leuchtende – Blasen.

Natürlich ist Madam Hooch darauf aufmerksam geworden und hat das Spiel unterbrochen, während sich meine leuchtenden Blasen immer mehr ausgebreitet haben. Ich konnte es nicht sehen, aber ich konnte das Kribbeln auf der Haut spüren, überall wo sie sich gebildet haben. Und das war wirklich überall. Ich meine, es war nicht nur auf den Armen und auf den Beinen: Die Blasen bildeten sich an meinem Rücken, unter meinen Achseln, auf meiner Kopfhaut, in meinen Ohrmuscheln – und das waren die erträglichen Teile. Von den anderen will ich gar nicht erst sprechen. Ich war ein lebendes Glühwürmchen auf einem Besen.

Ich spreche von erträglich, weil sich die Behandlung dieser Blasen über mehrere Tage hinweg gezogen hat. Obwohl Madam Pomfrey sehr schnell dahintergekommen ist, dass es wohl die Folge eines missglückten Aufmerksamkeits-Zauber gewesen sein musste (und damit bin ich noch schneller dahinter gekommen, wem ich diesen leuchtenden Auftritt zu verdanken hatte), hat sie mir versichert, dass die Behandlung mich einiges an Nerven kosten würde.

Das Dumme an Madam Pomfrey ist, dass sie einfach immer Recht hat, wenn sie so etwas sagt.
 

Die Behandlung bestand nämlich in einer Salbe, die ich am ganzen Körper anwenden musste und die Bläschen abklingen lassen sollte. Allerdings war das mit einem erbärmlichen Juckreiz verbunden, der mich beinahe in den Wahnsinn getrieben hat.

Ich habe also den größten Teil der ersten zwei Wochen in Hogwarts im Krankenflügel verbracht. Erst durch meine Schokofrosch-Fressattacke und dann durch die „Hilfe“ von Melissa White. Übrigens hat sie mir danach versprochen, niemals wieder einen Zauber an mir auszuprobieren, den sie noch nicht geübt hatte, aber das Versprechen hat sie nicht gehalten.

Aber das ist etwas, was ich noch bei Gelegenheit erläutern werde.

Und obwohl man sonst überall in Hogwarts bereits darüber gesprochen hat, dass der tolle Harry James Potter nun auch an dieser Schule ist, ist diese Information nicht in den Krankenflügel vorgedrungen.

Die Information, die jedoch vorgedrungen ist, hat jedoch dazu geführt, dass mir das selbst vor Augen geführt wurde.

Das war so.
 

Ich lag also am Nachmittag des zweiten Tages meiner Behandlung in meinem Krankenbett und versuchte nicht darüber nachzudenken, wie grässlich es mich überall juckte, als ich ein paar Gesprächsfetzen von Madam Pomfrey mit irgendjemand anderem aufschnappte, als diese etwas weiter entfernt vorüberging.

Diese Gesprächsfetzen werde ich niemals vergessen. Sie lauteten: „Harry Potter... Quidditch... Sucher ausgewählt... Hausmannschaft.“

Tja. Ihr könnt euch den Schlamassel jetzt sicher schon denken, oder?

Meine Freude darüber, dass ich tatsächlich zum Sucher meiner Hausmannschaft auserkoren sein sollte, war kaum zu bändigen. Und mit kaum zu bändigen meine ich gar nicht mehr zu bändigen.

Mich hielten keine zehn Pferde mehr im Krankenbett. Ohne darüber nachzudenken, dass ich nur einen Pyjama trug (und obendrein einen sehr spärlich ausfallenden, damit die Salbe gegen die Blässchen möglichst großflächig aufgetragen werden konnte), sprang ich aus dem Bett und rannte schnurstracks aus dem Krankenflügel hinaus.

Ich – Harry Potter – sollte als Sucher ausgewählt worden sein! Nach zwei Tagen grässlicher Tortur durch den ewigen Juckreiz und nach etlichen Wochen zuvor, die ich damit verbracht hatte, für diese eine Schulstunde das Fliegen zu üben, um dann so fundamental zu scheitern, war das eine Nachricht, mit der ich nicht im Geringsten gerechnet hatte. Deshalb wollte ich sofort zu Madam Hooch rennen und mich dafür bedanken, dass sie über den missglückten Zauber meiner Freundin Melissa hinwegsehen konnte und meine Fähigkeiten als Flieger dennoch schätzte.

Das war eine der zahlreichen dummen Ideen, die ich in Hogwarts während meiner Schulzeit hatte. Ich habe ja bereits erwähnt, dass ich nur knapp geschneiderte Pyjamas trug – und es war eigentlich erstaunlich, dass mir die schiefen Blicke meiner Mitschüler in den Korridoren nicht auffielen, während ich zum Büro von Madam Hooch rannte.

Außer Atem erreichte ich schließlich das besagte Zimmer, klopfte gar nicht erst an, sondern stürmte gedankenlos sofort hinein. In Madam Hoochs Büro stand sie selbst, sowie Professor McGonagall. Und beide sahen mich an, als wäre ich ein... na ja – ein Glühwürmchen in Boxershorts.

„Mr. Potter? Sollten Sie nicht im Krankenflügel sein?“, fragte mich meine Fluglehrerin mehr als erstaunt.

„Ja – ich weiß – ich wollte – nur – mich bedanken.“, erwiderte ich keuchend und stützte mich schnell atmend auf meinen Knien ab.

„Aber wofür wollten Sie sich denn bedanken?“, fragte Madam Hooch weiter und wirkte nicht besonders schlauer als vor meiner Dankbekundung.

„Dafür, dass sie mich als Sucher für die Hausmannschaft empfohlen haben.“, brachte ich nun hervor, nachdem mein schneller Atem sich endlich wieder beruhigt hatte. Mein Strahlen reichte von einer Gesichtshälfte zur anderen. Meine Lehrerin blickte mich erst einen Moment an und dann blickte sie Professor McGonagall an.

„Ich möchte Sie nun wirklich nicht entmutigen, aber das habe ich nicht.“, sagte sie dann, „Ich habe Mr. Harry Potter als Sucher für seine Hausmannschaft zugelassen.“

Irritiert zogen sich meine Augenbrauen zusammen, als ich das hörte. „Ich bin Mr. Harry Potter.“, sagte ich.

Nun bildete sich auf dem Gesicht von beiden Hexen ein kleines, amüsiertes Lächeln ab und ich ahnte sofort, dass irgendetwas hier nicht ganz stimmte.

„Das sind Sie in der Tat – aber nicht der Harry Potter.“, sagte Professor McGonagall dann.

„Oh.“, war alles was ich dann noch hervorbringen konnte. Denn jetzt war mir so einiges klar geworden.
 

Warum Neville mich mit Namen gekannt hatte – und warum diese beiden Lehrerinnen mich so irritiert ansahen. Und dass ich ganz bestimmt nicht der Sucher meiner Mannschaft geworden war.

Das einzige, was in meinem Gesicht jetzt noch strahlte, waren die verbliebenen Leuchtblasen und meine dazu perfekt harmonierende Schamesröte, als mir meine Situation bewusst wurde.

„Vielleicht sollten Sie sich nun in den Krankenflügel zurückbegeben, Mr. Harry Potter.“, sagte Professor McGonagall dann. „Ich wollte gerade mit Madam Hooch besprechen, welcher Besen für Mr. Harry James Potter empfehlenswert sein könnte.“

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, trat ich meinen Rückweg an. Und ja, nun bemerkte ich die Blicke der anderen Schüler auf den Korridoren und ich kann nur sagen – es war wirklich nicht sehr angenehm gewesen.
 

Als Harry James Potter wenig später ein längliches Paket auf den Frühstückstisch geknallt bekam, habe ich bereits gewusst, was sich darin verbirgt und es hat mir so ziemlich den Morgen verdorben. Ich habe mich seitdem nie wieder getraut, auch nur daran zu denken, für meine Hausmannschaft spielen zu wollen. Und ich hab nie wieder vergessen, dass ich nicht der einzige Harry Potter in Hogwarts war.

Die Geschichte mit dem sprechenden Hut

Die Geschichte mit dem Sprechenden Hut
 

Ich weiß. Ich weiß.

Ich hab noch nicht erzählt, in welchem Haus ich in Hogwarts gewesen bin. Vielleicht hätte ich das als Erstes tun sollen, denn auch damit ist – wie mit vielem, vielem Anderen – eine lustige Geschichte verbunden. Naja, zumindest ist sie für diejenigen lustig, die nicht ihr Protagonist sind. Was ich allerdings bin. Deshalb habe ich das damals nicht wirklich lustig gefunden.

Es kommt mir langsam auch so vor, als wäre das bei jeder Geschichte der Fall, die ich hier erzähle. Vielleicht sollte ich also mal etwas erzählen, was ich auch lustig finde.

Also - während meiner Schulzeit gab es dieses eine Mädchen, ich glaube ihr Name war Hannah Abbott. Ich kann mich gar nicht mehr genau daran erinnern, wie ich sie kennen gelernt habe. Jedenfalls war sie ganz vernarrt in einen anderen Schüler – aber seinen Namen hatte sie mir nie sagen wollen. Aber ich habe trotzdem herausgefunden, wer es war und das war so...
 

...
 

Okay. Ich sehe es ein. Das will niemand hören. Gut, dann also weiter im Text mit der Geschichte über mein Haus in Hogwarts und den Sprechenden Hut.

Fangen wir an.
 

Vielleicht sollte ich vorher noch kurz erklären, was ein Hutklemmer ist und die eine oder andere Sache über meine Familie erzählen. Im Gegensatz zu dem Harry Potter leben meine Eltern noch – und ich bin sehr froh, dass ich diese Sache nicht mit ihm gemeinsam habe. Es gibt Leute, die darüber Witze machen, aber das tue ich nicht. Und das werde ich auch nie. Es ist nicht lustig.

Jedenfalls – meine Eltern sind nicht beide magisch.

Mein Vater ist ein Nichtmagier. Ich vermeide extra das Wort Muggel, weil es ihn aufregt, so genannt zu werden. Generell glaube ich, dass er dieser ganzen Zaubererwelt immer schon (also, seit er davon weiß) etwas misstrauisch gegenüber stand. Etwa so, wie wenn man morgens schon so ein Gefühl im Bauch hat, dass der heutige Tag nichts Gutes bringen kann, ohne erklären zu können, wieso das so ist. Bis das Rührei anbrennt und man den Bus verpasst, um dann im Regen warten zu müssen, weil man den Schirm vergessen hat. Und dann kauft man sich beim Bäcker einen Kaffee To Go, der viel zu heiß ist und einem die Lippen verbrüht.

Nur war es im Falle meines Vaters nicht der Kaffee, sondern ich.

Es gibt ja diese Eigenart an kleinen Zaubererbabies, dass sie in der Lage sind, eine ganze Menge Quatsch anzustellen. Eigentlich ist dazu ja jedes Baby in der Lage. Davon könnte jede Mutter und bestimmt auch jedes Kindermädchen ein Lied singen. Aber es ist etwas anderes, wenn sich ein nichtmagisches Baby eine Murmel in die Nase steckt und wenn ein Zaubererbaby diese Murmel stattdessen in eine blau gestreifte Gummiratte verwandelt, die Jingle Bells singt, bis man ihr Käse gibt. Meine Mutter sagt, dass wir diese Ratte einen ganzen Monat lang hatten, bis sie sich wieder in eine Murmel verwandelt hat.

Wie man also vielleicht schon erahnen kann, war ich ein sehr – ähm – lebhaftes kleines Kind. Und ich versichere, dass ich meinen Vater wirklich sehr gern habe. Es war sicher nicht böse gemeint, als ich ihn eines Morgens aus Versehen die Haare grün gefärbt habe und er deshalb mit einer sehr eigenwilligen Frisur zu seinem Geschäftsmeeting gehen musste. Auch nicht, als ich seine Zeitung in Brand gesteckt habe oder ihm eines Abends einfach aus dem Arm geflattert bin, um die gesamte folgende Nacht heulend an der Zimmerdecke zu kleben.

Wirklich. Ich mag meinen Vater. Und er hat mir versichert, dass er mich auch mag. Obwohl ich damals seinen Lieblingselefanten gesprengt habe (Mein Vater sammelt Glaselefanten) und auch obwohl ich an einem Tag alle unsere Scheiben mit einem Klatschen meiner kleinen Babypatschehändchen mit Fingermalfarbei überzoegn habe und er deshalb nicht nur sein Wochenende damit verbringen musste, all die bunte Farbe wieder abzukratzen, sondern auch allen Nachbarn, die an unserem Haus vorbeiliefen, erklären musste, meine Mutter hätte alte Schulfreundinnen eingeladen und alle hätten ihre Kinder zu Besuch mitgebracht und in ihrer Verzweiflung, was sie nur mit all den Kleinkindern anfangen sollten, bevor diese das Haus kurz und klein hacken würden, hatten sie beschlossen, sie sämtliche Fenster im Haus eben mit den Fingermalfarben zu bemalen, die er nun abkratzen musste.

Puh. Das war ein langer Satz. Man kann sich übrigens schon denken, dass wir viele Nachbarn hatten und an diesem Wochenende schienen es doppelt so viele zu sein, die mit ihren Hunden und Hündchen an unserem Haus vorbeispazierten. Deshalb musste mein Vater diesen ewig langen Satz wohl sehr oft sagen.

Allein das ist wohl schon ein Beweis für seine Liebe zu mir.
 

Wie dem auch sei. Während mein Vater also wieder und wieder das Opfer meiner unkontrollierten, magischen Ausbrüche gewesen ist, ist meine Mutter davor immer verschont geblieben und durfte deshalb immer in die angenehme Rolle des amüsierten Beobachters schlüpfen. Sie hat meinem Vater natürlich sehr schnell erklären müssen, was ich da so getrieben habe und dass weder mein Dad, noch ich verrückt sind, sondern sie eine Hexe ist.

Meine Mutter kommt aus einer Familie, die viele Zauberer und Hexen hervorgebracht hat und sie meint, dass uns alle zwei Dinge gemeinsam sind.

Erstens – genau wie ich, hat auch meine Mutter als Baby ihren Vater mit ihren magischen Ausbrüchen an den Rand seiner Geduld getrieben. Und ihre Mutter vor ihr und ihr Vater vor ihr und so weiter und so fort. Die Väter waren immer die Leidtragenden. Ich habe wohl berechtigte Angst davor, irgendwann ein Kind zu haben...

Zweitens (und ja, jetzt kehren wir auch zu der eigentlichen Geschichte zurück) – alle meine magischen Verwandten, die in Hogwarts gewesen sind, waren außerordentliche Hutklemmer gewesen.
 

Für diejenigen, die es nicht wissen: Ein Hutklemmer ist ein Erstklässler, der bei der Hausverteilung am Anfang des Jahres unwahrscheinlich viel Zeit benötigt, um eingeteilt zu werden. Soweit ich weiß, waren auch Hermine Granger und Neville Longbottom Hutklemmer.

Meine Mutter hat mir gesagt, dass sie selbst zehn Minuten mit dem sprechenden Hut diskutiert hat, ehe er sie letztendlich entnervt nach Ravenclaw geschickt hat.

Ob ich mir das vorstellen kann? Und wie – jeder, der jemals mit meiner Mutter in ein Streitgespräch verwickelt wird, hat mein aufrichtiges Beileid. Oh, ich habe sogar die starke Vermutung, dass der sprechende Hut selbst sich relativ schnell sicher war, dass meine Mutter in Ravenclaw am besten aufgehoben war. Mit ihrer haarkleinen und präzisen analytischen Methode, eine Diskussion zu führen, kann sie jeden an die Wand reden. Wirklich jeden. In absolut jedem Sachverhalt, Da ist meine Mutter gnadenlos. Aber wie so vielen anderen war es ihr natürlich überhaupt nicht gleichgültig, wohin man sie steckt und der Gedanke, dass so eine Entscheidung von dem sprechenden Hut innerhalb von wenigen Sekunden gefällt werden könnte, konnte ihr überhaupt nicht gefallen. Also hat sie mit dem Hut das Für und Wider diskutiert, bis der eine ihrer Denkpausen genutzt hat, um sie ein für alle Mal einzusortieren.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass es so abgelaufen ist.
 

Als ich sechs Jahre alt war und meinem Hund zum Stepptanzen gebracht hatte (Danach hat man Jacky auf einen verdächtig langen Urlaub geschickt und einige Jahre später fand ich beim Weihnachtsfest meiner Tante das Foto eines Hundes, der Jacky verdächtig ähnlich war...), erzählten meine Großmutter und meine Mutter mir, dass ich ein Zauberer war und bald nach Hogwarts gehen würde. Damals erzählten sie mir auch von dem Sprechenden Hut und dass alle unsere Familienmitglieder Hutklemmer waren.

Übrigens hält mein Onkel Howard mit 36 Minuten den Familienrekord. Er wurde ein Slytherin.

Das Ergebnis dieser Unterhaltung war, dass ich fortan die unbezwingbare Panikvorstellung hatte, wie ich vor all meinen zukünftigen Mitschülern sitzen würde – Stunde um Stunde um Stunde, weil der Hut mich nicht einsortieren konnte. In der Nacht, bevor ich nach Hogwarts fahren sollte, bekam ich deshalb kein Auge zu.

Letztendlich sind es keine Stunden gewesen, die der Hut gebraucht hat. Er hat sieben Minuten und zweiundzwanzig Sekunden gebraucht (ich hab ihn gefragt, damit ich mich auf der Familienrangliste eintragen konnte).

Das war so.
 

Da stand ich also, in der Reihe mit all den anderen Erstklässlern und fieberte der Entscheidung entgegen, die aus meiner Sicht den Rest meines Lebens bestimmen würde. Ich war die ganze Zugfahrt über viel zu nervös gewesen, um mich mit irgendjemandem zu unterhalten und hatte mich im hintersten Abteil verkrochen, das ich hatte finden können. Außer mir waren dort noch zwei ältere Hufflepuffs, die viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen waren, um sich mit mir zu unterhalten. Allerdings muss ich ein erbärmlicher Anblick gewesen sein, denn sie haben mich drei Mal gefragt, ob mit mir alles in Ordnung gewesen sei und ob ich mir eine Reisekrankheit eingefangen hätte. Sie spendierten mir sogar einen Schokofrosch, aber ich war zu nervös gewesen, um ihn zu essen.
 

Übrigens waren dieser Schokofrosch und die beiden Hufflepuffs der Grund dafür gewesen, warum mir bei dem Begrüßungsfest meines zweiten Jahres so schlecht gewesen ist. Ich habe sie nämlich damals im Zug wieder getroffen und wir haben einen unmenschlichen Berg der essbaren Amphibien verschlungen und eine Menge geredet. Es war ziemlich lustig.

Aber ja, ist schon gut. Ich weiß ja mittlerweile, dass ich nicht die Geschichten erzählen darf, die ich selbst lustig finde.
 

Buchstabe für Buchstabe wurde von Professor McGonagall abgeklappert. Schon war sie bei F angekommen und Nadine Flint wurde eine Ravenclaw. Zacharias Ford wurde ein Slytherin und George Fletcher ebenfalls.

Ich dachte darüber nach, was passieren würde, wenn ich in Slytherin landen würde. Man erzählte sich ja so einiges über das Haus mit der Schlange als Wappen, zum Beispiel, dass es ziemlich viele schwarze Magier gab, die dort gewesen sein sollten. Der sprechende Hut hatte sie in seinem Lied als listig betitelt – aber auch als wahre Freunde.

Ich stellte nur fest, dass es mir egal war, ob ich dort landete, oder nicht – solange ich nur so schnell wie möglich irgendwo landen würde, wenn ich an der Reihe war.

Die Liste wurde weiter abgearbeitet und nun war der Buchstabe K an der Reihe. Ein Mädchen trug ihn im Nachnamen und Melissa Kingsley wurde die erste Gryffindor in meinem Jahrgang. Sie schien sich beträchtlich darüber zu freuen und ihre blonden Locken hüpften auf und ab, als sie strahlend zu dem Tisch lief.

Ich mochte solche blonden Locken und ich fragte mich, ob das Mädchen sich mit mir abgeben würde, wenn ich nach Gryffindor kommen würde. Das war immerhin auch kein schlechtes Haus. Wer war nicht gern mutig und kühn?

Meine Hände begannen fürchterlich zu schwitzen. Direkt nach Melissa Kingsley kam Allistair McGuffin an die Reihe, der ein Hufflepuff wurde und sein Zwillingsbruder Andrew McGuffin wurde ein Ravenclaw.

Das Haus der Güte und Hilfsbereitschaft und das Haus der Intelligenz und Weisheit. Nicht zu verachten, dorthin zu gelangen. Ich stellte mir vor, dass meine Mutter bestimmt erfreut darüber sein würde, wenn ich in Ravenclaw landen würde.

Tom Norrison – Gryffindor.

Diane Perkins – ebenfalls eine Gryffindor.

Großer Gott, wir waren tatsächlich schon bei P?

Nervös sah ich mich um. Wie viele andere Schüler mochten noch vor mir dran kommen? Es waren nicht mehr viele übrig und ich knetete nervös meine Hände.

Vielleicht würde es gar nicht so lange dauern. Vielleicht konnte ich den Hut aufsetzen und er würde nur ein paar Sekunden brauchen, um mich einzuordnen. Was interessierte es mich schon, wenn ich auf dem letzten Platz der Familienrangliste landen würde?

Was interessierte es mich, wenn –

Professor McGonagall starrte den nächsten Namen auf der Liste an und räusperte sich geräuschvoll.

„Mr. Harry Potter!“, rief sie deutlich und der Saal verstummte augenblicklich, um kurz danach von aufgeregtem Geflüster erfüllt zu sein.

„Harry Potter? Hat sie Harry Potter gesagt?“, hörte ich einen Jungen hinter mir. Ich konnte nicht anders, als einen ärgerlichen Seufzer auszustoßen und ging zitternden Schrittes nach vorn, während ich merkte, dass die gesamte Schülerschaft mich anstarrte.
 

„Das ist er! Das ist Harry Potter!“

„Wahnsinn, seine Haare sind wirklich so schwarz, wie die von James Potter gewesen sein sollen!“

„Glaubst du, er hat die Narbe? Glaubst du, er zeigt sie mir, wenn ich frage?“

„Ich dachte, Harry wäre im Jahrgang meiner Schwester, aber die kommt doch erst nächstes Jahr!“

„Ich bin so nervös! Hoffentlich kommt er in das gleiche Haus, wie ich!“
 

Ich kannte die Geschichte von dem berühmten Harry Potter, natürlich kannte ich sie. Und ich wusste auch um die Tatsache, dass ich ihm zum Verwechseln ähnlich sah. Und schon damals hasste ich diese Tatsache – aber noch mehr hasste ich es, dass ich gerade in diesem Moment, der für mich ohnehin schon schwierig genug war, daran erinnert wurde – und das auch noch vor der gesamten Schülerschaft von Hogwarts!

Ich erreichte den kleinen Schemel des sprechenden Huts und bemerkte, dass auch Professor McGonagall mich unverhohlen anstarrte. Anscheinend war auch sie ziemlich erstaunt über meine Anwesenheit und wahrscheinlich war es das gewesen, was meinen Geduldsfaden reißen ließ.

Wütend schnappte ich mir den Hut aus ihrer Hand und drehte mich zu der Menge um.

„Ja, ja, mein Name ist Harry Potter – aber ich bin nicht der Harry Potter! Klar?“, schnauzte ich laut die Schüler an und schob mein schwarzes Haar auf der Stirn zur Seite, damit alle sehen konnten, was es dort nicht zu sehen gab. Die Abwesenheit einer mysteriösen und berühmten Blitznarbe jagte den mich anstarrenden Schülern binnen Sekunden einen Rotschimmer über die Wangen und ich hörte, wie sich McGonagall wieder räusperte, dieses Mal mit einer Spur Verlegenheit. Und das verschaffte mir zumindest ein wenig Befriedigung, ehe ich mich auf den Schemel setzte und den Hut über den Kopf zog.

Sofort war es dunkel um mich herum und ich nahm den Geruch von altem Leder wahr.

„Oh nein, du bist der Sohn von Susanne.“, sprach plötzlich eine helle Stimme direkt neben meinem Ohr. Zuerst wollte ich erschrocken fragen, wer da war – als mir einfiel, warum der sprechende Hut so hieß, wie er hieß.

„Wenn du auch nur versuchst, mit mir zu diskutieren, dann schick ich dich ohne Umschweife in das Haus, das dir am wenigsten liegt, verstanden?“, drohte der Hut und ich konnte nicht anders, als kurz zu grinsen.

Offensichtlich hatte meine Mutter einen bleibenden Eindruck auf den alten Hut gemacht.

„Verstanden.“, sagte ich leise und dann kehrte meine Nervosität zurück, „Ordne mich einfach nur schnell ein, ja?“

Der Hut schwieg einen Moment, der mir schrecklich lang vorkam.

„Nun...das ist... hm...“

„Was?“

„Es ist schwierig, Harry. Lustig übrigens, dass du dem berühmten Potter äußerlich so ähnlich bist.“

„Oh bitte, das muss ich mir nicht auch noch von einem Hut anhören!“

„In Ordnung, in Ordnung. Lass mich nachdenken... Deine Intelligenz ist nicht zu verachten, Junge.“

„Großartig! Dann komm ich also nach Ravenclaw!“ Gerade wollte ich schon aufspringen, als der Hut sich räusperte – falls man das über einen Hut sagen konnte.

„Nicht so schnell, Bursche. So einfach sieht es in deinem Kopf nicht aus. Deine Menschenliebe und Hilfsbereitschaft lässt sich nicht einfach so ignorieren.“

„Dann also Hufflepuff?“

„Ja... ja, das könnte schon sein. Nur...“

„Was?“

„Nun, der Auftritt eben – das hätte sich nicht jeder getraut. Es steckt eine Menge Mut in dir!“

„Wunderbar, dann komme ich nach Gryffindor?“

„Hmm...also...Gryffindor ist auch nicht schlecht. Aber ich weiß nicht, ob das deiner Gerissenheit gerecht werden würde.“

„Merlin, kannst du dich nicht einfach entscheiden? Geht das nicht schneller?!“

„Was glaubst du, was ich hier auf deinem Kopf tue, Junge? Deine Familie bereitet mir jedes Jahr Probleme, also lass mich in Ruhe dein Unterbewusstsein durchforsten!“

Wütend schnaubte ich. Das konnte doch nicht wahr sein, dieser Hut kam mit seiner einzigen Lebensaufgabe selbst nicht zurecht! So schwer konnte das doch nicht sein?

Oh gott, es waren bestimmt schon fünf Minuten vergangen. Oder noch mehr?

In dieser Dunkelheit konnte ich das gar nicht einschätzen.

Hoffentlich war der Hut bald fertig. So viel konnte doch gar nicht in meinem Unterbewusstsein stecken, dass er so lange brauchte. War er vielleicht eingeschlafen?

Konnten verzauberte Hüte eigentlich schlafen?
 

„Sprechender Hut...?“, flüsterte ich leise.

„Junge...Junge...das ist wirklich schwierig.“, antwortete der alte Hut und ich seufzte leidend.

„Ich bin nicht sicher, ob ich dich nach altbekannter Weise übberhaupt einordnen könnte.“

Ein Schreck fuhr mir durch die Glieder. Was sollte das nun wieder heißen?

Genau das fragte ich den Hut und der murmelte kurz vor sich hin.

„Nun ja, warum sollte man auch immer bei dem alten bleiben? Hör zu, Junge. Ich habe jedem Haus eine Zahl von 1 bis 4 zugeordnet. Sag mir eine Zahl und ich schick dich in dieses Haus.“

„Ich soll was machen?!“, fragte ich entsetzt. Hatte dieses alte Stück Leder gerade wirklich vorgeschlagen, was ich glaubte? Ich sollte dem Zufall meine schulische Laufbahn anvertrauen?!

„Nun, wir können auch noch drei Stunden hier sitzen, während ich auslote, welche Nuance in dir die ausschlaggebenste ist.“, erwiderte der Hut spitz. Ich seufzte verärgert. Natürlich wusste der Hut, dass ich davor Angst hatte.

Verflucht noch eins...

Nagut, eine Zahl von 1 bis 4, das war doch eine lösbare Aufgabe. Ich dachte nicht lange nach und sagte dann:“3“

„SLYTHERIN!“, rief der Hut laut und erleichtert sank ich auf dem Schemel zusammen. Endlich war das vorbei.

Gerade wollte ich mich erheben, als ich innehielt.

„Wie lange haben wir gebraucht?“

Der Hut musste lachen, als er meine Frage hörte. „Für den Familienrekord hat es nicht gereicht, Junge. Sieben Minuten und zweiundzwanzig Sekunden.“

„Danke!“, sagte ich, nahm den Hut vom Kopf und eilte zum Slytherintisch, der laut johlend „WIR HABEN POTTER! WIR HABEN POTTER!“ durch den Saal brüllte.

Das milderte meine Freude erheblich. Hatten sie meinen Ausruf vorhin nicht gehört? Vergebens versuchte ich, ihren Jubel immer wieder mit meinem: “Nein, nein! Nicht der Harry Potter! Nicht der!“ zu unterbrechen.

Aber entweder konnten sie mich nicht hören – oder sie wollten es nicht.



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von:  Petulia
2012-08-26T12:46:18+00:00 26.08.2012 14:46
ziemlich lustig und unterhaltsam dieses kapitel :) die diskussion zwischen hut und schueler hat mir echt gut gefallen. ich glaube allerdings nicht, dass slytherin sich so sehr ueber harry potter freuen wuerde ;)
Von:  Petulia
2012-07-14T16:53:43+00:00 14.07.2012 18:53
hey hey. mir gefaellt deine idee eigentlich ganz gut auch wenn ich ihr zu beginn skeptisch gegenueber stand :D
ich bin ein sehr penibler mensch deswegen zuerst die kritik :P

in welchem haus ist der harry potter? und er hat wahrscheinlich freunde, die ihm bereits von der eingeschulten beruehmtheit erzaehlt haetten und ich hatte es zu anfang im ersten kapitel schoen gefunden, nicht zu wissen dass sie auf die gleiche schule gehen, cih glaube das haette mir besser gefallen.

andererseits ist das aber nicht wichtig, als dass ich deine geschichte nicht geniessen koennte :) rein technisch gesehen ist es unheimlich erfrischend, dass ich ueber keine rechtschreib oder grammatikfehler gestolpert bin. mir ist erst gegen ende aufgefallen, dass ich deswegen so gut durchlesen konnte :) ausserdem gefaellt mir der anekdoten hafte schreibstil und die glaubwuerdig echte art und weise harrys von seiner situation zu berichten. ich hoffe es gibt bald mehr davon zu lesen :)
Von:  Kagomee16
2012-07-10T11:44:35+00:00 10.07.2012 13:44
das ist ein echt lustiger anfang^^
bin gespannt wie es weiter geht^^
mach weiter so^^

lg kagomee16


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