Zum Inhalt der Seite

Das erste Mal

[KaiSoo]
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Trottel

Kyungsoos Leben war sehr einfach gestrickt. Er hatte einen geregelten Tagesablauf, ein beständiges Einkommen, das sich inzwischen durchaus nennenswert auf seinem Konto gesammelt hatte, und eine Familie, die er für nichts in der Welt hergeben würde. Vielleicht war seine liebenswürdige Schwester sogar der Grund, wieso er noch immer zu Hause wohnte und nicht in eine eigene, kleine Wohnung zog – denn leisten könnte er sich das durchaus. Trotz dieser Tatsache war Kyungsoo ein sehr selbstständiger junger Mann. Er hatte eine manierenreiche und höfliche Erziehung genossen und wusste auch, wie er diese tadellos anwenden musste. Seine Kollegen mochten ihn deswegen und er mochte seine Kollegen.

Sein Leben war nicht spannend, vielleicht sogar langweilig, aber das war in Ordnung. Kyungsoo mochte sein Leben, weil es so unkompliziert war. Unkompliziert und einfach und trotzdem schön.

Er glaubte nicht, dass es etwas gab, das er sich wünschen würde. Nicht im Moment. Vielleicht wollte er in ein paar Jahren heiraten und Vater von zwei wunderbaren Kindern werden, aber dafür war es noch zu früh. Kyungsoo war noch jung, hatte noch genug Zeit. Er fühlte sich noch gar nicht dazu bereit, eine so große Verantwortung auf sich zu nehmen. Im Moment wollte er einfach nur seinem Tagesrhythmus nachgehen und sich glücklich schätzen. Denn das konnte er.

Kyungsoo mochte sein simples Leben. Und das sollte auch so bleiben.

Vielleicht gehörte er genau deswegen zu der Sorte Personen, die Angst vor Veränderungen hatten.

Sein Leben sollte sich nicht verändern.

Nicht jetzt.
 

---
 

Er hatte eine Freundesanfrage. Zhang Yixing.

Der junge Mann aus dem Tanzstudio gestern. Eigentlich hatte Kyungsoo alle Gedanken daran vergessen wollen, weil es so eine fürchterlich komische Situation gewesen war, aus der er einfach nur hatte flüchten wollen. Es hatten so viele Fragen in seinem Kopf herumgetanzt, dass er nicht gewusst hatte, was er denken sollte. Deswegen hatte er geglaubt, dass es besser war, gar nicht darüber nachzudenken.

Kyungsoo war ein Meister darin Probleme einfach zu ignorieren und zu überspielen. Manchmal lösten sie sich wirklich in Luft auf. Zumindest kam ihm das so vor. Dass das jedoch nicht immer klappte, wusste er.

Jedoch wusste er nicht, ob er diese Freundschaftsanfrage annehmen sollte, oder nicht. Letztendlich hatte er es nicht übers Herz gebracht, abzulehnen.

Also war er jetzt wohl mit Zhang Yixing – zumindest in Facebook – befreundet. Wieso auch nicht.

Er hatte gerade aufstehen und in die Dusche wollen, als er urplötzlich eine Nachricht bekam.

Kyungsoo zog seine markanten Augenbrauen leicht in die Höhe und beobachtete die Nachricht.
 

Zhang Yixing

Du hast keine ahnung was du gemacht hast, oder?
 

Do Kyungsoo

Was meinst du?
 

Er hätte wenigstens Hallo sagen können. Aber Kyungsoo war wirklich ratlos, was er meinte. Spielte er auf gestern an? Bestimmt. Ansonsten wäre ja nur noch die Sache mit der Freundschaftsfrage übrig, denn mehr Interaktion hatte er mit Yixing nicht gehabt.
 

Zhang Yixing

Ich meine Jongin
 

Das ließ Kyungsoo jedoch nicht intelligenter werden. Denn er hatte nach wie vor keine Ahnung, was sein Chatpartner denn da ansprach. Oder ansprechen wollte. Kyungsoo war – erneut – verwirrt. Er hatte nichts angestellt. Er hatte etwas unglücklich mit ihm getanzt. Wobei man das sicher nicht ‚tanzen‘ hätte nennen können.

Kyungsoo wusste nicht, was er antworten sollte und betrachtete deswegen einfach nur den Bildschirm, und sah, dass Yixing etwas schrieb.
 

Zhang Yixing

Deutlicher ging es ja wohl nicht, oder?
 

Do Kyungsoo

Würdest du mir bitte verraten, wovon du sprichst? Ich hab absolut keine Ahnung, was du von mir willst.
 

Zhang Yixing

ich will gar nichts von dir

aber Jongin offensichtlich.
 

Kyungsoo war nicht so größenwahnsinnig, dass er weit genug dachte und auf den Gedanken kam, dass diese Aussage genau so gemeint war, wie sie dort stand.
 

Do Kyungsoo

Aha. Und was?

Dann soll er mir das selbst sagen.
 

Kyungsoo wurde ein bisschen schlechtgelaunt. Weil er es nicht mochte, wenn man ihn wie einen Trottel darstellte. Denn er war kein Trottel, aber Yixing gab ihm genau dieses Gefühl. Es beleidigte ihn, dass er so sprach, als würde Kyungsoo nichts wissen.
 

Zhang Yixing

okay, ich sag dir das nur einmal und wenn du dann erneut so eine Aktion abziehst, kannst du dich darauf gefasst machen, dass ich dich verprügel. Und ich weiß wo du wohnst.
 

Oh Gott, was ging da ab? War er betrunken, oder auf Drogen? Was passierte hier? Kyungsoo war vollkommen ratlos und genau so sah er den Bildschirm auch an. Wobei er erwähnen musste, dass in seinem Blick auch noch absolute Skepsis lag, weil er nicht wusste, wie ernst dieser Typ es meinte.
 

Zhang Yixing

Jongin leidet an selektivem Mutismus.

Deswegen hat er nicht mit dir geredet. Nicht, weil er nicht will, sondern weil es nicht geht.

Kapiert?

weißt du, wie beschissen er sich jetzt fühlt?
 

Kyungsoo hatte seine Augen aufgerissen und starrte auf den Bildschirm. Er wusste nicht ganz genau, was selektiver Mutismus war, aber wenn er es richtig in Erinnerung hatte, dann war es eine psychische Störung, die dem Betroffenen nicht ermöglichte, mit jeder Person zu reden.

Und plötzlich kam sich Kyungsoo wirklich wie ein Trottel vor. Weil er doch bemerkt hatte, dass Jongin kein Wort zu ihm gesagt hatte. Er hatte nur gefragt, ob er mit ihm tanzen wolle. Aber da hatte er ihn nicht angesehen und nach seiner Reaktion zu urteilen, hatte Jongin nicht bemerkt, dass er und nicht jemand anderes den Raum betreten hatte.

Er hatte im Supermarkt damals auch nicht gesprochen; das hatte seine Mutter für ihn übernommen.

Wieso war ihm das nicht aufgefallen? Wieso bemerkte er das erst jetzt?

Er hatte sogar gesehen, dass er mit sich selbst gekämpft hatte um etwas zu antworten. Aber da waren keine Worte über seine Lippen gekommen und Kyungsoo hatte sich schlicht und einfach verarscht gefühlt.

Seine Hände, die auf der Tastatur lagen, fingen schließlich an sich zu bewegen und er tippte, lösche die Worte dann wieder und wiederholte den Prozess einmal. Weil er nicht wusste, was er schreiben sollte. Was sollte er sagen? Wie reagierte man auf so eine Nachricht?
 

Do Kyungsoo

Das wusste ich nicht.

Tut mir Leid. Ich wollte ihn mit meinen Worten nicht verletzen.
 

Denn er glaubte, dass er das durchaus getan hatte. Natürlich hatte er das. Immerhin hatte er ihm ja klar gemacht, dass es ihn störte, dass er nichts gesagt hatte.

Kyungsoo war so ein großer Trottel. So ein großer Volltrottel. Und er fühlte sich schlecht.
 

Zhang Yixing

entschuldige dich nicht bei mir sondern bei ihm

Ich weiß dass Jongin mir dafür den Kopf abreißen wird, aber

er hat mir gesagt, dass er dich gern kennenlernen würde. offensichtlich kann er dich gut leiden.

wenn du dich bei ihm entschuldigen willst, dann gib ihm die Chance, dass er das kann.
 

Kyungsoo starrte auf den Chat und wusste nicht, was er schreiben sollte. Schon wieder.

Wie reagierte man darauf, wenn man erfuhr, dass eine Person, die vermutlich niemals in der Lage war, mit ihm zu reden, mit ihm befreundet sein wollte? Wie stellte man das denn überhaupt an? Klar, sie konnten chatten, aber das war sicher nicht das, was Jongin sich darunter vorstellte, wenn er sich mit ihm anfreunden wollte.

Nach einer gefühlten Ewigkeit tippte er schließlich eine Antwort.
 

Do Kyungsoo

Wie soll ich das anstellen?
 

Zhang Yixing

Er ist nicht behindert er kann dir nur nicht antworten. Stell dich nicht so an als wäre das ein weltuntergang oder besonders schlimm. Er redet nicht mit zwei seiner guten freunde und es klappt trotzdem. Also wirst du wohl auch in der Lage sein irgendwie mit ihm zu kommunizieren.
 

Do Kyungsoo

Hey, reg dich ab. So war das gar nicht gemeint.

Ich weiß nur einfach nicht, wie ich damit umgehen soll. Wer rechnet denn mit so etwas?

Wieso… wieso will er mich kennenlernen?
 

Zhang Yixing

Keine ahnung

sicher nicht weil du so herausragend intelligent bist
 

Do Kyungsoo

Soll ich RIECHEN dass er nicht sprechen kann?
 

Zhang Yixing

du hast doch sicher bemerkt dass er nichts gesagt hat
 

Do Kyungsoo

Du hättest mir im Flur auch einfach sagen können, dass er nicht mit mir sprechen kann.
 

Zhang Yixing

wärst du dann reingegangen?
 

Das war eine berechtigte Frage auf die Kyungsoo keine Antwort wusste.
 

Do Kyungsoo

Ich weiß nicht. Aber wahrscheinlich Ja. Ich war ja eigentlich da, weil ich sehen wollte, wie er tanzt, wenn meine Schwester schon immer von ihm schwärmt.
 

Zhang Yixing

wahrscheinlich

wahrscheinlich ist nicht sicher.

und er hat sich drauf gefreut, dass du kommst.

er war sogar betrübt weil deine schwester krank war und du nicht kommen würdest.
 

Kyungsoo fragte sich, wieso Jongin sich so darauf gefreut hätte, ihn zu sehen. Sie kannten sich doch gar nicht. Und Jongin hatte beim Chatten nicht so gewirkt, als würde er sich wirklich freuen.

Er erinnerte sich an die Worte, die Yixing ihm geschrieben hatte. Sein Nachbar wollte ihn wohl offenbar kennenlernen. Vielleicht hatte er seine Hand deswegen so lange gehalten. Vielleicht hatte er ihm mitteilen wollen, dass er nicht wollte, dass er ging.

Ratlos und mit Schuldgefühlen saß er vor seinem schwarzen Laptop und wusste nicht, was er tun sollte.
 

Zhang Yixing

Ich will dich nicht dazu zwingen dich auf jeden fall mit ihm anzufreunden.

Ich will nur

dass du ihm eine chance gibst. Weil er sie verdient.

jongin ist eine wunderbare Person und das sicher auch wenn er schwierigkeiten damit hat, mit dir zu reden.

wenn es dir wirklich zu schwer fällt dann werde ich dich auch nicht verprügeln, aber

als sein bester Freund bitte ich dich einfach, auf ihn zuzugehen. Weil es ihm selbst schwer fällt.
 

Do Kyungsoo

Okay.
 

Das war alles, was ihm dazu einfiel. Denn diese neu gewonnen Informationen mussten erst einmal in sein Gehirn sickern und verarbeitet werden.

Aber er meinte es ehrlich. Er fühlte sich fast schon dazu verpflichtet, sich wenigstens bei ihm zu entschuldigen.
 

Zhang Yixing

sicher sitzt er immer noch in seinem Zimmer und fühlt sich schlecht.

ich weiß, dass du ihn nicht verstehen kannst, weil du ihn nicht kennst, aber

er macht sich sicher vorwürfe, dass er das gestern verkackt hat.

auch wenn ich eher der Meinung bin, dass du das getan hast, aber das sag ich vermutlich nur, weil ich sein bester Freund vin

*bin
 

Do Kyungsoo

Wie… kann ich ihn am besten erreichen?
 

Denn online war er nicht, das hatte er eben nachgesehen.
 

Zhang Yixing

alter

du wohnst neben ihm

Kim Jongin. Dritter Stock.
 

Yixing hatte es tatsächlich geschafft, dass er sich nun wie ein Trottel aufgeführt hatte. Denn auf diese naheliegende Idee war er nicht gekommen. Vielleicht auch, weil er sich immer noch überfordert fühlte und nicht sicher war, ob er Jongin so einfach unter die Augen treten konnte.

Denn wenn er an gestern zurück dachte, konnte er sich nur noch an diesen direkten Blick in seine Augen erinnern, der Kyungsoo das Gefühl gegeben hätte, als würde Jongin nichts anderes tun wollen, als ihm direkt in seine Seele zu sehen. Jongins starker Blick hatte ihn gefangen genommen und das hatte eine merkwürdige, fast schon unangenehme Stimmung erzeugt.

Es war so intensiv gewesen, was vielleicht auch an der Tatsache ihres Körperkontaktes und der durchaus leidenschaftlichen Musik gelegen hatte. Und genau die Stimmung, die in diesem Moment geherrscht hatte, war falsch gewesen. Weil sie sich nicht kannten und weil Jongin gewirkt hatte, als würde ihn dieser Fakt nicht stören.

Kyungsoo hatte nichts mehr zurückgetippt, hatte den Laptop wortlos zugeklappt und war im Bad verschwunden, um unter die Dusche zu steigen.

Er glaubte, dass er wirklich rüber gehen würde. Und sich wenigstens entschuldigen sollte. Denn hätte Kyungsoo gewusst, dass Jongin unter einer solchen fatalen psychischen Störung litt, hätte er sich sicher nicht so anstellt und ganz gewiss andere Worte gewählt. Denn Kyungsoo war tolerant, höflich und er wusste, wie man mit Menschen sprechen musste. Aber es war nicht so, dass er sich nicht auch verarscht vorkam oder mal wütend wurde. Und gestern hatte er sich einfach wie ein Idiot gefühlt, weil er nicht verstanden hatte, was los war.

Aber woher hätte er das denn ahnen sollen? Immerhin hatte er ihn ja sprechen hören. Vielleicht wäre er auf den Gedanken gekommen, dass Jongin nicht sprechen konnte, hätte er diesen Satz nicht gesagt, als er den Raum betreten hatte. Aber Kyungsoo hatte seine durchaus männliche Stimme gehört und deswegen war alles einfach nur merkwürdig für ihn gewesen. Wer in seiner Situation hätte anders gehandelt?

Vermutlich nicht viele.

Während er sich anzog und die Haare föhnte, erinnerte er sich daran, dass er unbedingt nachlesen musste, was genau ein selektiver Mutismus bedeutete. Der Begriff sagte ihm durchaus etwas, aber er war sich nicht wirklich sicher, was für eine Auswirkung diese Störung genau hatte.

Kyungsoo seufzte tief und nahm sich schließlich ein Herz, zog sich eine Jacke über und schlupfte in die Schuhe.

»Kyungsoo, wo gehst du hin?«, wollte seine Schwester, die plötzlich im Flur stand, wissen.

Ein schmales Lächeln legte sich auf seine Lippen. »Ich geh nur schnell jemand besuchen«, sagte er.

»Wen denn?«

»Unseren Nachbarn.« Kyungsoo hatte selbst keine Ahnung, wieso er es ihr nicht sagte. Sie konnte Jongin doch auch. Vielleicht befürchtete er, dass sie mitwollte oder dass er ihr erklären musste, was los war und… Moment. »Sag mal, hast du Jongin mal sprechen hören?«

Sie blinzelte und sah ihn an, als wäre er von allen guten Geistern verlassen. »Natürlich«, sagte sie und hielt dann kurz inne, schien zu überlegen. »Aber er redet immer leise und guckt einen nie an. Seine Mutter hat uns gesagt, dass ihm das nicht so leicht fällt. Wieso?«

»Nur so«, antwortete er und fragte sich, wieso er seiner kleinen Schwester nicht einfach die Wahrheit sagte. »Solltest du nicht deine Hausaufgaben machen?«

Ihr Schmollmund zeigte, dass er sie ertappt hatte. »Ich will nicht«, sagte sie dann.

»Los, keine Widerrede. Wenn ich wieder zurück bin und du fertig bist, gucken wir noch einen Film, ja?«

»Oh, ja!« Und da war ihr Enthusiasmus wieder geboren. Sie grinste ihn breit an und Kyungsoo erwiderte es schmal. Danach verabschiedete er sich und verließ die Wohnung.

Er musste zugeben, dass er ein bisschen nervös war. Nur ein bisschen. Weil er nicht genau wusste, wie er das denn sagen sollte, denn jetzt wusste er ja, dass Jongin ihm wohl nicht antworten würde. Aber genau das war wohl auch ein Vorteil. Weil er dann eher mit der Situation umgehen konnte.

Was genau er jedoch sagen würde, wusste er nicht. Kyungsoo war nicht gern spontan, aber er konnte spontan sein, wenn es sein musste. Dennoch versuchte er sich die richtigen Worte zurechtzulegen. Aber was er sagen wollte, wusste er ja. Halbwegs zumindest.

Er hatte das Haus, in dem sie erst seit gut einem Jahr wohnten, verlassen, war die paar Meter über den Gehweg gegangen und hatte schließlich das andere hohe Haus betreten, nachdem er die Klingelschilder studiert hatte.

Er stieg die Treppen hoch und hatte absolut keine Ahnung, was ihn erwarten würde. Und hätte er nicht so eine liebenswürdige Persönlichkeit und ein schlechtes Gewissen, hätte er sicher wieder kehrt gemacht, weil das hier mindestens genau so seltsam war, wie der Tanz gestern.

Im dritten Stock angekommen, beobachtete er die zwei Türen und fand schließlich die richtige. Er atmete tief durch, schloss die Augen für einen Moment und riss sich zusammen, ehe er schließlich klingelte.

Er hörte ein kurzes Bellen, danach sagte irgendjemand etwas, was Kyungsoo durch die Tür nicht verstehen konnte und wenig später näherten sich dumpfe Schritte auf der anderen Seite der hellbraunen Holztür. Während Kyungsoo sich einredete, dass alles in Ordnung war und er gar nicht nervös sein musste, wurde die Tür schließlich geöffnet.

Vor ihm stand nicht Jongin.

»Guten Tag«, sagte Kyungsoo, verbeugte sich leicht und beobachtete den Mann, der vermutlich Jongins Vater war einen Moment. »Ist Jongin da?«

Der Mann musterte ihn einen Moment und blickte dann an die Uhr an seinem Handgelenk. »Er müsste gleich heimkommen; komm doch rein.« Der Mann ging einen Schritt zurück und Kyungsoo zögerte nur einen kurzen Moment, ehe er dem Angebot nachging.

Zum Glück hatte er sich nicht vorgestellt, wie die Sache verlaufen würde, denn spätestens jetzt wäre alles anders gekommen. Denn er hätte sich eigentlich nicht vorgestellt, dass er das Haus betreten und auf Jongin warten würde.

Zum Glück konnte er nicht lange darüber nachdenken, denn ein brauner Pudel hatte sich genähert, hatte seine Vorderpfoten gegen sein Bein gestützt und schnupperte ungeniert zuerst in seinem Schritt und dann an seiner Hand.

»Monggu, aus«, sagte Jongins Vater, der sich wieder zu Kyungsoo gewandt hatte. »Du kannst im Wohnzimmer, oder in seinem Zimmer warten.«

»Ah, danke«, sagte er und war dabei, aus den Schuhen zu schlüpfen, nachdem Monggu wieder auf allen Pfoten stand, jedoch neugierig mit dem Schwanz wedelte und nicht vorhatte, Kyungsoo allein zu lassen. »Wo genau ist sein Zimmer?«

»Da hinten, die dritte Tür«, erklärte der Vater ihm, zeigte in die Richtung und Kyungsoo bedankte sich.

»Kann ich dir etwas zum Trinken anbieten?«

»Nein, danke. Machen Sie sich bitte keine Umstände«, sagte Kyungsoo sofort. Er hatte ja noch vor wirklich lange hier zu bleiben. Er wollte sich ja eigentlich nur entschuldigen.

»Er sollte gleich kommen. Fühl dich wie zu Hause.«

Kyungsoo verbeugte sich erneut leicht. »Vielen Dank.«

Jongins Vater winkte ab und verschwand schließlich in einem der Zimmer und Kyungsoo lief zu der Tür, die man ihm gezeigt hatte, öffnete sie und trat ein. Er wurde von dem freudigen Pudel verfolgt, weswegen er die Tür nur leicht anlehnte.

Jongins Zimmer war nicht halb so ordentlich wie das von Kyungsoo (über einem Stuhl lagen wirre Klamotten, eine der Türen des Kleiderschrankes stand offen und offenbarte ein kleines Chaos), aber an sich wirkte es einfach wie ein normaler Raum, in dem ein junger Mann wohnte. Es hingen keine Poster an den Wänden, dafür jedoch ein eingerahmtes Bild, das die Unterkörper von zwei tanzenden Personen bis zur Hüfte zeigte. Der offensichtliche Mann trug eine schwarze Anzugshose und das Augenmerk des Bildes war wohl das rote Flamencokleid. Zumindest glaubte Kyungsoo, dass es ein Flamencokleid war, bei den ganzen Rüschen. Denn er war nicht unbedingt jemand, der sich mit Tänzen auskannte. Da wusste er vermutlich mehr über die traditionellen asiatischen Tänze, als über die aus Europa.

Ein großes, ungemachtes Bett stand an der Wand, ebenfalls ein Schreibtisch mit einem Laptop. Ansonsten gab es nur noch den üblichen Kleiderschrank (der erstaunlich groß war), ein Sofa und einen Fernseher, neben dem ein paar Regale standen. Er sah ein paar Bücher und eine Spielkonsole. Eigentlich war alles ziemlich normal. Nichts Außergewöhnliches, aber sicher ein Raum, in dem man sich wohlfühlen konnte.

Monggu tänzelte um seine Beine herum und Kyungsoo beobachtete ihn einen Moment grinsend, setzte sich dann nach kurzem Zögern auf das Sofa und wusste nicht so genau, was er hier tat.

Der braune Vierbeiner sprang im nächsten Moment auf das Sofa und mache Anstalten sich auf seinen Schoß zu legen, und etwas überfordert ließ Kyungsoo es zu, ehe er schmunzelte und den Hund streichelte. »Du bist ganz schön aufdringlich«, sagte er zu dem Tier, das wohl keine Probleme damit hatte, auf Leute zuzugehen und sich dreist auf ihren Schoß zu legen. Unglaublich.

Aber irgendwie half das Streicheln des Tieres dabei, dass er seine Nervosität langsam verlor. Auch wenn er sich komisch fühlte, einfach hier zu sitzen und auf Jongin zu warten, nur um ihm zu sagen, dass es ihm leidtat.

Irgendwann hatte er angefangen sich erneut in dem Zimmer umzusehen und bis auf das Bild an der Wand, ließ nichts darauf schließen, dass Jongin in einem Tanzstudio arbeitete. Er könnte auch genauso gut studieren. Oder etwas völlig anderes machen.

Schweigend streichelte er Monggu abwesend und betrachtete schließlich sein Spiegelbild in dem schwarzen Fernseher.

Er fragte sich, wieso Jongin mit seiner Schwester, oder dem Kurs sprach, aber wieso er nicht mit ihm gesprochen hatte. Vielleicht war er zu nervös, wenn er Augenkontakt hatte? Kyungsoo wusste absolut nichts Genaueres über selektiven Mutismus. Vielleicht hätte er etwas darüber nachlesen sollen, bevor er hier her gekommen war. Wahrscheinlich würde er die nächsten Tage durchaus mal Wikipedia besuchen und sich schlau machen. Einfach, damit er wusste, womit genau er – oder eher Jongin – es da zu tun hatte. Es war erschreckend, aber gleichzeitig irgendwie interessant.

Leise atmete er aus, legte seinen Kopf in den Nacken, gleichzeitig gegen das weiche, dunkelblaue Sofa, während seine rechte Hand noch immer den weichen Kopf des Pudels streichelte, geistesabwesend, als wäre es einfach nur eine Beschäftigung, damit er sich nicht fragte, wieso er hier war und sich nicht fragte, wo Jongin blieb.

Gerade, als er in Gedanken dabei war, zu hoffen, dass sein Arbeitstag morgen nicht so hart und lang sein würde wie heute, kam er zu dem Entschluss, dass es vielleicht nicht gut war, die schweren Augenlider zu schließen.

Wenn Kyungsoo von der Arbeit heim kam (gerade an einem Samstag) dann war er meist fürchterlich geschlaucht und müde. Aber er ging trotzdem erst immer dann ins Bett, wenn es angebracht und nötig war. Das Problem war jedoch, dass er sich immer beschäftigte. Er kümmerte sich um seine Schwester, lernte mit ihr, half ihr bei den Hausaufgaben, oder spielte irgendein Gesellschaftsspiel mit ihr. Oder er kochte, schrieb mit Chanyeol oder unternahm etwas mit seinen Freunden.

Aber hier rumzusitzen und nichts zu tun, einfach nur auf etwas, oder jemand, zu warten, war absolut ermüdend und seine gesamte Trägheit trat plötzlich wieder in den Vordergrund. Vielleicht war es auch das gleichmäßige Atmen des Hundes auf seinem Schoß. Vielleicht war es auch der Fakt, dass er nicht darüber nachdenken wollte, was er Jongin denn nun sagen würde.

Kyungsoo bemerkte nicht, wie der Hund plötzlich freudig von seinem Schoß sprang, als die Zimmertür geöffnet wurde. Er bemerkte nicht Jongins absolut geschocktes und überraschtes Gesicht und auch nicht das plötzliche, schöne Lächeln auf seinen Lippen.

Kyungsoo hatte nicht mitbekommen, wie er seinen Kopf leicht auf die Seite gelegt hatte, als er während des Wartens einfach auf einer fremden Couch, in einem Zimmer, in dem er das erste Mal war, eingeschlafen war.

Er spürte nicht, wie sich die Matratze neben ihm senkte, spürte nicht wie Jongin sein schlafendes Gesicht, mit viel zu aufgeregtem Herzschlag, musterte.

Erst als plötzlich wieder etwas auf seinen Schoß sprang, wurde er aus seinem Schlaf gerissen, und eine Sekunde danach wusste er schon gar nicht mehr, ob er geschlafen hatte, oder nicht. Er hatte seinen Kopf aufgerichtet und sah auf seinen Schoß zu dem Hund, der auf seinen Oberschenkeln herum trampelte und wohl eine bequeme Stelle suchte. Kyungsoo blinzelte müde und dann bemerkte er, dass da jemand neben ihm saß.

Fast schon zu schnell riss er seinen Kopf zur Seite und blickte geradewegs in Jongins Gesicht, der ihn mit einem so breiten Lächeln ansah, dass Kyungsoo für einen kurzen Moment nicht in der Lage war, irgendetwas zu denken.

Und dann dachte er urplötzlich zu viel auf einen Schlag. Wo kam Jongin her? War er eingeschlafen? Er war eingeschlafen. Und Jongin hatte sicherlich gesehen, wie er geschlafen hatte, genauso, wie er gesehen hatte, dass er aus seinem Schlaf geschreckt war, als Monggu sich urplötzlich bewegt hatte. Kyungsoo wusste nicht, dass der Hund aufgestanden war und das war im Moment auch nichts Relevantes.

Relevant war nur, dass er seine Augen vor Schreck und vielleicht auch Scham aufgerissen hatte und in Jongins Gesicht sah, der den Blick mit so einem still glücklichen Gesichtsausdruck erwiderte. Kyungsoo bemerkte, dass dieser Blick dem von gestern ähnelte und im nächsten Moment war ihm alles fürchterlich peinlich.

Kyungsoo wirkte auf andere Menschen oft ruhig, vielleicht sogar kühl oder distanziert, aber das war er nicht. In der Öffentlichkeit war er einfach nur nicht laut, wollte nicht zu viel Aufmerksamkeit und strebte nicht danach, der Mittelpunkt der Gesellschaft zu werden. Manche glaubten er war schüchtern, aber das war nicht der Fall und es passierte auch nicht oft, dass ihm etwas wirklich peinlich war. Weil er sich im Griff hatte. Kyungsoo hatte gute Selbstkontrolle und stand zu seinen Taten; er machte normal nichts, was ihm peinlich sein musste.

Aber er war gerade in einem fremden Zimmer, auf einer fremden Couch, mit einem braunen Pudel auf seinem Schoß, eingeschlafen, während er auf den Zimmerbesitzer gewartet hatte, weil er sich hatte entschuldigen wollen.

Er öffnete die trockenen Lippen und versuchte sich und seine Gedanken zu ordnen und er war froh, dass die Müdigkeit mit einem Schlag vom Erdboden verschwunden war. Und der Schock, der seinen Puls leicht beschleunigt hatte, war auch wieder zurückgegangen. Dennoch fühlten sich seine Ohren viel zu warm an, weil er einen ungewollten, peinlichen Eindruck hinterlassen hatte.

»Ah«, brachte er plötzlich hervor, nachdem er seine Stimme wieder gefunden hatte. Er brach den Blickkontakt und fragte sich, was er hier tat. Kyungsoo schluckte und lachte plötzlich kurz über sich selbst, kratzte sich im Nacken und sah dann wieder zu Jongin, auf dessen schönen Lippen noch immer ein ruhiges Lächeln lag. Er sah noch hübscher aus, wenn er lächelte. Seine Schwester wollte ihn heiraten, wenn sie alt genug war, hatte sie gesagt. Kyungsoo würde nichts dagegen einwenden, glaubte er.

»Tut mir leid, ich wollte nicht einschlafen, ich hab nur auf dich gewartet und…« Wieso rechtfertigte er sich eigentlich? Viel wichtiger war es, wieso er hier war.

Er öffnete den Mund, atmete tief durch und sah Jongin wieder ins Gesicht. »Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Wegen meiner Worte gestern.« Er drückte seine Lippen einen Moment aufeinander und zog sie zu einem Lächeln und konnte sehen, dass Jongin ihn neugierig, vielleicht auch abwartend ansah. Kyungsoo ließ sich dadurch aber nicht verunsichern und sprach schließlich weiter, weil Jongin nicht so aussah, als würde er wissen, wieso genau Kyungsoo hier war. »Yixing« - er sprach den Namen sicher nicht ganz richtig aus, aber war ja auch egal - »hat mir gesagt, was los ist. Und ich wollte mich für meine harschen Worte entschuldigen. Ich… hab mich nur ein bisschen verarscht gefühlt. Aber ich hab nicht böse sein wollen.«

Aber vermutlich wusste Jongin das. Bestimmt war ihm das nicht das erste Mal passiert. Kyungsoo fragte sich, wie viele Leute sich schon angegriffen gefühlt haben, weil Jongin ihnen nicht hatte antworten können.

Kyungsoo sah Jongin an. Jongin sah Kyungsoo an.

Und Kyungsoo glaubte, dass er antworten wollte. Er wollte ihm irgendetwas sagen, aber seine Lippen blieben aufeinander und zogen sich wieder zu einem Lächeln, ehe er den Blick senkte und für einen Moment wie ein kleiner Junge aussah, der ein Geschenk bekommen hatte und nicht wusste, wie er seine Freude ausdrücken sollte.

Kyungsoo hatte alles gesagt und eigentlich hatte er direkt danach wieder gehen wollen, aber Monggu hatte es sich inzwischen wieder auf seinem Schoß bequem gemacht und Jongin sah ihn wieder an.

Es war komisch. Es war fürchterlich komisch. Komisch und verunsichernd und dennoch wusste Kyungsoo, wieso diese Unterhaltung so einseitig blieb. Und Kyungsoo erinnerte sich an Yixings Worte und an das Versprechen, dass er mehr oder weniger gegeben hatte.

»Vielleicht… vielleicht möchtest du mir ja, wenn du Zeit und Lust hast, wirklich Tango beibringen.«

Kyungsoo hörte ständig, dass seine Augen groß wurden, wenn er erschrocken war, oder Worte hörte, die ihn überraschten. Vielleicht konnte er jetzt das schmale, leicht amüsierte Lächeln von diesen Leuten, die ihm das immer sagten, nachvollziehen, weil Jongin ihn gerade ebenfalls mit großen Augen ansah. Fast so, als könnte er seinem Gehör nicht trauen.

»Aber nur, wenn ich führen darf«, hing er dann noch schnell hinterher und Jongin senkte seinen Blick und grinste breit und es wirkte fast wie ein lautloses Lachen. Als er ihn wieder ansah, biss er sich kurz auf seine Lippen und nickte dann, und zeigte ihm wieder dieses wunderbare Lächeln, das ihn wie jede andere, normale Person auch aussehen ließ.

Kyungsoo schämte sich im nächsten Moment für den Gedanken, dass er Jongin gerade als unnormal bezeichnet hatte, nur weil er nicht mit ihm sprach. Aber vielleicht hatte er einfach nicht die Ehre in das Vergnügen zu kommen, Jongins Stimme zu hören. Vielleicht hatten das nur ganz bestimmte Personen.

Kyungsoo merkte plötzlich, wie sehr er zu diesen Personen gehören wollte, nur weil er die Stimme von Jongin hören wollte. Während er ihm in die Augen sah und während er direkt mit ihm sprach. Denn seine Stimme und die Worte, die er damals im Tanzraum, mit dem Rücken zu ihm, gesagt hatte, waren schon lange aus seinem Gedächtnis verschwunden, weil sie nicht ihm gegolten hatten.

»Du… uhm, könntest mich in Facebook anschreiben, wenn du Zeit und Lust hast.« Kyungsoo kam sich im nächsten Moment fast so vor, als würde er sich aufdrängen. Er wollte sich nicht aufdrängen. Er wusste ja nicht einmal, ob Jongin wollte.

Moment, nein, halt. Yixing hatte gestern gesagt, dass Jongin mit ihm hatte tanzen wollen und Jongin hatte auf die Frage doch auch genickt. Wenn er also nicht nachtragend war – und Jongin sah nicht danach aus – würde er sich sicher nicht belästigt fühlen.

Jongin nickte wieder und wirkte plötzlich nicht, als wäre er nur ein Jahr jünger als Kyungsoo, sondern als wäre er ein kleiner Junge, der fürchterlich aufgeregt war. Vielleicht übertrieb Kyungsoo im Moment auch nur, weil er die Antwort nur aus seinen Gesten lesen und deuten konnte.

Aber Jongin sah wirklich aus, als würde er sich freuen, und das führte dazu, dass das Lächeln ansteckend war und Kyungsoo ihn deswegen breit angrinste.

Jongin war ihm plötzlich fürchterlich sympathisch.

Weil er Bescheid wusste, was los war, und weil dieses Lächeln, das er ihm schenkte, so bezaubernd war.

Kyungsoo hatte sich schließlich verabschiedet, hatte Jongin gesagt, dass sie sich schreiben würden und war gegangen, hatte tatsächlich noch einen Film mit seiner Schwester geguckt und war während selbigem erneut eingeschlafen.
 

---
 

Im ersten Moment hatte er sich nicht daran erinnern können, wie er ins Bett gekommen war. Er glaubte sich vage daran zu erinnern, dass seine Schwester ihn geweckt und ins Bett geschickt hatte, vielleicht hatte er das aber auch nur geträumt. Sicher war er sich nicht.

Als er jedoch aufgewacht war, hatte er einen Blick auf die Uhr geworfen und bemerkt, dass er noch genug Zeit hatte, bevor er zur Arbeit musste. Fünf Stunden, um genau zu sein.

Also hatte er ein großes Frühstück für seine Familie und natürlich sich selbst, vorbereitet und hatte den schönen Sonntagmorgen wirklich genossen.

Danach hatte er seinen Laptop gestartet, hatte seine Mails gecheckt und neue Beiträge in dem Forum, in dem er öfters mal surfte, gelesen, ehe er schließlich Facebook geöffnet hatte. Und er hatte eine neue Nachricht.

Kyungsoo hatte eine Vorahnung.

Die sich bestätigte.
 

Kim Jongin

du hättest dich nicht entschuldigen brauchen

ich war dir nicht böse ich war wohl eher mir böse weil

uh

na ja du weißt ja wieso

und ich würde mich wirklich freuen, wenn ich dir tango beibringen kann

du darfst auch führen ^_~
 

Kyungsoo wusste nicht, dass Jongin normalerweise absolut keine Smileys machte. Und er wusste auch nicht, dass er selbigen dreist von einem seiner Freunde (Lu Han) kopiert hatte. Einfach damit er lässig klang – was Kyungsoo ihm absolut abkaufte. Er las weiter und konnte sich ein schmales Lächeln nicht verkneifen. Weil es echt amüsant war die große Nachricht zu sehen und zu wissen, dass Jongin nicht mit ihm sprechen konnte. Vielleicht musste er das ausgleichen, denn irgendwie musste er sich ja mitteilen.
 

Kim Jongin

auf jeden fall kann ich mir zeit nehmen wenn du lust hast

ich weiß ja nicht wie es mit deinem job aussieht

aber ich hab normal spätestens um 8 oder 9 abends immer aus

oder wir können an einem sonntag hin wenn der laden zu hat

ich hab ja die schlüssel

und vielleicht hast du ja demnächst einen freien tag den du mit

uhm

dem tanzen verbringen möchtest

oh gott ich rede so viel tut mir leid ich hoffe ich schrecke dich nicht ab

ich

würde dir nur wirklich gern tanzen beibringen

und deine worte haben mich gefreut und deswegen bin ich jetzt wohl etwas hyperaktiv und schreib so viel weil ich

weil ich es dir nicht sagen kann

auch wenn ich wirklich gern würde

und es tut mir leid dass ich dich am freitag überhaupt in die lage gebracht hab

du dachtest sicher ich wäre der größte creep überhaupt

ich hoffe deiner schwester geht es wieder besser grüß sie von mir

oh und

wenn du auf meiner couch schlafen möchtest musst du mir das nur sagen
 

Bei dem letzten Satz musste Kyungsoo plötzlich anfangen zu lachen, wobei er sich eingestehen musste, dass sich seine Ohren vor Scham etwas rotfärbten, wenn er sich daran erinnerte. Das war eindeutig das Peinlichste gewesen, was ihm die letzten Monate passiert war.

»Trottel«, sagte Kyungsoo seinem Bildschirm und gluckste schließlich etwas.
 

Do Kyungsoo

Ich erfahr heute, wie ich nächste Woche arbeiten muss. Dann sag ich dir Bescheid, ja? ^_^
 

Kyungsoos Tag verlief wie immer. Stressig, laut und dennoch hatte er viel Spaß gehabt. Vermutlich einfach, weil er in seinem Element war und er es trotz der Hektik liebte, zu kochen. Vielleicht auch, weil vieles einfach schon reine Routine geworden war. Langweilige Routine, aber zum Glück gab es hin und wieder Änderungen im Speiseplan und Kunden, die auch gern mal ein paar Extrawünsche hatten. Das mochte Kyungsoo besonders gern.

Als er abends sein Zimmer betrat und vor dem Laptop saß, öffnete er diesmal zuerst Facebook, um Jongin die versprochene Nachricht zu hinterlassen.
 

Do Kyungsoo

Nächsten Sonntag hab ich frei.
 

Kim Jongin

uh, da feiert mein vater seinen 60igsten
 

Do Kyungsoo

Oh.

Uhm, übernächste hab ich Frühdienst. Vielleicht da irgendwann am Abend?
 

Kim Jongin

mittwoch würde mir gut passen
 

Do Kyungsoo

Gut, dann Mittwoch! Ich freu mich! ^_^
 

---
 

Kyungsoo hatte sich ein bisschen über selektiven Mutismus erkundigt. Und vermutlich wusste er jetzt auch, wieso Jongin in dem Tanzkurs reden konnte. Offensichtlich gab es Personen, die an der psychischen Erkrankung litten, die in gewissen Räumen, die ihnen besonders vertraut waren, den Mund sehr wohl aufbekamen. Der Artikel hatte ihm bestätigt, dass diese Personen oft auch einfach nur mit besonders engen Personen, wie Eltern oder beste Freunde, sprachen und sonst den Mund nicht aufbekamen. Es war nicht chronisch und trat wohl häufiger auf, als man es bemerkte.

Kyungsoo fragte sich, wie lange Jongin schon darunter litt und ob er deswegen in Therapie war. Aber wenn er schon mit einem Kurs voller fremder Kinder oder Erwachsenen hin und wieder leise sprechen konnte, dann wirkte es zumindest schon mal so, als würde er daran arbeiten. Aber Kyungsoo wusste nicht, wie genau es bei Jongin war und er glaubte, dass er ihn fragen würde.

Jedoch war er die letzten Tage nicht dazu gekommen und heute war das erste, was er Jongin sagen würde, jedoch auch nicht, dass er eine persönliche Frage an ihn hatte.
 

Do Kyungsoo

Hey!

Ich hoffe dir geht’s gut?
 

Kim Jongin

ja

dir auch?
 

Do Kyungsoo

Denke schon, ja.

Ich… ich muss nur unseren Termin verschieben. Einer unserer Köche ist krank geworden und ich soll seinen Schichtdienst übernehmen. Also klappt das am Mittwoch wohl doch nicht.

Tut mir Leid. T^T
 

Kim Jongin

oh
 

Kyungsoo konnte förmlich von dieser schnellen, stumpfen Antwort herauslesen, wie bestürzt er darüber war.
 

Kim Jongin

dann an einem anderen tag?

wir finden schon was, läuft ja nicht davon
 

Do Kyungsoo

Ja, stimmt. Ich sag dir Bescheid, sobald ich wieder Zeit habe, ja?
 

Kim Jongin

kein stress
 

Kyungsoo lächelte schmal und atmete tief durch, wechselte kurz den Tab seines Browsers, ehe er sich schließlich ein Herz nahm und wieder zurück auf Facebook ging.
 

Do Kyungsoo

Sag mal, darf ich dich etwas fragen?
 

Kim Jongin

klar

alles was du möchtest
 

Do Kyungsoo

Uhm, ich weiß nicht, wie unangenehm dir das Thema ist und wenn du nicht antworten möchtest, musst du das auch nicht tun. Ich bin nur irgendwie neugierig…

Wie lange hast du das schon?
 

Kim Jongin

den mutismus oder mein gutes aussehen?
 

Er starrte etwas perplex auf die Antwort und musste plötzlich leise glucksen, weil es absolut bewundernswert und dämlich zugleich war, dass Jongin rumscherzte.
 

Do Kyungsoo

Dein Aussehen natürlich.
 

Kim Jongin

manche personen werden mit so einer schweren last geboren, hehe

nein, zu deiner frage: seit… uh ich glaub seitdem ich neun bin oder so. ich weiß es nicht mehr ganz genau auf jeden fall schon länger
 

Do Kyungsoo

Wow, das ist lang.

Tut mir Leid.
 

Kim Jongin

ach muss dir nicht leidtun

bei meinem job muss ich nur gut tanzen können und die wenigen worte die ich dort sage

die bekomm ich heraus

wenn ich im tanzraum bin dann fühl ich mich immer wohl und sicher

vermutlich kann ich dort deswegen normal reden
 

Kyungsoo überlegte, ob er fragen sollte, wieso er dann letztens kein Wort herausbekommen hatte. Er entschied sich jedoch dagegen, das zu fragen. Vielleicht brauchte Jongin einfach seine Zeit.

Das war in Ordnung. Kyungsoo wollte ihn nicht drängen. Weil er glaubte, dass Jongins Leben nicht so einfach war, wie er behauptete. Zumindest konnte er sich das nicht vorstellen.
 

Do Kyungsoo

Bewundernswert wie einfach du damit umgehst.
 

Kim Jongin

ich bin damit aufgewachsen

ich kenn es nicht anders und esist in ordnung

ich komm gut klar in meinem leben meistens zumindest
 

Es war manchmal wirklich anstrengend, dass Jongin ohne Punkt und Komma schrieb. Er war es gewohnt, dass viele Leute, mit denen er schrieb, nicht auf alle Rechtschreibregeln achteten, aber bei Jongin war es extrem. Es störte ihn nicht, vielleicht auch einfach, weil er immer an seine Augen und diesen Blick denken musste, den Kyungsoo nicht so recht deuten konnte, möglicherweise auch, weil es Jongin nur so wirken ließ, als hätte er nicht genug Zeit ordentlich zu schreiben.

Chanyeol war ja genauso.
 

Do Kyungsoo

Wenn du damit klar kommst, ist es ja in Ordnung.
 

Kim Jongin

aber ich würde wirklich gern mal mit dir reden
 

Do Kyungsoo

Ist das denn… nicht möglich?
 

Kim Jongin

uh

eigentlich schon

wie gesagt normal geht es im tanzstudio ja

mein terapeut hatte nur gemeint dass ich vielleicht einfach ein bisschen zeit brauche

also sollte es eigentlich möglich sein irgendwann
 

Do Kyungsoo

Hast du Angst davor mit mir zu reden?
 

Kim Jongin

vielleicht ein bisschen
 

Do Kyungsoo

Wieso?
 

Kim Jongin

ich weiß nicht
 

Kyungsoos erster, spontaner Gedanke war, dass er log.

Dass er damit richtig lag, konnte er jedoch nicht ahnen.

Kyungsoo konnte nicht wissen, dass Jongin Angst davor hatte, mit ihm zu reden, weil der Jüngere Gefühle für ihn entwickelt hatte. Er konnte nicht wissen, dass er einfach nur Angst davor hatte, etwas Falsches zu sagen oder möglicherweise eine Antwort von Kyungsoo zu bekommen, die er nicht hören wollte.
 

---
 

Er hatte die letzte Woche mit Arbeiten verbracht. Mit viel Arbeit und vielen Überstunden und weniger Zeit für sich oder sonst jemand.

Also hatte er seinen freien Tag mit Chanyeol, seinem besten Freund, der gerade dabei war Mathematik zu studieren (was Kyungsoo immer noch fürchterlich komisch fand), verbracht, weil er ihm versprochen hatte, ihn einzuladen. Sie hatten über dies und das gesprochen, über Chanyeols neue Freundin, die ihn regelrecht in den Wahnsinn trieb, und irgendwann hatte Kyungsoo auch die Sache mit Jongin erzählt.

Chanyeol hatte zugehört und irgendwann stumpf bemerkt, dass er ja fast schon fasziniert von Jongin wirkte.

Kyungsoo hatte daraufhin nur mit großen Augen reagiert und hatte sich gefragt, ob er wirklich fasziniert von ihm war.

Eine Antwort hatte er nicht gefunden, aber ihm war klar, dass er gern mit Jongin schrieb und sich inzwischen auch an seine Art zu schreiben gewöhnt hatte.

Leider hatte sich noch kein neuer Termin für die richtige Tangostunde ergeben, auf die er wirklich gespannt war, dafür hatten sie jedoch hin und wieder abends miteinander geschrieben. Jongin hatte die Fragen gestellt, Kyungsoo hatte geantwortet. Jongin wollte wissen, was sein Lieblingslied war (Billionare), seine Lieblingsfarbe (Schwarz), was für Filme er am liebsten ansah (Fantasy) und noch so einiges. Kyungsoo glaubte, dass sie dabei waren sich wirklich gut anzufreunden und er bemerkte, dass er sich jedes Mal darüber freute, wenn sein besonderer Nachbar ihm eine Nachricht auf Facebook geschrieben hatte.

Gestern hatte Jongin nach seiner Handynummer gefragt und Kyungsoo hatte sie ihm ohne zu zögern gegeben, auch wenn er nicht so genau wusste, wieso er seine Handynummer haben wollte.

Heute hatte er herausgefunden, wieso. Jongin hatte ihm eine ‚viel spaß auf der arbeit‘-SMS geschickt und Kyungsoo hatte unglaublich breit lächeln müssen.

Jongin war so komisch und gleichzeitig so verdammt liebenswert und als Kyungsoo seine Bilder in Facebook angesehen hatte, hatte er bemerkt, dass er viel zu wenig Fotos hatte, auf denen er lachte.
 

---
 

Kyungsoo hatte ihm eine SMS geschrieben, in der gestanden hatte, dass er heute spontan frei bekommen hatte und dass er deswegen Zeit hätte. Jongin hatte gesagt, dass er um neun (falls ihm das nicht zu spät war) ins Tanzstudio kommen sollte.

Es war ihm nicht zu spät gewesen.

Jongin hatte nicht mit ihm geredet, ihm jedoch mit Gesten und Beispielen gut genug gezeigt, wie er ihn halten musste, dass er ihm immer ins Gesicht sehen sollte und wie er die ersten Schritte meistern musste. Und es klappte erstaunlich gut.

Kyungsoo hatte sich trotzdem nicht so ganz an diese Nähe gewöhnen können.

Eigentlich mochte er es nicht. Er duldete nur die Nähe von bestimmten Personen, aber selbst bei seinem besten Freund war ihm manchmal schon eine Umarmung zu viel. Zumindest in der Öffentlichkeit. Aber hier waren sie nicht in der Öffentlichkeit und das hier war auch nur ein Tanz, auch wenn Kyungsoo Jongins Gürtelschnalle viel zu gut an seinem Bauch spüren konnte, während er etwas unbeholfen versuchte zu führen.

Aber es war in Ordnung.

Wahrscheinlich besonders deswegen, weil Jongin ihm immer dieses ruhige Lächeln schenkte, wenn er ihn ansah.
 

---
 

Es waren sieben Wochen seit der ersten Trainingsstunde vergangen und sie hatten sich inzwischen acht Mal gesehen. Langsam hatte Kyungsoo den Dreh raus und er war stolz auf sich, gleichzeitig wünschte er sich jedoch auch, dass es noch länger dauern würde. Aber bis jetzt waren es nur die Grundschritte, wie Jongin ihm irgendwann geschrieben hatte.

Es war immer irgendwie schön, wenn er sein Zimmer betrat und eine Nachricht von Jongin bekam, in der stand, dass er den Tag genossen hatte und dass er Fortschritte machte.

Kyungsoo bemerkte, dass er diese Nachrichten genau so sehr genoss, wie die Zeit mit Jongin.
 

---
 

Kim Jongin

hast du die nächsten stunden was vor?
 

Do Kyungsoo

Nein, ich bin gerade heim gekommen, wieso?
 

Kim Jongin

mach mir gleich die tür auf
 

Er hatte nicht verstanden, was Jongin vorhatte, bis er ihm die Tür aufgemacht hatte. Jongin hatte ihm zwei Kinokarten entgegen gestreckt und ihn breit angegrinst, auf sich gezeigt und dann auf Kyungsoo und Kyungsoo hatte verstanden, mit einem erfreuten Lächeln zugesagt.

Sie hatten sich den zweiten Teil von Der Hobbit angesehen und es war schön gewesen, zusammen mit Jongin etwas zu unternehmen. Und ein Kinobesuch war ein guter und einfacher Start gewesen, weil sie zusammen unterwegs waren, unterhalten wurden, aber Jongin musste nicht in Versuchung kommen zu sprechen.

Kyungsoo hatte ihn, zum Dank, als niemand hingesehen hatte, umarmt.
 

---
 

Das Licht erhellte den fast komplett leeren Raum. Die Musik lief nur noch leise, als beruhigende und schöne Hintergrundmusik, fast so wie ein Radio, wenn man in einem Friseursalon saß.

Sie waren schon seit ein paar Minuten fertig und eigentlich hatte Kyungsoo gehen wollen, aber Jongin hatte seine Hand gepackt, sich hingesetzt und Kyungsoo hatte sich, ohne zu zögern, neben ihn gesetzt. Mit dem Rücken zu der verspiegelten Wand beobachteten sie den anderen, leeren Teil des Raumes.

Kyungsoo schielte hin und wieder zu Jongin, der nach vorn sah und versuchte sich anzustrengen, sich zu konzentrieren.

Es war erstaunlich, wie viel er inzwischen über ihn wusste. Er war jeden zweiten Samstag bei seinem Therapeuten, der ihn schon seit zehn Jahren behandelte und eigentlich schon in Rente war, jedoch immer noch für ihn da war, weil er Jongin so sehr ins Herz geschlossen hatte. Er wusste, dass Jongin Hunde mochte und dass Monggu sein Ein und Alles war, wusste dass er zu seiner Mutter einen besseren Draht hatte, als zu seinem Vater und er wusste, dass er nicht halb so ordentlich war wie Kyungsoo es vorziehen würde. Kyungsoo wusste seine Lieblingsfarbe, sein Lieblingsgericht und er wusste, dass er ein Gott auf der Tanzfläche war. Jongin biss oft auf seine Unterlippe und er hatte bemerkt, dass er sehr verschlafen war, wenn er erst gerade aufgestanden oder aufgewacht war (die SMS, die er manchmal in der Früh von ihm bekam, waren oft wirklich schwer zu entziffern und mindestens genauso amüsant).

Am Anfang hatte er die Vorstellung, mit Jongin unterwegs zu sein, komisch gefunden, aber jetzt war es nicht schlimm. Es war okay, wenn sie kaum sprachen, selbst Kyungsoo war oft still. Er genoss den Moment und die Gesten, die er inzwischen viel besser deuten konnte. Er war sogar viel aufmerksamer geworden, auch bei anderen Menschen. Es war wirklich schön in Jongins Gegenwart zu sein.

Weil es etwas Besonderes war.

Jongin war etwas Besonderes.

Vielleicht hatte Chanyeol Recht gehabt, vielleicht war er wirklich von diesem grandiosen Tänzer, mit dieser fein gebräunten Haut, fasziniert.

Kyungsoo hatte wieder nach vorn geguckt und im nächsten Moment hatte er Jongins Hand über seiner gespürt. Ein Blick zur Seite hatte ihm gezeigt, dass Jongin nach vorn blickte und blinzelte. Sein Adamsapfel bewegte sich, als er hörbar schluckte und im nächsten Moment öffnete er den Mund, schloss ihn kurz darauf wieder und drehte sich etwas in seine Richtung, ohne die Berührung auf seiner Hand zu lösen.

Jongin biss sich kurz auf die Unterlippe, feuchtete sie dann mit seiner Zunge an und Kyungsoo hatte sich ebenfalls etwas in seine Richtung gedreht, weil er glaubte, dass Jongin versuchen wollte, etwas zu sagen.

Vor zwei Wochen hatte er das schon einmal versucht, aber passiert war nichts. Kyungsoo hatte das nicht schlimm gefunden, Jongin hatte sich danach wie ein kleiner Trottel tausendmal über Facebook bei ihm entschuldigt.

Jongin schloss die Augen und Kyungsoos Blick wanderte zu seinem Hals und er konnte sehen, wie schnell sein Puls schlug. Er spürte die leicht schwitzende Handfläche von Jongin an seinen Fingern, störte sich aber nicht daran. Stattdessen blickte er ihm wieder schweigend ins Gesicht und wartete ab.

Als Jongin seine Augen wieder öffnete, hatten sie direkten Blickkontakt und Kyungsoo bemerkte, dass er diesen Ausdruck in seinen Augen gruselig und gleichzeitig verdammt schön fand. Er konnte sich nie genau entscheiden, was es nun war, weil er ihn nie so recht deuten konnte.

Jongin öffnete seine vollen Lippen, brach den Blickkontakt nicht und dann wurde sein stilles Gebet, dass Jongin mit ihm sprechen sollte, endlich erhört.

»Möchtest du mein Freund werden?«

Kyungsoo hätte mit allem gerechnet, aber nicht mit diesem Satz. Ungewollt hatte er seine Augen aufgerissen und starrte Jongin teils geschockt und teils beeindruckt an. Seine Stimme war tiefer, als er sie in Erinnerung gehabt hatte, klang fast ein wenig nasal. Er mochte diese Mischung und er mochte Jongins Stimme; viel mehr mochte er aber die Worte, die er ihm gesagt hatte. Auch wenn er nicht wusste, wieso.

Weil sie ihn absolut überforderten. Weil er nicht wusste, wie genau er das meinte.

»Wir sind doch Freunde«, sagte Kyungsoo und fragte sich, wieso er so ruhig war, denn alles in ihm war völlig aufgedreht, weil Jongin mit ihm sprach. Weil er endlich Worte, direkt in sein Gesicht, gesagt hatte, auch wenn sie nur sehr leise gewesen waren. »Oder meinst du…«

Kyungsoo sprach seinen Satz nicht aus, aber das musste er auch nicht, weil Jongin den Blick abgewandt und seine Finger um Kyungsoos gegriffen hatten und festhielten. Er nickte. »Ja«, flüsterte er.

Er wusste nicht, woher dieses rasche Herzschlagen plötzlich kam. Er wusste nicht, woher das Rauschen in seinen Ohren stammte und er wusste auch nicht, wieso er nicht nachdachte und einfach das sagte, was sich richtig anfühlte.

»Ich wäre gern dein fester Freund.«

Das erste Mal, dass Kyungsoo sich in Jongins Gegenwart nicht wie ein vollkommener Trottel aufführte, lag nur daran, dass er Jongins Hand fest mit seiner drücken konnte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück