Zum Inhalt der Seite

Leuchtende Schatten

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Der Schatten

Ciel
 


 

„Das werden wir noch sehen. Auf jeden Fall solltest du dich mit dem Gedanken anfreunden. Er kam schon fast sabbernd unten zur Tür herein!“
 

Die Worte der Madame erzeugen Bilder in meinem Kopf. Bilder von einem kleinen hässlichen Gnom mit gierig glänzenden Augen, der einen Sack voller Gold hinter dich herzieht, denn anders wird er nicht an mich herankommen.

Mir wird schlecht. Ich spüre wie ich anfange zu schwitzen. Aber lange wird sie mein Spiel nicht mehr mitspielen. Zu lange schon lässt sie mir meinen Willen, aber ich kann es nicht!

Ich schulde ihr mein Leben, das stimmt. Ich stehe so tief in ihrer Schuld, dass ein Leben nicht reichen wird um ihr das zurückzugeben, was sie in den letzten Jahren für mich getan hat. Aber ich kann es nicht!
 

„Gut, ich werde…“
 

Weiter komme ich nicht. Meine eigenen Worte schnüren mir die Luft ab.

Ich kann nicht, ich kann nicht, ich kann nicht!

Wenn er von mir verlangt, dass ich mich…
 

Nein! Noch nicht heute!

Wenn es heute soweit wäre, hätte sie mir das gesagt. Sie hat erst heute Mittag erzählt, dass sich die Männer gegenseitig überbieten würden wenn ich mich freiwillig fügen würde, also wird sie den Zuschlag nicht einfach einem Fremden geben. Meine Stammkunden kenne ich alle mit Namen, sie hätte mir gesagt, wenn es einer von ihnen ist.

Heute bin ich noch sicher.

Hoffe ich…
 

Meine Finger krallen sich in das hellblaue seidene Laken.

Keines der Mädchen hat ein so schönes Zimmer wie ich.

Ich bin etwas Besonderes. Ich habe besondere Rechte und nur die wohlhabenden Männer werden zu mir vorgelassen.
 

Die ganzen alten Säcke die schon einen Steifen haben, wenn sie zu mir ins Zimmer kommen. Sie alle wollen mich, aber so lange Madame die Hand über mich hält wird mir nichts passieren, denn sie würde die Herren, von denen sie jedes noch so kleine, noch so schmutzige Geheimnis kennt zerstören, und das wissen sie.
 

„Streng dich an Ciel“, sagt sie dann und ihr Gesicht wird weich, genau wie ihre Stimme.
 

Sie setzt sich zu mir auf die Matratze, legt mir sanft eine Hand auf die nackte Schulter und sieht mich aufmunternd an.

Sie meint es nicht böse. Ich denke sogar, dass sie mich ein bisschen mag, aber sie ist durch und durch Geschäftsfrau und die einzige Liebe in ihrem Leben ist die Liebe zum Geld.

Schließlich erhebt sie sich wieder, geht zur Tür, zwinkert mir noch einmal aufmunternd zu und verschwindet dann nach draußen.
 

Mein Atem geht stoßweise. Ich bin sicher, dass man meinen rasenden Herzschlag sogar durch die geschlossene Türe noch hören kann.
 

Ich tue das nun schon seit drei Jahren, aber jedes Mal wieder packt mich die Angst, zwingt mich in die Knie und verwandelt mich in ein wimmerndes Etwas. Die Bilder am Rande meines Bewusstseins, die nur auf einen günstigen Moment warten um mich zu überfallen, bringen mich beinahe um den Verstand und es fällt mir auch nach all der Zeit immer noch schwer die verführerische Kurtisane zu mimen, als die mich Madame Red an ihre Kunden verkauft.

Aber irgendetwas scheine ich trotzdem richtig zu machen.
 

Es wird pro Nacht nie mehr als ein Freier zu mir vorgelassen. Wahrscheinlich liegt es an der frühen Uhrzeit, dass ein Fremder diesmal den Zuschlag bekommen hat. Mr. Doyle wird nicht erfreut sein, denn Donnerstag ist meistens er der Glückliche. Wobei ich zugeben muss, dass mich das nicht eben traurig macht. Ich hasse Mr. Doyle, den Duke of Gloucester. Er ist hässlich, fett, alt und hat seine Finger überall, wo sie nichts verloren haben.

Einmal hat er mich so heftig an den Haaren gezogen, dass ich ihn in die Hand gebissen habe. Danach hat er mir ein Veilchen verpasst, so dass ich eine ganze Woche nicht arbeiten konnte. Madame Red war außer sich wegen des Verlustes und hat ihn einen ganzen Monat nicht in das Bordell gelassen.

Ich hoffe nur, dass der Fremde nicht wirklich ein Gnom mit einem Sack voll Gold ist…
 

Jetzt ist es soweit.

Mein ganzer Körper spannt sich wie eine Bogensehne als die Türe sich ein weiteres Mal öffnet.

Ein eisiger Schauer läuft mir über den Rücken. Die Kerzen flackern und irgendwie drängt sich mir der Gedanke auf, als würde das Licht versuchen sich vor der Gestalt zu verstecken die in diesem Augenblick mein Zimmer betritt.

Ein absolut lächerlicher Gedanke, das ist mir bewusst, aber dennoch…
 

Dann steht er im Raum und mir stockt der Atem.

Vergessen ist das Bild von dem kleinen hässlichen Gnom.

Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie einen schöneren Mann gesehen als den, der jetzt gute zwei Meter von mir entfernt steht und mich aus unheilvoll schimmernden, rostroten Augen mustert.
 

„Guten-“ Ich muss mich räuspern. Die Worte weigern sich über meine Lippen zu kommen, scheinen verwirrt von der Ausstrahlung und dem Aussehen des Fremden, so dass sie sich auf dem Weg nach draußen verirren und wirr durcheinanderpurzeln, mich nur noch mehr aus dem Konzept bringen. Ich atme einmal tief durch und starte einen neuen Versuch. „Guten Abend gnädiger Herr.“
 

Ein belustigtes Lächeln huscht über sein Gesicht. Er ist sich seiner Wirkung auf mich vollstens bewusst und das ärgert mich.

Verärgert kneife ich die Augen zusammen. Ich muss mir nicht alles gefallen lassen, schon gar nicht, dass sich jemand über mich lustig macht!
 

„Schönen guten Abend Ciel…“
 

Als ich seine Stimme zum ersten Mal höre ist aller Ärger für den Moment vergessen.

Sie klingt tief und sanft, gleitet fast schwerelos durch die Luft zu mir hinüber, streichelt mein Gesicht, kriecht unter meine Haut und schlägt eine Seite in mir an, von der ich gar nicht wusste, dass ich sie besitze.

Und mein Name…

Auf seinen Lippen, seiner Zunge, klingt er wie eine exotische Köstlichkeit.
 

Mein ganzer Körper kribbelt und meine Handflächen werden feucht, was ist das für ein merkwürdiges Gefühl?

Mit Gewalt muss ich meine Gedanken wieder in geregelte Bahnen zwingen. Ich kann es mir nicht leisten allzu sehr abzutauchen. Ich muss wachsam bleiben.

Mit einem letzten tiefen Atemzug beruhige ich mich wieder, lehne mich etwas zurück und überrede mein Gesicht zu einem koketten, wenn auch hoffnungslos gestellten Lächeln.
 

„Tretet doch näher Herr und sagt mir, wie ich Euch dienen kann“, bringe ich mit heiserer Stimme hervor beschließe aber, das als positiv zu werten. Er soll ruhig denken, dass ich etwas für ihn übrig habe.
 

Einen Moment bleibt er noch still mitten im Zimmer stehen und ich denke schon, dass er mich gar nicht gehört hat, als er sich in Bewegung setzt und mit katzenhafter Anmut zum Bett herüberkommt.
 

„Was für ein ausnehmend schöner Junge du doch bist“, flüstert er, nachdem er sich auf der Bettkante niedergelassen und seine Hand nach meinem Gesicht ausgestreckt hat.
 

Ganz wie es von mir erwartet wird schmiege ich mein Gesicht in seine Handfläche, reibe mich an dem schwarzen Leder seines Handschuhs der ganz wunderbar duftet.

Seine Nähe verwirrt mich immer noch, aber langsam habe ich mich wieder unter Kontrolle und kann zum Standardprogramm übergehen.
 

„Vielen Dank mein Herr, das ist sehr freundlich von Euch“, schnurre ich gegen das warme Leder, drücke meine Nase in seine Handfläche und schließe die Augen.
 

„Nein, nein, nicht! Lass deine Augen offen! Versteck sie nicht vor mir…“, haucht er mir entgegen und ich tue was er verlangt, hebe meine Lider und sehe lächelnd zu ihm hinauf. „Sag mir Ciel“ und wieder jagt ein wohliger Schauer meinen Rücken hinunter als mein Name über seine schmalen Lippen gleitet, wie süßer Nektar auf mich hinunter tropft „wie alt bist du?“
 

Mit dieser Frage habe ich jetzt allerdings nicht gerechnet. Das hat noch keinen meiner Freier interessiert. Sie wären wohl enttäuscht gewesen zu erfahren, dass ich keine zwölf mehr bin wie mein Aussehen es vermuten lässt. Aber wenn er mich fragt, muss ich ihm antworten.
 

„Ich… ich bin sechzehn Herr. Ich hoffe, das verschreckt Euch nicht?“, entgegne ich schüchtern und senke den Blick, halte meine Augen aber weiterhin seinen Wünschen entsprechend geöffnet.
 

„Nein, warum sollte es? Es hat mich nur interessiert. Ich frage mich, wie ein so seltenes Juwel wie du in solch eine Gesellschaft geraten, und sich trotzdem noch seine Unschuld bewahren kann? Wie ist das möglich?“
 

Seine Wortwahl irritiert mich. Was redet er da von Unschuld und Juwelen? Ich bin beschmutzt und durch die ansprechende Verpackung vielleicht mit viel gutem Willen gerade mal mit Katzengold vergleichbar. Nichts habe ich mir bewahren können, gar nichts! Alles haben sie mir genommen, diese Monster, alles!
 

Ich spüre wie die Wut heiß durch meine Adern pulsiert. Wie eine kochende Flutwelle aus Zorn und Verbitterung türmt sie sich vor mir auf und nur mit Mühe kann ich mir die Antwort verkneifen die auf meiner Zunge brennt, die mit aller Macht nach außen drängt.

Stattdessen atme ich ein weiteres Mal tief durch, hebe dann den Blick und lächle ihn verführerisch an.
 

„Verratet mir doch Euren Namen Herr, damit ich weiß wie ich Euch rufen kann“, versuche ich mich selbst abzulenken.
 

Seine Augen blitzen und schon wieder wird mir warm.
 

„Ganz wie du willst, ich bin wer immer ich für dich sein soll kleiner Ciel. Gib mir den Namen, der dir für mich als angemessen erscheint.“
 

Seine Antwort verwirrt mich schon wieder.

Ein Freier ohne Namen?

Aber gut, vielleicht will er ihn einfach nicht verraten, will sich hier eine kleine Insel schaffen? Wahrscheinlich ist er verheiratet und seine Frau und seine drei Kinder warten zu Hause auf ihn und er will sich auf diese Art in eine andere Welt flüchten?

Wie erbärmlich…
 

Ein Name…

Spontan muss ich an den Jungen denken der jeden Morgen kommt und den Abtritt* hinter dem Haus säubert.
 

Sebastian.
 

Dann sehe ich wieder in sein Gesicht und seine Schönheit erschlägt mich fast. Er erinnert mich an das Bildnis eines Engels, das ich vor Jahren einmal gesehen habe. Michael. Der Erzengel Michael.
 

„Dann sollt Ihr für mich Sebastian Michaelis sein, wenn es Euch beliebt Herr“, sage ich mit fester Stimme und sehe ihn herausfordernd an.
 

„So soll es sein, kleiner Ciel.“
 

TBC
 


 

*Toilette



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Yamis-Lady
2014-04-02T22:54:08+00:00 03.04.2014 00:54
Wie süß die beiden sind ^~^
ich mag auch wie die beiden reden und sich so vorstellen. mal sehen, was da noch alles kommt XD


Zurück