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Wenn ich ein Mädchen wär

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von

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Vorwort:

Ich muss gestehen, dass ich diese FF schon vor ... äh, 5 Jahren oder länger angefangen, dann aber festgesteckt habe. Jetzt hab ich den Anfang umgeschrieben, in der Mitte viel Mist rausgestrichen und auch dort viel umgeschrieben und das Ganze beendet. Aber ein Teil ist tatsächlich kopiert, ich hoffe, man merkt es nicht oder zumindest nicht allzu sehr :)
 

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Wenn ich ein Mädchen wär
 

Harry hatte die ganzen Sommerferien überlegt, wie er vorgehen sollte.

Er konnte kein ganzes Schuljahr verpassen, so viel stand fest. Er würde zu viel wichtigen Stoff verpassen und mit seinem Berufswunsch des Auroren war es für ihn unerlässlich, gute Noten zu erlangen. Aber da das Zaubereiministerium nun von Voldemort und seinen Todessern kontrolliert wurde, konnte er auch nicht in Hogwarts bleiben, da diese das Zaubererinternat regelmäßig auf seine Anwesenheit überprüfen würden. Also hatte er nach einem Weg gesucht, unerkannt in Hogwarts bleiben zu können.
 

Wenn er den Vielsafttrank benutzen würde, würde er immer in Gefahr laufen, aufzufliegen, selbst wenn er das Haar eines Muggels verwenden würde und da er den Trank alle paar Stunden erneuern musste, müsste er auch ganz schön viele Haare als Vorrat haben. Irgendwann hatte er schließlich Dumbledore in seine Sorgen eingeweiht und dieser hatte ihm dann den Vorschlag unterbreitet, dass er sich als Mädchen ausgeben sollte. Natürlich war er zunächst skeptisch gewesen, wer wäre das auch nicht, wenn er seine komplette Identität aufgeben müsste, sein ganzes Sein und dann noch nicht einmal etwas so einfaches wie sein Geschlecht beibehalten sollte?
 

Dumbledore hatte ihm erklärt, dass die Wirkung des Trankes erst durch einen Gegentrank aufgehoben werden könne, denn so bestand nicht die Gefahr, sich unvorhergesehen unfreiwillig zurück zu verwandeln. Das war eines der stärksten Argumente. Und dass vorgeschlagen wurde, dass er Hermine einweihen und um Hilfe bitten konnte.

Das hatte er auch getan und nun hatte er bereits die erste Schulwoche als Mädchen hinter sich.

Es war schwieriger als gedacht, denn nicht nur der Körper eines Mädchens war so anders, sondern auch ihr Denken. Und er hatte Mädchen noch nie verstanden, er musste einfach hoffen, dass niemandem auffiel, wie anders er war und Hermine half ihm auch, wo sie nur konnte, auch wenn sie anfangs wohlmöglich noch misstrauischer gewesen war, als er selbst, doch sie hatte seine Entscheidung akzeptiert.
 

Er hatte sich als Vornamen absichtlich einen ausgesucht, der seinem eigenen ähnlich klang, so dass eine Umgewöhnung nicht schwierig war. Anders als bei seinem Familiennamen, das wäre einfach zu auffällig gewesen, an diesen musste er sich wirklich noch gewöhnen. Nun hieß er Mary Stanford und freundete sich langsam mehr mit Lavender und Parvati an, da Mädchen nunmal untereinander befreundet waren und er als Mary nicht die gleichen Freunde haben konnte, wie Harry, was wiederum auch hieß, dass er nun wenig mit seinen Schlafsaalkameraden zu tun hatte, so leider auch mit Ron.
 

Nichtsdestotrotz würde er morgen bei der Auswahl neuer Quidditch-Spieler für die Mannschaft dieses Jahr antreten, denn auf seinen Lieblingssport wollte er auf keinen Fall verzichten. Vor allem war man nach Harrys Weggang natürlich auf der Suche nach einem neuen Sucher, vielleicht würde er also die Gelegenheit erhalten, seine alte Position zurückzugewinnen, obwohl er auch nichts dagegen hätte, lediglich Jäger zu werden.

Am Ende war Mary tatsächlich Jägerin, während Ginny die neue Sucherin wurde.
 

**
 

Eines Morgens hatten sie einen neuen Aushang am Schwarzen Brett entdeckt, auf welchem für die Viert- bis Siebtklässler am Halloween-Abend ein Maskenball angekündigt wurde.

Harry verstand die ganze Aufregung, die daraus resultierte, nicht. Vor allem die Mädchen wurden furchtbar aufgeregt. Hilfesuchend wandte er sich an Hermine, doch die zuckte nur die Achseln. Jedoch bekam er sehr wohl das Gerede über Ballkleider, dazugehörige Schuhe und Schminke mit und beschloss, dass Mädchen zu sein kompliziert war. Offenbar musste er sich allerdings näher damit befassen, denn natürlich besaß er kein Kleid. Sie hatten ihm zwar die weibliche Schuluniform besorgt, aber an sowas wie ein Ballkleid hatte er gar nicht gedacht.
 

Und da es den anderen Mädchen aus seinem Jahrgang offenkundig genauso ging, fanden sie sich keine zwei Tage später zu viert in einem kleinen Laden in Hogsmeade wieder und probierten Kleider an.

Mary wurde natürlich dazu gedrängt, ein grünes Kleid passend zu ihrer Augenfarbe anzuprobieren, nur bei den hohen Schuhen, die Parvati ihm vermachen wollte, streikte er, was wiederum Hermine zum Schmunzeln brachte, die ihn dann gnädigerweise auf Schuhe mit flacheren und breiteren Absätzen verwies. Die passende Handtasche war ebenfalls schnell gefunden, so dass Mary recht schnell fertig war, Harry aber massig Geduld aufbringen musste, bis auch die anderen drei endlich Kleider gefunden hatten, mit denen sie zufrieden waren. Nach zehn Kleidern und 50 Umdrehungen für jede von ihnen fehlten zum Schluss nur noch die Masken, doch da einigten sie sich erstaunlich rasch.

So bekam er auch die Gründe mit, weshalb Mädchen dauernd kicherten, doch nachvollziehen konnte er es noch immer nicht.
 

**
 

Am nächsten Morgen war der Ball Gesprächsthema Nummer eins am Frühstückstisch. Über die neuen Kleider wurde diskutiert und darüber gesprochen, ob man selbst einen Jungen ansprechen sollte oder ob man abwarten sollte. Einerseits war es Sache der Jungs, zu fragen, andererseits wollte man ja eine moderne Frau sein, die auch mal selbst die Initiative ergriff.

Harry langweilte das Thema bald, dennoch fügte er sich in sein Schicksal, denn auch er wurde ständig gefragt, mit wem er denn gerne zum Ball gehen würde, welche Jungs er attraktiv fand und mit wem er auf keinen Fall dort auftauchen wollte.
 

Was natürlich schwierig für ihn war. Aus diesem Blickwinkel hatte er Jungs noch nie betrachtet, hatte er doch sonst nur ein Auge auf Mädchen geworfen. Bei den meisten Fragen gab er daher erst gar keine Antwort, scheute sich aber gleichzeitig auch davor, sich überhaupt Gedanken über Jungs als Partner zu machen, denn natürlich würde jeder von ihnen denken, er sei ein echtes Mädchen und sich möglicherweise falsche Hoffnungen machen. Außerdem würde er sich wohl komisch vorkommen, mit einem Jungen zu tanzen - davon einmal abgesehen, dass er noch immer nicht tanzen konnte.
 

Schließlich verließen sie irgendwann die Große Halle, um zu ihrem Unterricht zu gehen.

Unterwegs trennten sie sich, da Lavender und Parvati Zaubertränke abgewählt hatten.

Somit waren Hermine und Mary alleine in den Kerkern unterwegs.

„So alleine auf Schlangengebiet?“ zischte es plötzlich von der Wand her.

Mary drehte sich leicht und konnte schräg hinter sich Blaise Zabini an die Wand gelehnt sehen.

„Eine Dame und ein Schlammblut,“ fügte Theodore Nott gehässig hinzu, der an der gegenübergelegenen Wand lehnte.

„Was machen wir nun mit euch?“ fragte Rubens Sinclair, der nun, da sich die beiden zu den ersten Sprechern umgedreht hatten, hinter ihnen stand und einen bedrohlichen Schritt auf sie zuging, was ihm die anderen gleich taten, so dass die beiden eingekesselt waren.

„Kein Potty da, der euch rettet?“ hakte Nott spöttisch nach.

„Na, na, behandelt man so eine Dame?“ tauchte nun eine weitere Stimme auf.

Zabini sah an den beiden Gryffindor vorbei.

„Draco, der Ritter ohne Furcht und Tadel, der den Mut besitzt und die Damen vor den bösen Schlangen rettet.“ Seine Stimme troff nur so vor Sarkasmus.

„Nicht doch.“ Malfoy grinste überheblich. „Ich tue nur meine Pflicht.“

Er warf Mary einen kurzen prüfenden Blick zu. In dieser wallte sofort eine Welle der Antipathie auf, die vor allem auf den früheren Erfahrungen mit dem Erzfeind beruhten.

„Sehr galant, der Herr Ritter mit der rostigen Rüstung, aber wir können ganz gut selbst auf uns aufpassen,“ erklärte sie daher unwirsch.

Malfoy wandte sich ihnen galant zu. „Ach ja, könnt Ihr das, gnädiges Fräulein?“ In seinen grauen Augen blitzte Spott auf.

Mary grinste lieblich. „Kostprobe gefälligst?“ Sie hob ihren Zauberstab und noch ehe die Jungs hätten Quidditch sagen können, lagen sie alle vier auf dem Boden.

„Ups!“ meinte Mary süßlich und steckte den Zauberstab weg. „Ich wollte doch nur spielen.“

Zusammen mit Hermine, die sich einen Lachanfall verkneifen musste, stolzierte sie elegant über Malfoy und Sinclair hinweg, direkt auf die Tür des Klassenraums zu, die sich gerade geöffnet hatte.

„Guter Zauber! Guter Spruch!“ kicherte Hermine, während sie ihre Sachen auspackte.

„Ach, nicht der Rede wert!“ spielte Mary die Situation herunter und sah amüsiert zu, wie vier zerfleddert wirkende Slytherin grummelnd und sich den Staub von den Umhängen abklopfend den Saal betraten und ihnen böse Blicke zuwarfen. Doch Mary zuckte lediglich frech mit den Schultern und wandte sich dann Slughorn zu, der wenig später seinen Unterricht begann.
 

Beim Abendessen stellte Parvati fest, dass Malfoy zu ihnen hinüberstarrte.

„Ach, der brütet nur über seiner Rache,“ erklärte Mary achselzuckend.

„Wie das?“ erkundigte Lavender sich.

Mary grinste und erzählte den beiden in knappen Worten von dem Vorfall in den Kerkern. Die anderen konnten ihr Lachen nicht verkneifen.

„Malfoy sieht etwas verstimmt aus,“ kicherte Lavender und sah zum Slytherin-Tisch hinüber.

Doch Mary zuckte nur abermals mit den Schultern.
 

**
 

Wie sehr hatte Mary dem Eröffnungsspiel in die Quidditch-Saison entgegengefiebert. Gegen Slytherin. Sie war nervös wegen der neuen Position, obwohl sie gut trainiert hatte und auch das Dasein als Jägerin ihr unglaublichen Spaß machte. Zum Glück war er kein Kapitän mehr, so musste er keinem Slytherin die Hand schütteln und sie sich halb zerquetschen lassen. Der Nachteil war, dass nun Malfoy direkt vor ihr stand und sie mit kalten grauen Augen musterte und sie musste zugeben, dass es ihr äußerst unangenehm war.
 

Nach dem ersten Pfiff stieg sie auf ihren Feuerblitz, nach den drei kurz aufeinander folgenden Pfiffen der Schiedsrichterin stiegen dann alle fünfzehn Teilnehmer in die Höhe. Sofort genoss sie es, den Wind um sich peitschen zu fühlen. Sie schloss die Augen und reckte ihr Gesicht in den Himmel, um die Freiheit, die nun auf sie einstürmte, zu genießen. Es ging ihr jedes Mal so, wenn sie auf einen Besen stieg.

Dieses grenzenlose Gefühl der Unendlichkeit.

Das war ihm schon bei seinem ersten Ritt auf dem Besen, als es darum ging, Nevilles Erinnermich zu retten, so ergangen. Als sie die Augen wieder öffnete, bemerkte sie, dass Malfoy nur wenige Meter entfernt von ihr schwebte und sie beobachtete, doch sie wandte sich rasch ab, da sie sich konzentrieren musste.
 

Auf der neuen Position hatte sie gar keine Zeit, das Spiel ab und an zu beobachten, wie er es als Sucher manchmal getan hatte, sie musste viel zu sehr auf das Geschehen achten.

Auch unter Ginnys Führung, die nun Kapitän war, war die Mannschaft sehr gut aufgestellt, was aber auch daran lag, dass das Team nur auf zwei Positionen verändert worden war.

Mary hatte nun Katie Bells Platz eingenommen, die vergangenen Sommer ihren Abschluss gemacht hatte. Und natürlich war die Position des Suchers neu besetzt worden, da Harry ja die Schule verlassen hatte.

Somit hatte die Mannschaft leichten Frauenüberschuss, was aber niemanden zu stören schien, denn der Jubel war so groß wie eh und je, die rot-goldenen Fahnen und allerhand Banner wurden kräftig geschwungen, die Gryffindors sangen und die Stimmung war ausgelassen. Auch viele Ravenclaws und Hufflepuffs feuerten die Gryffindor-Mannschaft an.
 

Mary beobachtete, wie Demelza Robins dem Slytherin Malcolm Baddock den Quaffel abjagte und ihn dann an Zabini vorbei in einem der Torringe versenkte. Sie konnte in ihrem Jubel nicht an sich halten und vollführte vor lauter Freude einen Dreifachsalto mit ihrem Besen. Dann sah sie ihn: den kleinen goldenen Schnatz, der in einiger Entfernung heftig mit den durchsichtigen Flügeln flatternd über dem Geschehen schwebte. Sie wollte sich schon auf den Weg machen, als ihr einfiel, dass sie ja gar nicht mehr der Sucher der Mannschaft war. Rasch sah sie sich nach Ginny um, doch die war bereits auf dem Weg, zu ihrem Leidwesen direkt gefolgt von Malfoy. Doch Mary wandte sich wieder dem Quaffel zu, gerade rechtzeitig, um ihn aufzufangen und einen Angriff auf die Torringe zu starten. Es fiel ihr schwer, den Schnatz außer Acht zu lassen und sich auf das Spiel zu konzentrieren.
 

Bald hörte sie lauten Jubel und als sie sich erneut Ginny zuwandte, hatte diese den flatternden Schnatz in der Hand. Triumphierend riss sie die Faust in die Luft und stieß einen Freudenschrei aus. Sofort schoss sie mit ihren Mitspielern auf Ginny zu, umkreisten sie Jubelnd und ließ sie zusammen mit den anderen glückselig hochleben.

Mary sah vor lauter Armen, die ihr freundschaftlich auf die Schulter klopften, da sie ihr erstes Spiel gut gemeistert hatte, und roten Umhängen ihrer Kollegen nicht mehr viel von ihrem Umfeld, bis sie schließlich alle zusammen auf dem Boden ankamen und ihr Blick durch eine Lücke auf Malfoy fiel, der gerade wütend seinen Besen auf den Boden pfefferte.
 

Ein ganz klein wenig tat er ihr doch leid, immerhin hatte er noch nie gegen Gryffindor gewonnen und diesmal war es seine letzte Chance gewesen, da es ihr letztes Schuljahr war. Mary wurde etwas seltsam ums Herz, wenn sie daran dachte, dass das ihr letztes Spiel gegen die Erzfeinde gewesen war und dass sie generell nur noch zwei Quidditch-Spiele vor sich hatte. Sie würde es nach der Schulzeit schon sehr vermissen.
 

Die Siegesfeier dauerte noch bis in die frühen Morgenstunden an.
 

**
 

Am nächsten Tag wurde Mary erst spät wach. Sie hatte zwar nicht so viel Alkohol getrunken, wie die Jungs, aber die Feier war noch lange gegangen. Dennoch war sie guter Dinge, wenn sie auch bemerkte, ganz alleine im Schlafsaal zu sein, aber das war ihr gänzlich egal. Sie schnappte sich ihre Klamotten, stellte sich kurz unter die Dusche und machte sich dann zurecht.
 

Mittlerweile hatte Harry sich auch daran gewöhnt, als Mädchen länger im Bad zu benötigen, da die Frisur perfekt sitzen musste und auf leichte Schminke wollte er inzwischen ebenfalls nicht mehr verzichten, da er gelernt hatte, seine weiblichen Reize einzusetzen, obwohl er es eigentlich nicht mochte. Es war mehr so eine Anpassungssache an die anderen Mädchen. Nachdem sie sich auch geeignete Klamotten angezogen hatte, machte sie sich dann auf den Weg zur Großen Halle und einem verspäteten Frühstück. Im Gemeinschaftsraum war wieder - oder noch immer, wer wusste das schon – eine ausgelassene Feierstimmung, was Mary grinsen ließ. Allerdings riss sie sich rasch von ihren Hausgenossen los, winkte kurz Hermine, Lavender und Parvati in ihrer Ecke zu und kletterte dann hastig durch das Porträtloch.
 

Unterwegs traf sie noch gelegentlich auf andere Langschläfer und Spätfrühstücker, so wie es am Wochenende in Hogwarts ein normales Bild war und hielt auch das ein oder andere Pläuschchen, vorwiegend über das Quidditch-Spiel am Vortag. Nach dem Frühstück, das sie fast alleine in der Großen Halle verbracht hatte, beschloss sie, zunächst hinaus auf die Ländereien zu gehen. Es war zwar bereits Ende Oktober und dementsprechend kalt, doch ihr war danach, an die frische Luft zu gehen.
 

Also durchquerte sie die Eingangshalle, ohne zu bemerken, dass sie aus dunklen Schatten heraus beobachtet wurde. Sobald sie vor dem Tor stand, atmete sie tief durch, bevor sie einfach drauflos lief. Ihre Gedanken drifteten ab, denn nächsten Freitag war Halloween und der Maskenball und sie hatte noch immer niemanden, der mit ihr dorthin ging. War wahrscheinlich auch besser so. Vielleicht sollte sie alleine hingehen. Und dann auch bald gehen, da sie es jetzt schon kommen sah, sich dort zu langeweilen.
 

Als sie zum ersten Mal hier draußen wieder aufblickte, stellte sie verwundert fest, dass ihre Füße sie offenbar zu Hagrids Hütte trugen. Harry war schon lange nicht mehr bei dem Halbriesen zu Besuch gewesen, aber das hatte ja seinen Grund und er war sich sicher, dass der Wildhüter sehr überrascht sein würde, wenn Mary, eine ihm gänzlich unbekannte Schülerin, da sie ja Pflege magischer Geschöpfe abgewählt hatte, plötzlich bei ihm auftauchen würde.

Mit einem seltsamen Gefühl schüttelte sie den Kopf und betrachtete eine Weile regungslos die Hütte, bevor sie sich abwandte und den Weg zurück einschlug, da es nun doch etwas kalt wurde. Unterwegs schlang sie zitternd die Arme um ihren schlanken Oberkörper und war froh, als sie endlich wieder die warme Eingangshalle erreichte.
 

Sie hatte gerade einen Fuß in die Halle gesetzt, als sie von hinten gepackt und in die dunklen Schatten einer riesigen Statue gezogen wurde. Mary wurde mit dem Rücken gegen die Wand gepresst. Reflexartig wollte sie nach ihrem Zauberstab greifen, wie sie es sich durch die ständigen Streitereien und kleinen Duellen mit Malfoy fast von alleine antrainiert hatte, doch eine Hand griff nach ihrer Zauberstabhand.

„Das lässt du schön bleiben, Potter,“ raunte eine Stimme direkt neben ihrem Ohr.

Harry erstarrte augenblicklich und erkannte nun, dass es tatsächlich Malfoy war, der ihn da überfallen hatte.
 

„Ich hab dich beobachtet,“ fuhr der Slytherin fort. „Dein Quidditch, dass du dich sofort mit Granger angefreundet hast, dass du einen großen Widerwillen gegen Slytherin hegst, obwohl du uns doch eigentlich gar nicht kennen dürftest. Dein Verhalten hat sich nicht viel verändert, wenn man dich genau beobachtet.“

Harry schluckte. Was sollte er nun tun? Er konnte ihm schlecht die Wahrheit sagen, gerade ihm, seinem Erzfeind. Sein Herz trommelte ihm gegen die Brust, vor Aufregung und Nervosität, dass er aufgeflogen war und er fürchtete schon, dass Malfoy es hörte.

Aber hatte Malfoy denn Beweise? Nein!
 

„Du redest Unsinn!“ zischte er daher und versuchte, erbost zu klingen, was einfach war, wenn sein Feind einen mit seinem Körper gegen eine Wand presste, so dass noch nicht einmal ein Pergamentblatt zwischen ihnen Platz gehabt hätte. Was aber den Vorteil hatte, dass man sie aus der Eingangshalle nicht sehen konnte und sie sich die Worte zuflüstern konnten und niemand auch nur Notiz von ihrem Gespräch nehmen würde. Es störte ihn lediglich, dass Malfoy seinen sowieso schon störrischen Busen, an den er sich noch immer nicht so recht gewöhnt hatte, zusammenpresste.

„Das bildest du dir nur ein!“ setzte Harry kurz darauf hinzu.
 

„Ach ja?“ hakte Malfoy leise nach, ließ seine freie Hand, die andere war noch immer um Harrys rechte geschlungen, an Marys Seite herab und dann nach vorne gleiten. Er packte Mary in den Schritt und griff doch nur ins Leere, was Malfoy ein erstauntes Ausatmen und einen ebenso überraschten Blick auf Mary herunter entlockte. Harry fiel erst jetzt auf, wie viel größer als er der Slytherin wirklich war, aber so nahe hatte er schon lange nicht mehr bei ihm gestanden. Malfoy musste in den letzten Jahren einen gewaltigen Schub gemacht haben.
 

Der Schwarzhaarige grinste gehässig. „Nicht das vorhanden, was du gesucht hast, Malfoy?“ erkundigte er sich lieblich und schenkte dem Blondschopf einen kessen Wimpernaufschlag.

Er wusste nur zu gut, dass es bisher mit dem Stand der Magie nur möglich gewesen war, das Gesicht zum anderen Geschlecht hin zu verändern, es aber keine Möglichkeit gegeben hatte, auch die Geschlechtsmerkmale auszutauschen.
 

Vermutlich war Malfoy auch der Meinung gewesen, er würde seine Bluse mit Watte oder Quaffeln ausstopfen, doch von dem neuen Zaubertrank, der jemanden vollständig verwandeln konnte, konnte er nichts ahnen. Malfoy beließ seine Hand genau dort, wo sie war und beugte sich, nachdem er sich einigermaßen gefangen hatte, zu ihr herunter.

„Wenn du wirklich nicht Potter bist,“ er näherte sein Gesicht weiter dem von Mary, so dass diese seinen Atem über ihre Wangen streifen spürte, „dann hast du sicherlich nichts dagegen, wenn ich nun dies hier tue.“ Womit er seine Lippen ungestüm auf die des Mädchens legte.
 

Harry keuchte überrascht auf. Er hatte mit vielem gerechnet, aber sicherlich nicht damit. Und auch nicht damit, dass Malfoy das Keuchen dazu ausnutzen würde, seine Zunge in seinen Mund zu schieben. Abermals wurde er stocksteif und überlegte fieberhaft, wie er da wieder rauskommen sollte, während Malfoy seine Mundhöhle erkundete und versuchte, seine Zunge zu animieren. Wenn er sich wehren würde, würde der Blonde denken, dass er Recht hatte und somit wäre er gänzlich aufgeflogen.

Aber er konnte sich doch nicht einfach küssen lassen?

Von Malfoy?
 

Rasch legte er beide Hände auf Malfoys muskulöse Brust und schob ihn mit aller Kraft von sich, bevor er ausholte und Malfoy eine klatschte, dass es in der ganzen Eingangshalle zu hören war. Sofort schoss Malfoys blasse Hand zu seiner Wange, die sich schon knallrot färbte und starrte sie ausdruckslos an.

„Ich bin zwar nicht Potter, aber trotzdem brauche ich mich nicht von jemandem wie dir küssen zu lassen!“ schrie sie ihm entgegen und rannte an ihm vorbei, ohne ihn noch einmal anzusehen oder auf die anderen Schüler zu achten, die aufmerksam geworden waren.

Sie hastete die Treppen hinauf und wischte sich angeekelt mit dem Ärmel ihres Oberteils über den Mund, während ihre Gedanken Purzelbäume schlugen.
 

Wieso hatte Malfoy das getan?

Natürlich, er ließ nie eine Gelegenheit aus, ihn zu ärgern, aber wenn er Recht behalten hätte, was ja auch so war, dann war er bewusst das Risiko eingegangen, Harry Potter zu küssen.

Einen Jungen in Mädchengestalt. Einen Gryffindor.

Seinen selbsternannten Erzfeind.
 

Doch der erste Gedanke war derjenige, der Harry einfach nicht aus dem Kopf wollte: Malfoy hätte einen Jungen geküsst. Was das bedeuten könnte, darüber wollte er sich keine Gedanken machen. Vielleicht hatte er diesen ‚Test’ nur nutzen wollen, um Mary zu küssen.

Ja, das war wohl die logischste Erklärung.

Malfoy hatte sich etwas ausgedacht, um einen Grund zu haben, Mary zu küssen. Dennoch machte er sich Sorgen darüber, ob es wirklich so auffällig war, wie er sich benahm.
 

**
 

Den restlichen Tag verbrachte er im Schlafsaal auf dem Bett liegend und versuchte, sich auf den Roman zu konzentrieren, den er lesen wollte. Doch seine Gedanken drifteten immer wieder ab. Er überlegte fieberhaft, was er falsch gemacht haben könnte, dass Malfoy sich in seiner Annahme so sicher war. Aber an seinem Quidditch-Stil musste etwas dran sein, das hatte Ginny ja sogar schon festgestellt, allerdings nur Hermine gegenüber.
 

Dann wiederum fragte er sich, weshalb Malfoy sich überhaupt die Mühe machte, das Verhalten von Mary mit dem von Harry zu vergleichen und sie auch noch so genau zu beobachten; eigentlich sollte er doch froh sein, dass er seinen Lieblingsfeind für ein ganzes Schuljahr los war. Harry dachte über Malfoys Worte nach. Natürlich hatte Mary sich zuerst mit Hermine angefreundet, sie war ja auch die Einzige, die die Wahrheit wusste. Aber auf der anderen Seite gab es innerhalb eines Hauses in einer Klassenstufe auch nicht die sonderlich große Auswahl, schlimm genug schon, dass er sich von Ron entfernt hatte.
 

Was sein Verhalten den Slytherins gegenüber anging, hatte Malfoy vielleicht sogar teilweise Recht. Doch er hatte ihm bisher auch absolut keinen Grund gegeben, diese Feindschaft nicht weiterzuleben. Wenn er an die Sache damals auf dem Flur vor Zaubertränke dachte und die bedrohliche Atmosphäre, dann hatte er bisher absolut richtig gehandelt. Außerdem war er sich auch sicher, sich bei dem Kuss absolut richtig verhalten zu haben, auch mit der Ohrfeige.

Verdammt, er war noch immer Gryffindor!
 

Er schüttelte den Kopf und versuchte, eine bequemere Lage auf dem Bett zu finden, um endlich weiter lesen zu können, doch just in dem Moment wurde die Tür aufgerissen und Lavender und Parvati stürmten herein, gefolgt von einer mäßig begeisterten Hermine.

Mary setzte sich auf und sah die drei fragend an.

„Hey, stimmt es, dass Malfoy dich geküsst hat?“ Lavender ließ sich überschwänglich neben sie auf das Bett fallen und sah sie erwartungsvoll an. Am Liebsten hätte Harry die Augen verdreht, konnte sich aber noch gerade so zurückhalten.

War ja klar, dass das die Runde machen würde, nachdem einige seinen Ausbruch mitbekommen hatten.
 

Noch waren es nur Gerüchte, aber wieso sollte er es verheimlichen? Der Kuss war ja von Malfoy ausgegangen. Mary schnaubte.

„Ja,“ bestätigte sie. „Ich weiß gar nicht, was dem Kerl einfällt!“

„Wie war es?“ hakte Lavender mit einem begeisterten Funkeln in den Augen nach.

Mary musterte sie eine Weile nachdenklich.

„Ich meine, was hast du dabei gefühlt?“ konkretisierte Lavender ihre Frage dann.

„Eh... nichts,“ erklärte Mary dann und fragte sich im Stillen, was das werden sollte. „Warum fragst du?“

„Wie, nichts?“ Lavender war sichtlich verwundert und überging Marys Frage, während Parvati und Hermine sich auf Hermines Bett niederließen, das direkt neben dem von Marys stand und auch die beiden schienen interessiert.
 

Mary zuckte mit den Schultern. Sie hatte noch gar nicht darüber nachgedacht, ob sie etwas hätte fühlen sollen. Sie war in diesem Augenblick einfach zu wütend gewesen, um auf Malfoys Kussqualitäten zu achten.

„Ich war viel zu überrumpelt. Warum fragst du?“ erneuerte sie ihre Frage.

„Er sieht doch superheiß aus!“ platzte es schließlich aus Lavender heraus. „Die markanten männlichen Gesichtszüge, die stechenden grauen Augen, die glänzenden, halblangen glatten Haare, die muskulöse Brust und der absolute Knackarsch!“

Mary klappte der Unterkiefer herab und sie starrte die Brünette sprachlos an, die unter ihrem Blick nun knallrot im Gesicht wurde. So genau hatte Mary Malfoys Körper noch gar nicht betrachtet.

„Ich meine, wenn er kein Slytherin oder eben Malfoy wäre, hätte ich es mit Sicherheit schon bei ihm versucht!“ erklärte Lavender sich rasch.
 

Parvati kicherte amüsiert. „Mund zu, es zieht!“

Erst jetzt fiel Mary auf, dass sie noch immer mit offenem Mund dasaß und kam der Aufforderung ihrer Freundin nach.

„Wenn er bloß nicht so arrogant... und so von oben herab... und so oberflächlich... und so gehässig wäre,“ seufzte Lavender und sah betreten auf ihre in ihrem Schoß gefalteten Hände herab.

Mary konnte endlich ihren Blick von Lavender losreißen und blickte nun Hermine und Parvati Hilfe suchend an. Die Inderin grinste nur und Hermine lächelte schief. Sie konnte sich wohl ungefähr denken, was Harry nun dachte, dessen Unglaube ihm noch immer deutlich ins Gesicht geschrieben stand. Lavender schwärmte hier ungeniert über den größten Feind des Hauses Gryffindor.

„Ich habe mir noch gar keine Gedanken über Malfoy ... als Mann gemacht,“ meinte Mary nun. Nein, sie hatte ihn bisher nur als Feind betrachtet und zog es auch nicht in Erwägung, das zu ändern.
 

**
 

Am nächsten Morgen nach dem Frühstück erhob Dumbledore sich zu einer Ansprache, was die meisten doch verwunderte, denn außer an wichtigen Tagen, wie der Schuljahreröffnung, an Halloween, Weihnachten oder der Verabschiedung in die Sommerferien hielt ihr Schulleiter nur selten irgendwelche Reden.

„Meine lieben Schüler, wie ihr sehen könnt, haben wir heute Gäste.“ Der alte Mann wies auf vier schwarze Gestalten zu seiner Rechten. Mary hob den Blick und musste hart schlucken. Es war eindeutig zu erkennen, dass die kleine Gruppe zu den Todessern gehörte.
 

Also war es heute soweit. Wie vermutet, würde der erste Appell stattfinden.

„Die Herrschaften sind auf der Suche nach Harry Potter. Wie wir alle wissen, ist dieser nicht unter uns, also könnt ihr nach bestem Wissen und mit ruhigem Gewissen auf die Fragen antworten, die euch die Männer stellen,“ fuhr der Schulleiter fort. Er war sichtlich nicht glücklich darüber, dass die Schule kontrolliert wurde, aber er konnte nichts dagegen ausrichten, jetzt, da das Zaubereiministerium in Voldemorts Hand war, wenn auch nicht offiziell und nur durch einen vom Imperius geleiteten Minister, aber das war schon schlimm genug.
 

„Steht auf!“ befahl ein großer bleichgesichtiger Todesser, der wohl der Anführer der vier war. Die Schüler blieben stur sitzen, bis auf die Slytherins. Was sollten vier Zauberer gegen eine Hundertschaft an Schülern ausrichten?

„Wird’s bald?“ herrschte der Dunkelhaarige, der auf unerklärliche Weise an Snape erinnerte, der aber selbst am Lehrertisch saß und kalte Blicke in die Menge warf, wohingegen Dumbledore fast schon amüsiert den leichten Widerstand der Schüler registrierte.

„Kommt der Aufforderung bitte nach,“ erbarmte sich der alte Mann schließlich nach einer Weile, in der die Todesser immer wieder versucht hatten, ihren Befehl durchzusetzen.
 

Mit leichtem Murren standen die restlichen Schüler ebenfalls auf, so dass die Tische und Bänke mit dem Wink eines Zauberstabes verschwinden konnten und die Schüler nach Häusern sortiert in mehreren Reihen an der Wand Aufstellung beziehen mussten. Die meisten Schüler machten einen einfach nur genervten Eindruck, andere wiederum sahen neugierig drein, wieder andere hatten sichtbar Angst, wohingegen Mary ihre Lippen zu einem dünnen Strich zusammenpresste. Jetzt würde sich zeigen, wie gut dieser Trank wirklich war und ob Hermine und er Okklumentik anwenden mussten.
 

Die vier Zauberer schritten musternd vor den Schülern auf und ab.

Verschiedene Schüler wurden herbei gewinkt, alle hatten in irgend einer Weise näher mit Harry zu tun gehabt: Luna, Justin, Ginny, Cho, Hannah und nach einer Weile fiel ihm auf, dass sie wohl die Liste, die Malfoy damals Umbridge übergeben hatte, abhandelten, denn es waren fast ausschließlich Mitglieder von Dumbledores Armee, die sie herbeiriefen, während die meisten Hufflepuffs und Ravenclaws ausgemustert und zur Stirnseite der Halle geschickt wurden, doch auch sie durften die Große Halle offenbar nicht verlassen.

Dem folgten dann bis auf den siebten Jahrgang und die Quidditch-Mannschaft, die ja ebenfalls oft mit Harry zu tun gehabt hatten, sämtliche Slytherins.
 

Nun standen also noch sämtliche Siebtklässler, sämtliche Quidditch-Spieler, sämtliche DA-Mitglieder und Gesamtgryffindor unter der eingehenden Beobachtung durch die Todesser.

Mittlerweile hatten sich die älteren Gryffindors schützend vor die Erst-, Zweit- und Drittklässler geschoben, als wäre dies abgesprochen und harrten der Dinge, die nun auf sie zukommen würden.

„Ihr beide!“ Der Anführer deutete auf Ron und Hermine, die nun vortraten und mit angespannten Gesichtern die Todesser betrachteten.

„Ihr seid die besten Freunde von Potter.“ Es war keine Frage, sondern eine Feststellung, dennoch schien er auf eine Antwort zu warten, die er auch in Form eines kurzen Nickens der beiden erhielt.
 

„Wo ist er?“ hakte er nach und fixierte beide kurz nacheinander und sein Blick wurde von ihnen fest erwidert.

„Wissen wir nicht,“ erklärte Ron guten Gewissens, beobachtete aber weiterhin die vier Eindringlinge.

„Dass ich nicht lache! Wenn er die Schule verlassen hätte, hätte er euch sicherlich mitgenommen!“ war der Schwarzhaarige sich sicher.

„Ja, das dachte ich allerdings auch,“ bestätigte Ron kurz angebunden.

Sein Gesprächspartner schien auf eine weitere Ausführung zu warten, doch er bekam keine. „Gibt es einen Grund, weshalb das so ist?“ fragte er weiter, ohne sich um Hermine zu kümmern.

Offenbar war es unter seiner Würde, sich mit einem Schlammblut zu unterhalten, er zog es wohl vor, mit einem Reinblüter zu reden, selbst wenn dieser ein Blutsverräter war. Ron zuckte mit den Achseln. Es sollte zwar gleichgültig wirken, aber Harry konnte sehen, dass dem nicht so war.
 

Er wusste, dass es für Ron den Anschein hatte, als würde er ihnen nicht genug vertrauen. Ron war am Anfang des Schuljahres wirklich maßlos wütend und enttäuscht gewesen, dass er sie hier in Hogwarts gelassen hatte, das wusste er von Hermine. Schlimmer würde es wahrscheinlich werden, wenn er die Wahrheit wüsste. Harry musterte seinen Freund unbehaglich, aber er hatte ihn nicht einweihen können, da er kein Okklumentik beherrschte. Derweil befragten die anderen drei Todesser die Nicht-Gryffindors und sortierten Hufflepuffs und Ravenclaws sowie die unteren Stufen des Slytherin-Quidditchteams schnell aus.

Abrupt drehte der Anführer sich zu den Slytherins um, die an der gegenüber liegenden Wand der Gryffindors standen.
 

„Mister Malfoy!“ bellte er und der Platinblonde trat rasch ein paar Schritte auf den Mann zu und nickte kurz. „Können Sie bestätigen, dass Potter während des gesamten bisherigen Schuljahres nicht anwesend war?“

Er sah den Jüngeren auffordernd an. Der blickte auf ihn herab, da er auch diesen ein gutes Stück überragte.

Harry hielt angespannt die Luft an. Es war fast unerträglich, dem ganzen Geschehen hier tatenlos zusehen zu müssen, doch nun wurde es brenzlig. Er war sich sicher, dass Malfoy ihn in jedem Fall verraten würde, würde sich die Gelegenheit ergeben und jetzt kam es darauf an, ob er ihm die Show vom Vortag abgekauft hatte.
 

Malfoy beugte erneut demütig den Kopf und hob dann zu sprechen an: „Ja, ich kann bestätigen, dass ich Potter in diesem Schuljahr noch nicht gesehen habe. Ebenso wie alle anderen Siebtklässler Slytherins das bestätigen können.“ Im Aufrichten kreuzte sein kalter Blick den von Mary, die unbewusst nervös auf ihrer Unterlippe herumkaute. Malfoy richtete seinen Blick sofort wieder auf den Mann vor sich, der nun nachdenklich den Kopf wog und scheinbar überlegte, was nun zu tun sei; das auf Malfoys zweiten Satz folgende zustimmende Gemurmel der anderen Slytherins ignorierte er. Er schickte die Slytherins ebenfalls weg und ging dann noch einmal an den Gryffindors vorbei, als würde er hoffen, etwas oder jemanden zu entdecken, der ihm bisher entgangen war, doch scheinbar fiel ihm nichts neues auf, so dass er sich grummelnd abwandte. Seine drei Untergebenen folgten ihm, blieben aber in einigem Abstand stehen, als ihr Oberhaupt nun vor zum Lehrertisch ging und einige leise Worte mit dem Schulleiter wechselte.

Doch dafür hatte Mary jetzt keinen Blick.
 

Sie starrte noch immer Malfoy an und fragte sich, warum er seinen Verdacht nicht hervorgebracht hatte. Eigentlich müsste er doch wütend über die Ohrfeige sein und es ihr heimzahlen wollen. Ihr fiel es jedoch erst selbst auf, als sie bemerkte, dass Malfoy sie ebenfalls kurz ansah, doch er wandte den Blick ab und ging zu den restlichen Slytherins. Schnell wandte Harry den Blick ab. Wenn er sich jetzt im Nachhinein mal nicht verraten hatte. Doch Malfoy lief den Todessern nicht nach, als diese nun die Halle verließen.
 

Langsam kam auch in die restlichen Schüler Bewegung und sie verließen den großen Saal, um zu ihrem Unterricht zu gehen und sie tauschten sich über diesen Todesserappell aus und verloren sich in Spekulationen darüber, wo Harry war, was er tat, wie er Voldemort bisher entkommen war, weshalb es diesem so wichtig war, ihn zu schnappen und warum Dumbledore es überhaupt zugelassen hatte, dass Todesser die Schule betreten hatten, obwohl er sich bisher alle Mühe gegeben hatte, die Schule aus dem Krieg herauszuhalten. Einige kamen schon ganz nahe an die Lösung zumindest einer Frage heran, indem sie sich fragten, in welcher Gestalt sich Harry wo versteckte und schmiedeten Pläne, wie und ob man ihm helfen konnte. Aber alles in allem wusste jeder, dass es bei solchen Plänen bleiben würde.
 

„Bin ich froh, dass das überstanden ist,“ flüsterte Hermine so leise neben ihm, dass es mit Sicherheit niemand anderes gehört hatte. Harry nickte zustimmend, doch er fühlte sich eher unbehaglich denn erleichtert. Er war sich fast sicher, dass Malfoy nicht aufgeben würde, bis Harry sich irgendwann verriet. Und er war froh, dass niemand versucht hatte, in seine Gedanken einzudringen, auch wenn er Okklumentik mittlerweile perfekt beherrschte.

Aber wohlmöglich hätten die Malfoys Kuss zu sehen bekommen, der ihm ständig im Hinterkopf umherspukte.
 

**
 

Mary hatte ihre Gründe, weshalb sie sich keinen Partner für den Ball gesucht hatte. Die Ausrede der meisten anderen, die ebenfalls keinen Partner vorzuweisen hatten, war, dass es doch viel spannender sei, sich einfach ins Getümmel zu werfen, sich dort jemanden zu angeln und dann um Punkt Mitternacht die Maske zu lüften und dann überrascht zu werden, ob man einen Prinzen oder einen Frosch gezogen hatte. Offenbar waren aber sehr viele Schüler dieser Meinung, denn am Anfang waren doch eher wenige Paare zu sehen, wohl nur diejenigen, die sowieso schon ein Paar waren.
 

Mary war das egal, sie würde vermutlich sowieso bereits nach dem Essen gehen, da sie solchen Veranstaltungen, erst recht mit Tanzen, nichts abgewinnen konnte. Zusammen mit Hermine, Parvati, Lavender und Padma betrat sie die festlich geschmückte Große Halle. Zunächst würde das normale Halloween-Essen für alle Schüler stattfinden, danach begann dann der Ball. Das Essen war wie immer vorzüglich und auch amüsant, da die Hauselfen sich offenbar jedes Jahr neue angeblich gruselige Speisen und Getränke überlegten (oder vielleicht tat das auch Dumbledore selbst, Harry konnte sich gut vorstellen, dass der alte Mann Gefallen daran hätte, seiner Fantasie freien Lauf zu lassen), doch die meisten abgetrennten Hände waren leicht als Geflügel und Würstchen enttarnt.
 

Direkt nach dem Essen wurden die Erst- bis Drittklässler daran erinnert, dass sie nun die Gemeinschaftsräume aufzusuchen hatten und die anderen gebeten, aufzustehen, damit die Haustische verschwinden und kleinen runden Tischen Platz machen konnten. Mary wollte nicht sofort gehen, dafür war das Kleid zu teuer gewesen, außerdem wollte sie noch eine Kleinigkeit trinken und mit ihren Freundinnen plaudern. Allerdings hatte sie die Rechnung wohl ohne die Jungs gemacht, denn nacheinander wurden sie alle zum Tanz aufgefordert und auch vor ihr selbst tauchte bald ein großgewachsener Kerl auf, der mit ihr tanzen wollte.
 

„Ich kann leider nicht tanzen,“ wiegelte sie entschuldigend lächelnd ab und hoffte, ihn dadurch loszuwerden. Doch ihr Gegenüber lächelte ebenfalls.

„Das ist überhaupt kein Problem,“ entgegnete er mit seiner tiefen Stimme.

„Das wird deinen Füßen nicht gut tun,“ warnte sie eindringlich und ihr Lächeln wurde angestrengt.

„Keine Sorge, ich bin nicht aus Zucker,“ versicherte ihr Mitschüler.

Hilfesuchend sah sie Hermine an, doch die zuckte nur mit den Schultern. Harry konnte noch immer nicht tanzen, das hatte sich seit dem vierten Jahr nicht geändert und den Frauenschritt konnte er erst recht nicht. Aber dieser Bursche war offenbar hartnäckig und er fragte sich, ob er nicht einfach nachgeben sollte, denn die höflichen Ausreden gingen ihm aus und Aussitzen ließ sein Gegenüber offenbar nicht zu. Ein genervtes Seufzen unterdrückend griff er schließlich nach der dargebotenen Hand. Vielleicht würde es ja gar nicht so schlimm werden, immerhin musste er als Mädchen nicht führen.
 

Mary versuchte, sich ihren Widerwillen nicht anmerken zu lassen. Stattdessen nahm sie nun die Gelegenheit wahr, ihr Gegenüber genauer zu betrachten. Sie konnte nur braune Haare und ebenso brauen Augen erkennen, sowie einen Mund mit schmalen Lippen, die obere Hälfte des Gesichts war von einer Maske verdeckt, so wie ihres auch. Sie fragte sich, ob er wusste, dass sie hinter der Maske steckte und versuchte zu erraten, wer er war. Aber Schüler, die größer als sie war, gab es viele, dazu kam, dass braun die am häufigsten auftretende Haarfarbe war, gleiches galt für braune Augen, weshalb auch die Kombination von beidem nicht selten war.
 

Erstaunlicherweise erwies sich Tanzen als recht einfach, wenn man einen guten Tanzpartner hatte und sich führen ließ. Es war viel leichter, sich einfach in die Musik fallen zu lassen und das, was er damals im vierten Schuljahr gelernt hatte, ließ sich mit ihrem Tanzpartner ganz leicht umsetzen, als würde sie schon seit ewigen Tagen nichts anderes tun, als tanzen. Wider Erwarten begann es auch, Spaß zu machen und sie amüsierte sich, ohne großartig darüber nachzudenken, dass sie ihrem Gegenüber möglicherweise falsche Hoffnungen machte.
 

Sie redeten über alles Mögliche: Lehrer, Mitschüler, Unterricht, Hogsmeade, Quidditch, London. Sie verstanden sich so gut, dass Mary gar nicht bemerkte, wie oft das Lied wechselte und ihre Freundinnen vollkommen vergaß.

Erst als Dumbledore das Lüften der Masken ankündigte, bemerkte sie, dass es schon so spät war. Sie warf ihrem Gegenüber einen Blick zu und griff nach ihrer Maske, um sie abzustreifen. Dann sah sie neugierig zu, wie auch ihr Tanzpartner seine Maske über den Kopf zog. Sobald das geschah, änderte sich auch seine Haarfarbe und wurde platinblond. Als sie wenig später dann auch noch in eisgraue Augen sah, gefror ihr das Lächeln im Gesicht.
 

Draco Malfoy.
 

Unwillkürlich trat Mary einen Schritt zurück, wollte sich umdrehen und davon laufen. Damit hatte sie so gar nicht gerechnet, ausgerechnet mit ihm getanzt und sich so gut verstanden zu haben. Doch seine langen warmen Finger schlossen sich um ihr Handgelenk.

„Du kennst mich doch gar nicht,“ raunte er ihr zu.

Sie presste die Lippen zusammen, dann hob sie die Augenbrauen. „Die Sache in den Kerkern? Und der unfreiwillige Kuss?“

Malfoy sah etwas betroffen aus. „Dafür möchte ich mich wirklich entschuldigen. Kannst du mir nicht eine zweite Chance geben? Wir haben uns doch heute Abend gut verstanden.“
 

Mary wandte den Blick ab. Er war ein arroganter Idiot und in der Vergangenheit zuweilen auch richtig fies gewesen, aber heute Abend hatte er ihr Dinge erzählt, die richtig sympathisch wirkten. Allerdings, wenn er mit seinem Aussehen log, wieso dann nicht auch mit dem, was er erzählt hatte?

Ihr Blick fiel unwillkürlich auf ein sich streitendes Pärchen. Sofort hatten die beiden ihre ganze Aufmerksamkeit, denn das Mädchen war Hermine. Sie erinnerte sich daran, dass sie ihre Freundin irgendwann im Laufe des Abend knutschend in einer Ecke sitzen gesehen hatte. Daher ließ sie ihren Blick zu dem Jungen wandern, der sich nun als Blaise Zabini herausstellte.
 

Sie sah zurück zu Malfoy, dessen Blick wohl dem ihren gefolgt war und der nun die Augenbrauen hob. Aber offenbar war seine Aufmerksamkeit von dem Streit soweit abgelenkt, dass sie nun keine Mühe mehr hatte, sich aus seinem Griff zu winden. Als Malfoy das bemerkte, hatte sie sich bereits losgerissen und war auf dem Weg zu Hermine hinüber, damit sie ihr beistehen konnte.

„Hermine?“ fragte sie vorsichtig in eine entstandene Pause hinein.

Die wandte ihr den Blick zu, der sich unwillkürlich noch weiter verfinsterte, als sie Mary erblickte – oder vielmehr die Person, die Mary gefolgt war. „Du bist wohl auch an einen Slytherin geraten, wie?“

Da sie sich denken konnte, dass Malfoy hinter ihr stand, erwiderte sie nichts, allerdings entging ihr der Blick nicht, den Zabini offenbar mit Malfoy tauschte, auch wenn sie kaum erraten konnte, was er bedeutete.
 

„Wenn ich einen Vorschlag machen dürfte,“ ergriff nun Malfoy das Wort und da Hermine schon zu einer scharfen Erwiderung ansetzte, fuhr er sogleich fort, „wir könnten morgen zusammen nach Hogsmeade gehen und uns näher kennen lernen.“

Mary stellte überrascht fest, dass Zabinis Gesichtsausdruck sofort milder wurde. Wenn es nicht abwegig wäre, würde sie denken, er sei hoffnungsvoll.

Diesmal war sie es, die mit Hermine einen langen Blick tauschte und ihr schien es plötzlich, als würde Hermine liebend gerne zustimmen, bräuchte aber eine Ausrede dafür, das zu tun. Sie zog kurz die Augenbrauen zusammen. Es hatte den Anschein, dass die beiden sich gegenseitig wollten, aber jeder zu stolz war, das zuzugeben. Sollte sie dem auf die Sprünge helfen? Das hieße jedoch auch, einen ganzen Tag mit Malfoy zu verbringen.
 

„Ich will nicht alleine mit Malfoy nach Hogsmeade,“ erklärte sie schließlich.

„Wenn es unbedingt sein muss,“ murmelte Hermine die Gelegenheit sofort ergreifend und Mary musste sich ein Augenrollen verkneifen.

Sie warf noch einen kurzen Blick auf Malfoy, der sie angrinste, als hätte er gerade im Lotto gewonnen und diesmal verdrehte sie die Augen, denn sie tat es ja nicht für ihn, sondern für Hermine, bevor sie mit eben dieser die Große Halle verließ.
 

**
 

Am nächsten Tag war Harry sich nicht mehr so sicher, ob es eine gute Idee gewesen war, dem Treffen mit Malfoy und Zabini zuzusagen. Er musste sich immer wieder sagen, dass er es für Hermine tat, auch wenn er nicht genau wusste, was diese an dem dunkelhaarigen Slytherin fand. So weit er wusste war das am Vortag auch die einzige richtige Interaktion der beiden gewesen, die jemals außerhalb des Unterrichts stattgefunden hatte.

Und was genau Malfoy mit dem Treffen und einem ‚Kennenlernen‘ bezweckte musste sich auch erst herausstellen. Vielleicht wollte er eine neue Möglichkeit finden, ihn zu entlarven. Er würde definitiv vorsichtig sein müssen.
 

Bereits in der Eingangshalle trafen sie auf die beiden Jungen. Sie begrüßten sich eher zurückhaltend, dennoch entgingen ihnen nicht sie skeptischen Blicke, die ihnen ihre anwesenden Mitschüler zuwarfen, immerhin waren sie noch immer Gryffindors, die sich mit Slytherins trafen, jeder erwartete wohl einen Kampf oder zumindest einen Streit. Sie ignorierten das, so gut es ging und verließen gemeinsam die Schule.
 

Während Zabini und Hermine voran und die beiden anderen hinterher gingen, herrschte zunächst eisiges Schweigen, bis Zabini Hermine schließlich mit einer Belanglosigkeit ansprach und sich zwischen den beiden ein anfangs zögerliches, doch dann immer ausgelassener werdendes Gespräch entwickelte. Derweil versuchte Mary zu ignorieren, dass der blonde Eisprinz neben ihr herlief und versuchte, ihre Gedanken in andere Bahnen zu lenken. Würde sie ihn zu offensichtlich beobachten würde er noch etwas bemerken.
 

Sie bekam nur halb mit, dass sie in Hogsmeade ankamen. Erst klapperten sie die üblichen Geschäfte ab, wobei Mary Malfoy so gut wie möglich aus dem Weg ging, was sich als gar nicht so einfach entpuppte, denn er schien immer wieder wie zufällig ähnliche Ideen wie sie zu haben, was die Auswahl seiner Mitbringsel anging. Bereits eine Stunde später zog Blaise Hermine zu Madame Puddifoots kleinem Café, in dem sie noch etwas trinken wollten. Während Blaise und Hermine sich wieder so gut verstanden, wie am Vorabend, inklusive Knutscherei – es schien, als wollten sie sich gegenseitig auffressen – saß Mary leicht mürrisch etwas abseits.
 

Denn somit blieben nur noch sie und Malfoy übrig. Sollte sie ausgerechnet den unterhalten? Obwohl Malfoy sich wirklich Mühe gab, ein Gespräch anzufangen, doch die Unbeschwertheit vom Vorabend war wie weggeblasen.

Sie hatte gerade gedankenversunken an ihrem Tee genippt, als sie plötzlich derb angerempelt wurde. Gereizt hob sie den Blick.

„Na, Süße, wie wär’s mit uns zwei?“ Der hässliche Typ schielte sie an.

Angewidert verzog Mary das Gesicht. Er roch sehr stark nach Alkohol.

„Verzieh dich!“ befahl sie ihm bestimmt, doch er gab nicht auf.

„Ach, komm schon! Nur ein bisschen küssen!“ lallte der Andere, blickte sie aus glasigen Augen von oben herab an und schwankte bedrohlich nah auf sie zu.

„Kein Interesse!“ erwiderte Mary hart, doch langsam kam ihr der Typ echt zu nahe, obwohl sie sich schon im Rahmen ihrer Möglichkeiten auf dem Stuhl sitzend von ihm wegbog.
 

„Das kannst du mir nicht weismachen!“ Der Kerl griff nach ihrer Schulter und beugte sich herab. Auch von Marys Händen, die ihn wegstoßen wollten, ließ er sich nicht aufhalten.

Hilfe suchend richtete sie ihren Blick auf die anderen am Tisch, doch Hermine und Blaise waren so in ihre Knutscherei vertieft, dass sie nichts davon mitbekamen und Malfoy war wie vom Erdboden verschluckt. Aber ob der ihr geholfen hätte...

Doch die Frage beantwortete sich nun von selbst, denn unerwartet wurde der Besoffene von Mary weggezogen.

„Hey, was wird das?“ Wie aus dem Nichts stand plötzlich Malfoy da und funkelte den aufdringlichen Typen bedrohlich an.
 

„Ischd das deine Freundin, oder wasch?“ Er lallte immer mehr und ließ sich auch nicht davon einschüchtern, dass Malfoy ein gutes Stück größer war, als er selbst.

Malfoy verengte seine Augen ein wenig. „Ja, ist sie!“ erwiderte Malfoy streng und starrte dem wesentlich Älteren unentwegt in die Augen.

Mary presste die Lippen ein wenig zusammen, sagte aber nichts. Wenn es ihr helfen würde, den Kerl loszuwerden, würde sie ihn auch als Alibi-Freund akzeptieren.
 

„Gibt es hier ein Problem?“ tauchte nun eine weitere Stimme auf.

Mary blickte auf und konnte Madame Puddifoot erkennen, die die ganze Sache hier in der hintersten Ecke des Cafés wohl mittlerweile auch bemerkt hatte.

„Der Kerl belästigt meine Freundin!“ erwiderte Malfoy und legte Mary eine Hand auf die Schulter, allerdings noch immer, ohne sie anzusehen.

Die Inhaberin nickte und wandte sich an den Betrunkenen.

„Würden Sie bitte mein Café verlassen?“ meinte sie freundlich, aber mit nicht zu überhörender Strenge in der Stimme.

Der Angesprochene drehte sich schwankend um. „Sagt wer?“

„Ich! Oder muss ich nachhelfen?“ Madame Puddifoot zog demonstrativ ihren Zauberstab.

Der Mann ließ seine kleinen wässrigen Augen auf das Objekt fallen. „Ischd ja schon gud.“

Mit einigem Gepolter verließ er schließlich das kleine Café und Madame Puddifoot sah ihm hinterher, bis er nicht mehr durch die großen Fenster zu sehen war.

Als sie sich wieder umdrehte, hockte der blonde Schüler vor der Schwarzhaarigen.

„Alles okay?“ fragte sie das Mädchen und diese nickte nur leicht, wonach sie wieder zu ihrer Arbeit verschwand.
 

Auch Blaise und Hermine waren letztendlich aufmerksam geworden und Hermine blickte Mary leicht unbehaglich an, die wiederum nur in ihren Schoß blickte, in dem ihre Hände und eine blasse von Malfoy lagen, die sie wohl beruhigen sollte.

„Wirklich alles klar?“ wollte der Blonde leise wissen.

Mary sah in die grauen Iriden hinab, die eine Spur von Besorgnis aufwiesen.

„Geht schon,“ seufzte sie leise und stand auf. „Ich gehe jetzt.“

Malfoy erhob sich ebenfalls. „Soll ich...?“

Mary sah ihn kurz an, nickte aber dann.

Sie verabschiedeten sich von Hermine und Blaise, die mittlerweile gut alleine miteinander zurecht kamen, und gingen dann direkt zu Madame Puddifoot an den Tresen, um ihre Getränke zu bezahlen.
 

Gemeinsam traten sie hinaus in die kalte Novemberluft. Der Rückweg verlief genauso schweigend wie der Hinweg, dennoch fühlte es sich nicht mehr so unangenehm an.

Zurück in der Eingangshalle angekommen, wandte Mary sich an Malfoy.

„Danke, Malfoy,“ begann sie zögerlich, wusste aber dann nicht, wie fortzufahren.

Der nickte nur. „Wir könnten doch noch ein wenig fliegen. Wir sind noch nie gegeneinander geflogen, weil ich Sucher und du Jägerin bist. Was hältst du davon?“

Mary überlegte kurz. Es würde ihn ablenken und nach der Sache in dem Café war er Malfoy auch nicht mehr so abgeneigt, weshalb er schließlich zustimmte.

Sie würde nur noch ihren Besen holen müssen.
 

**
 

Als Malfoy schließlich mit seinem Besen zum Quidditch-Feld kam, war Mary bereits dort und drehte ein paar Runden. Als sie den Blonden bemerkte, flog sie zu ihm hinunter.

Knapp zwei Meter über dem Boden blieb sie in der Luft stehen. „Was hast du nun vor?“

Der Slytherin grinste. „Wie wäre es mit einem Wettfliegen?“

Mary zog beide Brauen hoch. Dann nickte sie. „Was ist der Wetteinsatz?“

„Der Verlierer muss dem Gewinner einen Wunsch erfüllen,“ antwortete Malfoy prompt.

Mary zögerte kurz. Das schloss natürlich alles Mögliche mit ein. Sie war nicht sonderlich scharf darauf, zu erfahren, auf welche Ideen Malfoy kommen konnte. Aber eigentlich ging sie davon aus, sowieso zu gewinnen. Daher stimmte sie zu. „Okay.“

„Drei Runden. Von den Torringen aus.“ Malfoy deutete in die entsprechende Richtung.

Mary folgte seiner Hand mit den Augen und nickte. Während er auf seinen Besen stieg und sich abstieß, flog sie schon mal gemächlich hinüber.
 

Neben den Torringen richteten sie sich in eine Richtung aus.

„Fertig?“ In Malfoys Augen blitzte es auf.

„Klar!“ nickte Mary entschlossen.

„Auf los. Drei – zwei – eins – los!“ gab Malfoy das Kommando und beide preschten davon. Von Anfang an war es ein heißes Kopf-an-Kopf-Rennen.

Mary schielte aus den Augenwinkeln auf den Blondschopf neben ihr. Leider musste sie zugeben, dass er schnell war. Sie beugte sich weiter über den Besenstil, um dem Wind weniger Angriffsfläche zu bieten. Die Schwarzhaarige war ja auch kleiner, zierlicher und somit leichter, das würde ihr vermutlich Vorteile bringen.

Doch auch nach zweieinhalb Runden waren sie fast gleich auf.
 

Jedoch wollte Harry das nicht auf sich sitzen lassen. Nicht umsonst hatte er immer die Quidditch-Spiele gewonnen. Murmelnd feuerte er seinen Feuerblitz an. Es schien zu wirken, obwohl es keine Zaubersprüche waren, das wäre zu unfair, doch er bemerkte, dass Malfoy kaum merkbar zurückfiel. Oder war das Absicht?

Nein, ein Malfoy musste gewinnen; verlieren war unter seiner Würde. Nie würde er freiwillig zurückstecken. Schon gar nicht gegen eine Frau. Das wäre die absolute Blamage.

Dennoch erreichte Harry unbescholten als erstes wieder die Torringe und somit das Ziel.

„Ha!“ Mary richtete sich auf und stieß jubelnd die Faust in den Himmel.

Sie strahlte übers ganze Gesicht und in ihren Augen blitzte es triumphierend auf, als sie zu Malfoy hinüber blickte.

„Glückwunsch!“ rief der lächelnd und flog zu ihr heran, um ihr die Hand zu schütteln. „Und, was ist dein Wunsch an mich?“
 

Marys Lachen wich einem verlegenen Gesichtsausdruck. „Darüber habe ich mir keine Gedanken gemacht.“ Sie wandte den Blick von ihm ab.

Malfoy zog eine Augenbraue hoch. „So? Na das muss doch bestraft werden!“

Ehe Mary sich versehen hatte, hatte er, der noch immer ihre Hand gehalten hatte, sie zu sich herangezogen und begann nun, sie durchzukitzeln. Die Schwarzhaarige war so überrumpelt von dieser Aktion, dass sie überrascht nach Luft schnappte, doch dann musste sie laut lachen, da Malfoy die empfindlichen Stellen an ihrem Körper gefunden hatte und es auch verstand, diese geschickt zu reizen. Mary wand sich unter seinen langen schmalen Fingern und bekam teilweise vor lauter Lachen kaum noch Luft.
 

Malfoy war wirklich erbarmungslos, denn auch dann ließ er nicht von ihr ab und quälte sie weiter. Während sie sich mit einer Hand an den Besen klammerte, um nicht einfach herunter zu kippen, versuchte sie mit der anderen, seine Hände von sich fern zu halten, was ihr aber absolut gar nicht gelingen wollte.

Sie versuchte auch, von ihm wegzufliegen, aber es war wie verhext, er folgte ihr immer mit einer gewissen Selbstverständlichkeit. Schließlich kamen sie lachend auf dem Boden an, allerdings nicht im Sand des Quidditch-Feldes sondern ein paar Meter weiter auf der grünen Wiese. Erschöpft ließ Mary sich ins Gras sinken, legte sich auf den Rücken und streckte alle Glieder von sich.

Malfoy setzte sich im Schneidersitz neben sie, während sie die Augen geschlossen hielt. Eine Weile schwiegen sie einfach nur und Malfoy konnte seine Augen nicht von ihr nehmen. Dann drehte er sich etwas, legte sich auf den Bauch, stützte sich mit den Ellbogen ab und sah sie an.

„Woran denkst du?“ fragte er leise.

Die Augenlider hoben sich und zwei Smaragde funkelten ihn müde an. Sie musterte ihn eine Weile stumm. „Daran, dass ich nie gedacht hätte, einmal hier so mit dir zu liegen.“
 

Malfoy hob amüsiert eine Augenbraue. „Du kennst mich doch gar nicht.“

„Ich hab schon einiges gehört,“ wich Mary aus.

Der Blonde schnaubte. „Aber vermutlich von den falschen Personen.“

Beruht eher auf eigener Erfahrung, merkte Harry in Gedanken an. „Vielleicht. Du kannst mir ja das Gegenteil beweisen,“ schlug Mary vor.

„Hab ich das nicht schon? Ich meine, wir verstehen uns doch,“ entgegnete Malfoy und insgeheim musste Harry ihm zustimmen. Heute hatten sie sich gut verstanden, gestern hatten sie sich auch verstanden.

„Ich bin nicht der herzlose Eisprinz Slytherins, als der ich oft dargestellt werde,“ fügte Malfoy hinzu.

Abermals ließ Harry seinen Blick über ihn schweifen. Er hatte wirklich schon seit längerer Zeit nicht mehr diesen überheblichen, den arroganten oder aber auch den kalten, gefühlslosen Gesichtsausdruck bei ihm gesehen. Eher im Gegenteil, Malfoys Miene konnte auch überraschend normal sein.

Fragte sich nur, wie lange das anhielt.
 

Vielleicht war es nur eine Erscheinung, die gerade mal das Wochenende standhielt.

„Und was sollte das dann neulich in den Kerkern? Wenn du doch angeblich gar nicht so bist, wie erzählt wird.“ Mary sah zu ihm hoch und war auf seine Antwort gespannt.

Malfoy wich ihrem Blick aus und zuckte mit den Schultern. „Manchmal macht es Spaß, allen dieses Image vorzuspielen.“

„Spaß?“ harkte Mary nach. „Komischer Spaß.“

Malfoy lachte. „Ja, kindisch, nicht wahr? Eigentlich sind wir mittlerweile erwachsen genug, um unsere Streitereien zu begraben, findest du nicht?“

Mary sah in die silbern schimmernden Augen, die sie erwartungsvoll – und hoffnungsvoll? – ansahen. Harry wusste noch immer nicht, ob Malfoy nicht vielleicht doch ein Todesser war, doch in diesem Moment vertraute er ihm; aus welchen Gründen auch immer.

Es war seltsam, aber nach der Sache im Café fühlte er sich in seiner Nähe einfach wohl und er konnte sich entspannen.

Seit Voldemort das Ministerium übernommen hatte, waren solche Momente selten geworden.

Ständig war die Angst in ihm präsent, aufzufliegen und dann den letzten Kampf ausfechten zu müssen. Im Moment jedoch fühlte er sich gut.

Außerdem, wer wusste, wofür eine Freundschaft mit einem Slytherin noch gut sein würde. Daher nickte Mary und lächelte. „Okay, Draco.“ Es war seltsam, seinen Vornamen auszusprechen und dennoch war er ihr förmlich über die Lippen geglitten. Vornamen drückten eine gewisse Nähe aus; aber diesmal war das gut so.
 

Draco lächelte und drehte sich nun ebenfalls auf den Rücken und verschränkte die Arme unter seinem Kopf, so dass er sie als Kissen benutzen konnte. Mary neben ihm rollte sich ein und war kurz darauf eingeschlafen. Dass er einmal so vertrauensvoll neben seinem größten Erzfeind einschlummern könnte, hätte er wohl nie für möglich gehalten.
 

**
 

Obwohl Draco einen Wärmezauber über sie beide gelegt hatte, lag Mary am nächsten Tag mit einer Lungenentzündung auf der Krankenstation – und er gab sich die Schuld. Er hätte sie ja schließlich wecken und mit ihr zusammen ins Schloss gehen können. Oder er hätte sie weiterhin schlafend ins Schloss tragen können. Hatte er aber nicht getan, daher das schlechte Gewissen. Seit der Unterricht vorbei war, saß er nun schon bei ihr. In jeder noch so kleinen Pause war er bei ihr gewesen.

Und hatte sich ungefähr tausend Mal entschuldigt. Mittlerweile hatte Mary ihm verboten, sich noch einmal zu entschuldigen. Natürlich hatte sie sich über seinen riesigen Blumenstrauß gefreut. Doch irgendwann hatte es ihr einfach gereicht. Mary konnte ihm sowieso nicht böse sein, zumal er ihrer Ansicht nach auch keinerlei Schuld trug.
 

Sie war schließlich so blöd gewesen, sich bei kaltem Novemberwetter und einer gewissen Grundfeuchte im Boden auf der Wiese breit zu machen und dann auch noch einzuschlafen.

Er hatte zwar auch die gesamte Zeit neben ihr gelegen, doch er schien resistent zu sein, hatte noch nicht einmal eine kleine Erkältung. Obwohl – einem Eisklotz konnte die Kälte ja nichts ausmachen. Doch von einem Eisklotz konnte sie mittlerweile nicht mehr von ihm denken – zu rührend kümmerte er sich schon den ganzen Tag um sie. Fehlte nur noch, dass er zu ihr unter die Bettdecke kroch, um sich als Wärmflasche anzubieten – doch so weit ging Harrys Vertrauen in den Slytherinprinzen nun doch nicht.
 

Auch wenn sie schlief, wich er nicht von ihrer Seite. Beobachtete sie dann nur still und leise.

Es war bereits mitten in der Nacht, der Mond schien in die Schwärze des Krankenflügels, als Mary wieder wach wurde. Sie blinzelte und fragte sich, was sie geweckt hatte. Seufzend wollte sie sich umdrehen, als ihr Blick auf Draco fiel, der dort in der Dunkelheit saß, das Kinn auf die Brust gesunken und scheinbar fest schlief. Ein leichtes Lächeln huschte über ihr Gesicht. Wie friedlich er aussah.
 

Außerdem war er nicht der einzige Slytherin, der offenbar nett sein konnte, denn heute Mittag hatte Hermine sie zusammen mit ihrem nun festen Freund Blaise besucht, was Harry nun dazu nötigte, auch diesen beim Vornamen zu nennen. Ansonsten hatte Madame Pomfrey es geschickt verstanden, Besuch von ihr fern zu halten. Auch Dracos Anwesenheit hatte teilweise dazu beigetragen. Sie riss sich von Dracos Anblick los, drehte sie sich herum und versuchte, wieder einzuschlafen.
 

**
 

Nach diesem Tag trafen sie sich öfter. Manchmal machten sie zusammen mit Blaise und Hermine in der Bibliothek Hausaufgaben, an anderen Tagen trafen sie sich zum gemeinsamen Fliegen, manchmal gingen sie auch einfach nur am Großen See spazieren und dann sprachen sie über alles Mögliche. Den Gryffindors war es unverständlich, dass die Neue und auch noch Hermine sich ausgerechnet mit Slytherins so intensiv befassten. Vor allem Ron war sauer, da er selbst noch vor kurzem versucht hatte, Hermine für sich zu gewinnen und diese nun ausgerechnet einen von Malfoys Schergen zum festen Freund hatte.
 

Es war am ersten Tag nach den Weihnachtsferien bei einem ihrer Spaziergänge über die Hogwartsländereien, als es passierte. Sie hatten sich gerade gestanden, den jeweils anderen über die zwei Wochen, in denen sie sich nicht gesehen hatten, vermisst zu haben, als Draco Mary einfach an sich zog und sie küsste.

Diesmal stieß Mary ihn nicht von sich, noch gab sie ihm eine Ohrfeige. Im Gegenteil. Sie legte ihm ihre Hände in den Nacken, um ihn mehr zu sich hinab zu ziehen und den Kuss zu intensivieren.
 

Als sie sich trennten war Harry verwirrt. Er hatte sich gerade von Draco küssen lassen und hatte den Kuss sogar erwidert. Er hatte sich nicht gewehrt sondern den Kuss genossen und die Schmetterlinge in seinem Bauch hatten Saltos geschlagen. Auch wenn er diese nicht zum ersten Mal in Dracos Nähe verspürte, konnte Harry sich das nicht erklären.

Sollte er etwa schwul sein? Ausgerechnet für seinen Erzfeind Malfoy Gefühle hegen?

Und wie sollte er diesem überhaupt erklären, wer er wirklich war? Er würde garantiert alles andere als begeistert sein. Selbst wenn sie jetzt etwas miteinander anfangen würden, wäre spätestens dann alles vorbei. Und ihn ausgerechnet mit etwas so essentiellem zu belügen, das wollte er auch nicht.
 

Draco schien irgendwas von dem, was in ihm vorging, zu spüren, denn er drängte ihn nicht und schien auch keine sofortige Antwort zu erwarten – vielleicht war das Erwidern des Kusses auch Antwort genug - und so setzten sie ihren Spaziergang einfach fort.
 

Später am Tag saß Harry auf seinem Bett im Mädchenschlafsaal. Er sollte sich dringend über seine Gefühle, die er bisher erfolgreich verdrängt hatte, klar werden und dann musste er überlegen, wie es weiterging. Er konnte Draco nicht sagen, wer er war. Je weniger Leute es wussten, desto sicherer war er. Er wusste nicht, ob er Draco genug vertraute, immerhin war sein Vater ein Todesser. Außerdem, vielleicht hatte er ja einfach nur den Auftrag, herauszufinden, wer er war. Aber könnte er ihre Beziehung vertiefen, wenn Draco nicht die Wahrheit wusste?
 

Irgendwann über seinen Grübeleien betrat Hermine den Schlafsaal und setzte sich auf ihr Bett.

„Du hast dich in ihn verliebt, oder?“ kam sie direkt auf den Punkt.

Harry sah ertappt auf und seufzte dann. „Sieht man es so deutlich?“

Hermine lächelte leicht. „Nein, nur, wenn man dich gut genug kennt.“

Harry wusste nicht, ob er erleichtert sein sollte oder nicht. „Was soll ich denn jetzt nur tun?“ fragte er verzweifelt.

„Du darfst ihm auf keinen Fall sagen, wer du bist, das ist zu gefährlich,“ warnte Hermine. „Ansonsten musst du auf dein Herz hören.“

„Aber wie könnte ich das tun und ihm gleichzeitig die Wahrheit verheimlichen?“ Er raufte sich die langen Haare.

Hermine zuckte die Schultern. „Das musste du selbst entscheiden.“
 

Schließlich entschied Harry sich dafür, eine Beziehung mit Draco zu versuchen, der natürlich sehr glücklich mit dieser Entscheidung war.
 

**
 

Kurz vor dem Valentinstag hatte Mary noch immer kein Geschenk für ihren Freund. Was kaufte man auch jemandem, der bereits alles hatte und sich alles andere selbst leisten konnte?

Es war schwierig, er war schließlich noch nie mit einem Jungen zusammen gewesen. Da sie erst rund fünf Wochen zusammen waren war Draco der Meinung, dass es Geschenk genug für ihn war, dass sie überhaupt jetzt ein Paar waren. Aber das genügte Harry nicht. Schließlich kam ihm doch noch eine gute Idee, auch wenn er nicht wusste, wie Draco damit umgehen würde.
 

Am Tag selbst lud Draco Mary in den Raum der Wünsche ein. Es war ein Tisch für zwei mit Kerzen und Rosen gedeckt worden und Draco hatte die Hauselfen dazu überredet, ihnen etwas zu kochen. Somit herrschte eine romantische Stimmung, die Harry Malfoy noch vor wenigen Wochen nicht zugetraut hätte.

Nach dem Essen setzten sie sich auf das Sofa, das an der Wand stand und kuschelten sich aneinander. Draco hatte natürlich ein Geschenk besorgt, das er nun überreichte. Es war ein filigran gearbeitetes silbernes Armband, das Harry sogar würde als Junge tragen können. Vielleicht.
 

Lächelnd sah Mary Draco an und überlegte, wie sie nun vorgehen sollte. Sacht streichelte sie über die Hand, die auf ihrem Bauch lag, dann fasste sie einen Entschluss. Sie ließ ihn los, setzte sich rittlings auf seinen Schoß und beugte sich zu ihm hinunter.

„Ich habe auch ein Geschenk für dich,“ flüsterte sie direkt in sein Ohr und beobachtete, wie sich dort, wo ihr Atem auf seine Haut getroffen war, eine Gänsehaut ausbreitete. Sie schmunzelte und platzierte einen Kuss auf sein Ohrläppchen. „Meine Jungfräulichkeit.“

„Was?“ Draco drückte Mary von sich, um sie ansehen zu können. „Ich meine, bist du dir sicher?“

Mary lächelte ihn an und nickte. Hätte sie sonst dieses Angebot gemacht? Erneut presste sie sich an seinen Körper und küsste ihn dabei leidenschaftlich, ließ ihre Zunge seine Mundhöhle erkunden.
 

Eigentlich war Harry natürlich keine Jungfrau mehr, zumindest nicht als Junge. Er hatte noch nie mit einem Jungen geschlafen und er hatte es sich auch gut überlegt, schließlich wusste er, dass bei Mädchen das erste Mal weh tat, doch er dachte sich, dass es schon nicht so schlimm werden würde, zumindest mit jemandem, der das berücksichtigte und vorsichtig war. Und er vertraute Draco darin vollkommen.

Draco lachte leise. „Zumindest weiß ich jetzt, warum hier ein Bett steht.“

Mary drehte sich um und wurde etwas rot im Gesicht. Sie musste so sehr daran gedacht haben, endlich mit Draco intim zu werden, dass der Raum der Wünsche darauf reagiert und ein Bett materialisiert hatte. Es wunderte sie nur ein wenig, dass Draco das nicht sofort erwähnt hatte; sie wusste nicht, wie lange das Bett da schon stand.
 

Rasch klammerte sie sich an Draco fest und schlang ihre Beine um seine Hüften, als er einfach aufstand und sie zu dem Bett hinüber trug, während er ihren Hals liebkoste. Dort angekommen legte er sie sacht in den weichen Laken ab, bevor er seine Schuhe abstreifte und sich zu ihr gesellte. Erneut fanden ihre Münder zueinander und Mary spürte, wie sich Dracos Hand unter ihre Bluse schob und ihren Bauch streichelte.
 

**
 

Als Harry wach wurde, konnte er sich ein glückliches Lächeln nicht verkneifen. Er fühlte sich wohl in Dracos Armen, der sich von hinten an ihn schmiegte. Eine ganze Weile lag er da und genoss einfach die Nähe und die Wärme und den sachten Atem, der seinen Nacken streifte.

Irgendwann öffnete er dann doch die Augen. Er stutzte, blinzelte, sein Herz stockte, bevor es ihm in schmerzhaftem Tempo gegen den Brustkorb hämmerte.

Vor ihm ausgestreckt lag Dracos Arm, da Harrys eigener Kopf auf dem Oberarm lag. Ein schwarzes Gebilde nahm die Hälfte der Innenseite von Dracos linkem Unterarm ein. Ein genauerer Blick offenbarte einen Totenkopf und eine sich windende Schlange.
 

Harry drehte sich der Magen um und ihm wurde speiübel.
 

Hatte er sich gestern noch gefühlt, als hätte er das Gegenstück zu sich selbst gefunden, den Topf zu seinem Deckel, so fühlte er sich jetzt ohnmächtig vor Schmerz, Enttäuschung und Verrat. Eine Zeit lang konnte er nicht klar denken, nur daran, wie unglaublich dumm er doch war, einfach ins offene Messer zu laufen. Er hatte es doch gewusst, oder zumindest angenommen.

Er wusste nur eins: er musste hier weg und ganz viel Abstand zwischen sich und Malfoy bringen. Am besten würde er zu Dumbledore gehen.
 

Er sprang aus dem Bett und blieb kurz unschlüssig stehen. Erst nach dem Zauberstab greifen und Malfoy paralysieren oder erst zumindest nach dem Slip greifen, weil er sich nackt so angreifbar und verletzlich fühlte? Er fühlte sich verdammt unwohl, aber er musste Malfoy auch so schnell wie möglich unschädlich machen.

Doch offenbar waren diese zwei Sekunden der Entscheidungslosigkeit und inneren Zwickmühle zu lange gewesen, denn plötzlich presste sich ein nackter Körper von hinten an ihn und Hände umgriffen seine Handgelenke. Erst versteifte er sich, doch dann begann er, sich zu wehren. Jedoch bemerkte er schnell, dass er, zumal in diesem Frauenkörper, keine Chance gegen Malfoy hatte.
 

„Beruhige sich, Harry! Ich kann alles erklären!“ rief Draco und keuchte, da es Harry gelungen war, ihm seinen Ellbogen in den Bauch zu rammen. Dennoch ließ er nicht los. „Ich bin einer von Dumbledores Spionen!“ setzte er rasch hinzu, was Harry dazu brachte, seine Gegenwehr einzustellen. Allerdings blieb er weiterhin skeptisch.

Draco konnte sich ein erleichtertes Ausatmen nicht verkneifen. Harry würde ihm immerhin zuhören. „Ich liebe dich, Harry.“
 

Harrys Muskeln verspannten sich. Wie sollte er das denn noch glauben?

„Seit etwas mehr als einem Jahr. Zumindest habe ich es mir zu diesem Zeitpunkt selbst eingestanden,“ fuhr Draco dennoch fort, jetzt, da er wusste, dass Harry ihm zumindest die Chance zu einer Erklärung ließ, auch wenn es dann an Harry liegen würde, wie es mit ihnen weiterging, wenn überhaupt. „Je länger ich darüber nachdachte, desto verzweifelter wurde ich. Meine Familie erwartete von mir, dass ich ein Todesser werde, dass ich dich verrate und bekämpfe. Ich wusste, dass du irgendwann gegen den Lord auf Leben und Tod kämpfen musst und dass der Lord dich umbringen will. Allein der Gedanke daran, dich zu verlieren, macht mich wahnsinnig. Nachdem ich es geschafft hatte, dreimal meine Todesserweihe zu verschieben, habe ich keinen anderen Ausweg mehr gesehen, als mich Dumbledore anzuvertrauen. Und ich habe ihm alles erzählt, wirklich alles und dass ich vor allem dir helfen will, zu überleben. Er war der Meinung, dass ich dir am besten helfen kann, wenn ich für ihn beim Lord spioniere. Also habe ich mich doch Weihen lassen, damit waren meine Eltern auch zufriedengestellt. Ich habe an ein paar der Treffen teilgenommen und kleinere Aufträge erledigt. Da ich hier auf Hogwarts bin und es nicht unüblich ist, wenn ein Schüler sich mit dem Direktor austauscht, konnte ich Dumbledore immer auf dem Laufenden halten. Zumindest mit dem, was ich selbst wusste, was zugegebenermaßen nur das war, was ich als Neuling wissen durfte, aber es reichte.“
 

Draco verstummte und auch Harry schwieg.

Schließlich ergriff er das Wort. „Ich kann nicht, Draco. Das ist ... mir alles im Moment zu viel.“

Er spürte, wie Draco ihn kurz an sich zog, dann wurde er losgelassen. „Okay.“

Rasch sammelte er all seine Kleider ein, während sich seine Gedanken überschlugen. Doch er brauchte jetzt vor allem Ruhe, um nachzudenken. Schnell zog er sich an, doch er warf keinen Blick mehr auf seinen Freund, wenn er das überhaupt noch war, er wusste es selbst noch nicht genau.

Dann verließ er den Raum und ließ Draco alleine zurück.
 

**
 

Die nächsten Wochen gingen sie sich aus dem Weg. Harry, weil er sich noch nicht entschieden hatte und Draco, weil er Harry Zeit geben wollte, auch wenn es weh tat und er Sehnsucht hatte. Natürlich erkundigte er sich über Blaise und Hermine immer wieder über Harry, aber das war nicht einfach. Und vor allem war es nicht dasselbe, als selbst mit ihm zu reden oder einfach nur mit ihm zusammen zu sein.
 

Bis Draco eines Tages auffiel, dass Mary im Unterricht fehlte. Er versuchte, seine Sorgen zu unterdrücken. Es brachte nichts, wenn Harry ihn nicht sehen wollte. Dennoch war dieses Vorhaben nicht gerade von Erfolg gekrönt und er versuchte, sich einzureden, dass es vielleicht eine kleine Erkältung war, nicht weiter schlimm.

Allerdings zog sich ihm die Brust zusammen, als Hermine ihn schließlich darauf ansprach.

„Du solltest Mary im Krankenflügel besuchen,“ meinte sie mit ernster Miene. Er konnte nur schlucken und nicken. War es doch etwas Ernstes? In der Zaubererwelt gab es doch für fast alle Krankheiten Heiltränke. Oder hatte Harry einen Unfall gehabt? Aber Hermine hätte ihm dann sicher mehr gesagt. Überhaupt, warum hatte sie ihm nicht gesagt, was los war?
 

Wahrscheinlich hatte sie schon gehört, was zwischen Harry und ihm passiert war. Wie hätte sie auch nicht? Ihr ganzes Verhalten dem jeweils anderen gegenüber hatte sich geändert.

Hatten sie noch vor kurzem jede freie Minute miteinander verbracht, waren sie nun nicht mehr zusammen zu sehen. Außerdem war Hermine Harrys beste Freundin und Weasley schien nicht zu wissen, dass Harry und Mary ein und dieselbe Person waren. Also würde er sich ihr anvertraut haben.

Ihm wurde unwohl bei dem Gedanken daran, dass ihm möglicherweise ein Abschied bevorstand. Ein Abschied von ihrer Beziehung. Gut, das zog er bereits seit Harrys Reaktion im Raum der Wünsche in Erwägung, obgleich er schon damit rechnete, dass Harry seine Aussagen überprüft hatte. Oder ein Abschied in dem Sinne, dass Harry doch beschlossen hatte, Voldemort selbst zu suchen und sich ihm zu stellen, anstatt zu warten, bis dieser ihn fand.
 

Oder er hatte einfach nur in der Doppelstunde Verwandlung zu viel Zeit sich die unmöglichsten Szenarien vorzustellen. Vielleicht, hoffentlich, ging nur seine Fantasie mit ihm durch. Doch Hermine war so ernst gewesen und offenbar wollte sie vor ihren Mitschülern noch nicht einmal eine Andeutung machen.
 

**
 

Am Ende des Schultages stand Draco bebend vor dem Krankenflügel. Die Ungewissheit war bisher das Schlimmste gewesen, doch Bammel vor der Wahrheit hatte er trotzdem. Am liebsten würde er die Zeit anhalten, um es nie zu erfahren. Oder vorspulen, um alles bereits hinter sich zu haben. Vielleicht wurde es ja nicht ganz so schlimm.

Er hatte es jedenfalls ganz deutlich im Gefühl, dass Harry heute seine Entscheidung fällte. Oder es bereits getan hatte und es ihm nun mitteilen würde, auch wenn er keine Ahnung hatte, was das mit einer eventuellen Krankheit zu tun haben könnte.
 

Es nutzte ja alles nichts. Er würde jetzt da rein gehen und sich nichts von seiner inneren Gefühlsaufruhr anmerken lassen. Er würde einfach hören, was Harry zu sagen hatte und dann würde er weitersehen.

Guter Plan.

Leider machten da seine puddingweichen Knie nicht so ganz mit, aber dank des weiten Umhangs, den er trug und der Tatsache geschuldet, dass er noch immer stand und seine Beine ihm nicht weggeknickt waren, würde es wohl trotzdem gehen.
 

Er riss sich zusammen und stieß mit beiden Händen die Tür auf, die weit offen schwang, aber dann doch nicht genug Antrieb hatte, um gegen die Wand zu krachen. Okay, für einen dramatischen Auftritt war das schwach, aber für einen möglicherweise schlafenden Harry war das vermutlich besser.

Mit langen Schritten durchmaß er den Raum, doch je näher er der schwarzhaarigen Person kam, die mit dem Rücken zu ihm auf der Seite lag, desto langsamer wurde er. Er war noch immer entschlossen, dennoch legte sein Herz nun wieder einen Zahn zu. Aber eigentlich war das normal in Harrys Gegenwart und hatte auch nichts mit irgendwelchen Befürchtungen zu tun, sondern mit einer verliebten Nervosität.
 

Als er am Bett stand drehte Harry sich auf den Rücken und strich sich die langen Haare aus dem Gesicht. Er war so blass wie das weiße Laken, auf dem er lag und Draco fiel der sich selbst leerende Kotzeimer auf, den Harry gerade auf dem Boden neben dem Bett abgestellt hatte. Dennoch lächelte er leicht, als er sein Gegenüber sah.

Draco setzte zum Sprechen an, doch musste er sich zunächst räuspern, da ihm ein gewaltiger Kloß im Hals saß. „Wie geht es dir?“
 

Wahrscheinlich eine dämliche Frage, nach dem, was er vor sich sah, aber er wollte es von Harry hören. Und auch, was denn nun eigentlich los war.

Harry wiegte den Kopf. „Nicht sonderlich gut.“

Draco nickte und blieb unschlüssig stehen. Er konnte den Blick nicht von Harry abwenden, daher kam er noch nicht einmal auf die Idee, sich einen Stuhl heranzuziehen.
 

Nachdem sie sich eine Weile einfach nur angesehen hatten, klopfte Harry neben sich aufs Bett und bedeutete Draco so, dass er sich dort hinsetzen sollte. Dem kam Draco auch ohne zu Zögern nach.

„Ich muss dir etwas sagen,“ erklärte Harry, sah kurz weg, schluckte und richtete seine Aufmerksamkeit doch wieder zurück auf Draco. Er atmete tief durch.

„Ich bin schwanger.“ Doch ohne Draco überhaupt Zeit zu lassen, diese Information zu verarbeiten, fuhr er fort: „Der Trank, der mich in ein Mädchen verwandelt, hat den Trank, den ich zur Verhütung genommen habe, neutralisiert. Da der Geschlechtsumwandlungstrank neu ist, war das bisher nicht bekannt.“
 

Draco schwieg. Er war überwältigt und wusste nicht, was er sagen sollte. Seine Gefühle spielten verrückt und er konnte sie nicht in Worte fassen.

„Ich weiß, dass wir für ein Kind noch viel zu jung sind. Wir sind ja eigentlich selbst noch Kinder...“ Harry richtete seinen Blick auf seine Hände, die er unruhig knetend in seinem Schoß liegen hatte. „Ich habe schon darüber nachgedacht, es wegzumachen oder nach der Geburt wegzugeben...“

„Nein, auf gar keinen Fall!“ rief Draco plötzlich laut und Harrys Kopf ruckte erschreckt nach oben, um ihn anzusehen.
 

„Harry...“ Draco sprach nun wieder leiser und legte seine Hand auf die beiden verbundenen seines Gesprächspartners. „Ich möchte es behalten.“ Er wusste, dass es schwer werden würde. Sie gingen beide noch zur Schule, von einer Berufsausbildung oder einem Einkommen gar nicht erst zu reden. Und an einen bevorstehenden Krieg wollte er erst gar nicht denken. Dennoch stand seine Entscheidung rasch fest.

Diese entstand zwar sehr gefühlsbetont und nicht durch Vernunft gesteuert, aber es war richtig so. Es war eher Glück als Zweifel oder Zukunftsangst, die ihn durchfuhr, wenn er an ein Kind dachte. Sein Kind. Mit Harry. Das Kind, das durch ihre Liebe zueinander entstanden war. „Ich werde immer zu dir und dem Kind stehen.“
 

Harry lächelte. Das kam seiner eigenen Entscheidung sehr entgegen, denn auch er konnte das Kind nicht einfach töten, aber auch es jemand anderem überlassen kam für ihn nicht in Frage. Natürlich würden ihnen so noch einige Probleme bevor stehen, aber gemeinsam konnten sie eine Lösung finden. Er drückte Dracos Hand, aber es waren noch andere Dinge zu klären.

„Ich habe mit Dumbledore gesprochen. Er hat die Spionsache bestätigt. Und noch jemand hat es bestätigt, dem ich noch mehr vertraue.“

Draco nickte. Es musste kein Name genannt werden, konnte er sich doch ausrechnen, wer gemeint war.

„Außerdem hast du weder mich noch ihn an die Todesser verraten,“ fuhr Harry fort und demonstrierte damit, dass er sich viele Gedanken über ihre Situation gemacht hatte, was nur allzu verständlich war.
 

Harry musterte Draco. „Warum hast du mir nicht gesagt, dass du ein Todesser bist?“

„Wie hättest du darauf wohl reagiert?“ stellte Draco eine Gegenfrage und zog eine Augenbraue hoch.

„Jedenfalls hätte ich es dann durch dich selbst erfahren und nicht durch einen blöden Zufall,“ erwiderte Harry.

„Du hast mir ja auch nicht gesagt, dass du in Wirklichkeit ein Junge bist,“ meinte Draco daraufhin nur und er hatte ja Recht.

Harry legte sich leise seufzend in den Kissen zurück und starrte an die Decke. Vertrauten sie sich noch immer gegenseitig so wenig? Obwohl sich zwischen ihnen so viel verändert hatte?
 

„Es war zu deiner Sicherheit,“ erklärte Draco leise. „Ich wollte dich nicht in meine Probleme mit hineinziehen und das wäre so gekommen, hättest du es gewusst.“

Harry nickte nur. „Es war auch zu meiner eigenen Sicherheit, dass so wenige Leute wie möglich wissen, wer ich bin. Nicht einmal Ron weiß es. Es wäre zu gefährlich gewesen, sein Okklumentik ist zu schlecht.“

„Ich habe gut in Okklumentik abgeschnitten und habe Extra-Stunden von Severus erhalten,“ erläuterte Draco. Er war froh darüber, schließlich hatte er durch seine Tätigkeit für Dumbledore und seine Gefühle für Harry genug Geheimnisse, die er unter keinen Umständen Preis geben durfte.

„Severus?“ hakte Harry mit erhobenen Augenbrauen nach.

Draco zuckte mit den Schultern. „Er ist mein Patenonkel. Privat duze ich ihn und nenne ihn beim Vornamen.“

„Kein Wunder, dass er dich bevorzugt,“ schnaubte Harry. „Wie hast du eigentlich herausgefunden, wer ich bin?“
 

Draco beschloss, auf Harrys erste Bemerkung nicht einzugehen. Er wusste zwar, dass dieser Vorwurf nicht stimmte, aber es war nicht wichtig; sie würden das auch noch irgendwann später besprechen können.

„Im Grunde ist es mir egal, ob du ein Junge oder ein Mädchen bist, ich liebe dich als Person. Und ein liebendes Herz erkennt den anderen immer,“ grinste Draco.

Harry verdrehte die Augen. „Wie schnulzig. Und ernsthaft?“

Draco seufzte leise, konnte aber ein kleines Lächeln nicht unterdrücken. „Hm, das ist schon ... schwieriger zu erklären. Oder vielmehr: es ist einfach zu erklären, aber ich weiß nicht, ob dir das gefallen wird.“ Er sah Harry abwägend an, doch eigentlich hatte er längst entschieden, ihm die Wahrheit zu sagen. „Kannst du dich noch an unsere kleine Auseinandersetzung vor knapp einem Jahr erinnern?“
 

Harry verschränkte die Arme vor der Brust. „Welche genau meinst du? Da waren viele,“ stellte er fest.

„Unsere kleine ... Rauferei,“ präzisierte Draco daraufhin und erntete einen skeptischen Blick.

„Ja,“ bestätigte Harry schlicht.

„Ich bin dir dabei so nahe gekommen, dass ich an dir riechen konnte. Also, dein Duft ist mir im Gedächtnis geblieben,“ erklärte Draco so schnell, dass Harry Mühe hatte, die gehörten Worte voneinander zu unterscheiden.

„Du hast also an mir geschnüffelt?“ Harry zog eine Augenbraue hoch.
 

Draco verzog das Gesicht. „So, wie du das sagst, klingt es pervers.“

„Sagt derjenige, der es getan hat,“ lachte Harry. „Und wie hat dir das geholfen?“

„Nach einem Anfangsverdacht brauchte ich dir nur noch einmal so nahe zu kommen, da ich dachte, dass dein Geruch sich nicht geändert habe. Also habe ich dich in der Eingangshalle abgefangen und geküsst, erklärte Draco.

„Und mich nebenbei begrapscht.“ Harry konnte sich die kleine Spitze nicht verkneifen. Als er allerdings sah, dass Draco sich daraufhin unwohl von ihm abwandte, griff er erneut nach seiner Hand und streichelte sie versöhnlich. „Dann weiß ich jetzt zumindest, was das sollte. Und trotz der Ohrfeige hast du nicht aufgegeben.“
 

Draco schmunzelte. „Nein, natürlich nicht. Ich dachte, es macht die Sache einfacher, wenn du so tun musst, als würdest du mich nicht kennen.“

„Und der Betrunkene bei Madame Puddifoot hat es noch einfacher gemacht,“ brummte Harry. An diese Szene erinnerte er sich nicht gerne zurück.

„Ja, schon,“ gab Draco zu. Das hatte immerhin den Anfang einer Freundschaft bewirkt. „Obwohl es mir lieber gewesen wäre, diese Belästigung hätte nie stattgefunden.“

Harry nickte und legte seine Hand auf seinen Bauch. Ihm wurde gerade übel. Aber das lag nicht an der Erinnerung.
 

Rasch drehte er sich zur Seite und tauchte ab, um nach dem Kotzeimer zu angeln. Sofort rutschte Draco näher an ihn heran, um seine Haare zusammenzufassen und mit einer Hand vom Mund wegzuhalten, während er mit der anderen Trost spendend über Harrys Rücken strich. Dennoch fühlte er sich hilflos, zusehen zu müssen, wie Harry litt.

„Ich dachte, das heißt ‚Morgenübelkeit‘,“ stellte Draco fest, als Harry den Eimer wieder auf dem Boden abstellte.

„Offenbar bin ich mit dem Glück gesegnet, dass es bei mir den ganzen Tag anhält,“ erwiderte Harry. „Slughorn und Snape versuchen, einen Trank zu brauen, der bei mir wirkt.“

„Wirken denn alle Zauber- und Heiltränke bei dir nicht?“ erkundigte Draco sich.
 

Harry hielt inne. „Das weiß ich nicht, nur die, die ich bisher probiert habe, helfen nicht oder zumindest nicht viel. Nur der Gegentrank, der mich zurückverwandelt, der wurde bereits getestet. Allerdings nicht an mir.“ Er sah Draco an und dieser konnte erkennen, dass Sorge und Furcht über Harrys Gesicht huschten.

Sofort nahm er ihn in den Arm. „Das wird nicht passieren, es wird mit Sicherheit funktionieren. Sollte es wider erwarten doch nicht sein, hast du immerhin den besten Tränkemeister an deiner Seite, den es auf der Welt gibt, um einen Gegentrank zu brauen, dafür werde ich sorgen.“
 

Auch wenn Draco von Snape sprach war Harry das egal. Er würde jede Hilfe annehmen, sollte er Probleme haben, seinen eigenen Körper und somit seine eigene Identität zurückzuerhalten.

Harry küsste Draco flüchtig. „Danke.“ Dann kuschelte er sich an ihn und eine ganze Weile blieben sie stumm und einträchtig so sitzen, bis Draco bemerkte, dass Harry an seiner Schulter eingeschlafen war. Vorsichtig brachte er ihn in eine liegende Position und legte sich dann zu ihm, um ihn in seine Arme zu ziehen.
 

Als Madame Pomfrey sie später fand, schliefen beide eng umschlungen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Salatgurke
2015-11-21T15:30:55+00:00 21.11.2015 16:30
Hallöle,
das war ein Hetero- Shonen-Ai One Shot XD~
Echt schön und süß ^^
Ich dachte erst das es Ärger geben würde weil Harry nicht gesagt hat das er kein Mädchen ist.
Obwohl ich mich ja schon gewundert hatte, das nicht mehr zur Sprache kam das Draco Harry entlarvt hat.
Aber so rum fand ich es auch süß.
Ich in zwar nicht so der Fan vom Schwanger werden aber hier passt es ja eigendlich schon wieder ^^
Also alles in allem echt gut gelungen!
lg
die Salatgurke
Von:  Omama63
2014-07-27T11:44:37+00:00 27.07.2014 13:44
Ein super OS und ein schönes Ende.
Hat mir sehr gut gefallen.
Mich hätte aber schon noch interessiert, wie es weiter geht und was Harry so in der Schwangerschaft durch macht, was er bekommen hat, ob er Voldi um die Ecke bringt und ob er sich wieder zurück verwandelt.
Klasse geschrieben.
Lg
Omama63
Von:  KessyKat
2014-07-22T22:51:45+00:00 23.07.2014 00:51
*seufz* schön <3
hat mir wirklich gut gefallen :)

das Einzige was mir nicht so gut gefallen hat war, dass es am Ende jetzt doch so schnell ging.. vor allem die Reaktion von Harry am Morgen danach konnte ich nicht nachvollziehen. Er hat nichtmal gestockt als Draco ihn mit "Harry" angesprochen hat und hat auch sonst nicht nachgefragt.. hat sich direkt verraten gefühlt, obwohl es eigentlich ja kein Verrat gewesen wäre im Fall von Mary = nicht Harry..

Antwort von:  -Ayla-
27.07.2014 18:42
Hi!

Danke für den Kommentar.
Seltsam, dass du das ansprichst, denn beides ist Absicht.
Harry steckt zu dem Zeitpunkt in einem Sturm der Gefühle, darunter wahrscheinlich auch Panik, daher bekommt er erstmal nicht mit, dass Draco ihn bei seinem richtigen Namen nennt. Das wird ihm erst in der Zeit später bewusst, denn er ist ja Harry, daher kommt es ihm erstmal nicht komisch vor. Er denkt, dass Draco ihn nur ausgenutzt hat und nicht nur weiß, wer er ist, sondern ihn auch verraten hat und er ihn mit dieser Nacht nur ablenken wollte.
Er reagiert in dem Moment einfach als Harry und sehr emotional und denkt in dem Moment nicht an seine Rolle als Mary. Und es wäre auch an Mary Verrat gewesen, da ja jeder weiß, wer und was Todesser sind und sie das sicherlich auch als eigenständige Person nicht tolleriert hätte.

LG


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