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Lost Future - Dark Paradise?

Same as it never was...
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Michael 16, Raph 28, Chen 32 Komplett anzeigen

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New chance without memory...

Eine Stunde später…
 

Murrend drückt Raphael seine Zigarette aus und streicht unbeherrscht mit dem Bleistift über das Papier. Es erinnert weit mehr an die Zeichnung eines kleinen Kindes als an die Aufstellung seiner Männer für die morgigen Missionen. Seufzend stößt er die Luft aus. Warum muss es auch so schwierig sein? Nicht zum ersten Mal fragt sich der Saikämpfer ob der alte Shredder jemals solche Probleme gehabt hat. Doch er kommt immer wieder zu dem Ergebnis, dass dem ganz sicher nicht so war. Die Foot haben ihren alten Meister gefürchtet. Aber die neuen Foot scheinen dieses Gefühl ihrem neuen Meister gegenüber nicht sonderlich oft zu haben. Ständig hat irgendwer irgendwas zu nörgeln. Der eine will lieber das machen, der andere wäre lieber mit dem in einem Team und so weiter. Wirklich zum Haare raufen. Wie gern würde er ihnen den Hals umdrehen, um diesem respektlosen Gezeter ein Ende zu setzen, doch dann hätte er am Ende der Woche keine Männer mehr. Also einfach die Zähne zusammenbeißen und brav lächeln! Vielleicht hat der eine oder andere dann einen kleinen Unfall? Doch solang er sich noch auf Chen verlassen kann, wird es auch ein Morgen geben…
 

Wenn man vom Teufel spricht, so eilt Chen gerade in diesem Moment den Gang zum Thronsaal entlang. Der Fund, den eines der Teams gemacht hat, geht nicht spurlos an dem Schwarzhaarigen vorbei. Zwar weiß er beim besten Willen nicht, um wen es sich bei dem Jungen handelt, zu lang liegt die Erinnerung zurück, doch die Waffen, die er bei sich trägt, lassen Chen vermuten, dass er doch einiges an Talent hat und daher unentbehrlich für die Foot sein könnte. Eine Tatsache, die er seinem Meister nicht vorenthalten möchte und junges Blut kann man immer gebrauchen! So klopft er beherzt an die schwere Stahltür, die zum Saal führt. Nur gedämpft kann er die missbilligende Antwort von der anderen Seite hören. Als Chen eintritt, wird ihm schnell klar, dass sich Raph noch immer mit der Truppenaufstellung herumschlägt und noch kein Stück weitergekommen ist, seit die Foot heute Morgen ausgeschwärmt sind. Beinahe mittleidig mustert er seinen Meister, ehe er zu ihm herantritt. Abwesend starrt der rote Ninja weiterhin auf das lädierte Papier. „Was willst du?“, kommt es daher nicht sonderlich freundlich von ihm, da er sich in seinem Denkprozess unterbrochen fühlt.
 

„Die Störung tut mir wirklich sehr leid, Meister, aber…“, setzt Chen an. „Schwafle nicht, sondern komm zum Punkt!“, unterbricht Raphael ihn ziemlich rau. Dieses ganze Denken und Organisieren ist einfach nichts für ihn und es ist mit den Jahren auch nicht leichter geworden. Nun, da alles an ihm hängt, versteht er endlich was für eine Last Leo und Donnie immer mit sich herumgetragen haben. Unter den harten Worten des Führers zuckt Chen kaum merklich zusammen. Er kann nur zu gut verstehen, wie ihm das alles auf die Nerven fällt, dennoch will er sich ja auch nicht helfen lassen. Der Japaner tritt einen Schritt näher heran und fängt von vorn an. „Team 5 hat vor kurzem einen neuen Überlebenden gefunden, Meister.“ Raphael hört ihm zwar zu, dennoch starrt er auch weiterhin verbissen auf sein fast unlesbares Gekritzelt. „Das ist wirklich schön, Chen. Aber ich hab dir schon mehrfach gesagt, dass du mir nicht jeden Neuzugang vorbeten musst! Es ist immer dieselbe Prozedur: ihnen werden die Waffen abgenommen, falls sie welche haben und dann kommen sie zur Erstversorgung auf die Krankenstation. Ist das denn so schwer?“
 

Raphaels Geduld hängt an einem dünnen Faden. Er dachte wirklich, dass Chen es langsam begriffen hätte, hat er ihm doch von den letzten zehn oder zwölf Leuten nur flüchtig in seinen Berichten erzählt. Warum muss er ihn dann denn jetzt stören, wo er so gar keinen Nerv dafür hat? „Das ist mir durchaus bewusst, Meister Shredder. Aber vielleicht solltet Ihr euch doch mal ansehen, was er für Waffen dabei hatte…“, versucht es der Schwarzhaarige. Genervt fährt sich Raph mit der Hand übers Gesicht und versucht sich an seine immer kleiner werdende Beherrschung zu klammern. „Herr Gott, Chen! Siehst du denn nicht, dass ich versuche zu arbeiten? Mal mir doch einfach ein Bild von der goldenen Knarre oder dem diamantenbesetzen Messerchen und dann verschwinde endlich!“, faucht der Saikämpfer seinen Untergebenen an. Dennoch starrt er auch weiterhin auf das Stück Papier. Unter den harten Worten zuckt der junge Japaner diesmal deutlich mehr zusammen. Er sieht sich schon Inbegriff zu gehen und das Ganze auf später zu verschieben, als die Kettenwaffen in seinen Händen leise klirren.
 

Das Geräusch scheint Raphael weit mehr zu erreichen, als die hilflosen Worte seines Gegenübers. Das markante Klingen der Kettenglieder begleitet ihn schon sein Leben lang, zumindest hat es ihn sein gesamtes letztes Leben begleitet. Es ist ihm so ins Blut übergegangen wie all die Moves, die er von seinem Meister Splinter gelernt hat. Es ist ein Geräusch, das so sehr zu seinem verstorbenen Bruder passt, wie die Tatsache das dessen Lieblingsessen Pizza war. Lautlos formen seine Lippen den Namen, an den er in den letzten zehn Jahren Tag und Nacht gedacht hat, ihn aber nur selten aussprechen konnte ohne gleich in Tränen auszubrechen: Mikey. Ruckartig hebt er den Kopf und sieht zum ersten Mal wirklich zu Chen hinüber. Dieser steht bewegungslos da, blickt hoffnungsvoll zu ihm hinüber und hält die Waffen in seinen Händen. Raphael kann kaum glauben, was er dort sieht. Als wäre er vom Anblick seines Herren hypnotisiert, gleitet Chen das zylindrische Gewicht der Kusarigama aus den Händen und landet mit einem dumpfen Knall auf dem roten Teppich. Diese ungewollte Geste scheint für den Roten einem Startschuss gleichzukommen.
 

Achtlos wirft er Papier und Bleistift zu Boden und erhebt sich ungelenk vom Thron. Mit offenem Mund, weit aufgerissenem Auge und nicht im Stande etwas zu sagen, stapft Raph auf ihn zu, gleich einem Welpen, der gerade erst gelernt hat nicht bei jedem zweiten Schritt umzufallen. Dennoch glaubt der Japaner, dass genau das jeden Augenblick passieren könnte. Schließlich steht der junge Clanführer vor ihm und mustert die Waffen vollkommen fassungslos. Dann ganz plötzlich reißt er sie Chen aus den Händen und umklammert sie mit zitternden Fingern. Das alles kann doch gar nicht möglich sein! Seine Männer und er selbst haben den East River an die tausend Mal durchkämmt und nichts weiter gefunden als Leos zerbrochenes Katana. Wo in Gottes Namen kommen dann jetzt Mikey´s Waffen her? Es besteht absolut kein Zweifel, dass die Nunchakus und die Kusarigama seinem Bruder gehören. Doch was für ein Mistkerl hat es gewagt, sie an sich zu nehmen und dann auch noch hier damit aufzutauchen? Unbändige Wut staut sich in ihm an. In seinen Gedanken kann es unmöglich sein, dass Mikey selbst noch am Leben ist.
 

Wenn dem auch nur ansatzweise so wäre, hätten sie ihn doch in diesen verdammten zehn Jahren finden müssen! Wutschnaubend dreht sich Raph zu Chen um. „Wo ist dieser verfluchte Mistkerl, der es wagt diese Waffen mit sich zu führen?“, knurrt er dem verwirrten Mann entgegen. „Er ist auf der Krankenstation, so wie es immer Euer Befehl war, Meister…“, er schluckt hart. So aufgebracht hat er den Saikämpfer schon lange nicht mehr erlebt. Doch warum macht ihn der Anblick der Waffen nur so fertig? Ob es etwas mit seiner verstorbenen Familie zu tun hat? Chen kann sich nicht mehr daran erinnern, welche Waffen seine Familie besessen hat, doch Raphaels Wutausbruch zufolge, müssen es wohl ganz Ähnliche gewesen sein. Der Rote umklammert die Waffen noch fester und läuft dann Richtung Tür. Der Zustand, in dem er sich befindet, behagt Chen überhaupt nicht und so läuft er ihm nach. „Bitte wartet, Meister!“ Raphael bleibt so abrupt stehen, dass der Schwarzhaarige fast mit ihm zusammengestoßen wäre. Wütend dreht sich der ehemalige Hamato zu ihm um. „Ich bin sicher, du hast noch viel zu tun, also kannst du jetzt gehen, Chen!“
 

„Ich bitte Euch, Meister, tut nichts Unüberlegtes…“, versucht er ihn zu beruhigen. Doch Raph lässt sich überhaupt nicht darauf ein. „Ich hab gesagt du kannst jetzt gehen! ALSO GEH!“, wirft der Foot-Clan-Führer ihm unbeherrscht entgegen und stößt ihn dann grob von sich. Unter dem strengen Auge des Rothaarigen richtet sich Chen langsam wieder auf. „Jawohl, Meister…“, kommt es leise von ihm, ehe er sich vorsichtig verbeugt und dann den Saal verlässt. Als die Tür ins Schloss fällt, beruhigt sich der Rüstungsträger wieder und starrt die Waffen an. Wer auch immer sie hierher gebracht hat, wird es teuer bezahlen! Mit schweren Schritten setzt er seinen Weg fort und erreicht bald darauf die Krankenstation. Kaum ein Mensch begegnet ihm. Die meisten Foot sind noch unterwegs und die Flüchtlinge verbringen die letzten warmen Tage des Jahres so oft wie möglich draußen. Dort wartet eh die meiste Arbeit. Schließlich müssen die Unterkünfte noch für den Winter vorbereitet werden. Raph ist sehr froh darüber. Würde ihm jetzt jemand begegnen und vielleicht auch noch eine dumme Frage stellen, würde er nicht wissen, ob er sich beherrschen kann.
 

Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden anzuklopfen, reißt der Saikämpfer die Tür zum Krankenzimmer auf. Polternd schlägt sie gegen die Wand und beschert dem armen Tierarzt damit fast einen Herzinfarkt. Die beiden Krankenschwestern sind zum Glück gerade auf der anderen Insel und kümmern sich dort um ein paar Leute, die schon die ersten Anzeichen der Grippe mit sich rumtragen. Bei Raph´s überschäumenden Verhalten wären sie sonst wohl noch in Ohnmacht gefallen, taucht er doch sonst nie hier auf. „Meister Shredder, was…?“, setzt Sam überrascht an. Allerdings wird er forsch von seinem Gegenüber unterbrochen. „Wo ist er?“ Wild funkelt den Tierarzt das verbliebene, gelbgrüne Auge seines Führers an. Die unbändige Wut sprüht geradezu daraus hervor. Sam will schon fragen, wen Raph überhaupt meint. Doch dann deutet er einfach auf ein Bett, das hinter einem Vorhang verborgen ist. „Er ist…“, setzt er an, um dem Roten zu erläutern wie es dem Neuzugang geht, doch Raphael unterbricht ihn wieder. „Schweig und verschwinde!“ Irritiert starrt Sam ihn an. „Aber, Meister!“ „Ich hab gesagt du sollt VERSCHWINDEN!“
 

Dass war mehr als nur deutlich für das sensible Gemüt des Veterinärs. Ohne einen weiteren Versuch zu unternehmen den Zustand seines Patienten zu erläutern, sucht der junge Mann das Weite. Nun endlich ist der rote Ninja allein und kann diesem hinterhältigen Mistkerl den Schädel einschlagen. Mit einer endlos liebevollen Geste legt Raph die Nunchakus seines verlorenen Bruders auf einen Beistelltisch und greift sich die Kusarigama. Mit einer Hand umklammert er den Griff und betätigt den Mechanismus, der die versteckte Klinge herausspringen lässt. Nach all den vielen Jahren ist der sichelförmige Stahl noch immer blank, glänzend und rasiermesserscharf. Wehmütig betrachtet der Ninja die Waffe einen Augenblick. Dann umklammert er den Griff fester und holt aus, während er mit der andern Hand den Vorhang zur Seite zieht. In blinder Wut lässt er die Klinge hernieder sausen, möge sie denjenigen in diesem Bett ein schnelles und viel zu gnädiges Ende bereiten! Es muss schnell gehen, auch wenn er diesen Mistkerl lieber ganz langsam zu Tode quälen möchte. Doch seine Gefühle sind so sehr am Ende, das er jeden Moment zusammenbrechen könnte.
 

Die Spitze der Klinge ist nur noch Zentimeter vom Schädel ihres Opfers entfernt, da registriert Raph plötzlich wer dort im Bett liegt. Wie zur Salzsäule erstarrt bremst er den Angriff in letzter Sekunde ab und die Waffe landet polternd auf dem Boden. Sein Auge spielt ihm einen Streich, ganz sicher. Er hat es den ganzen Morgen so überanstrengt und jetzt gaukelt es ihm etwas vor. Ungläubig wendet er sich ab und reibt sich das Auge und die Schläfen. Auf einmal hat er ganz schreckliche Kopfschmerzen. Er atmet ein paar Mal durch und dreht sich dann wieder zum Bett herum. Doch das Bild ist immer noch dasselbe! Dort in diesem Bett liegt ein Junge von vielleicht gerade mal sechszehn Jahren. Ein dicker Verband liegt um seinen Kopf, dennoch schaut ein Büschel wilder, blonder Haare heraus. Neben dem Bett steht ein Stuhl auf dem die Kleider des Jungen liegen: ein grüner Overall und ein oranges Shirt. Über der Lehne hängt ein schmales, oranges Stoffstück bei dem es sich nur um Mikey´s Bandana handeln kann. Doch das alles ist vollkommen unmöglich! Mikey müsste tot sein. Er hat selbst gesehen wie das Wasser ihn verschluckt hat!
 

Selbst wenn er das alles irgendwie überlebt haben sollte, müsste er jetzt 26 Jahre alt sein! Dennoch sieht der Junge dort im Bett keinen Tag älter aus als von zehn Jahren. So kindlich, rein und voller Unschuld wie es ihm schon immer eigen war. Raph ist vollkommen durcheinander. „Ich muss fantasieren! Ja, genau! Eine andere Möglichkeit gibt es gar nicht. Ich hab mir so lange gewünscht ihn wiederzusehen, dass mir mein Hirn jetzt einen Streich spielt! – Und klar sieht er immer noch aus wie damals, ich kann ja auch gar nicht wissen wie er mit 26 aussieht, da er nie so alt geworden ist! Für mich war er immer der kleine Bengel, der mich in den Wahnsinn getrieben hat…“ Sein Kopf droht fast zu platzen. Seine Wunschgedanken lösen sich langsam in Luft auf, doch der Junge im Bett sieht weiterhin aus wie sein kleiner Bruder. „Ich versteh es einfach nicht…“, beginnt Raphael zu jammern. Langsam sinkt er neben dem Bett auf die Knie. Vorsichtig streckt er eine Hand aus und gleitet vorsichtig über die Wange des Jungen. Die Haut unter seinen Fingern fühlt sich so herrlich warm und weich an, ganz so wie er sie in Erinnerung hat.
 

Der Junge rührt sich nicht, scheint zu schlafen und Raph fühlt sich zurückversetzt in die Zeit vor dem Krieg. Zurück in eine Zeit, in der er Nacht für Nacht versucht hat seinem Bruder auf unmoralische Weise nahe zu sein. Damals hat Mikey nichts von alledem bemerkt und einfach weitergeschlafen. Jetzt ist es Raph egal. Er will, dass er aufwacht und mit ihm spricht. Ihm beweist, dass das Ganze nicht doch ein viel zu schöner Traum ist. Sanft streicht er weiter über die Wange des Jungen. „Hey, Mikey, Zeit aufzumachen!“ Doch nichts geschieht. Der Blonde liegt weiterhin vollkommen reglos da und atmet langsam ein und aus. Reflexartig legt Raph ihm zwei Finger an den Hals und sucht nach der Hauptschlagader. Er findet seinen Puls, schwach aber gleichmäßig. Irgendetwas stimmt nicht. Mikey schläft nicht! Überfordert erhebt sich der Saikämpfer und rüttelt an dem Jungen. „Wach auf, verflucht noch mal!“ Doch auch das bringt nichts. Wenn sein Verstand ihm schon weiß machen will, dass Mikey dort im Bett liegt, warum lässt er ihn denn dann nicht auch aufwachen und alles wieder so sein wie früher?
 

Er begreift es einfach nicht. Heiße Tränen beginnen hinter seinem Auge zu brennen, doch er vertreibt sie energisch. Ruckartig steht er auf und stapft zur Tür hinüber. Haltlos reißt er sie auf. „SAM – SAM, verdammt noch mal, wo steckt dieser dämliche Viehdoktor?“, ruft er auf den Flur hinaus. Raph ist schon kurz davor jegliche Beherrschung zu verlieren, als Sam vorsichtig den Kopf um die Ecke steckt. „Ihr – Ihr habt gerufen, Meister…?“, kommt es vorsichtig von ihm. Als Raph ihn sieht, beruhigt er sich schlagartig und blickt den jungen Arzt voller Panik an. Dieser erwidert seinen Blick mit dem Ausdruck eines scheuen Hamsters, der vor einer hungrigen Katze hockt. Er steht kurz vor einer Schockstarre, ist jedoch noch zur Flucht bereit, sollte Raph erneut die Stimme erheben und ihn anschreien. Mit seiner sensiblen Persönlichkeit ist es ein echtes Wunder, dass Sam den Beruf des Tierarztes überhaupt ausüben kann, ohne jedes Mal einen Nervenzusammenbruch zu erleiden, wenn ein Tier unter seinen Händen stirbt. Nun die Verantwortung für Menschen tragen zu müssen, hat das Ganze nur noch schlimmer gemacht.
 

„Komm wieder rein, ich hab ein paar Fragen an dich…“, kommt es schließlich in einem erzwungen ruhigen Ton von dem Rüstungsträger. Sam macht vorsichtig zwei Schritte Richtung Tür. „In Ordnung. – Doch bitte schreit mich nicht wieder an…“, flüstert er schon fast. Raphael ringt sich ein beschwichtigendes Lächeln ab, muss sich aber fest auf die Zunge beißen, um ihm keine patzige Antwort zu geben. Er weiß wie schwer Sam seine Arbeit fällt und das er damit nicht glücklich ist, doch Raph fühlt sich im Moment nicht viel besser, in Anbetracht das dort drinnen Mikey liegt und er einfach nicht weiß warum. „Ich werde mir Mühe geben…“, versichert ihm der Saikämpfer und beißt sich abermals auf die Zunge. Unsicher mustert der Tierarzt den jungen Mann vor sich, ehe er sich an ihm vorbei ins Krankenzimmer schleicht und dabei peinlich genau darauf achtet, den größtmöglichen Abstand zu seinem Gegenüber zu wahren. Der Rote folgt ihm und kann bei dieser Show nur hilflos mit dem Auge rollen. Als er den Raum betritt, ist Sam zu einem Regal in der Ecke gehuscht und sucht nach der Krankenakte, die von jedem Neuzugang angelegt wird.
 

Während der Arzt die namentlich sortierten Akten durchsieht, wandert Raphaels Blick unweigerlich zum Bett hinüber. Der blonde Junge darin wird so klein und zierlich, als hätte er eine wirklich schlimme Krankheit. Am liebsten würde Raph jetzt zu ihm hinüber gehen und ihn fest in die Arme schließen. Ihm all seine Liebe und seine Trost spenden, die er in den vielen Jahren für ihn bereit gehalten hat. Doch das geht nicht. Als neues Oberhaupt des Foot-Clans und wohlmöglich einziger Herrscher dieser neuen Welt, kann er sich solche Gefühlsausbrüche nicht leisten solange ein anderer im Raum ist. Daher schluckt er schweren Herzens seine Emotionen herunter und zieht stattdessen einen Stuhl an das Bett heran und setzt sich. Stumm starrt er auf den Jungen, bis er ein zaghaftes Räuspern von Sam vernimmt. Erwartungsvoll wendet er ihn den Blick zu, doch allein schon diese Geste scheint den Arzt fast aus der Fassung zu bringen. Er scheint einen unglaublichen Respekt vor dem Ninja zu haben, oder unglaubliche Angst, obwohl Raph ihm nie einen Grund dazu gegeben hat, außer dass er schnell laut wird.
 

Der Tierarzt schluckt schwer, ehe er den Mund öffnet und mit zitternden Händen aus der dünnen Akte vorliest. „Der Patient wurde heute um 14:22 Uhr von den Foot-Ninjas hergebracht. – Er ist männlich, weiß, vermutlich amerikanischer Abstammung, naturblond, blauäugig, geschätzt zwischen 15 und 18 Jahre alt, 170 Zentimeter groß und 53 Kilo schwer. Des Weiteren…“ Diese ganzen offensichtlichen Fakten interessieren Raph keines Wegs, doch er beherrscht sich und lässt Sam weitersprechen. Als der Veterinär jedoch Mikey´s Gewicht nennt, zuckt der Saikämpfer leicht zusammen. Sein kleiner Bruder war zwar immer schon leicht gebaut, aber das ist wirklich zu wenig. Kein Wunder also, dass er so ausgezehrt und kränklich aussieht. ‚Er muss tagelang nichts gegessen haben…‘, geht es ihm durch den Kopf. Eine Tatsache, die für Mikey völlig undenkbar scheint, selbst wenn man nicht weiß was er für ein Vielfraß ist. Besorgt schaut er ihn an und ringt um Fassung, während Sam gerade verliest was er alles bei sich getragen hat. „Sam? Können wir das vielleicht überspringen und du sagst mir einfach wie er heißt und wie es ihm geht?“
 

Etwas irritiert sieht der Angesprochene von dem Blatt Papier auf und versucht den seltsamen Ausdruck in dem gelbgrünen Auge zu deuten. Es scheint fast so als würde sich sein Führer Sorgen um den Jungen machen. Eine Tatsache, die Sam noch nie beobachtet hat. Schließlich hat sich Raph auch noch nie die Mühe gemacht, sich nach einen von ihnen zu erkundigen, geschweige denn hier herunter zu kommen und ihn in Augenschein zu nehmen. „J-ja, ok. A-aber das kann ich leider nicht. – Er hatte keinen Ausweis oder Ähnliches bei sich…“, erwidert Sam unsicher und versucht sich dabei schon fast hinter der Akte zu verstecken. Raph tut das Ganze aber mit einer Handbewegung ab. Schließlich weiß er ja wie der Junge heißt und im Ernstfall kann Sam ihn ja auch fragen wenn er aufwacht. Raph wird ihm seinen Namen zumindest nicht verraten. Niemand soll wissen, dass sie Brüder sind, sonst könnte es vielleicht gefährlich werden. „Schon gut. Erzähl mir etwas über seinen Zustand.“, fordert der ehemalige Hamato nun ein. Sam nickt eifrig und blättert dann in der dünnen Akte herum, wobei er sie fast fallen lässt.
 

Geduldig beobachtet der Rüstungsträger in dabei. Innerlich wünscht er sich aber, dass sich Sam mal ein paar Eier wachsen lässt und diese Schulmädchennervosität endlich ablegt. „Ähm – Sein Körper weißt allerhand Narben auf, die aber von älteren Verletzungen herstammen. – Er ist ziemlich abgemagert. Sein Rachen ist ganz wund, vermutlich hat er sich einen Virus oder Ähnliches eingefangen und hat sich in den letzten Stunden oder Tagen häufig übergeben müssen.“ Das beantwortet immerhin schon mal eine Frage, die sich Raph gestellt hat. „Ich hab ihm eine Infusion gegeben, um den ganzen Verlust wieder aufzuarbeiten. – Zudem hat er eine Platzwunde am Hinterkopf. Sie ist ziemlich tief, doch der Knoche darunter scheint nicht beschädigt zu sein. Die Wunde hat schon angefangen zu heilen, was mich vermuten lässt, dass er sie sich ebenfalls vor ein paar Tagen zugezogen haben muss. – Außerdem hat er mehrere Schnittwunden an den Fußsohlen. Da er ohne Schuhe unterwegs war, hat er sich wohl an den Trümmern verletzt. Alle Wunden waren ziemlich schmutzig, weswegen ich ihm Antibiotika gegeben hab. Leider hab ich nichts anderes und ich hoffe, ich kann damit vermeiden, dass er sich eine Blutvergiftung zuzieht…“
 

Unsicher blickt er den Rothaarigen an, als könnte dieser ihm etwas nennen, das den Zustand des Jungen verbessern könnte. Doch Raph schweigt und lässt das Ganze erst mal auf sich wirken. Was hat Mikey nur alles durchgemacht und wo hat er die ganze Zeit gesteckt? Fragen die ihm als einziger nur sein Bruder beantworten kann. „Wann denkst du wird er aufwachen?“ Unsicher blickt der Arzt zu dem Blonden hinüber. „Das kann ich leider nicht sagen. – Die Foot haben ihn bewusstlos auf einer Brücke gefunden. – Seitdem ist er noch nicht wieder zu sich gekommen. Und ich fürchte der Schlag auf den Kopf und der Energiemangel haben ihn in eine Art komatösen Zustand sinken lassen. Zudem hat er Fiber, was meine Befürchtung nur noch unterstützt. – Wenn die Medikamente noch rechtzeitig anschlagen, kann er in ein paar Stunden schon wieder auf den Beinen sein, andernfalls kann es noch Tage oder sogar Wochen dauern. – Oder vielleicht auch gar nicht mehr…“ Den letzten Satz flüstert er so leise, das Raph ihn schon gar nicht mehr versteht, dennoch hat er gewusst, dass so eine Möglichkeit besteht. Mit Kopfverletzungen ist nicht zu spaßen, erst recht nicht wenn er damit schon tagelang durch die Gegen geirrt ist.
 

„Meister Shredder, darf ich Euch etwas fragen…?“, kommt es vorsichtig von dem Tierarzt. „Warum nicht?“, erwidert Raphael abwesend und starrt nur weiterhin auf den schlafenden Jungen. „Ähm – mir scheint, dass Euch der Junge irgendwie nahe geht und ich frage mich, ob das einen bestimmten Grund hat…“ Der Saikämpfer braucht einen Augenblick bis er antworten kann. „Vor sehr vielen Jahren kannte ich mal einen Jungen, der ihm sehr ähnlich sah und der mir viel bedeutet hat. Er ist gestorben und ich konnte es nicht verhindern. - Daran musste ich denken, als ich ihn gesehen hab. – Daher hoffe ich, dass es mit ihm nicht auch so endet…“, sichtlich kämpft Raph mit sich und Sam tut es jetzt schon leid, dass er überhaupt gefragt hat. „Entschuldigen Sie, dass war keine gute Frage…“ „Nein, schon gut. Das konntest du ja nicht wissen. - Vergessen wir es einfach und hoffen das Beste.“ Raph ringt sich ein Lächeln ab, doch Sam hadert dennoch mit sich, überhaupt gefragt zu haben. Nach ein paar, schweigenden Momenten entschuldigt sich Sam. Er muss noch auf die Nachbarinsel und sehen wie die beiden Krankenschwestern vorankommen.
 

Raph kann es nur recht sein, dann kann er etwas Zeit allein mit Mikey verbringen und muss seine Gefühle nicht mehr so zwanghaft verstecken. Lange Zeit sitzt der rote Ninja da und beobachtet den reglosen Jungen. Nach einer Weile erreichen seine sentimentalen Gefühle ihren Höhepunkt und er fängt an mit ihm zu reden. Erzählt ihm Geschichten aus ihrer gemeinsamen Kindheit und vieles andere, an das er sich noch erinnert. Mehrmals versucht er ihn wachzurütteln, da es ihn in den Wahnsinn treibt keine Antwort von ihm zu bekommen. Doch an seinem Zustand ändert sich nichts. Dies stimmt den jungen Führer nur noch trauriger. Mehrmals fragt er sich, warum ihm eine höhere Macht seinen geliebten Bruder zurückgebracht hat und ihn dann damit quält, zusehen zu müssen wie er ihm wieder endleitet. Am Ende fordert die Erschöpfung ihren Tribut. Als Sam am späten Abend in das Krankenzimmer zurückkehrt, liegt Raph schlafend mit dem Oberkörper auf dem Bett. Seine Rüstung hat er irgendwann abgelegt. Die Einzelteile liegen auf dem Boden verstreut.
 

Seinen eindrucksvollen Meister so zu sehen, ist für ihn ein komisches Gefühl. Ohne seine Rüstung sieht er so friedlich aus wie ein ganz normaler, junger Mann. Das einzig Störende in diesem Bild stellt nur die Augenklappe da, die Raph wieder einen eher verwegenen Ausdruck verleiht. Unbeholfen tapst Sam von einem Bein aufs andere, doch schließlich nimmt er seinen Mut zusammen und rüttelt vorsichtig an Raphaels Schulter. Ein tiefes Brummen ist die Antwort und es macht dem Veterinär schnell klar, dass Raph ohne Rüstung vielleicht harmloser wirkt, es aber keines Falls auch ist. Erschrocken entfernt er sich wieder, doch der Saikämpfer erwacht langsam aus seinem Schlaf. Blinzelnd und desorientiert schaut er sich um, bis sein Blick auf den Arzt fällt. Als sich ihre Blicke treffen, wird Raph wieder bewusst was passiert ist und er setzt sich kerzengerade hin und räuspert sich. „Was guckst du denn so?“, fährt er sein Gegenüber etwas schroff an. Sam entfernt sich noch zwei Schritte. „Es tut mir leid! – Ich dachte nur, es wäre vielleicht besser wenn Sie in ihr eigenes Bett gehen würden, ehe sie sich noch den Rücken verrenken…“
 

Hey, brother

There's an endless road to be discovered
 

Erst jetzt schaut Raph flüchtig auf die Wanduhr und ist überrascht von der späten Stunde. Und als hätte Sam es heraufbeschworen, jagt ein stechender Schmerz durch seinen Rücken, als er versucht aufzustehen. Ungelenk plumpst der Rothaarige wieder auf seinen Hintern und wirft einen warnenden Blick zu seinem Gegenüber. Der Tierarzt schweigt und blickt stattdessen zu seinem Patienten hinüber. „Es hat sich nichts verändert, oder?“, fragt der Saikämpfer, während er einen weiteren Versuch unternimmt aufzustehen. Diesmal schafft er es auch. Doch die Gelenke in seinem Rücken geben ein unschönes Knacken von sich, bei dem Sam eine Gänsehaut bekommt. Kaum merklich verzieht der Führer das Gesicht und streckt sich, wobei noch mehr Knacken zu hören ist. „Nein, alle Werte sind unverändert…“ „Na schön, dann sollten wir wohl beide lieben ins Bett gehen…“, schlägt Raph vor, während er seine Rüstung zusammensammelt. „Ja, gut. – Braucht Ihr noch irgendetwas?“ „Nein, geh nur. Ich komm gleich nach.“ Kaum hat der Meister ihm das gestattet, schlüpft Sam auch schon durch die Tür und verschwindet ins Nebenzimmer, wo er seinen Schlafplatz hat, um im Ernstfall schnell zur Stelle zu sein.
 

Hey, brother

Know the water is sweet but blood is thicker
 

Mit schweren Schritten und schon wieder halb schlafend stapft Raphael zur Tür. Doch noch ehe er die Hand auf die Klinke legen kann, vernimmt er ein tiefes Stöhnen hinter sich. Ruckartig dreht er sich herum. Zuerst denkt er, er hätte es sich nur eingebildet, doch dann sieht er wie sich Mikey schwach unter der Decke bewegt. Sein Herz setzt für einen Moment aus, ehe es mit doppelter Geschwindigkeit wieder loslegt und Raph fast den Atem raubt. Unbeholfen lässt er seine Rüstung wieder zu Boden gleiten und nähert sich dem Bett. Schmerzlich windet sich der blonde Junge unter der Decke und wirft den Kopf von einer Seite auf die andere, fast so als hätte er einen Albtraum. Wie hypnotisiert lässt sich der Rote wieder auf den Stuhl sinken und ergreift eine Hand seines Bruders. Sie ist eiskalt. Als Raph ihre Finger miteinander verschränkt, klammert sich der Junge wie ein Ertrinkender an ihn. Diese Geste erschreckt den sonst so touchen Ninja. Mikey scheint sich mit aller Macht an die Oberfläche zu kämpfen und greift dabei nach jedem Strohhalm. „Mikey? – Hörst du mich? Du musst aufwachen!“
 

Oh, if the sky comes falling down, for you

There's nothing in this world I wouldn't do
 

Es scheint als würde der Blonde ihn hören, doch es gelingt ihm nicht die Augen zu öffnen. „Bitte, Mikey, wach auf!“, bettelt er schon fast. Eine unbekannte Verzweiflung ergreift ihn. Wäre doch Donnie jetzt hier, er wüsste ganz sicher was helfen würde. Die Erinnerung an seine Brüder schmerzt noch viel mehr, jetzt wo einer von ihnen hier ist und er ihm nicht helfen kann. „Bitte, wach auf…“ Raph ist den Tränen nahe und gerade als er sich ihnen endlich ergeben will, rührt sich Mikey nicht mehr. Geschockt starrt der Ältere ihn an. Jedes weitere Wort bleibt ihm im Hals stecken. Dann plötzlich zucken Mikey´s Augenlider. Schwach beginnt er zu blinzeln und schließlich sehen sich die beiden Brüder nach über zehn Jahren das erste Mal wieder in die Augen! Raph ist vollkommen fassungslos. Alle Gefühle stürzen auf ihn ein und am liebsten würde er den Jungen jetzt in seine Arme reißen und nie mehr loslassen. Ehe er das jedoch tun kann, dringt Mikey´s Stimme schwach an sein Ohr. „Wo bin ich? – Was ist passiert?“ Hilflos versucht er sich in dem völlig fremden Raum umzusehen und hält sich mit der freien Hand den dröhnenden Kopf.
 

Hey, brother

Do you still believe in one another?
 

„Du bist in einem Krankenzimmer. Ein paar Männer haben dich bewusstlos auf einer Brücke gefunden.“ Raph fällt dich Beherrschung unglaublich schwer, doch er will seinen Bruder nicht gleich überfordern, immerhin ist er ja verletzt. „Ja – die Brücke. – Ich wollte Menschen suchen und dann wurde plötzlich alles schwarz…“ Ihre Blicke treffen sich wieder und jetzt merkt Mikey auch, dass Raph seine Hand hält. Irritiert blickt der Jüngere ihn an und windet dann schnell seine Finger aus der Hand des anderen. Er scheint sogar vor ihm zurückzuweichen. Überrascht lässt Raphael es geschehen. „Wer bist du?“, fragt der Blauäugige leicht verängstigt über die unerwartete Nähe. Für Raph ist es wie ein Schlag ins Gesicht. Sein eigener Bruder erkennt ihn nicht mehr? Was soll er jetzt nur tun? Ihm die Wahrheit sagen oder ihn anlügen? Zehn Jahre haben an ihm viel verändert, doch eigentlich ist nicht zu übersehen, dass er immer noch derselbe ist. Dann fällt ihm Mikey´s Kopfverletzung wieder ein. Donnie hatte mal erzählt, dass man sein Gedächtnis verlieren kann, wenn man einen Schlag auf den Schädel bekommt. Vielleicht ist es ja das?
 

Hey, brother

Do you still believe in love, I wonder?
 

„Ich bin so was wie der Chef hier. Aber eigentlich ist das im Moment nebensächlich. Verrat mir doch deinen Namen, damit ich dir helfen kann.“, versucht der rote Ninja es stattdessen. Abschätzend blickt der blonde Junge ihn an. In seinem jugendlichen Gesicht beginnt es zu arbeiten. Doch es scheint ihm ziemlich schwer zu fallen darüber nachzudenken. Abermals drückt er sich die Hände gegen die pochenden Schläfen und beißt die Zähne zusammen. Für Raph ist es nicht zu übersehen, das Mikey wohl wirklich an Gedächtnisschwund leidet. „Ich – ich – weiß ihn nicht! Ich weiß meinen eigenen Namen nicht!“, bricht es plötzlich aus dem verzweifelten Jungen heraus. Hemmungslos rinnen Tränen über seine Wangen. Dem Saikämpfer bricht es das Herz ihn so zu sehen. Und doch kann er ihm nicht helfen. Soweit er weiß, sind diese Lücken nur vorübergehend und früher oder später wird er sich wieder an alles erinnern. Bis dahin allerdings wird Raph es tunlichst vermeiden, ihm auf die Nase zu binden, dass sie Brüder sind. Es würde nur Unruhe in seine Männer bringen, weil sie denken könnten, dass er Mikey dann bevorzugt behandeln wird.
 

Oh, if the sky comes falling down, for you

There's nothing in this world I wouldn't do
 

Außerdem wird es noch schlimm genug für den Nunchakuträger werden, wenn er sich wieder an alles erinnert und feststellt, dass er nun Mitglied im Foot-Clan ist und sein eigener Bruder Shredders Posten übernommen hat. Diese Entscheidung fällt Raph schwerer als jede andere in seinem Leben, doch er hat keine andere Wahl. Andererseits hat er damit die Chance eine neue Beziehung zu ihm aufzubauen, einiges anders zu machen, was er in seinem früheren Leben vielleicht bereut hat. Und vielleicht kann er sich so auch Mikey nähern ohne in ihm ein falsches Gefühl auszulösen, nur weil sie blutsverwand sind. Er könnte eine richtige Partnerschaft mit ihm führen, ohne das seine Männer mehr dagegen sagen können, als das ihr Führer jetzt unter die warmen Brüder gegangen ist. Diese Gedanken wecken etwas mehr Hoffnung in dem Rüstungsträger. Etwas unbeholfen zieht er den weinenden Jungen in seine Arme und streicht ihm beruhigend über den Rücken. „Hey, ist schon gut! Er wird dir schon wieder einfallen und bis dahin überleg ich mir halt einen anderen Namen für sich, ok?“ Nur ein wenig entspannt sich der Junge in seinen Armen. „O – o – kay…“, wimmert er.
 

What if I'm far from home?

Oh, brother, I will hear you call
 

Raph beginnt zu überlegen, während der Blonde sich langsam mit dem Gedanken anfreundet, einem völlig Fremden so nahe zu sein. Der Saikämpfer würde ihn schon gern bei seinem richtigen Namen nennen, doch er weiß nicht, ob es nicht jemanden in seiner Truppe oder unter den Flüchtlingen geben könnte, dem das Ganze komisch vorkommt und es dann Probleme gibt. Aber etwas Ähnliches wird es doch sicher geben, dass er benutzen kann. Im Geiste geht er sämtliche Spitznamen durch, die Mikey im Laufe seines Lebens so bekommen hat. Mit seinem Namen lässt sich ja einiges machen, doch nicht alles hat dem aufgeweckten Jungen zugesagt, weswegen sie dann eigentlich bei Mikey hängengeblieben sind, da es seine kindliche Ader ziemlich gut zur Geltung gebracht hat. Ein Name hat ihm jedoch nie gefallen: Michael. Er wusste selbst nicht warum. Vielleicht weil er mal einen Mitschüler mit diesem Namen hatte, der immer fies zu ihm war. Also wäre das wohl der richtig Name, um ihn jetzt zu benutzen. Dann merkt Raph wohl auch am ehesten, wenn Mikey wieder er selbst ist und sich über diesen unmöglichen Namen beschwert.
 

What if I loose it all?

Oh, brother, I will help you back home
 

„Was hältst du von Michael?“, fragt der Ältere vorsichtig. Langsam richtet sich der Junge wieder auf und reibt sich kindlich die Tränen aus den Augen. Japsend schnappt er nach Luft und beruhigt sich allmehlig wieder. „Ich – ich denke, - dass klingt ganz gut…“, gibt er unsicher von sich, muss er sich doch erst noch an diesen fremdklingenden Namen gewöhnen. Ein kleines, aber sanftes Lächeln huscht über Raph´s Züge. „Ok, Michael. An was kannst du dich denn noch alles erinnern? Du hast gesagt, du hast nach Menschen gesucht.“ Ein wenig Enttäuschung schwingt durch seinen Kopf, hatte er doch die leise Hoffnung gehegt, dass dieser verhasste Spitzname Mikey vielleicht die Erinnerung zurückbringt. Mit einem deutlich erschöpften Ausdruck im Gesicht, lehnt sich Michael mit dem Rücken gegen die Wand und denkt nach. „Alles, an das ich mich erinnern kann, ist vor ein paar Tagen passiert. – Um mich herum war alles dunkel und kalt. Ich hab versucht Luft zu holen, doch es ging nicht. Schließlich hab ich gemerkt, dass ich unter Wasser bin und hab es dann irgendwie an die Oberfläche geschafft.“
 

Oh, if the sky comes falling down, for you

There's nothing in this world I wouldn't do
 

Schweigend lauscht Raph seinen Worten und macht sich dabei so seine Gedanken. ‚Er ist im Wasser zu sich gekommen? Etwa im East River? Schon möglich, aber warum haben wir ihn dann in den letzten zehn Jahren nicht gefunden? Wir haben alles so oft abgesucht! Vielleicht ist er auch schon viel länger umhergeirrt ohne sich erinnern zu können und ist dann irgendwie ins Wasser gefallen? Doch warum ist er dann keiner Tag älter als damals?‘ So viele Fragen, Raph platzt fast der Kopf und dennoch wird Michael ihm keine davon beantworten können. „Oben war es auch dunkel. Die Sonne war schon untergegangen. – Ich wollte ans Ufer, doch da war eine Mauer, die ich nicht raufgekommen bin. Dann hab ich diese merkwürdigen Dinger an meinem Gürtel entdeckt und mich damit hochgezogen.“ Gedankenverloren deutet der Junge auf die Kusarigama und die Nunchakus, die noch immer auf einem kleinen Tisch in der Nähe liegen. „Am Ufer war auch alles dunkel. Nirgends hat Licht gebrannt, obwohl es noch gar nicht mitten in der Nacht war. – Dass hat mich gewundert und ich hatte Angst. Irgendwie hatte ich das Gefühl vollkommen allein auf der Welt zu sein…“
 

Hey, brother

There's an endless road to be discovered
 

Eine einzelne Träne kullert an seinen geröteten Wangen hinab. Raphael kann ihn vollends verstehen. Nach dem Kampf mit Shredder, als er als einzig Überlebender in einem Flammenmeer stand kam er sich auch vor wie der letzte Mensch auf Erden. Seine Hände krampfen sich auf seinem Schoß zusammen und es erfordert seine ganze Willenskraft sie wieder zu öffnen. Er will es unbedingt vermeiden, den Jungen jetzt irgendwie mit seinem Verhalten zu verschrecken. „Ich bin durch die Nacht geirrt und hab einen Platz zum Schlafen gesucht. Den hab ich auch gefunden, doch mir ist nicht ein einziger Mensch begegnet. – Und irgendwie waren auch alle Gebäude, die ich gesehen hab, kaputt. Dass hat mir nur noch mehr Angst gemacht und ich kam mir noch einsamer vor…“ Schließlich erzählt er weiterhin wie er nach Essbarem gesucht hat, es aber nicht bei sich behalten konnte und letztendlich zusammengebrochen ist. „Was ist nur passiert? Wo sind all die Menschen?“, fragt Michael nach einer langen Pause. Nachdenklich betrachtet der Ältere ihn und dann ringt er sich zu einer Antwort durch.
 

Hey, brother

Do you still believe in love, I wonder?
 

„Vor zwölf Jahren hat ein tyrannischer Möchtegernherrscher einen Krieg angezettelt, der die ganze Welt in Schutt und Asche gelegt hat. – Die Menschen haben sich versucht gegen ihn zu wehren oder sie sind geflohen, in der Hoffnung einen Platz zu finden, den er noch nicht vernichtet hat. Der Krieg dauerte zwei Jahre. Meine Familie und ich haben sich diesem Mistkerl in den Weg gestellt. – Es ist uns gelungen seine Männer niederzustrecken. Doch seine Waffen waren mächtiger als wir. Ich musste mit ansehen wie er meine gesamte Familie getötet hat. – Erst danach ist es mir gelungen ihn zu vernichten…“ Raphaels Stimme bebt bei jedem Wort, doch er kann sich zusammenreißen – fürs Erste. An Michael geht die Geschichte jedoch nicht so spurlos vorbei. Mit offenem Mund hört er schweigend zu, während neuerliche Tränen sein zartes Gesicht benetzen. „Dass – dass ist ja schrecklich!“, presst er flüsternd hervor. Stumm nickt der Saikämpfer und sammelt sich ein wenig.
 

Oh, if the sky comes falling down, for you

There's nothing in this world I wouldn't do
 

„Nach meinem sinnlosen Sieg über diesen Tyrannen hab ich dessen Platz eingenommen und versuche jetzt unter seinem Namen die Welt wieder aufzubauen und seine Missetaten ungeschehen zu machen. – Ich habe starke Kämpfer an meiner Seite, die täglich nach neuen Überlebenden des Krieges suchen und so auch dich gefunden haben. Ich versammle alle Menschen hier an diesem sicheren Ort und versuche ihnen ein neues Zuhause und eine neue Zukunft zu geben.“, sanft lächelt er dem Jungen zu, der die Geste nicht weniger sanft erwidert. „Du bist stark und hast ganz ausgezeichnete Waffen bei dir. Von daher würde es mich sehr freuen, wenn du in meiner Truppe mitmachen möchtest.“ Langsam reicht Raph ihm eines der Nunchakus herüber. Unsicher nimmt der Junge es in die Hand und scheint damit doch nichts anzufangen zu wissen. „Ja – ich denke, dass könnte ich machen. – Zumindest wenn mir jemand zeigt wie man damit richtig umgeht…“, zweifelnd sieht er den Älteren an. „Das ist kein Problem, wie haben hier einen ausgezeichneten Trainer, der dir alles beibringen wird, was du wissen musst.“
 

What if I'm far from home?

Oh, brother, I will hear you call
 

Ein vorfreudiges Lächeln breitet sich auf den Zügen des Blonden aus. Dann beginnt er erschöpft zu gähnen und steckt Raph gleich mit an. Langsam erhebt sich der Rothaarige. „Ich denke, wir reden morgen weiter. Jetzt solltest du dich ausruhen und Kraft tanken. Immerhin wartet eine wichtige Aufgabe auf dich!“ „Ja, dass mach ich…“, kommt es zwischen einem weiteren Gähnen von Michael, ehe er zurück unter die Bettdecke huscht und die Augen schließt. Mit einem letzten, sanften Lächeln sammelt Raphael endgültig seine Rüstung ein und begibt sich in sein Zimmer. *Mikey ist hier, und alles wird gut werden, denkt Raph, und es erfordert seine ganze Anstrengung, dass er nicht in äußerst unmännliche Tränen ausbricht. Doch hinter der verschlossenen Tür sieht es ganz anders aus. Ungeachtet schmeißt er seine Rüstung zu Boden und wirft sich dann auf sein Bett. Nun, da er ganz allein ist, kann er endlich seinen Gefühlen freien Lauf lassen. Ungehemmt kullern Tränen über seine Wangen und sein hoffnungsloses Schluchzen erfüllt den Raum.
 

What if I loose it all?

Oh, brother, I will help you back home
 

Mikey ist vielleicht wieder bei ihm, doch irgendwie ist er es ja auch nicht. Es ist so schrecklich seinem eigenen Bruder so nahe zu sein und doch weiß dieser nicht, dass sie Brüder sind. Gemeinsam haben sie so vieles durchgemacht und doch ist nun nichts mehr davon geblieben. Neuanfang schön und gut. Doch wie soll er das anstellen, wenn er jedes Mal heulen möchte sobald er dem Jungen auch nur ins Gesicht sieht? Die einzige Hoffnung ist, dass er sich bald wieder an alles erinnert. Doch macht es dass dann wirklich besser für sie beide?
 

Oh, if the sky comes falling down, for you

There's nothing in this world I wouldn't do


Nachwort zu diesem Kapitel:
Zitat: *Mikey ist hier, und alles wird gut werden, denkt Raph, und es erfordert seine ganze Anstrengung, dass er nicht in äußerst unmännliche Tränen ausbricht.
Stephen King - Die Augen des Drachen 1987

Lied: Avicii – Hey brother Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Mad-Dental-Nurse
2015-08-28T17:32:32+00:00 28.08.2015 19:32
So jetzt habe ich es auch mal geschaff, deine neueste FF zu lesen. Uff das ist schon hart sowas. All die Jahre dachte er, Mikey sei tot und hat sich wohl damit abgefunden und nun taucht er wieder auf. Ohne Gedächtnis, was das Ganze noch schlimmer macht...
Kann nur hoffen, dass das noch ein gutes Ende nimmt
Von:  lloyd008
2015-08-22T13:38:35+00:00 22.08.2015 15:38
Ich liebe diese geschichte! ❤ ich konnte garnicht aufhören zu lesen. Bitte schreib bald wie es weiter geht! Ich liebe einfach Raph & Mikey ..^^
Von:  Temari-nee-chan
2015-08-20T18:42:18+00:00 20.08.2015 20:42
Heya HO:)
Ein super schönes neues Kapitel. Ich kann sehr gut verstehen, dass RAphie denkt, er wäre in einem Traum gefangen oder seine Sinne würden ihm einen Streich spielen. Aber , er hat ja nun doch schnell erkannt, dass es tatsächlich sein Bruder ist, der da vor ihm liegt. Und zu allem Leid hat er auch noch eine Amnesie. Ich denke schon und hoffe sehr, dass sich Mikey bald wieder erinnern kann. Es wäre so schön, dass die Zwei sich wenigstens wieder haben. MIr tut Raph ohne hin schon sehr leid . Man sieht, dass ihn der ganze Kampf und Krieg doch sehr mitgenommen hat. Ebenso, dass er seine Familie verloren hat zumindest drei geliebte Personen. Daher umso schöner, dass MIkey überlebt hat und ich freue mich jetzt schon auf den MOment, wenn er sich wieder erinnert und alles gut wird. Traurig bin ich nach wie vor, dass Leo und Donnie fehlen:(
Lg Tanja


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