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Versprochen ist versprochen

von

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Das Versprechen

Ein Türklopfen.

Temari sah von dem Roman auf, mit dem sie sich auf ihrem Bett gemütlich gemacht hatte und sagte »Herein.«

Ihr Herz klopfte vor Aufregung. Schon seit Tagen wartete sie auf die Ankunft der Nachricht.

Kankurou öffnete die Tür und lugte in ihr Zimmer. »Post für dich«, sagte er knapp und warf ihr ohne Vorwarnung eine Schriftrolle zu.

Sie fing sie auf, als wäre es ihre leichteste Übung – was es gewissermaßen auch war – und lächelte vor sich hin, als sie das Siegel von Konoha sah.

»Ein Liebesbrief von deinem Schnuckiputzi?«, fragte ihr Bruder und stellte ein anzügliches Grinsen zur Schau.

Sie ignorierte seinen ironischen Unterton und sprang auf. »Viel besser«, entgegnete sie und stürmte an ihm vorbei in den Flur.

Irritiert drehte er sich um und erkannte gerade noch, wie sie im Wohnzimmer verschwand. Er kratzte sich am Kinn – was heckte sie nun wieder aus? –, dann folgte er mit einem Achselzucken seiner Schwester.

Argwöhnisch beobachtete er, wie sie den Esstisch an die Wand schob und die Spielsachen, die auf dem Boden verstreut lagen, in die große Kiste in der Ecke räumte.
 

»Was wird das, wenn es fertig ist?«, wollte er wissen, erntete jedoch nur ein amüsiertes Auflachen von ihr.

Seine Augenbrauen zuckten nach oben. »Dein Freund hat dir einen Heiratsantrag gemacht, hm?«, spekulierte er los.

Temari hielt einen Moment inne, warf ihm einen skeptischen Blick zu und fuhr fort, die Stühle zu stapeln. »Red doch keinen Quatsch«, gab sie zurück. »Überhaupt hab ich keinen Plan, wovon du redest.«

»Pah«, machte er und verschränkte die Arme vor der Brust, »meinst du etwa, ich hätte euer Gespräch neulich nicht mitbekommen?«

»Zwei Sätze nennst du ein Gespräch?«, erwiderte sie schnippisch und zog eine Grimasse. »Keine Sorge, Bruderherz. Ich werde den glorreichen Nachnamen unserer Familie noch eine Weile tragen.«

Sie stemmte die Hände in die Hüften und musterte das Wohnzimmer. Eine zufriedene Miene blitzte auf, bis ihre Augen wieder zur Schriftrolle huschten, die auf dem Sessel lag. Sie nahm und öffnete sie.

»Halt dir den Mund zu«, forderte sie Kankurou auf. »Hier wird es gleich ein bisschen staubig.«
 

Staubiger als sonst?, ging es ihm durch den Kopf, beschloss aber, den Mund zu halten und ihrer Aufforderung Folge zu leisten.

Temari platzierte das Schriftstück auf dem Boden. Er erkannte, dass eine Beschwörungsformel darauf stand und fragte sich, was seine Schwester vorhatte, als sie schon die ersten Handzeichen formte.

Aus der Rolle stieg Rauch auf, der den halben Raum vernebelte, dann machte es Puff! und ein mannshohes, grünes Etwas erschien.

Er stolperte rückwärts, war darauf gefasst, das Ding, das sie beschworen hatte, anzugreifen, als ein Gefühl ihn überkam. Mit einem Schlag war die antrainierte Vorsicht verschwunden und er fühlte sich wie der letzte Vollidiot. Dass seine Schwester einen Feind in ihr eigenes Wohnzimmer holte, war nicht nur völlig bescheuert, sondern absurd. Fast genauso bescheuert war es aber, dass Temari, die sich nichts aus solchen Bräuchen machte, eine waschechte Tanne in Lebensgröße in die Wüste geholt hatte. Merkwürdige Einfälle war er von ihr gewohnt, aber das war selbst für sie außerordentlich seltsam.
 

»Was willst du denn mit dem Teil?«, fragte er verwirrt. »Hinterm Haus in den Sand pflanzen?«

»Ha ha.« Sie lachte trocken, dann schlich sich das verträumte Grinsen wieder auf ihr Gesicht. »Nein, ich möchte dir und vor allem Gaara eine Freude machen.«

Er hob eine Braue. »Mit der ollen Tanne da?«

Sie nickte selbstbewusst. »Ganz recht. Ihr beide wart noch nie zu Weihnachten in Konoha und da das unserem Bruder dank seiner Pflichten als Kazekage nicht möglich ist, hole ich eben ein Stück Weihnachten zu uns.«

»Das ist ja nett von dir, Schwesterherz«, sagte er, »aber von mir aus hätten wir wie jedes Jahr einen Kaktus schmücken können.«

»Du meinst, ich hätte wie jedes Jahr einen Kaktus schmücken können«, verbesserte sie ihn. »Natürlich bist du der Ansicht, schließlich ziehst du dir bei der großartigen Hilfe, die du mir leistest, auch keinen Stachel nach dem nächsten ein.«
 

Kankurou schürzte die Lippen, ging zum Baum herüber und fasste wagemutig an die Nadeln. Er war davon überzeugt gewesen, dass sie unangenehm stechen würden, doch sie gaben nach. Sie hätten nicht einmal seinen Neffen Shikadai – geschweige denn seine Nichte Kairi – zum Weinen gebracht, so weich waren sie. Und der Junge noch kein Jahr alt.
 

»Das ist eine Nordmanntanne«, erklärte Temari mit in die Hüfte gestemmten Händen und einem breiten Lächeln auf den Lippen. »Ich habe Shikamaru extra gebeten, mir so eine zu besorgen.«

»Was er dir noch so alles besorgt, will ich gar nicht wissen«, murmelte er.

Anstatt ihm für den Spruch einen deftigen Schlag in den Nacken zu verpassen, fragte sie belustigt: »Neidisch?«

»In deinen Träumen vielleicht«, gab er zurück, obwohl seine Schwester den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.

»So ist das nun mal, wenn der Alltag in eine Beziehung eintritt.« Sie gab ihm zum Trost einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter. »Nicht, dass ich das bei dir und Matsuri für möglich gehalten hätte, aber …«
 

Sie brach ab und musterte wieder den Baum. Die Verteilung der Äste war ebenmäßig, die Nadeln waren dunkelgrün und wirkten so frisch, als wäre die Tanne erst vor fünf Minuten gefällt worden. Er war perfekt.
 

»Ein schicker Baum.« Kankurou versuchte, gleichgültig zu klingen, doch in ihren Ohren klang er eher imponiert. »Da hat er sich zur Abwechslung mal Mühe gegeben.«

»Shikamaru gibt sich immer Mühe«, verbesserte Temari ihn. »Vor allem, wenn es um die Kleinen geht.«

Ihr Bruder stieß ein Seufzen aus. »So viel zu: Du möchtest Gaara und mir eine Freude machen.«

»Okay«, gab sie zu, »vielleicht wart ihr beide nicht meine Hauptintention, aber ist es nicht der Gedanke, der zählt?«

»Nicht, wenn es dir von vornherein nur um die leuchtenden Augen deiner Kinder ging«, antwortete er trocken. »Aber da in zwei Tagen Weihnachten ist, möchte ich nicht nachtragend sein.«

Temari warf ihm ein Lächeln zu. »Danke«, sagte sie und klatschte in die Hände. »Dann mache ich mich besser ans Schmücken, bevor meine beiden Zwerge von ihrem Mittagsschlaf aufwachen und mir in die Quere kommen.«
 

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Yoshino zupfte an der Jacke ihres Sohnes herum.

»Bist du dir sicher, dass du nicht noch zum Kaffee bleiben möchtest?« Ihre Frage klang fast schon nach einem Flehen. »Ino und Chouji werden mit ihren Familien auch da sein.«

Shikamaru unterdrückte ein Die beiden hab ich in der letzten Woche oft genug gesehen und schüttelte den Kopf. »Danke, aber ich bin ohnehin viel zu spät dran«, sagte er. »Wenn ich mich nicht beeile, schaffe ich es nicht mal bis Heiligabend nach Sunagakure.«
 

Und das war maßlos untertrieben. Wenn er nicht spontan lernte, wie man sich teleportieren konnte, war es beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, es rechtzeitig zur Bescherung dorthin zu schaffen.

Das schlechte Gewissen überkam ihn. Er hätte spätestens gestern abreisen müssen, aber stattdessen hatte er sich mehrmals von seiner Mutter überreden lassen, noch einen Tag länger zu bleiben. Der Schneesturm, der vor ein paar Tagen gewütet hatte, hatte ihm die Abreise auch nicht gerade schmackhaft gemacht, aber stattdessen hatte er es sich bequem gemacht und war fast in den alten Trott zurückgefallen. Und als Quittung für seine Bequemlichkeit musste er nun hetzen und ohne große Pausen reisen, damit er am Weihnachtsnachmittag nicht die Herzen seiner Kinder brach. Nun gut, Shikadai war noch zu klein, um etwas zu verstehen und ohnehin mehr ein Mamakind, aber Kairi würde er mit seiner Abwesenheit so unglücklich machen, wie man eine zweieinhalbjährige unglücklich machen konnte. Vor allem, da er ihr versprochen hatte, rechtzeitig zu Weihnachten zu Hause zu sein, auch wenn sie die Bedeutung seiner Worte in ihrem Alter noch nicht richtig verstand. Er war so ein Holzkopf.
 

»Verstehe«, stimmte seine Mutter zu, machte sich jedoch nicht die Mühe, eine leichte Verdrossenheit in ihrer Stimme zu unterdrücken. Sie ballte ihre Hand zur Faust und legte sie auf ihre Brust. »Wann sehe ich dich wieder?«

»So bald wie möglich«, versprach er, hatte aber keine Ahnung, wann dieser Zeitpunkt sein sollte. Möglicherweise in einem halben Jahr, wenn seine Versetzung endete, doch er wollte ihr keine falschen Versprechungen machen, da er nicht wusste, ob er wirklich nach Konoha zurückkehren würde oder ob er sich doch für ein Leben in der Wüste entschied. Ein Versprechen, das er nicht halten konnte, reichte vorerst.

»Schreib, wenn du heil angekommen bist.«
 

Ein Zittern lag in Yoshinos Stimme, ihre Augenbrauen zogen sich zusammen und bildeten darüber eine Falte. Er kannte diesen Gesichtsausdruck. So sah sie immer aus, wenn sie den Tränen nahe war und er legte es nicht darauf an, sie Weinen zu sehen. Nicht, weil es ihm ein schlechtes Gewissen machte, sondern weil er nicht in Versuchung geführt werden wollte, dass er sich doch zum Bleiben hinreißen ließ.

Shikamaru verwarf den Gedanken, sie zum Abschied zu umarmen und hob die Hand zum Abschied. Er wollte ihr etwas Nettes sagen, entschloss aber, nicht übermäßig sentimental zu werden.
 

»Bis dann!«, flötete er in aufgesetzter Fröhlichkeit, wandte sich rasch ab und sprintete Richtung Haupttor davon.

Er hörte noch, dass Yoshino ihm etwas hinterher rief, das nach einem »Drück die Kleinen von mir« klang, er durch den Wind aber nicht eindeutig verstehen konnte.

Zu seinem Glück sah er nicht mehr, wie seine Mutter auf die Knie in den Schnee sank und lauthals anfing zu weinen.
 

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Als Temari die letzte Girlande am Baum befestigte – sie wirkte auf Kankurou wie eine goldene Schlange aus Pompons –, erklang Getrappel auf dem Flur.

Sie wandte sich um und sah das zweieinhalbjährige Mädchen im Türrahmen stehen. Kairi betrachtete mit großen, staunenden Augen den geschmückten Weihnachtsbaum. Temari konnte ihr die Überraschung nicht verdenken, schließlich hatte sie in ihrem Leben noch keinen echten Nadelbaum gesehen.

Sie legte ihren rechten Zeigefinger an ihr Kinn und den Kopf schief. Ihr dunkles, vom Schlafen zerzaustes Haar rahmte ihr Gesicht ein und verlieh ihrer Denkerhaltung Nachdruck. »Warum ist die Tanne so bunt?«, fragte sie.

Ein Lächeln schlich sich auf die Lippen ihrer Mutter. »Übermorgen ist Weihnachten«, erklärte sie, »und in dem Land, aus dem dein Papa kommt, richtet man die Tannen auf diese Weise zum Fest her.«

»Weihnachten?« Das Gesicht des Mädchens begann zu strahlen. »Ist Papa wieder da?«, wollte sie wissen und stellte damit die Frage, die Temari nicht erhofft hatte.

Ihr Lächeln verschwand für einen Moment, dann zwang sie sich, es wiederherzustellen. Sie trat auf ihre Tochter zu und legte ihr zum Trost eine Hand auf den Kopf.

Kairis Mundwinkel bogen sich nach unten und sie schüttelte die Geste ab. Sie hob ihr Kinn und versetzte ihrer Mutter einen Schlag in die Magengrube. Die großen, dunkelgrünen Iriden ihrer Kleinen funkelten sie missgestimmt an. »Wo ist Papa?«, fragte sie störrisch.

»Er ist noch bei deiner und Shikadais Oma«, erklärte sie beherrscht. Sie hob den Arm, deutete auf den Baum und setzte nach: »Er ist extra nach Konoha gereist, damit wir dieses Jahr richtig Weihnachten feiern können.«

Die Miene des Mädchens wurde nur griesgrämiger. »Ich möchte zu meinem Papa.«
 

Diese Aussage verpasste Temaris Herzen einen Schlag. Sie biss sich auf die Unterlippe, um die Traurigkeit in ihr nicht Überhand nehmen zu lassen.

Sie ging in die Hocke und betrachtete Kairi von Angesicht zu Angesicht.
 

»Ich versteh dich«, sagte sie mit einfühlsamer Stimme, »aber –«

»Kommt er nicht wieder?« Nun klang auch der Unterton des Mädchens traurig.

»Doch, natürlich!« Ihre Mutter schlang ihre Arme um sie und drückte sie an sich. »Denk nicht so was von ihm. Er würde uns niemals im Stich lassen.« Den letzten Satz flüsterte sie mehr zu sich selbst.

»Aua«, stieß Kairi aus und sie lockerte ihren Griff.

»Tut mir leid«, sagte sie und richtete das T-Shirt des Mädchens.

»Wann kommt er wieder?«

»Ich«, setzte Temari an und schluckte. Sie wusste nicht, was sie ihr antworten sollte. Der einzige Punkt, in dem sie sich sicher war, war, dass er wieder kam. Nur wann das war, lag im Dunkeln. Shikamaru konnte in fünf Minuten vor der Tür stehen oder erst nach den Feiertagen, wenn seine Mutter ihn festhielt.

Sie legte ihrer Tochter wieder eine Hand auf den Kopf, fuhr ihr durch das widerspenstige Haar und setzte ein Lächeln auf. »Bald«, sagte sie. »Er ist bald wieder da.«

»Bis Weihnachten?«, fragte sie hoffnungsvoll.

Temari sog die Luft zwischen den Zähnen ein und rang sich ein »Bestimmt« ab.

Kairi zog die Stirn kraus, als glaubte sie ihr kein Wort, dann ging sie mit hängenden Schultern zur Spielkiste hinüber. Sie angelte einen Stoffball heraus, setzte sich auf den Teppich und ließ ihn lustlos von einer Hand in die andere wandern.

Temari beobachtete sie betreten, wagte es jedoch nicht, sich zu ihr zu setzen, nachdem sie sie so enttäuscht hatte.

Sie warf Kankurou einen Blick zu. Ihr Bruder verstand ihre Miene, deutete ein Nicken an und gesellte sich zu seiner Nichte.
 

Keine fünf Minuten später erfüllte ihr fröhliches Kinderlachen wieder den Raum.

Vorerst.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Mit einer kleinen Rückkehr ins Home Sweet Home-Universum habe ich schon länger geliebäugelt, aber dass es in Form einer Weihnachtsgeschichte kommen wird, stand nicht auf meinem Plan. Es hat sich einfach so ergeben, als ich anfing, den ursprünglichen Oneshot für den Adventskalender zu schreiben. :D
Die Länge wird sich auf drei Kapitel belaufen, die ich spätestens bis zum 2. Weihnachtstag hochladen werde.
Ich hoffe, diese kleine Fortsetzung gefällt den Lesern, die die Vorgeschichte/n bereits kennen, aber auch denjenigen, die sie nicht kennen. Ich habe jedenfalls unglaublichen Spaß beim Schreiben. :)

Vielen Dank fürs Lesen! =)
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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Majaaaa
2015-12-19T17:06:28+00:00 19.12.2015 18:06
Super süß, dass du eine Fortsetzung geschrieben hast. Der Anfang gefällt mir schon mal sehr gut. Ich hoffe Shikamaru schafft es noch rechtzeitig nach Sunagakure. Sonst tät mur Kairi soooooo leid. Mach weiter so
Antwort von:  Rabenkralle
23.12.2015 13:30
Dankeschön für deinen Kommentar! :)
Er gibt auf jeden Fall sein Bestes. Mal schauen, ob das auch reicht.

Liebe Grüße,
Rabenkralle


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