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Niños de la noche

von

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7. Kapitel

„Verdammt, konzentrier dich!“

Jace hatte Simon im Würgegriff und hielt ihm eine seiner Seraphklingen an die Kehle. Dann ließ er ihn los und trat einen Schritt zurück.

„Was nützt dir deine Geschwindigkeit, wenn du nicht vorhersehen kannst, was ich tue.“

Ungeduldig fuhr der Schattenjäger sich durch die blonden Haare. „Ich hab dir das jetzt schon drei mal gezeigt.“
 

Clarissa saß auf ihrem Lieblingsplatz auf der Steinmauer und sah den zwei Jungs beim Nahmkampftraining im Hinterhof des Institus zu.

„Vielleicht solltet ihr mal ’ne Pause machen.“, rief sie den beiden zu und Jace ging frustriert zu ihr hinüber.

„Ich jedenfalls brauch eine!“, rief er und steckte sein Schwert zurück an seinen Gürtel. „Der Fledermausjunge raubst mir sonst noch den letzten Nerv.“

Simon beobachtete, wie Clarry ihm einen entschuldigenden Blick zuwarf und fragte sich, was um alles in der Welt ihn überhaupt dazu veranlasst hatte, Jace Morgenstern um Hilfe zu bitten.
 

Simon sah Clarry bettellnd an und sie seufzte ergeben, hüpfte von ihrem Zuaschauerplatz herunter und ging zu ihm hinüber.

Er dauerte keine zehn Minuten, da hatte sie ihn außer Gefecht gesetzt und mit dem Gesicht vorran gegen eine der Häuserwände gedrückt.

Kopfschüttelnd ließ sie ihn los. „Noch mal.“
 

Etwa eine Stunde später ließ der Vampir sich fix und fertig auf den Boden fallen und fuhr sich durchs Haar. Er war heute einfach nur schlecht gewesen.

Genauso wie die letzten drei Nächte.

„Ist nicht mein Tag.“, murmelte er entschuldigend und Clarry setzte sich ihm gegenüber hin.

Sie musterte ihn aus ihren grünen Augen und Simon konnte eine Spur Besorgnis darauß lesen.

„Was ist los mit dir? Du bist überhaupt nicht bei der Sache.“

Simon zuckte mit den Schultern und rupfte abwesend Blätter von einem kleinen Strauch vor sich ab.

„Alles in Ordnung bei dir?“, fragte Clarry noch einmal nach und er nickte nur. „Klar.“

Er konnte ihr schlecht sagen, was ihn seit Tagen beschäftigte. Andererseits – wenn nicht ihr, wem dann?
 

„Findest du, dass ich mich sehr verändert habe?“, formulierte er schließlich gut überlegt.

„Was meinst du, inwiefern verändert? Du bist ein Vampir, ja. Du kannst tagsüber nicht mehr nach draußen und der Simon, den ich mein halbes Leben lang kannte, war Vegetarier.“ Sie dachte kurz nach. „Aber du bist immer noch Simon.“

Er sah sie mit einem dankbaren Blick an, schien jedoch noch nicht überzeugt zu sein.

„Naya . . . ich brauch zum Beispiel auch keine Brille mehr.“, versuchte er sich umständlich zu erklären. „Was ist, wenn ich mich in noch mehr Dingen verändere.“

Er musste daran denken, wie er vor einigen Tagen bei Luke in Clarrys Zimmer gestolpert und sie beim Umziehen erwischt hatte. Warum waren es nicht diese Bilder, die ständig vor seinem inneren Auge auftauchten? Sie sollten es sein und es gab eine Zeit, da wäre es wohl auch so gewesen.

Die Schattenjägerin sah ihn schief an. „Ja, und du trägst deine Haare etwas anders. Dein Ernst?“ Sie lachte leise. „Wenn das deine einzige Sorge ist, beruhig dich.“ Sie lächelte. „Steht dir besser.“

Nein. Es war nicht seine einzige Sorge.
 

Als Simon in einer der darauffolgenden Nächte mit Clarry und Alec trainierte, verspürte er auf einmal ein beklemmendes Gefühl in seiner Brust. Zuerst konnte er nicht einordnen, woher die Empfindung kam und versuchte sich wieder auf Alexander zu konzentireren. Doch seine Aufmerksamkeit wurde wie magnetisch zum Eingangstor des Hinterhofes gezogen.

Als er sich dann doch umdrehte und eine Gestalt im Schatten entdeckte, die mit verschrenkten Armen an einer Säule lehnte, wurde ihm einiges klar.

Raphael.

Er fragte sich, wie lange der Vampir dort schon stand und ihn beobachtete.

Auch die zwei Nephilim hatten den Unterweltler bemerkt. Da dieser jedoch keine Anstalten machte, zu ihnen hinüber zu kommen, wandte Alec sich schließlich wieder an Simon.

„Weiter?“, forderte ihn auf und Simon nickte.

Er hatte heute zum ersten mal tatsächlich das Gefühl, langsam Fortschritte zu machen.
 

Als sie das Training eine ganze Weile später beendeten, warf Simon einen erneuten Blick zum Torbogen, doch er hatte es schon gewusst, bevor er hingesehen hatte. Das Clanoberhaupt war nicht mehr da.

Alecs Handy klingelte und er angelte es aus seiner Hosentasche und entfernte sich ein Stück von ihnen.

Simon ging auf Clarry zu, seine Augen hingen jedoch noch immer an der Stelle, an der der Vampifürst vor kurzem noch gestanden hatte.
 

„Was weißt du über Raphael?“, fragte er sie schließlich mit nachdenklichem Gesichtsausdruck.

Clarissa wirkte überrascht. „Was ich über ihn weiß . . .“ Sie dachte einen Augenblick nach. „Ich weiß, dass er als Jugendlicher von Gruselgeschichten über das Hotel gehört hatte und mit ein paar Freunden dort eingebrochen ist, nur so zum Spaß. Dort sind sie natürlich den Vampiren in die Arme gelaufen und waren im Gebäude Freiwild. Sie haben einen Tunnel benutzt, der in den Keller des Hotels führte. Raphael hat ihn uns gezeigt, als wir dich dort rausholen wollten und auf dem selben Weg sind dann auch Jace und ich hinein gekommen.“, erklärte sie.

„Raphael hat euch den Weg ins Hotel gezeigt?“, unterbrach Simon sie und Verwirrung spiegelte sich auf seinem blassen Gesicht wieder.

„Ja, schon. Das heißt zuerst gab er sich als Mensch aus und wollte uns warnen. Er hat versucht uns vom Dumort fern zu halten und daran zu hindern, dass wir dort eindringen.“

Verblüfft sah Simon seine beste Freundin an. „Ach . . .“, war das einzig Geistreiche, was ihm dazu einfiel.

Clarry zuckte mit den Schultern. „Er wollte keinen Ärger mit dem Rat. Er hat es nie darauf angelegt, uns ins Hotel zu locken, im Gegenteil.“ Sie machte eine kurze Pause, ehe sie fort fuhr. „Naya und den Rest kennst du ja. Wir haben ihn als Geisel genommen und versucht gegen dich einzutauschen. Das hätte auch eigentlich geklappt, aber dann ist die Sache irgendwie doch eskaliert.“

Simon hörte ihr gebannt zu. Er hat es nie darauf angelegt, uns ins Hotel zu locken, klangen ihre Worte in seinem Kopf nach.

Anders als Camille, dachte er. Die Vampirin hatte ihn später gezielt auf ihren Grund und Boden gelockt und um den Finger gewickelt, um sich im nächsten Moment auf ihn zu stürzen.
 

Ich wollte nie, dass das passiert.

Schossen ihm plötzlich Raphaels Worte durch den Kopf.

Als er auf dem Friedhof wieder zu sich gekommen war und feststellen musste, was mit ihm passiert war, hatte er den Vampir von sich gestoßen und als Monster beschimpft.

Aber er war kein Monster.
 

„Alles okay?“, riss Clarry ihn aus seiner Erkenntnis.

„Was? Ja . . .“ Er rappelte sich auf und klopfte sich den Dreck von der Hose. „Ich muss los.“

Clarry nickte und gähnte herzhaft. „Ja. Ich muss auch ins Bett.“

Er umarmte sie und zog sie kurz an sich, dann machte er sich auf den Weg zum Hotel.
 

Reiß dich zusammen, ermahnte er sich selbst und zwang sich die Treppenstufen hoch zu gehen, obwohl er die Anwesenheit des anderen Blutsaugers ganz genau spüren konnte.

Er konnte nicht ewig vor ihm weglaufen.

Auf dem Weg zu seinem Zimmer kam er an Raphaels vorbei und seine Schritte verlangsamten sich.

Er blieb stehen und zögerte. Unsicher sah er die verschlossene Tür an. Nachdem er gefühlte fünf Minuten dort gestanden und die Maserung des alten Holzes angestarrt hatte, hörte er Raphaels gedämpfte Stimme von drinnen.

„Willst du dort Wurzeln schlagen, oder kommst du endlich rein, Chico?“

Simon zuckte zusammen, fasste sich dann aber ein Herz und drückte die Türklinke herunter.
 

Der Vampir stand mit dem Rücken zu ihm und bediente eine Kaffeemaschine, was Simon veranlasste, skeptisch eine Augenbraue zu heben.

Er beobachtete den Südländer in seinem Tun, welcher Espresso mit frischem Blut aus einer Karaffe auffüllte.

„Was soll das sein? Bloody Macchiato?“, fragte er und riss sich von dem grotesken Anblick los.

Raphael drehte sich um und lachte leise. „So in der Art.“
 

„Was soll das eigentlich werden, wenn es fertig ist?“, fragte der Ältere und lehnte sich mit dem Rücken an die Fensterbank, dessen Glasscheibe seit Ewigkeiten nicht mehr existierte und stattdessen fest vermauert worden war.

„Dein Training mit den Nephilim.“, fügte er hinzu, als er Simons fragenden Blick wahrnahm.

Er trank einen Schluck von seinem . . . Kaffee . . . und musterte ihn aufmerksam.
 

„War doch deine Idee.“, konterte Simon und wanderte im Zimmer umher.

„Ich kann mich wage daran erinnern, dass du mich dafür angeheuert hattest.“, erwiederte der Blutsauger spitz.

„Wann stehst du endlich zu dem, was du bist und hörst auf überall anders nach Hilfe zu suchen, nur nicht hier.“

„Ich dachte nur . . . wegen . . .“ Simon brach ab und schluckte.

„Dachtest was? Das ich dir jetzt nicht mehr helfen würde?“

Simon nickte stumm.

„Idiota.“
 

Er stieß sich von der Fensterbank ab und schritt durch den Raum.

„Morgen Nacht, ein Uhr.“, sagte er und sah ihm im Vorbeigehen noch einmal tief in die Augen. Dann verschwandt er aus dem Zimmer.



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