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Durch Aarsòns Augen

von

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Kapitel 6

 

 

 

 

„Wir waren wirklich ein Paar, oder?“ Die Verbindung zwischen uns hatte Aarsòn von sich aus unterbrochen, warum auch immer er es getan hatte. Ich konnte mir nur vorstellen, dass ihn diese Vorstellung verunsichert hatte.

Aarsòn nahm seine Klauen zu sich und ich nahm meine Hände ebenfalls zu mir.

„Ja, das waren wir. Ich dachte vorhin, du kannst dich wieder erinnern?“ Ich ging auf ihn zu, als er zwei Schritte zurückgewichen war und ich merkte dabei seine Unsicherheit, seinen Zwiespalt.

„Ja, schon, aber warum jetzt erst? Ich hatte bei dem ersten Treffen …“, Aarsòns Stimme klang nun rau und so gar nicht dämonisch, eher zärtlich, aber immer noch voller Zweifel. Etwas was man sich bei einem Dämon seines Ranges nicht vorstellen konnte, „… bereits so viele Gefühle für dich, wie du vor mir gestanden und dich geärgert hattest, weil ich mit Absicht deinen Namen falsch ausgesprochen hatte.“ Er sah an sich hinunter, auf sein Geschlecht, das zwar jetzt nicht erregt war und dennoch verstand ich, was er damit ausdrücken wollte. Der Sex war bei unserem ersten Mal rau und unerwartet gewesen. Wir hatten uns wie zwei hungrige Wölfe aufeinander gestürzt - machthungrig und durstig, es gab zwischen uns weder gut noch böse.

Ich legte meine Hände auf sein Gesicht, nachdem er sich weit zu mir heruntergebeugt hatte. Fast war er geneigt zurück zu weichen, aber dann ließ er es zu, kniete sich sogar vor mich auf dem Lehmboden hin, damit ich ihn noch besser anfassen konnte.

Ein Außenstehender hätte meinen können, ein Monster kniet ehrfurchtsvoll vor einem Menschen nieder. Aber es war mein Monster, der das tat. Er war mein Dämon, der allmählich verstand, was uns verband.

Meine Handinnenfläche fühlte seine raue, unebene, harte Haut. Sie war so warm, und voller Stärke. Wie liebte ich es, ihn zu berühren, sein Gesicht zu fühlen, die Konturen darin zu ertasten und die Hörner spüren zu können.

Wie konnte ich nur alles vergessen haben? Wer war so grausam zu uns, uns so lange Zeit voneinander getrennt zu halten? Warum? Was hatten wir denn nur Schlimmes verbrochen, außer uns ineinander verliebt zu haben?

„Wir waren eins und werden es wieder! Du musst es nur wollen!“, sagte ich und in meiner Stimme schwang Liebe, doch dann wurde ich traurig, weil Aarsòn die Verbindung, an unsere Erinnerungen, vorzeitig getrennt hatte. Ich fragte ihn deshalb: „Warum hast du den Kontakt zwischen uns unterbrochen? Wenn wir unsere Erinnerungen weiter aufleben lassen, dann weißt du, dass wir richtig zusammen waren und nicht nur das erste Mal, an dem wir uns liebten. Und wir werden wieder vereint sein, ganz bestimmt“, sprach ich voller Überzeugung, auch wenn ich nicht wusste, wie es wirklich funktionieren sollte. So wie wir waren, er ein Dämon und ich in einer menschlichen Hülle gefangen – eine unmögliche Konstellation.

„Wie denn? Du bist ein Mensch, du bist sterblich. Und nur Erinnerungen an uns, an dich, sie reichen mir nicht. Ich will dich. Ich will dich kosten und spüren, so wie früher.“ In Aarsòns Stimme lag bittere Erkenntnis, die mich bis ins Mark traf.

Ich konnte verstehen, wie ihm zumute war. Mir ging es nicht anders.

„Ich weiß“, gab ich kleinlaut zu. Er hatte recht, wie sollten wir zusammenkommen, wie?

Aarsòn stand auf und ging in seiner Höhle vor mir auf und ab. Seine Flügel blieben dabei zusammengefaltet, und der Boden bebte unter seinem Gewicht.

Die Hitze hatte nicht abgenommen, im Gegenteil, die Luft war immer noch sehr heiß, auch wenn ich sie für kurze Zeit ausgeblendet hatte, fühlte ich sie nun deutlicher denn je. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn, als meine Augen zu tränen angefangen hatten, weil ein paar Tropfen des Schweißes hineingelangt waren.

Meine Kehle war immer noch trocken und ich brauchte dringend etwas zu trinken. Zudem spielte langsam mein Kreislauf verrückt. Diese Unterwelt war nur für Dämonen und nicht für Menschen ausgerichtet und ich war nun mal nur ein Mensch.

Aarsòn bemerkte meinen Zustand.

„Du hast Durst, du musst was trinken, warte hier.“ Er wartete nicht meine Reaktion ab, sondern verschwand vor meinen Augen. Ich staunte nicht schlecht. Seit wann konnte er sich in Luft auflösen? Anscheinend ist die Evolution auch bei Dämonen weitergegangen. Und was sollte das mit: „Warte hier?“ Wo sollte ich denn hingehen? Ich schüttelte fast belustigt darüber den Kopf, obwohl mir alles andere als danach war.

Wenige Sekunden später materialisierte er sich vor meinen Augen und kam mit einer Cola in der Hand zurück.

„Eine Coke?“ Ich musste schmunzeln, als ich auf die winzige Dose in seiner großen Hand blickte.

„Ja, sie löscht den Durst und hat zudem Kalorien, die du ja brauchst.“ Er fletschte die Zähne und sah einem Drachen immer ähnlicher.

„Und der Trick mit dem Verschwinden, der ist auch gut.“

„Ich kann noch viel mehr. In den vielen Jahren habe ich meine Kräfte ausgebaut“, erklärte er mir, nicht ohne Stolz, der sich in seinem Gesicht widerspiegelte.

Ich nahm ihm die Cola aus seinen Klauen und fragte lieber nicht nach, woher er sie hatte und wen er dafür hatte töten müssen, als ich sah, wie er genüsslich über seinen Bauch rieb. Aarsòn rülpste leicht, wie wenn er gerade etwas gegessen hätte und nun das Gegessene verdauen musste.

Ich zog die Lasche von der Getränkedose ab und trank beinahe gierig die Cola in wenigen Zügen aus. Die Cola war kalt, wie frisch aus einem Automaten und tat meiner Kehle herrlich gut. In meinem Bauch gurgelte es zwar, aber mein Zustand besserte sich. Ich fühlte mich nicht mehr ganz so erhitzt. Mir entwich ebenfalls ein Rülpser.

Aarsòn hatte mich die ganze Zeit über nicht aus den Augen gelassen und musterte mich von oben bis unten.

„Mir reichen die Erinnerungen nicht wirklich“, grollte er auf einmal, sodass ich leicht zusammenzuckte. Er schüttelte seinen großen Kopf.

Über unsere Situation niedergeschlagen schmiss ich die Dose auf den lehmigen Boden.

„Ich weiß“, war meine traurige Antwort darauf.

„Wenn wir nicht zusammen sein können, dann will ich nicht mehr leben.“

Erschrocken und völlig unerwartet über seine plötzliche Aussage, sah ich ihm in seine Augen, als ich meinen Kopf weit in den Nacken legte. Ich erkannte die Wahrheit in ihnen, der entschlossene Blick, wenn jemand es absolut ernst meinte. Und es war ihm ernst damit.

„Nein“, drückte ich mein Entsetzen aus und ich fühlte zeitgleich so etwas wie Angst und Verlust. „Vielleicht gibt es einen anderen Weg.“

„Was für einen? Unsere Schöpfer lachen sich doch gerade über uns halb tot.“

„Sag das nicht, mein …“

„Schweig, Geliebter. Meiner ist böse, und Deiner nicht minder, sonst hätten sie uns das nicht antun können. Keiner von beiden hatte Mitleid mit uns, uns das anzutun. Keiner! Milliarden von Jahren mussten vergehen und erst jetzt erkennen wir uns wieder. Nicht einmal ich kann so böse sein. Ich spiele nicht mit meiner Beute. Ich spiele nicht mit Menschen; ich erlege sie; ich esse sie; ich sauge aus ihren Körpern die Energie heraus.“ Aarsòn legte seinen Kopf in den Nacken und dann brüllte er seinen Zorn heraus. Hinaus in das schwarze Nichts über uns. Die Monolithen um uns herum begannen zu glühen, als er mit den Füßen stampfte. Ohrenbetäubend und voller Gewalt war er, sodass ich mir kurz die Ohren zuhalten musste, um keinen Schaden zu erleiden, bis sein Brüllen schließlich verebbte. Ich sah ihm weiter zu und hoffte er würde mich nicht unabsichtlich dabei töten in seiner Wut.

Der Dämon war in Rage.

Aarsòn richtete seinen ganzen Groll gegen seinen Schöpfer.

„Wenn du hier bist, mein Gebieter, werde ich dir eines sagen, wenn wir nicht zusammen sein können, Laduè und ich, dann werden wir nicht mehr existieren. Ich werde ihn und mich auf der Stelle töten, damit wir wenigstens im Tode vereint sein können.“

Ich hörte seine Worte und Tränen traten in meine Augen. Ich wollte nicht sterben, aber ohne ihn weiterleben, das wollte ich auch nicht. Im Stillen gab ich ihm recht. Wenn wir nicht zusammen sein konnten, dann würde ich lieber in seinen Armen sterben. Zudem wollte ich nicht mehr das Gefühl haben, ein Sucher nach irgendetwas zu sein. Nein, das musste aufhören.

Aarsòn war inzwischen ruhig geworden und hatte mich betrachtet, als ich zu ihm sah.

Ich flüchtete mich in seine Arme, als er automatisch mit seinen Schultern runterging. Er musste gefühlt haben, dass ich mich an ihn schmiegen wollte. Und so lagen wir uns in den Armen, so gut es eben ging und ich war ihm dankbar, dass er es nicht in seiner menschlichen Gestalt getan hatte. So wussten wir um die physischen Unterschiede. Ich drückte mich an ihn, auch wenn ich klein und schwach auf ihn wirkte, verbarg mein schmales Gesicht an seinem Bauch, der keinen Bauchnabel besaß.

Aarsòn strich mir über das Haar und grollte leicht. Ein so uraltes Wesen, das genauso litt, wie ich.

„Ich will in deinen Armen sterben, das ist mir lieber, als wieder alleine immer und immer wiedergeboren zu werden“, flüsterte ich und rückte von ihm ab. Er beugte sich zu mir runter und ich sah seine Liebe aber auch den Schmerz, der sich in seinem Gesicht widerspiegelte, als wir uns ansahen.

Aarsòn nickte verstehend und seine Nüstern blähten sich dabei auf.

„Ich werde dafür sorgen, dass du nicht mehr wiedergeboren werden kannst. Das verspreche ich dir.“ Er beugte sich noch tiefer zu mir runter, hielt dabei seinen Atem an, damit er mich nicht verletzen konnte. Ich drückte ihm einen Kuss auf sein großes Maul, das er tapfer geschlossen hielt. Einen weiteren Kuss platzierte ich auf die weiterhin geschlossene Oberlippe.

„Danke“, hauchte ich ihm entgegen und er hob mich hoch und bettete mich auf seine Arme.

Aarsòn stand mit mir in seinen Armen in seiner Höhle und legte erneut seinen Kopf in den Nacken, schwang mit seinen Hörnern kurz hin und her. Frust lag in der Luft.

„Ist es das, was ihr beiden Schöpfer wollt, unseren Tod?“, schrie er wie von Sinnen, was mir fast mein Trommelfell platzen ließ.

Die Erde bebte unter uns.

 

 

©Randy D. Avies  August 2016

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