Die Lebenden
Die Lebenden
Freudestrahlend, sofern er es ohne Haut, Muskeln, Sehnen und Fleisch konnte, lehnte er sich über die Reling des geliebten Schiffes, winkend und rufend, als noch mehr Gäste zu seinem speziellen Ehrentag kamen.
Wie viele Gäste es nun mittlerweile waren? Nun, das wusste der alte, skelettierte Musikant der Strohhutbande nicht wirklich. Bei so vielen Freunden verlor man schnell den Überblick. Nicht, dass er auch nur einen Namen dieser ganz formidablen Herrschaften vergessen würde! Alle hatten sie doch einen speziellen Platz in seinem Herzen – naja – zumindest im Innersten seines Brustkorbes.
Wobei, so musste das lebende Skelett feststellen, es waren nicht seine ganzen Freunde, die den Platz auf der Thousand Sunny ein wenig einengten. Wohl eher waren es die unzähligen Kinder, welche in all den Jahren von seinen Freunden geboren wurden und ihn nun, ohne Angst und ohne jeden Zweifel an irgendeine Blutsverwandtschaft, Onkel nannten.
Eine kleine, finstere Wehmut stieg in ihm auf, wissend, dass ihm nie solch ein Glück widerfahren würde, einmal eigene Kinder zu haben. Tode konnten schließlich keine Kinder bekommen, so sehr sie auch lebten.
Es änderte dennoch nichts daran, dass er diese kleinen Bälger nicht genau so liebte, als seien sie seine eigenen.
„Onkel Brook! Onkel Brook!“, rief ein Junge mit pechschwarzen Haaren und dem Strohhut seines Vaters auf seinen Kopf. Er winkte eifrig, freudig auf und ab hüpfend, wie ein kleiner Gummiball, was ihm wohl in den Genen liegen musste.
„Junger Mann, schön dich zu sehen!“, rief Brook, freudig lachend, als der Junge in seine Arme gehüpft kam, dabei regelrecht den Hut umklammernd, damit der Wind ihn nicht davon blies.
Im Hintergrund hörte er seinen Käpt'n schallend lachen, als er das Schauspiel betrachtete.
„Pass auf, Sohn! Sonst fällt Onkel Brook noch auseinander! Und Onkel Franky zwingt mich dann, auf dem Schiff für Ordnung zu sorgen! Und deine Mutter zwingt mich schon genug, den Haushalt zu machen!“
„Darauf kannst du aber Gift nehmen!“, stimmte der hünenhafte Cyborg und Schiffszimmermann zu, während er seiner schwangeren, strahlenden Frau auf das Schiff half.
„Yohohoho! Franky - Wie immer fleißig, wie meine alten Augen sehen! Und dabei habe ich doch gar keine Augen, Yohohoho!“, lachte Brook, darüber grübelnd, ob das jetzt das siebte, oder achte Kind war, welches die schöne Dame in sich trug, dann aber in vornehmer Manier sie aber gleich grüßend.
„Super Zwillinge werden das!“, posierte Franky stolz, während seine Frau nur die Augen verdrehte, murmelnd, dass es dann aber wohl an Kindern erst mal reichen würde.
„Onkel Brook!“, rief eine von seinen Töchtern, ein kleiner Wirbelwind mit hellblauen Haaren, stürmte gemeinsam mit den anderen Geschwistern an der hochschwangeren Mama vorbei. „Singst du heute auch für uns? Bitte?“
„Bitte!“, riefen die anderen Geschwister gleich mit, was beinahe einem gut gestimmten Chor glich.
„Yohoho, wenn nach dem Essen noch Zeit bleibt!“, mahnte das Skelett ein wenig in onkelhafter Manier, wissend, dass keiner der Eltern es gerne sah, wenn die Kinder sich nicht genug Zeit für die Mahlzeiten nahmen.
„Dann müssen wir Onkel Sanji bitten, dass er schneller kocht! Damit wir mehr Musik hören können!“, sagte Ruffys Sohn, bereits Pläne schmiedend, wobei der Kapitän gleich zustimmte, dass dies eine wunderbare Idee war, da er sowieso am Verhungern war.
„Dann müssen wir aber auch Onkel Zorro bitten, dass der nicht so viel mit Onkel Sanji streitet! Das spart Zeit!“, ergänzte Frankys Tochter noch, ihre Geschwister eifrig nickend.
„Und wir müssen Mama sagen, dass sie die beiden nicht so oft vermöbeln soll. Das spart noch mehr Zeit...“, flüsterte nun ein Mädchen mit orangenen Haaren und großen, braunen Augen, welches sich heimlich dazu gestellt hatte. Sie konnte schließlich genau so katzengleich schleichen, wie ihre einst so diebische Mutter.
Die anderen Kinder sahen erst ein wenig verdutzt zu Namis Tochter, da keiner mitbekommen hatte, dass auch sie sich unter die Kinder gemischt hatte. Auch ihre Mutter hatte sich mittlerweile heimlich zu Ruffy und Franky gesellt, leise mit ihnen redend.
Doch, nachdem sie den anfänglichen Schock überwunden hatten, nickten die Kinder alle gleich energisch, nun eifrig planend, wer welche Aufgabe übernehmen sollte, damit alle schnell an ihr Essen kamen und danach Onkel Brooks Musik genießen konnten.
„Sind Onkel Lysop und Tante Kaya schon da? Onkel Lysops Geschichten können hilfreich sein, um Onkel Zorro abzulenken...Und unser Cousinchen soll dann dabei gleich helfen!“, murmelte es und Brook beschloss, die Kinder unter sich zu lassen, während er zu seinem Käpt'n, der Navigatorin und dem Schiffszimmermann hinüberging, diese nun endlich grüßend.
„Onkel Brook ist ja echt der Hit!“, lachte Ruffy und klopfte dem Musikant freundschaftlich auf die Schulter.
„Tja, Onkel Brook ist ja auch uralt und ein Skelett! Ein singendes Skelett, dass Instrumente spielen kann. So was hat ja auch nicht jeder in der Familie“, lachte Franky, gab seiner Frau einen liebevollen Kuss auf die Wange, bevor sie sich entschied, sich bereits ein eine reich gedeckte Tafel zu setzen.
Nami, welche wie all seine anderen Freunde über die Jahre älter geworden war, aber trotz ihrer kleinen Fältchen in den Augenwinkeln, nicht weniger schön, seufzte etwas genervt.
„Naja, nicht jeder hat so eine Freakshow als Familie...“ Doch dann überkam ein warmes Lächeln ihre Lippen und auch sie grüßte das Skelett.
„Wie alt bist du denn nun eigentlich geworden, Onkel Brook?“
Stolz schwellte der Musikant seine knochige Brust.
„105 Jahre!“
„105! Und die siehst kein Jahr älter aus!“, scherzte die Navigatorin, während Franky auch darüber nur staunen konnte.
„105?“, lachte Ruffy, „Die Faltencreme wäre doch was für dich, nicht Nami- Au!“ Sofort holte die Frau mit orangenen Haaren aus, schlug ihrem Käpt'n einmal gegen den Hinterkopf. „Hilfe! Frau! Nami schlägt mich schon wieder!“
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Gerührt betrachtete Brook die Menschen und Halb-Menschen um ihn herum. Sie alle waren von allen Teilen und Ozean der Welt gekommen, nur um an diesen ganz besonderen Tag bei ihm zu sein.
In der Ferne brummte sogar La Boum fröhlich, als einige der Kinder ihn, mit Erlaubnis der Eltern und von Sanji, fütterten.
Nach all den Abenteuern, die sie gemeinsam erlebt hatten, was es ja schon ein Wunder, dass sie alle noch am Leben waren. Hätten sie nicht so viel Glück gehabt, wären sie wohl kaum alle hier, so quicklebendig, hätten geheiratet und wundervolle Kinder bekommen.
Und er, so gruslig er für die meisten Menschen auch schon, durfte ein Teil dieser wunderbaren Familie sein.
„Ich schwöre, wenn du jetzt anfängst zu heulen, muss ich dich zu einem Kampf herausfordern...“, brummte der grünhaarige Schwertkämpfer neben ihn, bevor er einen Schluck von seinem Sake nahm. Dann deutete er seinen beiden Kindern – Zwillingspaar, ein Junge und ein Mädchen – an, nicht mit den Schwertern so am Deck herum zu rennen.
„Entschuldige Zorro...“, murmelte Brook, noch immer etwas gerührt. „Ich kann es nur nicht fassen, dass ich nach all den Jahren noch immer am Leben bin und das alles miterleben kann.“
„Du bist ein Skelett. Du wirst ja wohl kaum sterben...“, brummte er und schielte mit seinem Auge zu ihm „Und so sentimental solltest du auch nicht sein – ist ja dein Geburtstag! Trink was und lass es dir schmecken! “
„Zorro hat Recht...“, stimmte Robin zu, sanft lächelnd, wie sie es immer tat und über ihren Babybauch streichelnd. „Freu dich, dass uns das Schicksal noch nicht eingeholt hat und wir noch hier sein können.“
„Argh!“, rief Lysop, als auch er diese Worte hörte, „Robin ist schon wieder makaber! Kann man bitte ihren Mann hierher holen! Die Frau macht mir Angst! Wenn das Kind genauso wird, steige ich aus! Das verkraftet mein armes Herz nicht!“
„Ja! Papas Herz ist noch von seinen Abenteuern bei den Riesen angeschlagen!“, bestritt nun auch seine Tochter, während Kaya neben den beiden nur leise kichern konnte. „Erzählt doch nicht immer solche Geschichten, ihr beiden...“
„Kannst du nicht aufhören herum zuschreien, Langnase! Iss gefälligst das auf, was sich da noch auf deinem Teller befindet, sonst tret ich dich persönlich zum Mond! Du bist ja schlimmer als die Kinderhorde!“, knurrte Sanji ein wenig verstimmt, während er seiner Tochter noch einen Nachschlag vom Fisch gab. „He, Moosschädel, das zählt auch für dich! Nur weil du der beste Schwertkämpfer der Welt bist, brauchst du nicht so zu tun, als würde dich das nicht jucken! Ich kann es immer noch mit dir aufnehmen und werde auch gewinnen!“
„Was hast du gesagt, Klimmstängel! Sonst komme ich gleich auf deine Seite des Tisches und zeig dir, wie man mit richtigen Klingen umgeht!“
„Ihr zwei beruhigt euch jetzt, sonst setzt es etwas von mir!“, knurrte Nami, die beiden gealterten Männer finster anblickend, ihrem einjährigen Sohn, der auf ihren Schoß saß, den Mund abwischend. „Mit Kindern kann ich mittlerweile super umgehen!“
„Was habe ich mir nur mit dieser Crew angetan...“, murmelte nun Jimbei, sich den Kopf haltend und diesen schüttelnd. „Die sind doch alle verrückt!“ Doch im Klang seiner Stimme konnte man deutlich hören, wie glücklich auch er war, ebenfalls hier zu sein und auch zu dieser Familie gehörte.
„Wir sind doch einer Super Crew!“, posierte Franky noch gleich dazu, das Schauspiel noch zusätzlich untermalend.
Sie lachten alle ein wenig diesbezüglich.
„Sanji! Mehr Fleisch!“, unterbrach Ruffy dann aber das Gelächter schnell, da er die Zeit genutzt hatte, um seinen Teller und auch den von Franky – dieser sich nun beschwerend - leerzuessen.
„Mehr Fleisch?! Oh ja!“, hörte man es irgendwo im Hintergrund, als diese Worte auch an die Ohren von Ruffys Sohn gedrungen waren. „Ich will auch noch was essen!“ Doch, in all der Eile, rutschte er auf den Holzdielen aus, fiel mit Gesicht voran auf den Boden und stieß sich dabei so heftig die Nase, dass sie zu bluten begann.
„Ouch...“, brummelte der Junge, aber an Weinen dachte er nicht – zu groß war einfach der Hunger.
Chopper, ihr Schiffsarzt, seufzte allerdings, als er das sah, stand aber sofort auf.
„Dann werde ich mal schnell meine Sachen holen. Halte bitte still, bis ich wieder komme!“
Der Junge nickte eifrig und auch wenn sein Gesicht überströmt war mit seinem Blut, biss er herzhaft in die Fleischkeule, die sein Onkel Sanji ihm reichte.
Brook aber lachte herzlich, als er diese Szene sah, was seine Freunde ein wenig verwunderte.
„Es ist einfach schön zu sehen, dass die Lebenden in ihren Lebzeiten sich wohl nie ändern werden! Yohohoho!“, erklärte er sich, seinen Bauch haltend und unter Tränen weiter lachend, bis auch die Anderen, nach und nach, einstimmten.
„Trinkt und esst! So jung und lebend kommen wir nicht mehr zusammen! Und ich werde einige Lieder zum Besten geben!“
Die Kinder jubelnden, während die gealterten Strohhutpiraten auf die Worte ihres Musikanten die Krüge erhoben.
Schließlich lag eine tiefe, wenn auch bedauerlich, melancholische Wahrheit in seinen Worten, auch wenn sie diese noch nicht begreifen konnten.
