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Das Gästebuch

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Das Gästebuch
 

Während ich meine Bücher aus den Umzugskartons packte fiel mir ein weißes Buch mit goldenen Lettern auf. Dieses nahm ich mit einem schlechten Gewissen in die Hand und befreite es vom Staub. Trotz all der Jahre in den ich es besaß beinhaltete es noch keine Einträge. Irgendwie vergaß ich da immer meine Besucher darum zu bitten sich darin zu verewigen. Ob es mir nun gelingen würde wagte ich kaum zu glauben. Kurz kam ich in Versuchung es weg zu werfen, doch dann entschied ich mich dagegen. Immerhin handelte es sich um ein Geschenk von meiner Mutter und befand sich noch in einem recht guten Zustand.
 

Zaghaft öffnete ich es und nahm verwundert eine mir unvertraute Schrift zur Kenntnis. Der Anblick verblüffte mich so sehr sodass ich erst einmal zu nichts anderem fähig war als auf die Worte zu starren. Erst nach einer Weile erfasste ich was vor mir stand. Die Eintragungen begannen vor vier Jahren. Einer Zeit wo ich mein Kunststudium begann. Eine Zeit welche in meinem Leben große Veränderungen mit sich brachte. Meine Hand glitt bedächtig über die ersten Einträge. Einige waren kurz und manche eher lang. Doch etwas einte sie. Allesamt wurden von der gleichen Person verfasst.
 

Der erste Eintrag stammte von der Zeit kurz nachdem der Umzugswagen meine Möbel von meinem Elternhaus in die erste eigene Wohnung verfrachtete.

„Herzlichen Glückwunsch zum Einzug. Doch eines will ich noch anmerken. Musste es gerade dort sein, was ich mein Eigenheim nannte?“, hieß es da. Es folgten Verwünschungen wie auch wüste Worte.
 

Dunkel erinnerte ich mich daran, im Treppenhaus meiner alten Wohnung, den Steckbrief eines Mannes gesehen zu haben welchen man melden sollte, sobald man ihn im Gebäude erblickte. Soweit ich mich entsann erhielt er früher dort Hausverbot. Der Grund war mir leider nicht bekannt. Kopfschüttelnd versuchte ich die Erinnerungen an ihn zu verdrängen. Solange ich keine Beweise besaß konnte ich niemanden beschuldigen. Zudem konnte ich mich nicht erinnern ihn jemals in natura gesehen zu haben.
 

Etwas zittrig schloss ich die Wohnungstür von innen ab, zog die Gardinen zu und schaltete das Licht an. Als nächstes setzte ich mich aufs Sofa und las ein wenig verunsichert weiter. Beim zweiten und dritten Textabschnitt huschten meine Augen immer fahriger über die Zeilen. Der Schreiber drückte seinen Hass und Abscheu mir gegenüber aus was ich und die Leute von der Wohngenossenschaft aus seiner ehemaligen Behausung gemacht haben. Er berichtete von seinen heimlichen Besuchen, welche er immer dann machte, während ich meine Zeit brav im Studium verbrachte.

Nun verstand ich wohin der eine von meinen sieben Ersatzwohnungsschlüsseln verschwunden war. Zu dem Zeitpunkt dachte ich noch er sei einfach verloren gegangen. Immerhin geschah es mir nicht zum ersten Mal passiert, dass ich Dinge in meiner Zerstreutheit verlegte. Nun merkte wie naiv doch meine Gedankenwelt war. Ein Fehler der mir zum Glück nicht zum Verhängnis wurde, oder?
 

Das ein Fremder ohne meines Wissen sich öfters in meiner Wohnung illegal Zutritt verschafft hatte beunruhigte mich zutiefst. Besonders die Andeutungen darin, dass er sich vorstellen könne mich jederzeit umzubringen, weil ich ihn an seine Ex erinnerte.
 

Soweit ich aus seinen Worten erfuhr, musste er wegen dieser in eine preiswertere Wohnung umziehen, da er sich jene alleine nicht mehr leisten konnte. Des weiteren verschwand sie einfach mit dem Geld aus dem Gemeinschaftskonto. So beklagte er über einige Wochen darüber hinweg wie ungerecht und schlecht die Welt doch sei. Besonders ihm gegenüber.
 

Als ich weiter blättern wollte wurde mir gewahr wie stark meine Hände mittlerweile zitterten. Das Verlangen dieses Buch auf der Stelle zu zerreißen und zu verbrennen unterdrückte ich gerade noch. Nur mit großer Mühe gelang es mir das Buch zur Seite zu legen und nach meinen Handy zu greifen. Ich beschloss erst einmal meine Cousine anzurufen. Sie kannte sich mit gruseligen Menschen aus, immerhin schrieb sie schon seit viel Jahren diese Horrorgeschichten für die sie immer eine intensive Recherche betrieb. So durchforstete sie nicht nur Wikipedia Einträge sondern auch stundenlange Dokumentationen wie auch Erlebnisberichte und Biografien.
 

Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit bis sie abnahm. Ungeduldig trommelte ich derweil mit den Finger auf die Lehne des Sofas. Nach der Frage ob sie Zeit zum Telefonieren habe berichtete ich ihr von meinem aller neuesten Fund.

„Da kannst du dich glücklich schätzen an keinem dieser Stalker geraten zu sein die einem tote Tiere per Post verschicken oder gleich einem die ganze Wohnung demolieren“, kommentierte sie was mir eiskalte Schauer einbrachte bei dieser Vorstellung.

„Da gebe ich dir recht, Sarah“, stimmte ich ihr zu.

„Könnte es einer deiner Ex -Freunde sein?“, forschte sie nach und klang ziemlich besorgt. Ich hielt inne und dachte einen Moment darüber nach.

„Das glaube ich eher weniger. Das wäre mir doch aufgefallen“, blockte ich diese Idee resolut ab.

„Hat er irgendwelche weiteren Hinweise über sich gegeben?“, verlangte sie zu wissen was mich ins Grübeln brachte.

„Es könnte sein aber ich habe es noch nicht ganz durch“, offenbarte ich ihr und errötete leicht wegen meinem übereilten Anruf.

„Lies es erst einmal ganz durch und ruf später wieder an. Da du noch lebst muss es einen Grund geben“, wies sie mich an.

„Werde ich machen“, versprach ich ihr und fotografierte die ersten Seiten mit dem Handy ab und verschickte sie per WhatsApp.
 

Die weiteren Einträge änderten sich. Irgendwie beinhalteten sie keinen Hass mehr, sondern…? Es in Worte zu fassen fiel mir schwer. Jedenfalls machte er sich den Spaß Sachen von mir zu verstecken wobei ich zuerst dachte, diese selber verlegt zu haben. Also dass ich diese Dinge selber in der Hektik des Studiums und meinem Minijobs verramscht hätte. Die Frage wegen des Sinneswandel kam auf. Lag es daran, weil auch ich verlassen wurde von dem, den ich liebte? Ich schüttelte den Kopf und wandte mich der Tür zu. Das wäre zu albern. Um dieses zu wissen hätte er schon mein Tagebuch lesen müssen oder mein Familie beziehungsweise Freundeskreis ausfragen müssen.

Obwohl, war es nicht gerade das was diese Stalker taten? Sicher war ich mir leider nicht. Da müsste ich schon im Internet recherchieren oder wieder einmal meine liebe Cousine fragen.
 

Sehnsucht erwachte in mir. Am liebsten hätte ich schon jetzt das Wochenende. Nur würde es noch leider einige Tage dauern ehe mein Verlobter von seiner Geschäftsreise aus Japan käme. Er hätte mir auch helfen können, aber ihn aktuell anzurufen wäre auch nicht gut. Immerhin befand er sich wahrscheinlich gerade in einer wichtigen Besprechung mit dieser Computer Firma. Ein breites Lächeln zierte meine Lippen als ich an ihn dachte. Dann verdüsterte sich mein Gesichtsausdruck rasch als meine Aufmerksamkeit wieder dem Gästebuch galt.
 

Zögerlich las ich weiter. Es ging noch über drei Jahre bis sie ohne ein Wort der Erklärung ein abruptes Ende fanden.

Um meine immer stärker werdende Unruhe zu bekämpfen verließ ich das Haus um frische Luft zu schnappen. Draußen atmete ich tief ein und aus und genoss die kalte Luft um mich. Ohne ein Ziel lief ich in meinem Block und fragte mich was der unbekannte Schreiber derzeit machte und warum er vor rund einem Jahr plötzlich aufhörte Nachrichten zu hinterlassen. Ob er bei einem Unfall verstarb oder ein interessanteres Opfer gefunden hatte als mich?

Trotz meiner Überlegungen fand ich keine Antwort mit der ich mich zufrieden gab und die mein aufgewühltes Gemüt zur Ruhe brachte. Es herrschte noch ein totales Durcheinander in meinem Inneren.
 

Auf den Rückweg in die sonst so sicher wirkende Wohnung kontrollierte ich kurz den Briefkasten und bemerkte eine Postkarte sowie einige Werbezeitungen. Verärgert runzelte ich die Stirn wegen all der Werbung und nahm sie nach oben um sie dort gleich in die Papiertonne zu werfen. Im Wohnzimmer angekommen setzte ich es in die Tat um und wandte mich der Karte zu. Doch dann...

Voller Grauen erkannte ich die Schrift aus dem Gästebuch und ließ sie erschreckt zu Boden fallen. Panik erfasste mich. Mein Herz raste wie wild und ich fühlte mich in die Ecke gedrängt. Offensichtlich verfolgte mich dieser Spinner noch immer. Eilig rannte ich zur Tür und verschloss sie von innen.
 

Von dem was ich von Stalkern wusste suchten sie immer die Nähe ihrer Opfer auf, doch wie kam es dass ich ihn nie wirklich wahrgenommen hatte? Die einzige Erklärung welche mir meinem benommen Geist einfiel war die eine Macke von mir. Wenn ich zum Beispiel auf dem Weg zum Supermarkt oder der Schule war blende ich alles andere mehr oder weniger von meiner Umwelt aus. So fielen mir Freunde und Verwandte erst dann auf, wenn diese mich direkt ansprachen.
 

Ich rief meine Cousine erneut an und berichtete sogleich von der Karte.

„Hebe am besten alles auf und gehe sobald wie möglich zur Polizei und erstelle eine Anzeige. Was er macht ist strafbar und kann in deinem Fall mit bis zu drei Jahren oder einer saftigen Geldstrafe verurteilt werden“, riet sie mir eindringlich. Da es schon später Abend war beschloss ich erst am nächsten morgen dort anzurufen. Ein Tag würde auch nicht den Unterschied machen.

„Und wollte er von dir?“, informierte sie sich.

„Das weiß ich nicht. Mir fehlte einfach der Mut dazu das zu lesen“, gestand ich ihr und schämte mich etwas dafür.

„Ist nicht so schlimm aber ich rate dir den sobald wie möglich vorzunehmen. Wer weiß was dieser Irre vorhat mit dem Wissen wo du aktuell wohnst“, schlug Sarah vor und ich merkte erneut wie sehr sie sich um mich sorgte und das wohl auch nicht zu unrecht.

„Da hast du recht“, pflichtete ich ihr bei und versicherte ihr mich zu melden wie es ausging.
 

Nachdem ich mich halbwegs gesammelt hatte griff ich letztendlich zur Postkarte. Ich wollte es einfach nur noch hinter mich haben und mich unter meiner Decke verstecken. Meine Augen huschten zum Absender. Dabei erkannte ich einen allzu vertrauten Namen. Einen, mit dem nie nie im Leben gerechnet hätte. Es war die meines Verlobten. Fieberhaft dachte ich nach wie das sein konnte. Mit einem Mal wurde es mir klar. Er schrieb mit mir immer nur per Handy oder Computer aber niemals mit der Hand. Das einzige Handschriftliche was ich von ihm kannte war seine Unterschrift. Nur wirkte dieser ganz anders. Der Brief war richtig liebevoll. Unwillkürlich huschte ein liebevolles Lächeln auf meinen Lippen bei den folgenden Zeilen:

„Meine geliebte Anna,

ich kann es kaum noch erwarten dich in meine Arme schließen zu können.

Für unser Wiedersehen habe ich ein kleines Geschenk dabei. Ich hoffe es wird dir gefallen.

In Liebe,

dein Robert.
 

Ende


Nachwort zu diesem Kapitel:
Meinen Dank geht an die Beta- Leser eins und zwei.
Ohne sie wäre diese Geschichte niemals Online gegangen. Komplett anzeigen

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