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Nesrins Textfragmente

Über das, was nach Thaos' Untergang geschah
von

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Rückkehr nach Caed Nua (OC, Iovara)

Einige Wochen waren vergangen und Nesrin hatte sich von all ihren Gefährten verabschiedet. Sie kehrte zurück nach Caed Nua; die Festung war ihr in den letzten Monaten mehr als ein Zuhause geworden. Was genau es war, was zu dieser Gefühlssituation geführt hatte, das wusste sie nicht. Vielleicht war es ein Schuldgefühl dem ehemaligen Wächter der Festung, Maerwald, gegenüber. Oder aber es lag in dem freundschaftlichen Verhältnis, welches sie mit der Hüterin der Festung, der Dame im Thron, pflegte. Vielleicht verliehen aber auch die Erforschung und die finale Eroberung der Endlosen Pfade Nesrin den Eindruck, diese Festung nicht nur gefunden, sondern gezähmt und für sich wohnbar gemacht zu haben. Die restaurierten Mauern und den gebändigten Bewuchs dieser in den Blick zu schließen fühlte sich so oder so an, als kehrte man in das Haus seiner Kindheit zurück. Jedenfalls tat es dies für Nesrin. Sie blieb stehen, kaum dass die Festung in ihren Blick geraten war. Von der Anhöhe aus, auf welcher sie sich befand, hatte sie eine gute Aussicht auf das Bauwerk, welches sie so erfolgreich saniert und repariert hatte. Im Innenhof erkannte sie Bewegung – Wachpersonal und vielleicht auch einige Händler – und über den Türmen wehte das Banner Caed Nuas. Nesrin atmete tief ein, ehe sie sich wieder in Bewegung setzte.
 

"Komm, alter Freund." forderte sie Me’raash auf, der trägen Schrittes hinter ihr her trottete. Der Bär schien ebenso wie sie erfreut darüber, dass ein Ende ihrer langen Rückreise absehbar war. Es war ein Pfad voller Abschiede gewesen. Geblieben waren nur Nesrin selbst und ihr treuer pelziger Begleiter.
 

Sie erreichten die Osttore der Festung am späten Nachmittag. Die Wachen grüßten Nesrin höflich, jedoch nicht sonderlich aufgebracht. Weshalb sollten sie auch? Sie hatten keinerlei Ahnung oder Idee, wo die Herrin dieses Ortes so lange gewesen war und vielleicht war das auch gut so.
 

Im Inneren des Hofes erklangen die Geräusche von Schwertschlägen. Einige der angeheuerten Söldner, die die Sicherheit der Festung gewährleisteten, trainierten hier. Nesrin passierte gemeinsam mit Me’raash einige Bauten im Hof und blieb kurz neben den Fingern des Adra-Giganten stehen, der unterirdisch verborgen war und um welchen herum sich die Endlosen Pfade rankten. Sie dachte an den Herren aus der Tiefe zurück, an den seltsamen Kristalldrachen, der über ewige Zeiten hinweg von der Energie der Statue gelebt hatte. Nun war er fort, hatte Besitz ergriffen von einer der größten Drachenjägerinnen des Landes. Nesrin selbst hatte ihm dabei geholfen. Bereuen tat sie dies nicht, als Waldläuferin war sie mit der Beziehung von Jäger und Beute vertraut und wusste ebenso, wie rasch ein solches Verhältnis sich umzuwenden vermochte. Kurz berührte sie den Stein, der – anders als andere Gesteine – nicht kühl war unter ihren Fingerspitzen. Vielmehr erschien er angenehm warm, wie die Haut eines lebenden Wesens, lediglich deutlich härter.
 

"Willkommen zurück, Herrin von Caed Nua. Ich grüße Euch!" Die Stimme der Hüterin der Burg, deren Geist im Thron in der großen Empfangshalle eingelassen hatte, begrüßte Nesrin höflich und erfreut zugleich.

"Da Ihr zurück seid, darf ich hoffen, dass Eure Aufgabe von Erfolg gekrönt war?"

"Das war sie, ja." Die Orlanerin nickte kräftig und schleppte sich in die Mitte der großen Halle. Hier lud sie ihre schweres Reisegepäck ab und massierte sich die schmerzenden Schultern.

"Das war sie wirklich."

"Das freut mich, zu hören, Herrin. Wir haben viel zu tun. Es liegen einige Briefe für Euch vor und in den Gästezimmern warten einige Bittsteller, darauf, dass-"

"Nicht heute." winkte Nesrin ab.

"Vielleicht auch nicht morgen."

Kurz war es still.

"Ich verstehe, Herrin. Die Leuchthöhle ist frisch gereinigt und Euer Bett mit sauberen Laken bezogen."

"Das wollt' ich hören." schmunzelte Nesrin und machte auf dem Absatz kehrt.

"In zwei Tagen können wir über alles sprechen."

"Sehr wohl, Herrin, sehr wohl."
 

Die Orlanerin suchte das große Gebäude neben dem Haupthaus der Festung auf. Es war verziert und lud zum Eintreten ein. Im Inneren war es warm, es roch nach köstlichen Speisen und ein wenig nach Zuhause. Nesrin bleib im Türrahmen stehen und sog den Duft tief in ihre Lungen. Me’raash verblieb draußen, das große Tier hatte sich niemals sehr für die Gebäude der Zweibeiner begeistern können.

"Aber wehe, ich muss Dich erst aus dem Winterschlaf wecken, wenn ich Deine Hilfe brauche!" ermahnte Nesrin ihn und er antwortete mit einem Brummen.

"Schon in Ordnung."

Sie tätschelte ihm das Fell.

"Ruh' Dich aus, alter Freund."
 

Nesrin grüßte einige Wachen wie auch einige Gäste, die sich im Gebäude herumtrieben, kurz. Sie sah die Enttäuschung in ihren Gesichtern, als sie kein Gespräch mit ihnen suchte. Vermutlich warteten sie schon seit Tagen, wenn nicht Wochen darauf, von ihr empfangen zu werden. Für den Moment jedoch war ihr dies egal. Nesrin betrat ihre Kammer. Im Kamin brannte ein Feuer, schwerer Teppich dämpfte jeden Schritt und der Duft wohlriechender Kräuter ging von ihrem Betttuch aus. Das große Himmelbett empfing die hierfür viel zu kleine Orlanerin mit offenen Armen. Nesrin ließ sich mit dem Gesicht voran auf das Kopfkissen fallen und sank sogleich ein darin.

"Zuhause." murmelte sie leise zu sich selbst.
 

Du hast Dir etwas Frieden verdient."
 

Iovaras vertraute Stimme drang an Nesrins Ohr und sogleich fuhr die Orlanerin hoch. Ihre Ohren zuckten nervös und eine plötzliche Gänsehaut sorgte dafür, dass ihr feines kurzes Fell sich am ganzen Körper aufstellte. Sie war allein in dem Raum. Natürlich war sie das. Iovara war fort und dies für immer. Nun saß die Orlanerin an der Bettkante und ließ ihre Beine ins Leere baumeln. Sie war frei, dachte sie mit einem traurigen matten Lächeln. Wie seltsam es doch war, jemanden durch die Erinnerungen eines anderen Ichs zu lieben – und zu vermissen. Zu betrauern.
 

Ein Teil von ihr hätte die Prophetin, die Feindin des Bleiernen Schlüssels, gerne befreit. Nicht ihren Geist, sondern sie. Doch das war nicht möglich. Seelen mochten wiederzukehren oder als Detail in dieser Welt verbleiben. Doch Leiber vergingen und Iovaras fleischliche Hülle war vor vielen, vielen Jahren schon gefallen. Nein, es war zu spät gewesen.
 

Nesrin sank nach hinten und starrte die Unterseite der mit Stoff behangenen Decke ihres Himmelbetts an. Warum nur, warf sie sich vor, war ihr Ich damals, ihre frühere Inkarnation nur so ein verdammter Feigling gewesen? Die falschen Götter der Engwithaner, der Bleierne Schlüssel… beide Parteien hatten sie glauben und fühlen lassen, dass sie etwas bedeutete. Dass die Sache, für die sie einstand, etwas bedeutete. Dass es einen Sinn hinter all dem gab. Hier und heute wusste die junge Orlanerin, dass dem nicht so war. Doch dies tröstete ihr altes Herz und ihre gereifte, viel zu schwere Seele nicht mehr. Sie fühlte sich plötzlich sehr allein. Die Knie zog sie dicht an den Körper heran und legte ihre Arme darum. Wie sie so da lag erinnerte sie an einen Fötus im Mutterleib. Obgleich jedoch der Raum um sie herum warm und wohlig war, war ihr keinesfalls so, als wäre sie beschützt im Körper einer liebenden Mutter.
 

Sie vermisste dieses Gefühl gerade jetzt und plötzlich kam ihr in den Sinn, wie es an unzählige Hohlgeborene verschwendet wurde. Ihre Seelen hatten ihren Körper nie erreicht, jede Liebe, jedes Gefühl der Zuneigung prallte ab an einer leeren Hülle, sank in die Tiefe eines ungefüllten Brunnens nur, um dessen Grund niemals zu erreichen.
 

"Niemals mehr werden sie leer geboren."
 

Da war sie wieder, ihre Stimme. Dieses Mal sah Nesrin sich nicht um. Sie wusste, dass niemand da sein würde, und gelangte zu der Gewissheit, dass das, was sie hörte, eine Erinnerung war. Eine Idee davon, wie ihre einstige Liebste war und wie sie mit viel Verständnis und noch mehr Liebe jeden ihrer Fehler verziehen hatte. Ja, niemals mehr. Ein beruhigender Gedanke. Nesrin tastete nach der Bettdecke und zog sich diese bis zur Nasenspitze über den kleinen Körper. Fast schien es, als ginge sie verloren in diesem großen Bett.
 

Der Schlaf umfing sie sanft und schwer. Er war traumlos, das erste Mal seit vielen Monaten, und Nesrin war dankbar dafür. Endlich, so schien es ihr, würde nicht nur ihr Körper, sondern auch ihr Geist ruhen können. Ein Luxus, der ihr viel zu lange schon nicht mehr vergönnt gewesen war.
 

Vor den Fenstern Caed Nuas begannen in der Dunkelheit der nunmehr folgenden Nacht, die ersten Schneeflocken für dieses Jahr vom Himmel herabzufallen. Es schien, als tanzten die Seelen, die Nesrin gerettet hatte, vor Freude ob der Tatsache, dass sie zurückkehren durften zum Rad Beraths. Ihnen war eine zweite Chance gegeben wurden und das erfüllte sie mit Freude; sie frohlockten in großen schweren Flocken, die sich nach und nach auf die Mauern der Festung legten. Caed Nua – Die Festung der Wächterin.



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