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Mondtanzritual

Summoners return
von

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Veil of Darkness

Aus der nächstgelegenen Straßenkreuzung kommt Sakura herbeigeeilt. Die Blondhaarige trägt einen schwarzen Oversize-Pullover mit großen roten Punkten darauf. Darunter lugt ein kurzer Faltenrock in derselben Farbe hervor. Mit ihren Sneakers ist sie schnell unterwegs. Sie sieht Chikaraga und mich und grinst über beide Ohren. Dann winkt sie uns zu, bevor sie direkt vor uns stehen bleibt und pustet. Neben mir verleiert Chikaraga die Augen. Ich bin mir nicht sicher, ob meine rothaarige Freundin meine quirlige Kollegin leiden kann oder von ihrem Auftreten einfach nur genervt ist. Beides scheint mir logisch.
 

"Entschuldigt die Verspätung", klatscht die Blondine in die Hände und verbeugt sich. Chikaraga stemmt die Hände in die Hüften: "Wir haben eine viertel Stunde auf dich warten müssen."

"Tut mir leid, aber ich hatte verschlafen…"

"Es ist drei Uhr Nachmittag!", kreischt die Prophezeiungsmagierin, dass sich ihre Haare aufladen und in sämtliche Himmelsrichtungen aufgehen.

"Aber ich musste mich noch duschen", entgegnet Sakura und tippt sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe, "und dann musste ich noch ausgiebig frühstücken…"

"Schon gut, schon gut", Chikaraga knirscht mit den Zähnen, "lasst uns einfach losgehen. Ich brauche dringend etwas Ablenkung."
 

Es ist das erste Wochenende seit Wochen, an dem Chikaraga mit uns ausgeht. Die letzte Zeit hatte sie jeden einzelnen Tag in der Stadtbibliothek zubringen müssen. Wenn ich die Rothaarige an der Bushaltestelle traf, waren ihre Augen müde, die Schultern hingen schlaff herunter. Sie wollte nur noch, dass ihr Vater sagt, dass es nun genug sei.
 

Sakura klatscht in die Hände und zeigt auf einen bunt ausgeleuchteten Store auf der anderen Straßenseite: "Ich verspreche euch", beteuert sie, "ihr werdet diesen Laden lieben. Die Klamotten sind der Wahnsinn, total ausgefallen. Und im dritten Stock haben die sogar ein Café mit himmlischen Törtchen", Sakura schaut in den Himmel und verknotet die Finger ineinander. Dann packt sie Chikaraga und mich am Arm und zieht uns in den besagten Laden.
 

Sakura hat nicht zu viel versprochen: die Mode ist schrill und auffallend. Bunte Lichter fallen auf die einzelnen Kleidungsstücke ein und geben die Illusion vor, magisch einzigartig zu sein. Von den Decken funkelt es in Diamant großen silbernen Farben, die Wände bestehen aus ineinander fließende Spiegel, dass sie den Eindruck eines Spiegelkabinetts erwecken. Ich ziehe ein paar Kleiderbügel von links nach rechts, Chikaraga steht neben mir und verschränkt die Arme: "Was ist eigentlich los?" Ich sehe sie an. "Was meinst du?"

"Du bist in letzter ziemlich still...ich meine, noch stiller als sonst."

"Ich weiß nicht", ich starre auf ein pastellfarbenes Kleid mit einer rosafarbenen Schleife um die Taille gebunden. Die zarte Berührung Chikaragas lässt mich aufblicken: "Ich spüre Hoffnungslosigkeit", dabei klingt meine Freundin als bekäme sie durch meine Gegenwart eine Vision. Ihre starke Empathie ist das Geschenk ihrer Fähigkeit.

"Weniger Hoffnungslosigkeit", meine Stimme klingt rauer als geplant, "ich versuche mir lediglich die nächsten Jahrzehnte vorzustellen." Mit den Fingerspitzen berühre ich den glänzenden Stoff. Es ist das komplette Gegenteil von dem, was ich trage. Durch meine Stellung als Magidoll ziehe ich genug Aufmerksamkeit auf mich, dass es für den Rest meines Lebens ausreichen wird.

"Es fällt mir schwer, denn ich weiß nicht recht, was ich tun soll. Allmählich habe ich das Gefühl, dass Warten keinen Sinn hat." Chikaraga schüttelt energisch den Kopf, aber ihr Gesicht wirkt traurig: "Das ist Unsinn. Er wird dich finden."

"Vielleicht hat er das ja schon", spreche ich zum ersten Mal meinen Gedanken aus, der mir seit Jahren durch den Kopf geht.

"Es gibt so viele Möglichkeiten, was passiert sein kann." Chikaraga nimmt meine Hand, "vielleicht hat er noch eine Mission zu erfüllen oder er ist in Gefahr..." Ich bin erschrocken. Meine rothaarige Freundin beißt sich auf die Lippen: "Entschuldige, so meinte ich das nicht."

"Nein, nein." Meine Augen wandern hin und her, "womöglich hast du Recht. Daran habe ich auch schon denken müssen, aber dann..." Ich traue mich nicht den Rest auszusprechen.

"Kiku, das ist", beginnt die Rothaarige und endet mitten im Satz, als Sakura sich neben uns stellt. Sie trägt drei blaue kugelförmige Törtchen in den Händen. Aus ihrem Mundwinkel lugt orangefarbene Sahne hervor.

"Hab' isch wasch verpascht?", schmatzt sie und schaut erst zu mir, dann zu Chikaraga herüber. Diese schnappt sich eines der Törtchen und nimmt einen großen Bissen. Ihre Augen sind geschlossen, während sie den Krokant zerbeißt. Sakura hält mir ebenfalls ein Stück hin, aber ich winke dankend ab.
 

"Normalsterbliche", beginnt Chikaraga, die Sakura seit ihrer ersten Begegnung nicht anders bezeichnet, obwohl sie ihren richtigen Namen kennt "du hattest Recht. Die sind himmlisch. Lassen mich fast vergessen, dass mein Vater mich umbringen würde, wenn er erfährt, dass ich diesen tödlichen Zucker zu mir nehme." Dabei nimmt die auszubildende Prophezeiungsmagierin das letzte Stück des Törtchens in den Mund.

"Hat er dich etwa auf Diät gesetzt?", mampft Sakura weiter, während wir allmählich in Richtung Ausgang laufen. Dabei wandert ihr Blick auf die Rothaarige: Chikaraga ist schlank. Und sportlich. Man sieht ihr das regelmäßige Training aus Kampfmagierkunst und physischen Übungen im Sinne des Martial Arts an. Auch wenn Chikaraga wohl Zeit ihres Lebens kaum darauf zurückgreifen muss, ist es doch hilfreich, eine weiteres Ass im Ärmel zu besitzen. Es kursiert das Gerücht, dass die Magier, welche sich der dunklen Seite verschworen haben, Treffen abhalten. Niemand weiß, worum es geht, aber jeder kennt die Gefahr, wenn finstere Hexenmeister sich zusammentun.
 

"Quatsch", Chikaraga schließt ihren dunkelgrünen Mantel, "aber Vater sagt, dass zu viel Zucker den Geist trübt und den Blick in die Zukunft schwächt."

"Bin ich froh, keine Magierin zu sein", damit stopft sich die Blondine den Rest in den Mund und grinst zufrieden, dass sogar Chikaraga schmunzeln muss: "manchmal seid ihr tatsächlich zu beneiden", dabei hakt sie sich bei mir unter und zu dritt schlendern wir die Hauptstraße der Innenstadt entlang.
 

"Was war das?", Chikaraga hält inne. Ihr Blick verfinstert sich.

"Was meinst du?", Sakura sieht die Rothaarige blinzelnd an. Doch dann höre ich es auch: ein Donnerschlag dröhnt aus der Nähe. Aber der Himmel ist hell und klar. Ein weiteres Mal scheppert es.

"Was zum Teufel ist das?", Sakura sieht sich von allen Seiten um. Chikaraga hingegen zeigt auf die Dächer am anderen Ende der Hauptstraße.

"Etwas kommt näher. Ich spüre Dunkelheit." Wie auf ein Zeichen bilden sich dunkle Flecken auf den Dächern. Der nächste Donner ist viel mehr ein Dröhnen. Es klingt fast wie ein hohler Schrei. Ich sehe, wie die Flecken wachsen, sich gleichmäßig in schwingenden Bewegen ausweiten.

"Weg da!", höre ich eine Männerstimme rufen, die unmöglich uns gewidmet sein kann. Aus den Gebäuden vor uns rennen die Menschen panisch heraus. Sie sehen hinauf zu den Dächern, ich tue es ihnen gleich und beobachte wie die schwarzen Flecken zu brennen beginnen, explosionsartig in Flammen aufgehen. Etwas Lebendiges springt aus dem letzten unverwandelten Fleck heraus. Eine weibliche Gestalt. Ihr blaues Haar glitzert aus dem dunklen Schleier, der sich allmählich auflöst. Sie beginnt zu rennen. Ihr Haar flattert im Gleichtakt mit den schwarzen Flammen, die sie hinter sich herzieht. Beinahe tranceartig folge ich den grazilen Bewegungen der Frau, die von einem Dach aufs nächste springt. Dann ziehe ich die Luft ein: Ein dunkelhaariger Mann im schwarzen Mantel stürmt ihr hinterher. Rennt direkt in die Flammen hinein. Statt ihn zu verschlingen, nimmt er das Feuer in sich auf, dass auf den Dächern nur noch Rauchschwaden übrig bleiben.

Der Mann ist trotz seiner Schnelligkeit um einiges seinem Ziel entfernt, das allem Anschein nach diese Frau sein muss. Wärme empfängt meine Augen, ich bin wie erstarrt.
 

"Kiku! Deine Augen. Sie leuchten", höre ich Sakura sagen. Weiter breitet sich die Wärme aus, durchflutet mein Augenlid, die Pupille, meine Iris und geht sogar bis in meine Wimpernspitzen über.

"Er ruft mich", höre ich mich sagen. Dieses Gefühl in mir wird stärker. Gewissheit.

"Hey, warte", schallt die Stimme Chikaragas in mein Ohr, doch ich habe mich bereits in Bewegung gesetzt.

"Ich kann nicht anders", entgegne ich keuchend und fange an zu rennen.
 

Ich weiß nicht wie, aber meine Beine haben mich bis aufs Dach getragen. Keinen Ahnung wie ich hierher gekommen bin, doch das ist mir auch völlig gleich. Das Gefühl, meinen Hexenmeister in der Nähe zu wissen, ist unbeschreiblich. Ich spüre, dass ich handeln muss. Unwissend was ich tun soll, nur mit der Erkenntnis in mir, dass ich hier sein muss. Genau an diesem Ort.

Es ist richtig.

Es ist gut.
 

Ich sehe mich nach allen Seiten um und am vorderen Rand des Daches sehe ich etwas aufleuchten. Blaue Haare funkeln, die Gestalt dreht sich zu mir um. Ich sehe tiefenblaue Augen. Ich kann nicht aufhören, hinzusehen, so wunderschön sind sie. Die Frau lächelt mir zu, dann wendet sie sich ab und springt. Ich setze meine Füße in Bewegung. Etwas baut sich vor mir auf.

Ein magisches Wesen.
 

Es gibt Zauber, die fremdartige Wesen schaffen können. Dieses hat das Aussehen eines unvollständigen Frauenkörpers - Mund, Augen und Nase fehlen vollständig. Die Haut wirkt wie weißer Gummi. Es streckt seine Arme aus und packt mich an der Kehle. Meine Füße schleifen auf den Boden, mit den Händen will ich dem Griff entfliehen. Nein. Das Wesen schnürt mir sämtliche Luft zu, ich weiß, dass es sinnlos ist, sich dagegen zu wehren. Vielleicht sollte ich loslassen, dann ist es schnell vorüber. Der Druck auf meinem Hals wird stärker. Wie gern möchte ich meine Augen schließen -mit einem letzten Gedanken an meinen Meisterhexer.
 

Ein schwarzer Fleck taucht über der Gestalt auf. Nein, es ist ein Mensch - der Mann im schwarzen Mantel. Der Meisterhexer aus dem Café. Er scheint aus dem Himmel gesprungen zu sein. Noch bevor er auf dem Dach landet, bildet sich in seiner Hand ein langes schmales Schwert, das den Gummimenschen mit einem Hieb durchbohrt. Das Wesen kreischt. Der Druck am Hals wird weniger, die Hände lösen sich gänzlich von mir. Die Gestalt sackt zusammen, zerfällt zu einer einzigen klebrigen Masse. Ich huste und falle auf die Knie. Mein Bedürfnis die Hände an den Hals zu legen ist sehr stark. Ich möchte mich übergeben, reiße mich aber zusammen. Stattdessen sehe ich nach oben. Der Meisterhexer sieht zu mir herunter. Seinen Blick kann ich nicht deuten. Er wirkt verärgert. Oder erleichtert? Im nächsten Moment dreht er seinen Kopf zur Seite - zum Rande des Daches, von dem die Frau gesprungen war - und rennt los.



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