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Im Himmel ist der Teufel los

Apokalypse Reloaded
von

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Allein ihnen fehlt der Glaube

Der Himmel war dicht bewölkt und ein grauer, trister Schleier hing über der Stadt New Haven an der Küste von Connecticut. Doch selbst das Wetter konnte die malerische Atmosphäre dieser Stadt nicht trüben. Im Gegensatz zur Metropole New York City, die gerade mal zwei Stunden Autofahrt entfernt war, hatte sich New Haven einen gewissen Altstadtflair bewahrt und die Grünanlagen und alten Gebäude verliehen dem Ort einen ganz besonderen Charme. Für einfache Menschen war es ein schöner Ausflugsort in einer perfekten Lage direkt am Hafen, für einen Engel, der sich kaum auf der Erde herumtrieb, war es jedoch ein absoluter Kulturschock. Am schlimmsten traf es Michael, der sich schon seit Ewigkeiten nicht mehr auf der Erde aufgehalten hatte und die ganzen Fortschritte der menschlichen Zivilisation verpasst hatte. Es war, als wäre er in einer vollkommen fremden Welt gelandet und er kam sich vor wie einem Fisch auf dem Trockenen. Ähnlich musste es einem einfachen deutschen Bauern vom Lande gehen, wenn er von jetzt auf gleich ohne Vorwarnung auf einen überfüllten Basar in Bangladesch landete. All die riesigen Bauten, Straßen, Laternen und Boutiquen waren dem ersten Erzengel völlig fremd und er hatte überhaupt keine Ahnung, was hier vor sich ging und warum die Welt um ihn herum so merkwürdig aussah. Das letzte Mal, als er die Menschen besucht hatte war, als diese noch in einfachen Hütten lebten, Schafe hüteten und vernünftige Seife noch nicht kannten.

Gabriel seinerseits verpackte den Anblick weitaus besser als sein Begleiter, denn er hatte zumindest versucht gehabt, so oft wie möglich zur Erde zu reisen und seine Pflichten als Erzengel und Beschützer der Kinder nachzukommen. Außerdem hatte er stets die Schulungen besucht und selber oft genug welche abgehalten, um vor allem seine Schutzengelbrigade auf den Wahnsinn der modernen Welt vorzubereiten. Michael hingegen hatte seit langer Zeit keinen besonderen Grund mehr darin gesehen, zur Erde zu reisen oder sich mit technischen Neuerungen auseinanderzusetzen. Seiner Meinung nach war das bloß Zeitvergeudung und hatte, anstatt die Schulungen zu besuchen, lieber an Kriegssimulationen teilgenommen.

„Großer Gott…“, murmelte der erste Erzengel und ihm klappte die Kinnlade runter als er versuchte, den Anblick zu verarbeiten, der sich ihm bot. „Was ist hier denn bitte passiert? Wo sind wir hier und was ist das hier für eine Teufelsstätte?“

„Wir sind in New Haven, Connecticut. Das liegt in den USA“, erklärte Gabriel und ließ mit einem kleinen Fingerschnipsen ein Wunder wirken, durch welches sich ihre himmlischen Uniformen in einfache Straßenkleidung veränderte. Es wäre sonst viel zu auffällig gewesen, wenn Michael in seiner heiligen Rüstung und er in seinen himmlischen Gewändern umhergelaufen wären. Seine Erfahrung hatte nämlich gezeigt, dass die Menschen ihn sonst für einen Cosplayer, für einen Spinner oder für beides hielten. Und das machte die Interaktionen mit der hiesigen Bevölkerung nicht unbedingt leichter. „Soweit ich mich richtig erinnere, ist das hier Raphaels Lieblingsstadt. Die Chancen stehen also gut, dass wir ihn hier finden. Jetzt müssen wir nur noch…“

„Warte mal kurz“, unterbrach Michael ihn, der überhaupt nicht mehr mitkam und immer noch völlig verwirrt war. „Was ist denn bitteschön die USA und wo liegt sie denn genau? Jordanien? Damaskus? Palästina?“

Entgeistert starrte Gabriel seinen Kollegen an und glaubte erst, sich verhört zu haben. Solche Dinge wurden doch in den Schulungen unterrichtet und als Richter der Seelen sollte Michael doch eigentlich über solche Dinge Bescheid wissen. „Ist das dein Ernst? Sag mal, wie lange warst du schon nicht mehr in der Schulung?!“

„Ist nicht lange her“, meinte der erste Erzengel und war sich keiner Schuld bewusst. „Ist erst 700 Jahre her gewesen.“

„700 Jahre?! Ist dir eigentlich bewusst, wie schnell sich die menschliche Zivilisation eigentlich entwickelt in so einer Zeitspanne?“ rief der göttliche Bote fassungslos und schlug sich mit der Handfläche gegen die Stirn. „Großer Gott, Micha… Das ist wirklich nicht zu fassen! Ach was soll’s… ist jetzt auch zu spät. Jetzt müssen wir erst mal überlegen, wo wir nach Raphael suchen sollen. Die Stadt ist leider nicht sonderlich klein und es kann ewig dauern, ihn unter knapp 130.000 Einwohnern zu finden.“

Da hatte er nicht ganz Unrecht. Michael begann zu überlegen, wie sie am besten vorgehen sollten, denn ganz alleine nach einem verschwundenen Erzengel zu suchen, war etwas knifflig. Vor allem wenn sich Raphael tatsächlich versteckte. Das Beste war also, jemanden um Hilfe zu bitten, der vom Fach war. Sie brauchten jemanden, auf den sie sich verlassen konnten und dem man nicht erst die ganze Geschichte großartig erklären musste. Und da kam ihm auch schon eine Idee. „Warum fragen wir nicht den lokalen Priester? Wenn wir uns offenbaren und sagen, wir sind im Auftrag des Herrn unterwegs, dann wird man uns mit Sicherheit helfen.“
 

Nun, die Idee war eigentlich nicht ganz so schlecht. Allerdings hätte das eher vor knapp 1500 Jahren funktioniert, aber garantiert nicht in der heutigen Zeit. Heutzutage waren die Leute weitaus komplizierter gestrickt als damals, ganz zu schweigen davon, dass die Menschen schon seit Ewigkeiten keine biblischen Erscheinungen mehr erlebt hatten. Und allein schon damals hatten solche Erscheinungen eher für Panik und Entsetzen, statt für Begeisterung und Jubelrufe gesorgt. „Das können wir nicht machen“, warf Gabriel deshalb ein und schüttelte den Kopf. „Wir können nicht schon wieder eine Massenpanik auslösen, wenn wir uns in unserer wahren Gestalt zeigen. Selbst wenn wir denen sagen, dass sie keine Angst haben sollen, machen die sich noch in die Hosen und denken, wir wären gekommen um ihre gesamte Familie auszulöschen und ihre Seelen zu verschlingen.“

„Na schön, was schlägst du dann vor?“ fragte der erste Erzengel ungeduldig und war ein wenig frustriert. Es passte ihm überhaupt nicht, dass er sich überhaupt nicht mit der modernen Welt auskannte und die alten Methoden einfach nicht mehr funktionierten. Er persönlich liebte große und dramatische Auftritte, um die Menschen Ehrfurcht zu lehren. Nur leider vergaß er immer wieder, dass man Ehrfurcht nicht ohne Furcht schreiben konnte und die Leute fast jedes Mal einen Herzkasper bekamen, wenn sie einen Engel in seiner wahren Gestalt sahen. Damals war es noch Gang und Gebe gewesen, aber heutzutage bevorzugte der Himmel lieber die subtilere Vorgehensweise um nicht aufzufallen. Ansonsten gab das nur wieder haufenweise Kollateralschäden und unnötigen Papierkram. Ganz zu schweigen davon, dass es sich die beiden ohnehin nicht leisten konnten, von den himmlischen Behörden aufgespürt zu werden.

„Wir sollten uns erst einmal in unserer menschlichen Gestalt an den Pfarrer wenden“, schlug Gabriel vor, der das Ganze etwas langsamer angehen wollte, da er das schwache Nervenkostüm der Menschen schon zu Genüge kannte. „Wenn es nicht klappt, können wir uns ja immer noch offenbaren, damit er uns glaubt. Dann ist er wenigstens vorgewarnt und stirbt uns nicht gleich an einem plötzlichen Herzinfarkt weg wie dieser eine Hohepriester aus Dura.“

„Ach komm schon! Der alte Zausel war bereits 90 Jahre alt und hätte doch jeden Augenblick das Zeitliche gesegnet, ganz unabhängig davon in welcher Gestalt ich mich ihm offenbart hätte!“ protestierte Michael, doch Gabriel blieb bei seinem Entschluss und so blieb dem ersten Erzengel erst einmal nichts anderes übrig, als auf seinen Kollegen zu hören und klein bei zu geben. „Na schön“, sagte er schließlich. „Wo steht denn hier eigentlich der nächste Tempel, bei dem wir anfragen können?“

„Hm…“ Der göttliche Botschafter überlegte kurz und versuchte sich wieder die Kirchen in Erinnerung zu rufen, die er in New Haven kannte. Oder zumindest jene, von denen Raphael mal erzählt hatte. „Wie wäre es mit der Bethesda Lutheran Church?“

„Vergiss es!“ protestierte Michael sofort und fuchtelte dabei energisch mit den Armen, um seinen Standpunkt zu untermauern. „Ums Verrecken lass ich mich nicht mit dem Feind ein!“

„Ach komm schon, so schlimm sind die Protestanten nicht, wenn man sie näher kennt“, meinte Gabriel und sah das Ganze deutlich entspannter. Doch der erste Erzengel, der allein aus persönlichem Stolz einen gewissen Groll gegen Martin Luther und seiner 95-seitigen Petitionsaktion hegte, war nicht umzustimmen. Er war ja bereit, sich auf einige Kompromisse einzulassen, aber eher sollte die Hölle zufrieren als dass er sich mit Protestanten einließ. Da Gabriel seinerseits nicht unbedingt dafür war, die Baptisten zu Rate zu ziehen weil er deren Praktiken für nicht ganz koscher hielt, einigten sie sich darauf, der Einfachheit halber die Katholiken um Hilfe zu bitten. Diese mochten zwar weitaus rückständiger sein als die Protestanten, aber wenigstens bewegte man sich auf vertrautem Terrain. Die Orthodoxen, die pentekostale Bewegung und die Episkopalkirche waren ihnen ein wenig zu exotisch und da war es schwer abzuschätzen, wie zwei gestrandete Erzengel dort bei den Leuten ankamen.

Um die Sache etwas zu vereinfachen, entschieden sie sich für die St. Michael Church Hall. Auf diese Weise erhofften sie sich weitaus größere Chancen, wenn sie speziell einen Pfarrer konsultierten, der sich dem Dienste Michaels verschrieben hatte.

Also machten sie sich auf den Weg, fragten sich bei den vorbeigehenden Passanten durch und fanden mit einiger Mühe zur Kirche. Dabei wurde ihre Odyssee durch New Haven vor allem dadurch erschwert, dass Michael nichts von der modernen Technik verstand und mehrfach beinahe von einem Auto oder Lastwagen erfasst worden wäre, wenn Gabriel nicht geistesgegenwärtig genug reagiert hätte. Es war ziemlich anstrengend, sich selbst auf der Erde zurechtzufinden, wenn man sonst die meiste Zeit im Himmel verbrachte. Umso schwieriger war es, den Babysitter für jemanden zu spielen, der Autos für satanische Kutschen hielt und glaubte, dass Ampeln das Ergebnis okkulter Magie waren. Sie hätten wahrscheinlich um einiges schneller sein können, wenn sie einfach den Bus oder ein Taxi genommen hätten. Aber Michael war einfach nicht dazu zu bringen, sich der Willkür motorisierter Fortbewegungsmittel auszusetzen, die seiner Überzeugung nach das Werk des Teufels sein mussten. Warum auch sonst gaben sie einen Höllenlärm von sich und stießen stinkenden Qualm aus? Also mussten sie wohl oder übel den ganzen Weg zu Fuß zurücklegen und verliefen sich dabei fast ein paar Male, weil die Wegbeschreibungen teilweise ziemlich widersprüchlich waren.
 

Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten sie endlich die St. Michael Church Hall, einen prächtigen weißgestrichenen Bau mit einem Glockenturm und einem großen Kreuz auf dessen Spitze. Erleichtert atmeten die beiden flüchtigen Erzengel durch und fanden zu ihrem Glück die Kirche geöffnet vor, denn die Messe war erst kürzlich beendet worden. Obwohl die Besucher das Gebäude schon längst verlassen hatten, war der Pfarrer noch geblieben um die Gesangsbücher einzusammeln. Pater Gerald Foster war ein etwas hagerer Mann mittleren Alters mit einem schlecht sitzenden Toupet. Er zählte zu den Geistlichen, die sich nicht durch Aberglauben, wahnwitzige Geschichten über übersinnliche Erscheinungen und verrückte Verschwörungstheorien beirren ließ. Er glaubte fest an das Prinzip einer rationalen Religion und ließ sich nicht so leicht einen Bären aufbinden. Dämonische Besessenheit war ihm bislang noch nicht untergekommen und er würde jederzeit die moderne Medizin einem mittelalterlichen Exorzismus vorziehen. Deshalb respektierte ihn seine Gemeinde als bodenständigen Mann von Vernunft, der Religion mit modernen Methoden durchaus zu verknüpfen verstand.

Als Michael und Gabriel die Kirche betraten, sah er erst einmal nichts Außergewöhnliches an ihnen. Er bemerkte nur, dass der femininere von beiden seinen Begleiter an der Hand hielt und er dachte sich sofort, es wäre wieder ein schwules Pärchen, das kirchlich getraut werden wollte. An sich hatte er ja nichts gegen die Ehe für Homosexuelle, nur leider spielte sein Verein da nicht so wirklich mit und das würde wieder viel Diskussion nach sich ziehen. Es wäre bereits das dritte gleichgeschlechtliche Paar in diesem Monat, das bei ihm aufkreuzte und eine Trauung verlangte. Und wieder einmal musste er sie wohl oder übel an die United Church of Christ oder an die Lutherischen Kirchen verweisen. Insgeheim hoffte er, dass seine Intuition falsch lag, denn er hasste es, sich dann jedes Mal die Vorwürfe anhören zu müssen, die katholische Kirche sei rückständig und diskriminierend. Er hatte die Regeln ja schließlich nicht gemacht!

Trotzdem setzte er ein freundliches Lächeln auf und kam auf die beiden zu. „Guten Tag meine Herren, wie kann ich Ihnen denn helfen?“

„Seid gegrüßt, Pater“, sprach der groß gewachsene Mann, der von seinem Begleiter an der Hand geführt wurde. Er hatte das Gesicht eines Schönlings, aber den Körperbau eines Mannes, der regelmäßig trainieren ging und harte Arbeit verrichtete. „Wir sind in Euren Tempel gekommen, weil wir Eure Hilfe erbitten wollen. Wir sind auf der Suche nach unserem verschwundenen Kameraden und erhoffen deshalb Unterstützung von Euch.“

Etwas irritiert blinzelte Pater Foster und sah abwechselnd auf die beiden. „Wie meinen?“ fragte er sie zögerlich, denn er wusste nicht, wie er dieses übertrieben förmliche Gerede einordnen sollte. Nun räusperte sich der feminine Blonde und erklärte „Was er damit sagen will…“ Weiter kam er aber nicht, denn da begann der andere wieder zu sprechen und fiel ihm direkt ins Wort. „Wir sind die Erzengel Michael und Gabriel und suchen nach unserem Kollegen Raphael. Wir wissen, dass er auf die Erde gekommen ist und sich vermutlich hier in dieser Stadt aufhält. Deshalb benötigen wir Ihre Unterstützung, Pater.“

Oh Gott, nicht schon wieder solche Spinner, dachte sich der Geistliche und sein freundliches Lächeln schwand. Warum nur hatten diese jungen Leute von heute nichts Besseres zu tun, als unschuldige Pfarrer zu belästigen und sich als Engel oder den auferstandenen Jesus auszugeben? Es war doch immer wieder der gleiche Quatsch. „Entschuldigen Sie bitte, aber das hier ist ein Gotteshaus und kein städtisches Theater“, erklärte er unwirsch und wies mit einer Handbewegung zur Tür. „Ich habe wirklich keine Zeit, für Ihre lächerlichen Spielchen!“

„Das ist kein Spielchen!“ rief der vermeintliche Michael eindringlich und machte keine Anstalten zu gehen. „Wir wären nicht in Euer Gotteshaus gekommen, wenn es kein Notfall wäre. Jemand hat es auf Raphaels Leben abgesehen und wir müssen ihn unbedingt finden!“

„Micha, so wird das nichts“, mischte sich der feminine Kerl ein und versuchte ihn zu beschwichtigen. „Du überforderst den armen Mann noch!“

„Himmel Herrgott! Tut mir leid, wenn ich ein kleines bisschen unter Strom stehe, nachdem ich von dir erfahren musste, dass Gott allen Ernstes vorhat, mich für ein Verbrechen hinrichten zu lassen, dass ich gar nicht begangen habe!“

„Dann zeig ihm doch einfach deine wahre Form und dann glaubt er uns!“

Pater Foster schaute abwechselnd zu den beiden und begann sich zu fragen, ob das nicht vielleicht so etwas wie Methoden-Schauspieler waren. Für einen einfachen Streich wirkte das ein wenig zu überzeugend und ihm kam sogar der Gedanke, dass das Ganze vielleicht eine Show mit versteckter Kamera war. Was es auch sein mochte, die beiden verstanden nicht unbedingt viel davon, sich wie tatsächliche Engel zu verhalten. Nie und nimmer verhielten sich echte Engel so vulgär, aggressiv und vor allem menschlich.

Schließlich verdrehte der muskulöse Kerl etwas genervt die Augen, murmelte „Ja gut“, schloss die Augen und faltete die Hände. Es sah für einen Augenblick so aus, als würde gleich etwas passieren, aber es tat sich nichts. Fast eine Minute verstrich, in welcher er in dieser Haltung verharrte und sich anstrengte, als müsste er dafür seine ganze Kraft aufbieten. Allmählich wurde das Schmierentheater etwas abstrus. Selbst der falsche Gabriel schien irritiert zu sein und wunderte sich „Sag bloß, du bist eingerostet und weißt nicht mehr, wie du dich in deine wahre Form zurückverwandeln kannst.“

„Natürlich weiß ich das!“ wetterte der vermeintliche Michael zurück. „Es klappt aber aus irgendeinem Grund nicht.“

„Das ist doch Blödsinn“, kam es von seinem Begleiter zurück und er nahm nun die gleiche Haltung ein. „Lass mich es mal versuchen.“

Doch auch hier tat sich nichts. Pater Foster sah sich das Schauspiel kopfschüttelnd an und fragte sich, worauf das Ganze wohl hinauslief und ob es nicht vielleicht auch so etwas wie eine merkwürdige PR Aktion war. Heutzutage musste man ja mit allem rechnen, wenn irgendetwas Verrücktes passierte. Doch dann kam ihm eine andere Idee: was wenn das weder Methoden-Schauspiel, versteckte Kamera noch irgendeine PR Aktion war? Vielleicht hatten die beiden ja Drogen genommen und hielten sich deshalb für Engel. Pater Foster hatte bereits in einer Einrichtung für drogensüchtige Jugendliche gearbeitet und wusste, dass manche sich wirklich merkwürdig verhalten und Wahnvorstellungen entwickeln konnten, wenn sie unter Drogeneinfluss standen. In dem Fall war es vielleicht ratsam, die Polizei zu Rate zu ziehen.

„Meine Herren…“, sprach er vorsichtig, doch die beiden beachteten ihn überhaupt nicht. Sie waren mit ganz anderen Problemen beschäftigt.

„Warum funktioniert unsere Kraft auf einmal nicht mehr? Du hast doch direkt bei unserer Ankunft diese komischen Klamotten gewundert!“ rief der vermeintliche Michael und war kurz davor, endgültig die Fassung zu verlieren. Die Angst, die sich dabei in seinem Gesicht abzeichnete, wirkte ziemlich echt. Sein Begleiter dachte kurz nach und kam zu der Vermutung „Sie müssen die Himmelpforte verschlossen haben. Wenn das Tor erst mal verschlossen ist, kann kein Engel, der noch auf der Erde stationiert ist, göttliche Wunder wirken.“

„Das können die doch nicht machen!“

„Offensichtlich schon. Vermutlich wollen sie uns erst mal hier festsetzen weil sie wissen, dass sie gegen uns beide keine Chance haben. Das macht die ganze Sache natürlich um einiges komplizierter…“

„Und wie sollen wir jetzt Raphael finden? Wenn wir nicht einmal mehr Wunder bewirken können, schaffen wir es niemals, ihn aufzuspüren, geschweige denn überhaupt in den Himmel zurückzukehren!“

Die beiden waren so beschäftigt mit sich selbst, dass Pater Foster nicht wirklich Gehör fand. Also beschloss er die beiden erst einmal alleine zu lassen und ging stattdessen in die Sakristei, wo es ein Telefon gab. Dort wählte er die 911, schilderte der Polizei die Situation und wurde um Geduld gebeten. Eine Streife würde jeden Augenblick eintreffen.
 

Michael und Gabriel waren mit ihrer hitzigen Diskussion so beschäftigt, dass sie überhaupt nicht bemerkten, was um sie herum vor sich ging. Sie waren viel zu aufgebracht über die Tatsache, dass sie plötzlich keine Macht mehr hatten und das einzige Mittel verloren hatten, das ihnen auf der Erde weiterhelfen würde. Keiner von ihnen bemerkte, wie der Pater für mehrere Minuten in der Sakristei verschwand, um die Behörden zu verständigen. Ebenso wenig registrierten sie, wie dieser nach einer Weile zurückkam und versuchte, auf sie einzureden. Im Moment hatten sie weitaus andere Sorgen als einen kleinen Pfarrer. Nicht in der Lage zu sein, Gottes Kraft nutzen zu können, war für einen Engel eine absolute Katastrophe und vergleichbar mit einem kleinen Weltuntergang.

Hätte man einem Menschen, der den ganzen Tag am PC arbeitete und für den alles nur noch über elektronischem Weg funktioniert, von jetzt auf gleich den Strom abgestellt, wäre das in etwa vergleichbar mit Michaels und Gabriels Dilemma gewesen. Vor allem stellte sie das vor ein noch viel größeres Problem: wenn sie keine Wunder mehr bewirken konnten, machte sie das auch weitaus leichter verwundbar. Zwar würden sie weiterhin nicht durch irdische Waffen und Vehikel sterben, aber ihre Körper wären dann nicht mehr in der Lage, sich so schnell zu regenerieren. Das hieß also, sie waren fast den gleichen physischen Gesetzen unterworfen wie normale Menschen und das war für sie das schlimmste denkbare Szenario.

Während sie sich hitzig weiter unterhielten und Gabriel versuchte, seinen Kollegen wieder zu beruhigen, war bereits die Polizei eingetroffen. Ihr Erscheinen löste nicht gerade Misstrauen aus. Tatsächlich glaubten die beiden Erzengel, der Pfarrer hätte die Beamten gerufen, um sie bei der Suche nach ihrem vermissten Kameraden zu unterstützen und waren überaus dankbar für diese Hilfe. Zwar wunderten sie sich über die merkwürdige Frage, ob sie Alkohol oder Drogen zu sich genommen hatten und waren auch nicht in der Lage, Ausweispapiere vorzuzeigen. Auch verstanden sie nicht unbedingt den Sinn und Zweck dahinter, dass ihnen mit einer Taschenlampe in die Augen geleuchtet wurde und sie einen Atemtest machen mussten. Doch sie stempelten das einfach als eine etwas merkwürdige Menschenroutine ab, die dazu diente um sicherzustellen, dass es sich bei ihnen tatsächlich um Engel handelte.

Sie erklärten dem Polizisten, dass sie nicht in der Lage seien, einen Ausweis herbeizuwundern, weil die Himmelspforte verschlossen und sie somit keine göttliche Kraft mehr nutzen konnten. Auch sei es ihnen nicht mehr möglich, ihre Flügel zu nutzen, da auch dies göttliche Kraft in Anspruch nahm und sie fürs Erste leider auf der Erde festsaßen. Der Polizist nahm alles auf, notierte sich etwas und wurde dann stutzig als Michael erklärte, dass sie Raphael finden mussten. Hier schaute der Beamte auf, hob die Augenbrauen und fragte „Meinen Sie etwa das St. Raphael?“ Die beiden Erzengel, die davon ausgingen, dass weiterhin die Rede von ihrem verschwundenen Kollegen war und somit nichts Böses ahnten, bestätigten die Frage ohne zu zögern und wurden dann im Anschluss gebeten, mitzukommen. Mit einem guten Gefühl im Bauch folgten sie dem Polizisten, stiegen ins Fahrzeug und waren positiver Dinge, dass sie nun endlich zu Raphael gebracht wurden und der ganze Fall endlich geklärt werden konnte. Was sie jedoch nicht ahnten war, dass die Rede nicht vom Erzengel Raphael, sondern vom Yale New Haven St. Raphael Psychiatric Hospital war. Da der Drogen- und Alkoholtest nämlich negativ ausgefallen waren, ging der Polizist davon aus, dass die beiden schrägen Vögel in Wahrheit geistig verwirrte Patienten waren, die aus der Psychiatrie entkommen waren und nun versuchten, wieder zurückzufinden.

Die beiden Erzengel hatten keinen blassen Schimmer davon, in welcher Lage sie sich befanden und waren stattdessen guter Dinge, dass ihnen endlich geholfen wurde und sich dieses ganze Missverständnis bald aufklären würde. Und sobald Michael seinen Ring wieder hatte, konnten sie auch wieder in den Himmel zurückkehren und das ganze Durcheinander endlich aufklären. Selbst als der Polizist einen Funkspruch durchgab und meinte, er würde die beiden ins Hospital bringen, ahnten die beiden immer noch nichts. Stattdessen gingen sie davon aus, dass Raphael mit seiner Verletzung in diesem Krankhaus eingeliefert war und er sich dort erholte. Die zweite Möglichkeit wäre gewesen, dass er inzwischen wieder auf den Beinen war und sich versteckt hielt, indem er sich als Chefarzt ausgab. So etwas wäre nicht das erste Mal gewesen.

Sie wurden erst stutzig, als sie bei einem Psychiater vorsprechen mussten und direkt im Anschluss als Patienten in die geschlossene Anstalt eingewiesen wurden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Charly89
2020-12-18T10:43:27+00:00 18.12.2020 11:43
Ähm, ja XD
Das verspricht noch sehr unterhaltsam zu werden :3

Das sich die verschlossene Himmelspforte solche Auswirkungen hat, ist sehr interessant.
Das müsste sich ja auch auf Raphael auswirken ... dem gesetzt, dass er auf Erden ist.


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