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Beyond the sky - 空を越えて [DabixOC]

**Omegaverse**
von

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— • Prologue • —

Ich sehe ein Licht… Weit in der Ferne… Kaum greifbar und dennoch so nah, sodass ich die Strahlen schon längst auf meiner verrotteten Haut spüren kann. Tausend kleine Staubpartikel schweben durch die Luft und schimmern im Licht der untergehenden Sonne auf, die langsam mehr und mehr hinter den Bergen am Horizont verschwindet. Es fühlt sich so herrlich warm an, sodass mein Herz aus dem rhythmischen Gleichgewicht gerät, sobald ich meine Hand danach ausstrecke. Fühlt sich so etwa zuhause an? Ist das etwa jene Wärme, nach der ich mich seit Kindheitstagen so lange gesehnt habe? Aber… warum begegnet es gerade mir? Warum ausgerechnet jetzt, wo ich schon an der erlösenden Klippe stehe? Ich habe mit meinem Leben doch schon längst abgeschlossen. Ich weiß doch schon, wie ich es beenden werde. Bereit alles in Flammen aufgehen zu lassen – mich eingeschlossen. Warum also werde ich nun von dir daran gehindert?
 

Mein altes Ich habe ich schon vor Jahren abgelegt und bin auf die Seite der Schurken gewechselt. Ich bin inzwischen Mitglied der berüchtigten Schurkenliga, die es sogar vor kurzem tatsächlich geschafft hat, die Befreiungsarmee in die Knie zu zwingen. Nun stehe ich als Kommandant in Tomura Shigarakis Dienst und soll andere anführen. Um ehrlich zu sein, es nervt mich total. Andere Menschen interessierten mich nicht, ich wollte es immer nur einer einzigen bestimmten Person beweisen – meinem Erzeuger, Enji Todoroki. Ich wollte nichts sehnlicher als seine Welt brennen sehen. Dafür habe ich all die Jahre gelebt. Seine Welt ins Chaos zu stürzen – ihm alles heimzuzahlen. Für all die Schmerzen, die er mir während meiner Kindheit seelisch zugefügt hat. Erst war ich der hochgelobte Sohn, sein Stolz – sein Werk und plötzlich ein missratenes Experiment, dem nicht weiter Beachtung geschenkt und wie Müll weggeworfen wurde. Ich war nie gut genug für ihn – selbst nach meinem „Ableben“ hat er sich kein bisschen verändert. Er wollte immer nur den perfekten Sohn haben. Eine Marionette, die er steuern konnte und die jeden Befehl von ihm ausführte. Mein altes Ich hatte sich immer wieder gefragt, wieso es überhaupt geboren wurde. Wurde es nur geboren um als Werkzeug zu dienen? Um einzig und allein All Might zu übertreffen, nur weil sein verdammter Vater es nicht geschafft hatte? Dinge, die mich auch heute noch verrückt machen. Fragen, die bis zum heutigen Tage unbeantwortet blieben. Allein der Gedanke daran lässt meine Flammen brennen. Ich war ein Monster, wie es im Buche stand. Andere waren mir egal, das Leben anderer war mir gleichgültig. Sie vor meinen Augen bei lebendigem Leib verbrennen zu sehen, beruhigte mich. Wie diese blauen Flammen alles verschlangen, was ihnen in den Weg kam. All die Jahre wurde ich von Hass zerfressen. Immer wieder nur dieses eine Ziel vor Augen führend. Mein Leben galt nur noch einzig und allein diesem Zweck. Ich hatte bereits mit allem abgeschlossen – alles bis ins kleinste Detail durchdacht und geplant.
 

Doch nun stehst du vor mir, dein Antlitz zum Licht gewandt. Es sind inzwischen 10 Jahre vergangen, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Ich damals als angehender Heldenanwärter der Heldenkommission und du – eine Militärkadettin, die eine Karriere bei der japanischen Armee angestrebt und ihren Werdegang auch durchgezogen hat. Du standest oben an der Spitze. Unsere Wege hätten sich nie wieder kreuzen sollen. Wir lebten in zwei verschiedenen Welten, doch nun stehst du tatsächlich vor mir. In Fleisch und Blut. Wie ist das möglich? Warum bist du ausgerechnet hier bei der Paranormalen Befreiungsarmee? Was hat dich dazu angetrieben auf die Seite der Schurken zu wechseln?
 

Zum ersten Mal sehe ich die Welt mit anderen Augen. Augen, die ich bislang verschlossen hielt, weil es nichts anderes als Rache in meinem Leben gab. Aber durch dich beginne ich zu hinterfragen. Zu hinterfragen, warum ich anders als all die anderen bin. Anders als meine Eltern, anders als meine Geschwister, anders als die anderen Deppen hier in der Befreiungsarmee. Meine Welt ist ins Wanken geraten, von heute auf Morgen. Innerhalb weniger Sekunden. Was genau bin ich und vor allem wer bin ich? Und warum habe ich bereits jetzt schon im Gefühl, dass du der Schlüssel für all diese Fragen sein könntest? Ist es Schicksal, dass wir uns wiederbegegnet sind?
 

Das hier ist eine Geschichte, wie sie nie hätte geschrieben werden sollen. Mein Epilog stand schon fest – ich wollte zusammen mit meinem Vater im Höllenfeuer Tango tanzen. Ich wollte die Welt brennen sehen. Vater und Sohn hätten in den Flammen zu Asche zerfallen sollen. Unsere Haut und Knochen hätten von den Flammen des Wahnsinns, um die selbst der Höllenkönig einen großen Bogen machte, zerfressen werden sollen. Doch stattdessen sehe ich dich am Horizont auf mich wartend. Deine Haare im Wind wehend und deine Seelenspiegel glänzend wie zähflüssiges Gold, das gerade geschmolzen wurde. Nie im Leben hätte ich für möglich gehalten, dass es in meinem Leben noch etwas anderes als Schmerz, Hass und Rachegedanken geben sollte. Dass hierdurch jedoch ein alter Mythos wieder zum Leben erweckt wird, war mir zu diesem Punkt noch nicht klar gewesen.
 

Bislang wurde die Welt lediglich in das männliche und weibliche Primärgeschlecht unterteilt. Dass hier noch ein weiteres Geschlecht existiert, war der gesamten Weltbevölkerung lange nicht bewusst gewesen – schirr in Vergessenheit geraten. Etwa 95% der heutigen Erdbevölkerung bestehen aus Betas. Das war das Einzige, was unter dem sogenannten Sekundärgeschlecht bekannt war. Aber was ist mit den restlichen 5%? Hätte ich gewusst, was im Nachhinein auf mich zukommt, hätte ich am liebsten alle Koffer zusammengepackt und das Weite gesucht. Denn die Heldengesellschaft war nicht die einzige Bedrohung, die uns auf den Fersen war und uns in Ketten sehen wollte. Nein, jene wollten uns tot sehen. Ausgemerzt – ausgerottet aus dieser Welt.
 

Aber ich konnte nicht anders, es ging von Anfang an nur um dich. Egal, wie sehr ich mich dagegen gesträubt habe. Ich bin deiner inneren Stimme gefolgt, die immer wieder meinen Namen rief. Einen Namen, den ich vor Jahren abgelegt und nie wieder hören wollte. Ich wollte nicht an meine Vergangenheit erinnert werden. Aber ich konnte es nicht verhindern. Du hast nach Hilfe gerufen und mein Innerstes hat auf deinen Ruf reagiert. Ehe mir überhaupt bewusstwurde, wie mir geschah, hatte sich der rote Faden des Schicksals um uns geschlungen und unsere Herzen miteinander verbunden. Ich weiß nur eines – ich muss dich beschützen, mit jeder Faser meines Körpers. Sterben ist keine Option, ich muss mit allen Mitteln am Leben bleiben. Meine Hand muss weiterhin in der Lage sein dich zu erreichen. Das hier ist schließlich unsere Geschichte.
 

Eine Geschichte, wie alles ihren Ursprung nahm. Zusammen mit ihr, einer quirklosen jungen Frau, die nach und nach mein Herz gestohlen hatte und der ich, Touya Todoroki, beweisen will, dass ich mehr bin als nur ein herzkalter Schurke, dessen Leben bereits verwirkt ist. Denn was niemand und auch ich selbst zu diesem Zeitpunkt nicht wusste - wir sind jene, die zu diesen verbliebenen 5% gehören. Alpha und Omega… zwei Seiten einer Medaille. Verbunden wie Ying und Yang. Zwei Poole, die einander anzogen, wie durch eine unsichtbare Kraft getrieben. Ein Phänomen, das mein Leben von Grund auf verändern und mich immer wieder vor genau eine Frage stellen wird:
 


 


 

Bin ich tatsächlich nur ein fehlgeschlagenes Experiment, dessen Leben bereits mit Scheitern in der Vergangenheit verwirkt ist - oder bin ich ein Individuum, dessen Aufgabe es sein wird seinen wertvollsten Schatz zu beschützen und hierfür auch bereit sein wird sich die ganze Welt zum Feind zu machen?
 


 


 


 

— • Still remember a time when you felt like home • —

— • You and me up against the great unknown • —

[On Ok Rock – Take what you want]

Part I – new mission

Es war dunkel – nur das Licht des Vollmonds schien durch die Fenster hindurch, das aufgrund der zugezogenen Vorhänge, die die Glasfront schmückten, gebrochen wurde. Zusätzlich war das Heulen des Windes zu vernehmen, der unnachgiebig gegen die Fensterscheibe schlug. Auf der Fensterbank saß eine Gestalt, lediglich bekleidet mit einer Decke, die ihren sonst nackten Körper gedeckte. Schweißtropfen liefen ihre Oberarme hinunter und ihr Atem ging hektisch. Immer mehr verkrampften ihre Hände und ihre Finger bohrten sich in den weichen Stoff, der zart auf ihrem überhitzten Körper lag. Ihre Beine waren fast freigelegt und auch diese waren von einem leichten Schweißfilm überzogen. Ihr Blick galt dem Vollmond, der weit über ihr am Himmel thronte. Als sie ein Klopfen vernahm, drehte sie ihren Kopf Richtung Tür.
 

„Herein…“, zu mehr war die junge Frau nicht in der Lage, ehe sie wieder in sich zusammenkrampfte. Als die Tür sich öffnete, sah die Gestalt wieder auf.
 

„Re-Destro…“, kam es flüsternd über ihre Lippen.
 

„Wie geht es dir? Der Zyklus diesen Monat scheint dich ja ordentlich erwischt zu haben… Ich habe dir neue Laken und Wasser bringen lassen…“, der Angesprochene fuhr mit seinem Rollstuhl in den Raum hinein, gefolgt von Geten, der einen Stapel Tücher bei sich trug, und zwei jungen Mädchen, die dicht hinter ihnen herliefen. Statt jedoch auf die Frage ihres Anführers einzugehen, erhob sich die Gestalt. Ihr kompletter Rücken lag frei und die Schweißtropfen schimmerten silbern auf.
 

„Ist es wahr, was man sich erzählt?“
 

Re-Destro atmete auf die Gegenfrage hin erschöpft aus und setzte seinen Rollstuhl wieder in Bewegung. Es herrschte immer noch Dunkelheit im Raum, sodass er diesen nur langsam vorwärtsbewegen konnte.
 

„Du hast also schon davon gehört… und leider muss ich es bejahen. Wir haben die Schurkenliga unterschätzt und dieser Shigaraki hat mich in einem fairen Kampf besiegt. Er wird nun als Großleutnant die Armee anführen.“
 

„Verdammt…“, zischte die junge Frau und schlug mit der Faust gegen die Fensterscheibe. Daraufhin krampfte sie auch wieder in sich zusammen und zitterte am ganzen Körper. Aufregung war das letzte, was sie aktuell brauchte.
 

„Bitte beruhige dich. Ich werde weiterhin an seiner Seite stehen… Dementsprechend habe ich auch ein Mitspracherecht bei der Wahl der neuen Leutnants. Und ich habe großes vor.“
 

Auf die Aussage hin drehte sich die Gestalt zu dem Ex-Leutnant um. Ihre Augen spiegelten Unglaube wider. Was genau hatte ihr Oberhaupt im Sinn?
 

„Ich war dir stets treu ergeben. Diesen Shigaraki werde ich nie und nimmer anerkennen. Du hast mein Leben gerettet und diesem einen neuen Sinn gegeben!“, trotz ihrer momentanen Situation war ihre Stimme gefestigt und hallte im Zimmer wider.
 

„Mach dir keine Sorgen, mein Kind. Du wirst deine Chance noch bekommen. Ich will nämlich, dass du einer der neuen Leutnants wirst…“
 

Ungläubig hielt die junge Frau ihren Atem an und krampfte erneut in sich zusammen, ehe sie wieder auf der Fensterbank Platz nahm. Sie war kaum in der Lage aufrecht zu stehen, diese Schmerzen, die ihr Innerstes heimsuchten, wirkten wie ein Feuer.
 

„Ich ein Leutnant? Bei meiner Stellung? Eine wie ich… wird doch niemals akzeptiert werden… “, brachte sie keuchend hervor. Daraufhin fuhr Re-Destro mit seinem Rollstuhl noch dichter an sie heran und blieb wenige Meter vor ihr stehen. Durch das Mondlicht konnte man das Lächeln des Ex-Großleutnants genau erkennen.
 

„Es ist mir egal, welche Stellung du in der Gesellschaft da draußen hast. Es mag sein, dass unsere ach so tolle Heldengesellschaft dich aufgegeben hat, aber hier bei der Befreiungsarmee bist du eine von uns. Du gehörst zu meinen fähigsten Kämpfern und unsere Leute schauen zu dir auf. Du bist zwar erst fast ein Jahr bei uns, aber du hast dich bewährt. Immerhin gehörst du seit immerhin drei Monaten zu unseren Generälen. Ich vertraue auf deine Stärke! Und hier bist du auch vor IHM sicher… “, auf die Worte hin hob Re-Destro seinen Arm nach oben und signalisierte das Zeichen der Befreiungsarmee.
 

„Du hast auch meine vollste Unterstützung...“, Geten, der direkt hinter dem Braunhaarigen stand und gerade die Laken abgelegt hatte, präsentierte dieselbe Geste. Aufmunternd nickte er seiner Kameradin zu.
 

Währenddessen traten die beiden jungen Mädchen näher und hielten dem angehenden Leutnant einen Seidenkimono entgegen, woraufhin sich diese erhob und den Stoff umlegen ließ. Sie liefen einmal um die junge Frau herum und befestigten den Gürtel an ihrer Taille. Als sie fertig waren, richtete die junge Frau ihren Blick erneut aus dem Fenster. Dabei wanderte ihre rechte Hand an die Glasfront. Durch die Reflexion konnte sie ihr eigenes Spiegelbild vor sich sehen, wenn auch nur schwach.
 

„Was genau wird meine Aufgabe als Kommandant sein?“, kam es leise von ihr, ehe sie sich wieder den Beteiligten zuwandte. Ihre Augen schimmerten aufgrund der Reflexion des Lichts golden auf und ihre Haare fielen ihr tief ins Gesicht. Re-Destro kam daraufhin noch näher auf die junge Frau zu und gesellte sich schließlich zu ihr an die Glasfront - seinen Blick ebenfalls in die Ferne gerichtet.
 

„Behalte die Mitglieder der Schurkenliga genau im Auge und erstatte mir Bericht, sobald es zu merkwürdigen Vorkommnissen kommt. Es sind einige sehr interessante Charaktere unter ihnen vertreten und sie machen mich neugierig…“, nach diesen Worten sah der Ex-Großleutnant auf und blickte der jungen Frau genau in die Augen.
 

„Ich zähle auf dich, mein Kind. Enttäusche mich nicht…!“
 


 


 

[Kyushu – wenige Stunden zuvor]
 

Schritte hallten durch den Korridor, der im Licht der untergehenden Sonne bereits in tiefes Orange getaucht wurde. Helle Strahlen durchbrachen die Fensterscheiben. Es war später Nachmittag und die Sonne ging allmählich hinter den Gebäuden der Stadt zu neige. Jedoch kümmerte dies den jungen Mann wenig, der weiterhin die große schwere Tür anpeilte, die mehr und mehr in sein Sichtfeld rückte. Große rote Flügel prangerten an seinem Rücken und nahmen fast den kompletten Gang ein. Adlerähnliche Augen hielten ihren Blick weiter geradeaus gerichtet, während die Sonnenstrahlen an der roten Sonnenbrille zurückreflektiert wurden. Immer näher kam die Tür, an der er schlussendlich innehielt und erst klopfte, ehe er diese öffnete.
 

„Sie hatten nach mir rufen lassen, Chufuya-San?“, nach diesen Worten fiel die schwere Tür ins Schloss. Es offenbarte sich dem jungen Helden ein durch Jalousien gedämmtes Zimmer.
 

Im Innern befand sich ein großer Schreibtisch, an dem mehrere Stühle aneinanderreihten. An der gegenüberliegenden Wand hing ein großer Flachbildfernseher, der den Raum noch wuchtiger wirken ließ. Es handelte sich um ein Besprechungszimmer – das Größte, das die Heldenkommission zu bieten hatte. Gerade befand er sich in über hundert Metern Höhe. Diesen Umstand störte den Blondhaarigen allerdings wenig, er war höheres gewohnt. Gegenüber vor ihm stand eine ältere Dame, die ihren Blick aus dem Fenster gerichtet hielt. Sie trug einen engen Anzug und ihre Haare waren zu einer Hochsteckfrisur gebunden. Erst als sie die Gegenwart des geflügelten Helden bemerkte, wand sie sich dem jungen Mann zu.
 

„Ah, Hawks. Schön, dass du hier bist.“
 

„Was genau erwartet mich? Es hieß nur, es sei eine neue Mission“, der junge Mann verschränkte seine Arme vor seinem Oberkörper und sah sein Gegenüber fragend an.
 

„Korrekt…“, entgegnete die Direktorin und schritt auf den Schreibtisch zu. Zuvor fügte sie noch die restlichen Dokumente zusammen und hielt dem Helden eine Mappe entgegen, die dieser ohne große Worte entgegennahm. Während Hawks die Blätter überflog und den Inhalt studierte, wand sich die ältere Frau der Leinwand zu, an der verschiedene Zettel angeheftet waren.
 

„Es soll sich um eine Spionage-Mission handeln. Du sollst dich in die Schurkenliga einschleusen und mehr über die einzelnen Mitglieder in Erfahrung bringen. Vor allem geht es dem Vorstand der Heldenkommission um die Daten zu Tomura Shigaraki. Er gilt von allen als am gefährlichsten und gehört zur Schurkenkategorie Rang A. Er steht somit direkt unter All for One, der dem S-Rang angehört.“
 

„Ich verstehe…“, murmelte Hawks und legte seine Stirn in Falten. Kurz wand er seinen Blick zu Boden, ehe er wieder Augenkontakt aufnahm.
 

„Ich soll also die Liga von innen heraus beobachten. Sollte machbar sein. Solange es dadurch der Gesellschaft zugutekommt, gehe ich jedes Risiko ein.“
 

Eine kurze Stille legte sich über die beiden Beteiligten. Gerade als Hawks nach weiteren Informationen und Details fragen wollte, kam ihm die Direktorin jedoch zuvor. In ihrem Gesichtsausdruck spiegelte sich Sorge wider.
 

„So ganz einfach wird es jedoch nicht werden… fürchte ich…“
 

Auf die Aussage hin legte Hawks seinen Kopf schief und sah die Direktorin verdutzt an. Warum sollte es nicht einfach werden? Er war es immerhin gewohnt solche Missionen auszuführen, er war doch schließlich der beste Mann auf diesem Gebiet. Jede Aufgabe, die ihm bisher zu teilwurde, hatte er mit hervorragenden Quoten abgeschlossen. Was genau unterschied seine kommende Mission von allen anderen? Die ältere Dame seufzte aus und griff währenddessen nach einem Zeitungsartikel.
 

„Es gibt noch einen weiteren Aspekt, den ich dir nicht vorenthalten will. Wenn es nach denen da oben ginge, soll ich es dir gar nicht erst sagen. Aber ich finde es nur fair, wenn du weißt, worum es unteranderem noch geht…“, schließlich sah die Direktorin auf und blickte Hawks direkt tief in die Augen.
 

Ohne weitere Worte trat sie an den jungen Helden heran und überreichte ihm das Stück Pergament, das Hawks daraufhin kritisch beäugte.
 

„Und was soll ich damit?“, fragte der geflügelte Held leicht überrascht und hob eine Augenbraue, woraufhin seine Bernsteinaugen den Artikel überflogen. Es handelte sich um die heutige Zeitungsausgabe, wobei er sich lediglich dem Text widmete, auf den sein Gegenüber zuvor gedeutet hatte. Es handelte sich sogar um die Titelseite.
 

«Deserteurin gesichtet – Meta Befreiungsarmee um ein weiteres Mitglied reicher?»
 

Was war an diesem Zeitungsausschnitt so besonders? Während Hawks sich den Text durchlas, wandte die ältere Dame ihren Blick erneut aus dem Fenster.
 

„Es kursieren Gerüchte, dass die Schurkenliga gemeinsame Sache mit der Meta Befreiungsfront macht. Sollte dies der Wahrheit entsprechen, haben wir ein gewaltiges Problem. Diese Organisation beherbergt weit um die 100.000 Freiheitskämpfer. Und vor allem mit den Generälen ist nicht gut Kirschen essen. Diese Typen befinden sich ebenfalls auf der A-Rang Liste. Besonders, weil eine von ihnen sehr aus der Menge hervorsticht. Dementsprechend kommt noch eine weitere Zielperson hinzu, die du überwachen sollst.“
 

Hawks las den Artikel zu Ende, während die ältere Dame tief Luft nahm und schließlich wieder das Wort an ihr Gegenüber richtete.
 

„Sie wurde gesichtet, Keigo… sie soll eine ihrer Generäle sein.“
 

Genau in diesem Moment erfasste der geflügelte Held das Bild, das sich unter dem Zeitungsartikel befand und hielt augenblicklich inne. Seine bernsteinbraunen Augen weiteten sich vor Schreck. Vor ihm präsentierte sich ein Fahndungsfoto. Vertraute goldene Iriden stachen besonders auf dem Lichtbild hervor und Hawks musste schwer schlucken, als ihm bewusstwurde, wer sich vor ihm auf dem Foto befand.
 

„Das kann nicht sein… das können die doch nicht ernst meinen… Warum soll sie…?“, fast schon wie in Trance ließ der Blonde die Zeitung los, woraufhin diese langsam zu Boden segelte. Fast schon wie in Zeitlupe. Unwohlsein stieg in ihm auf, es fühlte sich so an, als ob ihm jeden Moment der Mageninhalt hochkommt. Als ob ihm jemand einen saftigen Tritt in die Magengrube verpasst hätte. Die Direktorin schritt daraufhin an dem jungen Helden vorbei und legte ihre linke Hand auf dessen Schultern ab.
 

„Ich weiß, wie nah ihr drei euch früher standet. Aber die Zeiten haben sich geändert. Sie hat die Armee hintergangen, stand vor dem höchsten Militärgericht, wurde zum Tode verurteilt und hat es daraufhin auf mysteriöse Weise geschafft aus dem Hochsicherheitstrakt Tartarus auszubrechen – Sie ist nicht mehr das junge Mädchen von damals, sie ist auf die Schurkenseite gewechselt. Es sind dunkle Mächte am Werk. Sie legen sich leise und schleichend wie ein Zelt über uns und reisen uns mit in die unendliche Tiefe…“, ihre Finger krampften zusammen und bohrten sich in das Heldenoutfit.
 

„Und da er viel zu früh von uns gegangen ist, bleibst nur noch du übrig,“ die Augen der Direktorin finsterten sich, ehe sie ein letztes Mal zu dem Superhelden sprach.
 

„Ich denke, er hätte gewollt, dass du sie wieder auf den rechten Weg zurückführst. Noch ist es nicht zu spät, Keigo - Rette Mira, solange die Fänge der Finsternis sie noch nicht ganz verschlungen haben. Finde sie… finde heraus, was tatsächlich geschehen ist. Sehe die Welt mit Augen, die sich noch nicht vor der grausamen Wahrheit verschlossen haben. Nur du kannst ihr dieses schreckliche Schicksal noch ersparen…“, nach diesen Worten ließ die ältere Dame von dem blondhaarigen Helden ab und öffnete die Tür, die daraufhin laut hinter ihr ins Schloss fiel.
 

Eine Weile blickten die Bernsteinaugen immer noch ins Leere. Sein Innerstes befand sich in hellstem Aufruhr. Er und sie standen sich nahe? Im Gegenteil! Nach jenem schrecklichen Ereignis hat sich Mira von ihm abgewandt. Gerade er wird wohl der Letzte sein, den sie überhaupt sehen will. Ein Bild aus alten Tagen blitzte vor seinem inneren Auge auf. Er zusammen mit seinen Freunden. Zu seiner rechten ein blondhaariges Mädchen im Jungenoutfit und zu seiner linken ein weißhaariger Junge, der aufgrund seiner Quirk mit mehreren Brandwunden übersät und demnach entstellt war, aber nie sein Lachen verloren hatte. Goldene und türkisfarbige Augen blickten ihn an. Jene Iriden, die er nie vergessen würde. Die Beiden waren Menschen, die ihm besonders ans Herz gewachsen waren. Denen er blind vertraut hatte. Sie waren seine Familie. Familie, die er bis zu diesem Zeitpunkt nie besessen hatte. Es gab Momente, da sehnte sich der geflügelte Held nach den alten Zeiten zurück. Als ihr Leben noch unbeschwert war. Als alles noch in Ordnung und seine Richtigkeit hatte. Hawks konnte sich noch genau an deren Stimmen erinnern. Sie fegten wie ein Echo durch sein Gedächtnis und versetzten ihm auch heute noch eine Gänsehaut.
 

[...]

„Keigo“

[...]
 

Mehrere Bilder fügten sich zu einem Videoband zusammen, das sich vor seinen Augen wie eine Dia-Show abspielte. Es waren schöne Erinnerungen. Puzzleteile, die bereits vor Jahren schon auseinandergebrochen waren. Aber jedes Teil beinhaltete eine andere Erinnerung. Wie sie jeden Morgen zusammen am Tisch saßen und gelacht hatten. Wie sie gemeinsam ihre Trainingseinheiten besuchten und absolvierten. Wie sie sich abends gemeinsam auf das Dach der Heldenkommission geschlichen haben und die Sterne beobachtet hatten. Wie er seine beiden Kameraden vor sich sehen konnte, wie sie dicht an dicht nebeneinander herliefen und sich zu ihm umdrehten. Wehmut stieg in Hawks auf, als er sich deren Gesichter ins Gedächtnis rief.
 

Fuck!!
 

Knirschend biss sich der junge Mann auf die Zähne, während sich seine Hände zu Fäusten bildeten. Der Druck lastete schwer – er raubte ihm die Luft zum Atmen. Wieder blitzte ein Bild vor seinem inneren Auge auf. Ein Bild von jenem Jungen, den er soeben erst in seinen Gedanken gesehen hatte. Wäre er nicht die bessere Wahl gewesen? Wäre er in der Lage gewesen ihre Kameradin zurückzubringen? Bestimmt – auf ihn hätte sie gehört. Schließlich waren die Beiden damals ein Herz und eine Seele gewesen. Sie waren auf besondere Art und Weise miteinander verbunden – etwas worauf Hawks, wenn er ehrlich zu sich selbst war, immer eifersüchtig gewesen war. Er sah die Beiden immer wieder vor sich. Dicht an dicht. Kichernd und lachend … so unbeschwert und dass trotz deren Schicksals. Hawks hatte es ihnen gegönnt – vor allem ihm. Niemand hatte so viel Glück verdient wie er.
 

Aber was machte sich der blondhaarige Held eigentlich vor – sein Kamerad ist tot. Er ist nicht mehr hier. Gerade jetzt, wo er seinen Rat am meisten gebrauchen konnte. Seine Faust begann zu zittern. Die Überforderung stand Hawks ins Gesicht geschrieben, während er langsam an die Glasfront herantrat und seine Hand gegen die Fensterscheibe schlug. Die Sonne ging bereits hinter der Skyline unter und warf ihre letzten Strahlen auf den Helden, der mit ratlosem Blick zum Himmel aufsah. Gedankenversunken folgte er den rötlichen Wolken, die langsam mehr und mehr dem dunklen Nachthimmel Platz machten. Vereinzelt funkelten Sterne auf, die in dem bernsteinfarbigen Augenpaar aufblitzten. Eine Weile sah er den Sternenbildern nach, die sich hoch über ihm präsentierten. Hawks wusste nicht, wo er anfangen sollte. Sein Kopf war leergefegt – so leer wie schon lange nicht mehr. Seufzend sah der Blondhaarige schließlich wieder geradeaus und lehnte seine Stirn gegen die Fensterscheibe und hauchte folgende Worte:
 


 

„Verdammt, was soll ich nur tun… Touya?“

Part II – Darkness

„Auf uns, die diesen verdammten Vollidioten von Freiheitskämpfern wortwörtlich die Ärsche versohlt haben!!!“
 

„Meine Güte Spinner, halt mal die Luft an. Wir sollen doch mit denen fusionieren. Beleidigungen sind hier fehl am Platz! Zügel dich!“
 

„Oh Mr. Compress – Wieso stiehlst du mir eigentlich immer die Show! So werde ich nie bei den Mädels landen!“
 

„Schlag dir das mal langsam aus dem Kopf! Du Depp!! Mit dem Teenagerverhalten bestimmt nicht!“
 

Gelangweilt saß Dabi auf dem Fensterbrett und beobachtete das Geschehen von weitem. Es war dasselbe Bild wie immer. Spinner, der sich groß aufspielte, sobald er gesoffen hatte, und Mr. Compress, der immer die Ruhe bewahrte und die anderen bei Fehlverhalten zurechtrückte. Es dauerte nicht mehr lange und ihr kleines Gedränge ging in eine Schlägerei über. Ein paar Mal musste sich der Schwarzhaarige schon beide Ohren zuhalten. Es war definitiv viel zu laut. Sicher – sie hatten die Freiheitskämpfer in Grund und Boden gestampft, aber musste man sich deswegen volllaufen lassen und hier rumbrüllen? Gab es überhaupt etwas zu feiern? Immerhin hatten sie auch genug einstecken müssen, also von einem haushohen Sieg kann hier definitiv keine Rede sein. Murrend legte Dabi seine Stirn in Falten. Den Zahnstocher, den er in seinem Mund hin und her kaute, hatte es bald hinter sich. Das Stück Holz konnte ihn nicht zur Ruhe stimmen, die Ablenkung war also dahin.
 

„Ach komm schon Dabi, sei kein Spielverderber und trink auch was – Schmor in der Hölle, du Bastard!“, es war schon amüsant mitanzusehen, wie Twice versuchte seinen Becher in die Hand zu nehmen. Egal wie oft er es versuchte, es funktionierte einfach nicht. Der Trottel hatte sich, während dem Kampfgeschehen, doch tatsächlich beide Arme brechen lassen! Es war diese nervtötende Irre, die so nett war – bzw. sich erbarmt hatte - und ihm den Becher hielt, in dem sich ein Strohhalm befand.
 

„Tzk...“, genervt rollte Dabi mit den Augen und warf seinen Kopf in den Nacken. Was hatte er nur falsch gemacht? Warum war er auch von solchen Vollidioten umgeben? Das grenzte doch schon an Körperverletzung!
 

„Dabi-Lein~ nun komm schon! Trink mit uns!!“, trällerte die Blondhaarige und schwank ihr Glas hin und her. Das Einauge sollte lieber mal aufpassen, dass es den Inhalt nicht auf dem Teppich verteilt!
 

„Lass das mal lieber Toga, Mister Flameboy ist frustriert!“, stichelte Spinner amüsant und trat an den Schwarzhaarigen heran, der ihn einfach nur genervt anstierte. Die Echse konnte kaum noch geradeaus laufen. Was war bitte verdammt nochmal sein Problem? Ließ der Alkoholpegel ihn übermutig werden? Sonst bekam er nie die Zähne auseinander und was hatte er schon hier groß geleistet? Er war einfach nur Shigaraki hinterhergedackelt, während dieser und sie eingeschlossen, die ganze Arbeit hatten. Dieser Depp hatte doch gar nichts vorzuweisen! Rein gar nichts!
 

„Am besten du legst dich mal ins Bett und schläfst deinen Rausch aus“, Mr. Compress erschien hinter dem Grünhäutigen und legte freundschaftlich einen Arm um dessen Schulter.
 

„Ach was – einer geht noch!“
 

„Das sehe ich allerdings anders, mein lieber Freund~“
 

Bevor die beiden ihren kleinen Disput jedoch weiterführen konnten, ging auch schon die Tür auf und Shigaraki betrat zusammen mit Re-Destro, der sich inzwischen in einem Rollstuhl befand, den Raum. Hinter diesem folgten noch zwei weitere Personen. Es handelte sich hierbei um Skeptic und Geten, wobei Dabi schon die Kotze hochkam, wenn er den zweiten allein nur erblickte. Zwar war er erst irritiert gewesen, als er den Silberhaarigen ohne seine hochgezogene Kapuze erblickte, man hätte meinen können, es wäre eine fremde Person. Aber sobald dieser nur sein Schandmaul öffnete, wusste der Schwarzhaarige sofort, wem diese Stimme zuzuordnen war. Dieses nervtötende Stimmorgan würde er unter tausenden wiedererkennen. Trotzdem musste er sich ein Kichern verkneifen, immerhin sah die Frostbeule aus wie eine Frau.
 

„Nun denn, dann haben wir ja so gut wie alle zusammen, sehr schön“, Re-Destro setzte seinen Rollstuhl in Bewegung, während Shigaraki diesem folgte.
 

„Das sollen also die neuen Leutnants werden, sehe ich das richtig, Tomura?“
 

Der Weißhaarige lief schweigsam neben ihm her und sah schließlich auf. Sein komplettes Gesicht war in Bandagen gehüllt. Wenn wundert es auch? Der Irre hätte beinahe die komplette Stadt in Schutt und Asche gelegt – sich eingeschlossen. Ein siegsicheres Grinsen zierte daraufhin seine Lippen.
 

„Das hier sind meine treusten Kameraden. Ihnen würde ich jederzeit zu hundert Prozent vertrauen. Jedem einzelnen von ihnen…“
 

„Ich verstehe… momentan befinden sich also 9 Kommandanten auf der Liste.“
 

„Korrekt…“
 

Re-Destro wand sich schließlich der kleinen Gruppe zu und blickte in die Runde. Dabi lief ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. Er vertraute dem ehemaligen Boss der Meta Befreiungsfront keinen Schritt über den Weg. Etwas war seltsam an dem Typen. Als er auch noch seinen „Freund“ neben sich an der Wand anlehnend bemerkte, sank seine Laune endgültig Richtung Keller.
 

„Na, Blue Flame? Befindest du dich wieder auf normaler Temperatur? Immerhin stinkst du jetzt nicht mehr nach verbrannter Kohle~“, das gehässige Grinsen, das Geten ihm zuwarf, ließ Dabi vor Wut kochen. Knirschend biss der Größere die Zähne aufeinander, woraufhin der Zahnstocher in der Mitte zerbrach und aus seinem Mund fiel. Er hasste diesen Typen einfach!
 

//Wie mir dieser Depp auf die Eier geht! Unglaublich!!// schoss es Dabi durch den Kopf. Warum musste er sich dessen Visage überhaupt geben?! Am liebsten hätte er den Wicht an Ort und Stelle verkohlt, bis kein Staubkorn mehr von diesem übrig war!
 

„Schnauze…“, grummelte der Flammenquirk-Nutzer und versuchte den Silberhaarigen so gut es ging zu ignorieren. Geten interessierte dies jedoch einen feuchten Dreck. Stattdessen trat der Kleinere näher an den Schwarzhaarigen heran und pickte gegen seinen Oberarm.
 

„Ach komm schon, wir sind doch jetzt so was wie Kameraden! Lass uns unseren dummen Streit begraben und von vorn anfangen, ja?“
 

„Als ob! Zieh Leine oder ich fackle dich ab, Eismännchen!“, den vernichtenden Blick, den Dabi dem Eisquirk-Nutzer zuwarf, sprach Bände. Was wollte dieser Depp bloß von ihm? Konnte er nicht jemand anderen nerven? Währenddessen räusperte sich Re-Destro kurz und wand sich wieder Shigaraki zu.
 

„Wenn ich dir einen kleinen Rat mit auf den Weg geben darf, Tomura… dir fehlt noch jemand, der als Gehirn in dieser Streitmacht fungiert. Jemand, der Pläne schmieden und sie strategisch als auch militärisch umsetzen kann. Der über einen messerscharfen Verstand und umfangreiches Beurteilungsvermögen verfügt. Bislang warst du derjenige gewesen, der alles geplant und auf die Beine gestellt hat. Aber glaub mir, eine Streitmacht mit über 10.000 Mann unter einen Hut zu bekommen, wird genug Arbeit fordern. Daher überlass die Strategieplanungen jemand anderem.“
 

„Ist dem so, ja?“, entgegnete der Angesprochene und widmete sich seinen Aufzeichnungen, die er in seinen Händen hielt. Es stimmte – bislang war es immer er gewesen, der die Vorbereitungen getroffen hat.
 

„Auf jeden Fall und es sollte jemand sein, der diesbezüglich schon einige Kampferfahrungen gesammelt hat. Am besten jemand aus dem Gebiet selbst und wie der Zufall es so will, weiß ich auch schon genau, wen wir mit dieser Aufgabe betrauen können…“, nachdenklich sah der Ex-Großleutnant zur Decke.
 

„Leider war sie bislang körperlich noch nicht in der Lage gewesen in Erscheinung zu treten. Krankheitsbedingt war sie eine verdammte Woche ans Bett gefesselt. Als ihr uns angegriffen habt, hätten wir ihre Stärke und Fähigkeiten gut gebrauchen können.“
 

Dabi seufzte aus und streckte sich währenddessen. Von dem ganzen Aufrechtsitzen bekam er schon eine Genickstarre. Was sollte das ganze Gelaber? Wovon war hier überhaupt die Rede? Er verstand hier hinten kein einziges Wort. Das Treffen hier ging ihm so oder so schon gewaltig gegen den Strich. Er wollte einfach nur allein sein und seine Ruhe haben. Genervt erhob sich der Schwarzhaarige und gesellte sich zu Twice und Toga, die bislang die Couch in Beschlag genommen hatten.
 

„Weiß einer von euch, was die da vorn labern? So wirklich habe ich von da hinten nichts mitbekommen“, lässig lehnte Dabi seine Arme über die Couchlehne.
 

„Sie diskutieren gerade, wen sie noch als Kommandanten aufnehmen wollen“, antwortete Toga und genehmigte sich ein Schluck Alkohol aus dem Glas.
 

„Ach herrje, noch so ein Irrer – hoffentlich ist er genauso wahnsinnig wie wir~“
 

„Das sowieso, Twice… wer tut sich das hier schon freiwillig an“, murmelte Dabi in seinen nicht vorhandenen Bart.
 

„Die Person von der Re-Destro gerade spricht, muss es echt in sich haben. Er scheint voll und ganz von ihr überzeugt zu sein“, warf Mr. Compress in den Raum und stützte sein Kinn auf seinem Stab ab, der sich vor ihm befand.
 

„Also noch so ein Vollpfosten… mir bleibt wohl nichts erspart…“
 

„Meine Güte Dabi, warte doch erst mal ab! Vielleicht ist die Person ja gar nicht so übel~“, trällerte Toga fröhlich vor sich hin, während sie ihre Beine hin und her wippte.
 

„Dass du Irre dich freust, wundert mich nicht – dann kannst du wieder deinem Blutdurst freien Lauf lassen. Da kann der Neue ja einem wirklich leidtun…“, Dabis Worte driften nur so vor Sarkasmus, während er gehässig die Blondhaarige unter ihm angrinste.
 

„Du bist so gemein, Dabi-Lein!“, mit aufgeblasenen Wangen schlug die Blondhaarige gegen dessen Oberarm und funkelte den Schwarzhaarigen mit ihren gelben Iriden an. Dieser jedoch ignorierte Togas Worte und erhob sich wieder. Danach blickte er hinter sich und entdeckte die Balkontür, die nach draußen führte. Er brachte definitiv eine Zigarette, sonst garantierte er hier für nichts mehr.
 

„Wo gehst du denn hin?“, kam es überraschend von Mr. Compress, der dem Flammenquirk-Nutzer nachsah, wie dieser hinter ihm vorbeischritt.
 

„Frische Luft…“
 


 


 

Eine sternklare Nacht begrüßte den Schurken, als er den Balkon betrat. Gleichzeitig wehte ihm ein kalter Wind entgegen. Der Vollmond, der sich am Horizont präsentierte, ließ erahnen, dass es die kommende Nacht wieder sehr kalt werden wird. Aufgrund seiner vernarbten Haut nahm er die Kälte jedoch kaum wahr. Mit einer Flamme, die sich auf seinem Zeigefinger bildete, zündete sich Dabi eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. Er mochte es nicht mit so vielen Personen in einem Raum zu sein. Es wirkte beengend und raubte ihm den Freiraum. Es war keine Platzangst, wie man sie für gewöhnlich kannte, aber es weckte Erinnerungen, die am besten tief verborgen bleiben sollten.
 

Nachdenklich zog Dabi erneut an der Zigarette. Erst nach wenigen Minuten der Stille realisierte der junge Mann langsam Shigarakis Worte. Er soll einer der Leutnants werden? Jemand, der Leute befehligt? Nikotinrauch umgab den Schwarzhaarigen, als er in die Ferne blickte. Gehörte diese Entwicklung noch tatsächlich zu seinem Plan? Für was genau kämpfen diese Leute? Was ist deren Motiv – gar Antrieb? War es wegen der Unterdrückung, die die Heldengesellschaft mit sich brachte?
 

Es steht außer Frage, dass die Heldengesellschaft regelrecht überrannt werden wird. Bei über 110.000 Kämpfern wird die Konfrontationsgewalt Ehmens sein. Bislang hatte man sie wie Kleinkriminelle behandelt und nicht ernst genommen. Wie eine lästige kleine Ratte, die man ohne große Müh niederstampfen konnte. Etwas, was Dabi regelmäßig innerlich kochen ließ. Helden, die sich Helden nennen, aber nur auf Profit aus sind. Menschen, die in der Öffentlichkeit ein anderes Bild präsentierten, als sie es in ihrem Privatleben tun. Dabi hatte es am eigenen Leib mehrmals erfahren. Nein – er durfte sich nicht unterkriegen lassen. Als von der Zigarette nur noch ein Stummel übrigblieb, warf er diesen in die Ferne und hielt sich mit beiden Händen am Balkongeländer fest, während sein Kopf zu Boden sank. Er darf keine Schwäche zeigen. Jene Schwäche hatte er vor mehr als 8 Jahren abgelegt. Es gab keinen Weg mehr zurück. Er war nicht mehr „er“. Seine Finger krampften zusammen.
 

Dabi hatte nur ein Ziel vor Augen – jenen Mann zur Strecke bringen, der sich sein Erzeuger nannte. Enji Todoroki… Dabi wollte seine Welt brennen sehen. Alles, was ihm lieb und teuer war. Rache war alles, was Dabi für seinen Alten noch übrighatte. Er sollte leiden für alles. Für all den Schmerz, den er ihm seelisch zugefügt hatte und jene Kindheit, die ihm geraubt wurde. Die türkisfarbigen Iriden blitzten auf. Der Schwarzhaarige musste die jetzige Situation aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Ein gehässiges Grinsen schlich sich daraufhin auf Dabis Lippen, ehe er seinen Kopf wieder anhob und in die Ferne blickte.
 

Er wird es nicht allein sein, der seine Welt zum Einsturz bringen wird – eine ganze Arme wird der Heldengesellschaft den gar ausmachen und dann wird er seinen großen Auftritt haben. Ein Ereignis, auf das er sich schließlich schon seit Jahren vorbereitete. Bald ist der Zeitpunkt gekommen – schon sehr bald wird der Vorhang fallen. Zufrieden vor sich hin grinsend sah der Schurke zum Himmel auf. All diese Vorstellungen waren wie Balsam für Dabis Seele.
 

Dass ihn jedoch in naher Zukunft andere Gedanken beschäftigen und seine innere Mauer zu Fall bringen werden, war dem Schurken zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. Die Wurzeln des Schicksals sollten ihn schneller erreichen, als ihm lieb war. Jene Wendung war bereits auf dem Vormarsch.
 


 


 


 

— • It calls me • —

— • And no one knows • —

— • How far it goes • —

[No Resolve - How Far I'll Go]

Part III – The new one

Ein nervtötendes Surren weckte Dabi aus seinem schlummernden Schlaf. Noch total gerädert und schlaftrunken hob er seinen Arm und tastete den Schrank neben sich ab. Mehrmals griff er ins Leere, bis er schließlich das störende Etwas in seine Finger bekam. Mit halb geöffneten Augen warf er einen Blick auf den Bildschirm seines Handys und murrte genervt aus. Da hatte er einmal einen freien Abend, den er sich gönnte, und schon wurde in aller herrgottsfrühe sein Typ verlangt. Es war gerade mal 8 Uhr morgens. Knurrend fuhr er mit seinem Daumen über den Annahme-Button.
 

„Ja, was ist?“, kam es mehr als genervt von dem Schwarzhaarigen, der sich daraufhin erst mal von der Matratze erhob und sich im Raum umsah. Überall lagen seine Klamotten verteilt. Kein Wunder nach dem Abenteuer letzte Nacht. Ein Blick auf die andere Bettseite reichte aus, um zu bestätigen, dass es vor wenigen Stunden noch heiß hergegangen war. Neben Dabi lag eine rothaarige Schönheit, die den Rücken zu ihm gedreht hatte. Lange rote Locken lagen auf dem Kissen verteilt. Nur die Decke bedeckte den Teil ihres Unterkörpers. Ihre leicht gebräunte Haut hob und senkte sich im gleichmäßigen Takt.
 

„Dir auch einen schönen Morgen, Dabi. Wo treibst du dich denn wieder rum?“, kam es von der anderen Leitung, an der niemand geringeres als Mr. Compress zu dem Schurken sprach. Der Angesprochene hatte erst alle Mühe sich seine Shorts überzuziehen und sammelte noch den Rest seiner Kleidung auf, während er sein Smartphone zwischen Schulter und Wange eingeklemmt hatte.
 

„Ich wüsste nicht, was es dich angeht. Du weißt genau, dass ich auch meine Freiheiten brauche und gelegentlich mal das Weite von euch Deppen suche“, brachte der Schwarzhaarige gähnend hervor.
 

„Sag doch gleich, dass du dir wieder ein Betthäschen geangelt hast… Ich kenne dich diesbezüglich schon lange genug. Was deine Weiber-Geschichten angeht, könnte man inzwischen ein Buch schreiben. Kein Wunder, dass unser Spinner eifersüchtig ist.“
 

Genervt rollte Dabi mit seinen Augen, während er sich sein Shirt überzog und danach die Schnürsenkel seiner Stiefel zuband. Diese Standpauke durfte er sich jedes verfickte Mal anhören, wenn er mal wieder unterwegs war. Er war schließlich auch nur ein Mann, der seine Bedürfnisse hatte. Was sprach schon dagegen, wenn er ab und an mal ein Bett mit einer Frau teilte. Verhütung war das A und O, da war er selbst streng, also wozu dieses nervige Gelaber? Dabi war alt genug, um selbst entscheiden zu können, was er tat und was nicht.
 

„Komm zum Punkt!“, war alles was der Flammenschurke darauf erwiderte und zog sich schließlich den schwarzen Mantel über.
 

„Denk dran, dass heute Mittag der neue Leutnant vorgestellt wird und danach die große Vorstellungsrunde stattfindet. Es wird die Anwesenheit von uns allen verlangt.“
 

„Ja, doch…“, gähnte Dabi und warf einen Blick in den Badezimmerspiegel, der im Raum an der Wand hing. Er sah wieder mal aus wie der wandelnde Tod auf zwei Beinen – komplett schwarz gekleidet. Seine Haut wirkte so blass wie immer, abgesehen von den Knutschflecken, die während der lustvollen Nacht entstanden waren.
 

„Dabi, du weißt genau, dass dieses Treffen sehr wichtig ist. Also reiß dich zusammen und sei vor Allerdingen pünktlich!“, nach diesen Worten legte der schwarzhaarige Schurke einfach auf und seufzte aus. Manchmal ging ihm dieses fürsorgliche Getue einfach nur auf die Nerven. Ein letztes Mal warf Dabi einen Blick über seine Schulter auf die schlafende Frau und verließ das Zimmer.
 

Der Geruch von Sex lag in der Luft. Sie hatten sich gestern Abend in einem Love-Hotel niedergelassen. Dementsprechend war das Publikum auch dort vertreten. Überwiegend alte Säcke, die sich an Jüngere ranmachten. Dabi war dies zuwider. Er blieb lieber bei seiner Altersklasse – ab und an waren seine Sexualpartnerinnen auch jünger, aber max. nur um 3 Jahre. Dabi suchte sich seine Partnerinnen selbst aus, er stieg nicht mit jeder x-beliebigen in die Kiste. Er hatte Ansprüche, sogar sehr hohe. Diesbezüglich war er sehr speziell und erst wenn alles passte, ließ er sich auf mehr ein. Gestern war der erste Abend seit langem gewesen, wo er sich mal zurückziehen durfte. Shigaraki hatte ihm den Freiraum eingeräumt. Der Weißhaarige wusste selbst, dass der schwarzhaarige Schurke sehr unangenehm werden konnte, wenn er auf sexuellem Entzug war. Dann war er wortwörtlich unausstehlich. Einmal im Monat gönnte er sich diesen Spaß. Zudem die kommenden Wochen andere Themen anstanden und da musste er mit vollen Gedanken bei der Sache sein.
 

Er hatte die Nacht mit der Rothaarigen sehr genossen, aber trotzdem fehlte ihm etwas. Normalerweise hieß es immer, dass man sich danach befreit und entlastet fühle. Leider entsprach dies zu Dabis Leidwesen nicht der Wahrheit. Der Sex fühlte sich nicht befriedigend genug an, als ob etwas nicht stimmen würde. Seit Jahren versuchte der Schurke schon eine Antwort auf sein Problem zu finden, aber bis heute war noch keine Lösung in Sicht. Er wusste nicht, woran es lag. Sein Kopf verarbeitete alles, aber sein Körper rebellierte. Als ob sein Innerstes nach etwa rief, das nicht antwortete. Es war zum Verrückt werden und es bereitete ihm auch schon sehr viele schlaflose Nächte. Auch im Moment war sein Innerstes in hellstem Aufruhr. Weiß´ der Geier warum! Aber so langsam hatte Dabi die Schnauze gestrichen voll. Er wollte nicht mehr drüber nachdenken. Generell sollte sich sein Körper mit dem zufrieden geben, was er vorgesetzt bekam. Knurrend schüttelte der junge Mann seinen Kopf und schritt die Treppen hinunter, die zum Eingangsbereich führten.
 

Genervt stapfte der Schwarzhaarige über die Hauptstraße, die von Menschen geradezu überfüllt war. Es war ein reges Treiben am frühen Morgen. Fröhliches Gelächter kam ihm entgegen. Dadurch, dass er sich einen schwarzen Hoodie über den Kopf gezogen hatte, blieb er unerkannt. Es war eine Woche ins Land gezogen, seitdem verkündet wurde, dass noch ein weiterer Leutnant zu ihnen stoßen sollte. Keiner hatte diese besagte Person bislang zu Gesicht bekommen, aber dennoch war sie Gesprächsthema Nummer 1. Heute nun soll sie vorgestellt werden und direkt im Anschluss soll die große Bekanntmachung erfolgen. Dabi hatte jetzt schon auf dieses ganze Getue keine Lust. Er wollte einfach nur seine Ruhe, aber diese war ihm nicht vergönnt. Innerlich bereitete er sich jetzt schon auf einen langen, lauten und nervtötenden Abend vor.
 


 


 


 

Als der Schurke wenige Stunden später wieder im Hauptquartier ankam, befand er sich auch schon mitten im Trubel. Die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren. Fragend hob der Schwarzhaarige eine Augenbraue und sah sich um.
 

„Was ist denn hier schon wieder los?“, murmelte der junge Mann mehr zu sich selbst und kratzte sich am Hinterkopf. Als er wenige Schritte nach hinten trat, stieß er auch schon mit jemandem zusammen. Bevor Dabi sich umdrehen und vergewissern konnte, wen er da angerempelt hatte, kam ihm dieser jemand schon zuvor.
 

„KANNST DU NICHT AUFPASSEN, DU VOLLSPAST?!“
 

Entsetzt starrte der Schurke auf eine kleinere Gestalt herab, die am Boden lag. Durch den Aufprall muss sie wohl gestolpert sein und den Halt verloren haben. Sie trug einen Umhang, dessen Kapuze ihr tief ins Gesicht ragte. Anhand der Stimme konnte der Schwarzhaarige allerdings schon herausfiltern, dass es sich um eine Frau handeln musste. Kurz seufzte der Schwarzhaarige aus, ehe er mit monotonem Ton das Wort an sein Gegenüber wandte.
 

„Normalerweise hätte ich mich jetzt für den Zusammenprall entschuldigt, dir meine helfende Hand gereicht und dich hochgezogen, aber nach der Anmache überlege ich mir das nochmal…“, Dabi sah emotionslos auf die Gestalt herab und schob seine Hände in die Manteltaschen.
 

„Manieren sind dir wohl ein Fremdwort, oder?“, sein Gegenüber erhob sich währenddessen langsam und klopfte sich den Dreck vom Umhang. Dabi hob fragend eine Augenbraue und musterte sein Gegenüber. Sie reichte ihm gerade mal bis zur Brust. Dennoch spürte er die Wut in sich aufbrodeln. Was bildete sich dieses Etwas bitte ein?!
 

„Sag mal, dir piept´s wohl! Du hast mich dumm angemacht, nicht umgekehrt!“, brachte Dabi verärgert hervor und verschränkte seine Arme vor seinem Oberkörper. Was ist das denn bitte für eine Irre und vor allem was sollte diese Anmache? Er hätte sich ja von selbst entschuldigt!
 

Die Gestalt hob ihren Kopf und goldene Iriden blitzten unter der Kapuze hervor. Für einen Moment konnte der Schurke einfach nur starren. Was waren das bitte für Augen? Diese goldenen Seelenspiegel zogen ihn in den Bann. Sie erinnerten an das Gold einer Münze, die vom Licht reflektiert wurde. Irgendwie kamen ihm diese Iriden bekannt vor – so vertraut. Bevor Dabi reagieren konnte, wurde er auch schon am Kragen gepackt und runtergezogen. Ein seltsamer Duft kroch in seine Nase. Süßlich und leicht – ein Hauch von Vanille. Gepaart mit einem weiteren Geruch, den er bislang nicht zuordnen konnte. Er ließ ihn schon fast innerlich wieder zur Ruhe kommen. Von der Wut war so gut wie nichts mehr übrig. Wie im Keim erstickt. Fast schon bedrohlich baute sich die Kleinere währenddessen vor ihm auf.
 

„Ich sag dir jetzt mal was, du Macho! Aufgrund meiner Größe werde ich oft genug schmunzelnd angesehen und aufgrund der Tatsache, dass ich eine Frau bin, macht das die Lage nicht gerade besser. Entweder starren die Männer einem direkt in den Ausschnitt oder auf den Arsch und wollen gleichzeitig nur das eine von einem! Aber nicht mit mir! Da ich bis jetzt immer noch keine Entschuldigung von dir erhalten habe, komme ich dir halt zuvor. Kein Ding – Schwamm drüber~“
 

Es gab selten Momente, die Dabi mundtot machten und genau dieser Moment war ein solcher. Wie schnell konnte diese Frau bitte ihre Laune umschwenken lassen? Irritiert starrte er die Gestalt weiterhin an. Diese Irre hatte wahrlich Pfeffer im Arsch. Sie war sehr direkt und strotzte nur so vor Selbstbewusstsein. Kurz darauf ließ die vermummte Gestalt auch schon von ihm ab und setzte ein gehässiges Grinsen auf, ehe sie ihm mit der flachen Hand gegen den Rücken schlug. Und Power hatte sie auch und das nicht zu wenig!
 

„Du stinkst im Übrigen wie eine billige Puff-Parfümerie! An deiner Stelle würde ich erst mal das Badezimmer aufsuchen! Als Leutnant hinterlässt das keinen guten Eindruck! Nur so ein kleiner Tipp am Rande~“, nach diesen Worten zwinkerte die junge Frau dem Größeren zu und setzte sich in Bewegung.
 

Dabi sah der kleinen Gestalt mehr als perplex hinterher. Dabei wanderte sein Blick weiter runter und blieb an ihrem Hintern haften, der trotz des Umhangs hervorragend zur Geltung kam. Eins stand fest, sie besaß einen sehr femininen Körper. Bevor der Schwarzhaarige weiter in seinen Gedanken abdriften konnte, schüttelte er seinen Kopf hin und her.
 

//Denk nicht mal dran! Die Alte ist doch geistesgestört! // Der Schock stand dem Schurken ins Gesicht geschrieben und normalerweise war er der emotionslose Eisklotz in Person. Er bekam nicht einmal mit, wie sich Twice zu ihm gesellte und mit den Händen vor dessen Augen hin und her wedelte.
 

„Erde an Dabi – bist du noch anwesend oder schon tot?“
 

Allein für diese dumme Frage hätte der Schwarzhaarige seinen Kameraden am liebsten erwürgt. Genervt rollte der Flammenquirk-Nutzer mit den Augen und schielte zu seinem Nachbarn rüber.
 

„Ich lebe noch, du Depp“, danach wand der junge Mann seinen Blick wieder geradeaus, was Twice nicht verborgen blieb. Immer wieder wand er den Kopf hin und her und legte schließlich seine Stirn in Falten, ehe er auf den Trichter kam, was sich hier abspielte.
 

„Oh… wie ich sehe, bist du unserem Sonnenschein schon begegnet. Hübsches Ding, oder? Klein aber Oho! Die hat Feuer, wird wohl schwer zu bändigen sein. Aber niemand kommt an meine Toga-Chan ran~“, trällerte der Maskierte vor sich hin und zog Dabi in den Schwitzkasten, der alle Mühe aufbringen musste, um sich aus der Lage wieder zu befreien.
 

„Lass mich los! Dass du einen bescheuerten Frauengeschmack hast, wissen wir bereits, du Hohlbirne!“
 

„Hör auf mich zu mobben – ich schwöre dir ich mach dich kalt! Rede nicht so über meine Toga!“
 

„Ja, ja… hör auf mir mit deinem Gelaber ein Ohr abzukauen und zisch ab!“
 

„GENUG JETZT!“
 

Mit einem Mal wichen die beiden Schurken erschrocken auseinander und blickten zur Empore hoch, an der niemand geringeres als Shigaraki verweilte, der mehr als genervt zu ihnen hinabblickte. In diesen eiskalten roten Augen stand der Wahnsinn inne geschrieben. Niemand legte sich freiwillig mit Tomura Shigaraki an. Was auch immer der Weißhaarige an sich hatte, Dabi lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Seit seinem „Quirk-Erwachen“ war Shigaraki wie ausgewechselt. Er war vorher schon gefährlich, aber nun lagen Dimensionen zwischen dem alten Abbild und dem neuen. Dieser Schurke war mit Vorsicht zu genießen. Erst dann ließ Dabi seine Augen weiterwandern und blieben an Re-Destro haften, der sich direkt hinter dem Weißhaarigen befand. Stillschweigend folgten Twice und Dabi daraufhin den beiden Anführern und betraten den Aufenthaltsraum, in denen sich schon jeder versammelt hatte. Toga und Mr. Compress gesellten sich direkt zu den beiden, während Spinner mit etwas Abstand hinter ihnen verweilte. Ihre Aufmerksamkeit wurde wenige Minuten später von Re-Destro in Anspruch genommen, als dieser vor sie trat.
 

„Nun denn, beginnen wir…“, kam es räuspernd von dem Braunhaarigen und widmete sich Shigaraki zu, der sich neben ihm befand. Der Zerfallquirk-Nutzer wirkte so desinteressiert wie immer. Mit verschränkten Armen blickte dieser aus dem Fenster.
 

Danach blickte Re-Destro zu Geten rüber, der bislang am hinteren Ende des Raumes stand. Mit einem Nicken gab er diesem zu verstehen, dass er loslegen konnte. Der Weißhaarige trat an die Tür heran und drückte die Klinke nach unten, öffnete diese und verschwand aus dem Raum. Währenddessen widmete sich Re-Destro wieder den anderen zu.
 

„Wie jeder von euch mitbekommen hat, wird ein weiterer Leutnant zu euch hinzustoßen. Bevor diese allerdings als Euresgleichen anerkannt wird, wird sie auf Shigarakis Wunsch hin eine Prüfung ablegen.“
 

Verwundert hob Dabi eine Augenbraue nach oben und sah zu Mr. Compress rüber, der daraufhin nur mit den Achseln zuckte. Die türkisfarbigen Iriden nahmen Shigaraki genauer unter die Lupe, der sich währenddessen wieder dem Geschehen gewidmet hatte. Was hatte ihr Anführer bloß vor?
 

„Ich sehe einige überraschte Gesichter… Sie wird deshalb eine Prüfung ablegen müssen, weil sie anders ist. Anders als wir. Bevor ich allerdings weitere Informationen über sie preisgebe, heißen wir die junge Dame erst einmal Willkommen…“, nach Re-Destros Worten öffnete sich erneut die Tür – wie auf Stichwort.
 

Alle Augenpaare wanderten zur Tür und sahen dabei zu, wie Geten erneut den Raum betrat. Allerdings war der Eisquirk-Nutzer dieses Mal nicht allein. Neben ihm lief eine junge Frau, ihre Körpergrößen waren fast identisch. Sie besaß eine lockige Bob-Frisur - blonde Haare ragten ihr tief ins Gesicht und verliefen ihren Nacken entlang. Zwei lange Haarsträhnen, die ihr Gesicht jeweils seitlich umrahmten, reichten bis zu ihren Schultern und verliehen der Blondhaarigen ein feminines Aussehen. Ihr Blick war gegen Boden gerichtet, sodass man nicht viel von ihrem Gesicht erkennen konnte. Ihre Kleidung lag eng an ihrem Körper. Diese bestand aus einer blauen langen Stoffhose, einem schwarzen enganliegenden Top, worüber sich eine blaue Jacke befand, die bis unterhalb ihres Burstkorbs reichte und zugeknöpft war. Was allerdings direkt ins Auge stach, war eine Brosche, die auf ihrer linken Brusthöhe thronte. Eine hellblaue Kugel, in dessen Innern sich ein Flammenphönix befand, der in einem herrlichen Blau glitzerte und funkelte. An ihrer Hüfte entlang war ein Apparat befestigt, der aus mehreren Seil-Rollen und einem mechanischen Gürtel samt Eisendraht bestand. Noch nie hatte Dabi so ein Ausrüstungsset gesehen. Ihr Gang wirkte majestätisch. Immer wieder warf die untergehende Sonne ihr Licht auf sie, wenn sie an den Fenstern vorbeilief. Schließlich hob die Blondhaarige ihren Kopf an und sah geradeaus. Ihre Augen, die sich hinter einer dunklen Sonnenbrille befanden, schimmerten golden auf, sobald die Strahlen ihre Iris trafen. Ihr Blick wirkte scharf und stechend. Auf einen Punkt fixiert.
 

„Hola… Da läuft es ja einem eiskalt den Rücken runter~“, Twice, der neben Dabi stand, schluckte schwer und rieb sich fröstelnd die Oberarme auf und ab.
 

Der Flammenquirk-Nutzer sah sich währenddessen die junge Frau genau an. Er ließ seine Augen wandern. Bei näherem Betrachten fielen dem Schwarzhaarigen die Ähnlichkeiten auf. Es war definitiv die Irre von eben – das stand außer Frage. Sie sah komplett anders aus, als er sie sich vorgestellt hatte. Sie war gutaussehend, das musste sich der Schurke wohl oder übel eingestehen. Von der Bettkante würde er sie nicht stoßen. Aber dennoch…, wenn er sie so betrachtete – er konnte es selbst nicht genau beschreiben, aber etwas haftete an der Blondhaarigen, was ihm mehr als bekannt vorkam. Diese Haare, diese Augen, diese Aura… Während die junge Frau an ihm vorbeilief, trafen sich kurz ihre Blicke. Gold traf auf Türkis. Es war ein Moment, der sich wie in Zeitlupe abspielte. Der Schwarzhaarige hielt inne, während sich ein seltsames Gefühl in seinem Innern breit machte. Es wirkte wie ein Rauschen… ein Flüstern… leise, kaum verständlich. Gleichzeitig breitete sich ein Prickeln in ihm aus, das mehr und mehr in ein Pulsieren überging. Wenn Dabi es nicht besser wüsste, hätte es sich um seinen eigenen Herzschlag handeln können, welchen er da gerade wahrnahm. Aber das konnte nicht sein. Dieses Pulsieren war anders und stimmte nicht mit seinem Herzschlag überein. Knurrend schüttelte Dabi seinen Kopf, weshalb der Blickkontakt abbrach.
 

„Hey, Kumpel? Geht es dir gut?“, besorgt legte Twice eine Hand auf Dabis Schulter ab, die dieser direkt wieder wegschlug.
 

„Ja…“, kam es murrend von dem Schurken und sah zu Boden, ehe er der Blondhaarigen wieder nachsah, die inzwischen mit dem Rücken zu ihm stand. Nun konnte Dabi zwei große Gewehre erkennen, die über Kreuz auf ihrem Rücken festgeschnallt waren. Er musste zugeben, dass die Blondhaarige schwere Geschütze auffuhr. Sie war wohl kein Typ für halbe Sachen. Die Art und Weise wie sie dastand. Sie wirkte einschüchternd. Ihre Haltung… ihre Geste. Alles an ihr schrie nach Militär – ohne Zweifel. Aber dennoch…
 

//Was war das gerade?// schoss es dem Flammenqirk-Nutzer durch den Kopf und rieb sich hierbei die Schläfe. Was auch immer gerade geschehen war, er durfte sich nichts anmerken lassen.
 

Wieder ließ er seine Iriden über ihre Gestalt wandern. Er konnte seinen Blick einfach nicht abwenden. Was genau faszinierte ihn nur an dieser Frau? Eben auch schon. Diese Präsenz, dieser Duft… Obwohl sie wenige Meter von ihm weg stand, konnte Dabi den Geruch immer noch vernehmen, der in der Luft lag. Dieser süßliche Duft, der ihm die Sinne nach und nach vernebelte. Warum reagierte er überhaupt darauf? Das Pulsieren war noch nicht verglommen. Sein Körper befand sich in hellstem Aufruhr. Als ob gerade etwas in seinem Innern erwacht war, das randalierte und auf sich Aufmerksam machen wollte.

 
 

Hör auf, sei still!
 

Knirschend biss Dabi die Zähne aufeinander und mahnte sich zur Ruhe. Kurz schloss er hierbei seine Augen und ging tief in sich.

 
 

Reiß dich zusammen!
 

Er lauschte. Wollte sich vergewissern, dass die Stimme verstummt war. Und tatsächlich – es herrschte augenblicklich Stille. Die innere Unruhe war verglommen … vorerst. Allerdings wurde Dabi das Gefühl nicht los, dass hier etwas nicht stimmte und dass das nicht alles gewesen sein konnte. Er hatte noch nie so reagiert. Vor allem nicht bei einer Frau. Dass der Flammenquirk-Nutzer mit seiner Vermutung Recht behalten sollte, sollte sich schon sehr bald herausstellen.
 

Das alles sollte erst der Anfang von etwas ganz Großem sein. Denn eine unbekannte Stimme, die zuvor geschlummert hatte und nun aus ihrem Tiefschlaf erwacht ist, ließ sich nicht so einfach bändigen. Die Räder des Schicksals hatten angefangen sich in Bewegung zu setzen.
 


 


 


 

 
 

— • I will never know what happens next• —

— • Even when my heart beats out my chest• —

— • Through all of the chaos, I'll find a way out• —

[I Prevail - Chaos]

Part IV – the match I

 

[wenige Minuten zuvor]

 

„Ich gebe dir einen guten Rat. Pass auf dich auf… die von der Schurkenliga sind irre…“

 

Schritte halten durch den Flur, der fast in kompletter Dunkelheit lag. Das Echo hallte von dem eiskalten Gemäuer wider. Durch das spärliche Licht, um das Motten bereits ihre Runden zogen, konnte man zwei Silhouetten erkennen, die ihren Weg auf dem gepflasterten Boden fortführten.

 

„Macht sich der große Geten etwa Sorgen um mich? Oh, wie niedlich~“

 

Der Weißhaarige, der vorauslief, blieb stehen und sah zu seiner Begleiterin, die wenige Meter hinter ihm herlief.

 

„Hör auf mit dem Mist, Mirabelle. Ich meine es ernst, Shigaraki ist der Teufel in Person. Aktuell kann ich ihn nicht einschätzen, er ist mir nicht geheuer…“.

 

Die Angesprochene schritt währenddessen an dem Eisquirk-Nutzer vorbei. Ihre Hände ruhten in ihren Hosentaschen, während ihr Kopf gesenkt war. Ihre Aufmerksamkeit galt daraufhin der Lampe, die sich direkt neben ihr befand. Gedankenversunken hielt sie ihre Hand Richtung Licht, sodass eine Motte auf ihrem Zeigefinger Platz nahm. Eine Weile beobachtete die junge Frau das Insekt, das schließlich um ihren Finger seine Kreise zog. Lächelnd wand sie sich schließlich ihrem Nachbarn zu, der sie die ganze Zeit bei ihrem Tun beobachtet hatte. Gleichzeitig lehnte sie ihre freie Hand bereits an die Tür, die zum Besprechungsraum führte.

 

„Keine Sorge, meine Treue gilt immer noch Re-Destro… erst muss dieser Shigaraki mal zeigen, dass er es wert ist Anführer genannt zu werden…“, nach diesen Worten erfolgte auch schon das Knarzen der schweren Metalltür.

 

Licht umwarb die junge Frau, während sie gemeinsam mit Geten den Raum betrat. Den Kopf erst Richtung Boden gewandt, ehe sie ihren Blick auf Re-Destro richtete, der sie herzlich anlächelte und ihr zunickte. Zu jener Person, der sie alles verdankte. Der sie ihr Leben verdankte. Der ihr wieder ein Zuhause gab, nachdem die Heldengesellschaft sie aufgegeben hatte. Ihr Herz pochte laut gegen ihren Brustkorb, schnürte ihr teilweise schon die Luft zum Atmen ab. Ihre Hände bildeten sich zu Fäusten. Von dem bevorstehenden Test hing alles ab. Sie durfte ihn nicht enttäuschen. Sie musste allen zeigen, was sie wert war. Losgelöst von den Ketten, die sie an ihrer Vergangenheit bannten. Ihr den Weg nach vorne versperrten. Sie musste sich von ihrem alten Leben losreißen. Alles hing von diesem einen Ergebnis ab. Die hohen Erwartungen lasteten schwer wie ein Steinbrocken auf ihrem Rücken. Schwer schluckend und mit einem mulmigen Gefühl im Bauch setzte Mirabelle ihren Weg weiter fort. Während die junge Frau voranschritt, stieg ihr plötzlich ein Duft in die Nase. Herb – Süßlich. Gepaart mit einem Geruch von Nadelholz. Etwas, was sie aus der Bahn warf. Etwas, was die Blondhaarige den Blickkontakt zu ihrem Anführer für einen Augenblick abbrechen ließ.

 

Was?

 

Kurz hielt Mirabelle in ihrer Bewegung inne und schaute seitlich neben sich. Sie wusste nicht, warum sie es tat. Etwas in ihrem Innern mahnte sie hinzusehen, zwang sie in diese besagte Richtung zuschauen. Dann sah sie sich wieder mit ihm konfrontiert. Mit jenem Schurken, dem sie soeben schon auf dem Gang begegnet war. Es wirkte so, als ob die Zeit stehen geblieben wäre. Was sie vernahm, war nur noch ihr eigener Herzschlag und ihr Atem, der stetig frischen Sauerstoff durch ihre Lungen pumpte. Gold traf auf Türkis. Eine Farbe, die ihr mehr als alles andere bekannt vorkam. Seine Aura, diese Augen… eine Gänsehaut bildete sich auf ihrer Haut. Eins musste sie sich eingestehen, der Schwarzhaarige war attraktiv- sogar sehr attraktiv. Die Narben ließen ihn noch faszinierender wirken. Sie stellten sein bisheriges Leben dar und aus irgendeinem unbekannten Grund brannte sie auch darauf mehr von ihm zu erfahren. Warum sie solche Gedanken hegte, wusste sie selbst nicht. Eigentlich kam ihr dieser Rüpel mehr als unhöflich rüber. Aber dennoch war da etwas an ihm, was sie nicht losließ. Dann hallte diese Stimme in ihrem Innern wider, sie wirkte wie ein Flüstern im Wind. Sie war leise, kaum verständlich. Mirabelle wollte lauschen, die Worte verstehen, die aus ihrem Innern zu ihr zu sprechen schienen. Aber sie verstand sie nicht. Warum war sie nicht in der Lage diese Stimme zu verstehen? Erst als das Wort an sie gerichtet wurde, erwachte sie aus ihrer kurzzeitigen Trance.

 

„Schön, dass du es zeitlich einrichten konntest. Komm her, mein Kind.“

 

Die Blondhaarige widmete daraufhin gedankenversunken ihre Aufmerksamkeit Re-Destro, der im Rollstuhl freudig auf sie zugerollt kam. So ganz in der Realität war sie noch nicht angekommen. Der Ex-Großleutnant kam vor ihr zum Stehen und nahm ihre Hand, woraufhin dieser ihren Handrücken küsste. Es war eine Geste, die auf Vertrauen basierte. Dieses Ritual war bekannt innerhalb der eigenen Reihen. Die junge Frau nickte dem Kleineren nur zu, der ihr daraufhin ein Augenzwinkern schenkte. So langsam trat Ruhe ein. Gemeinsam schritten sie auf Shigaraki zu, der am Ende der Reihe auf die beiden wartete. Geten blieb währenddessen stehen und begab sich zu Skeptic. Gedankenversunken sah der Weißhaarige seiner besten Freundin nach, während das Haker-Genie neben ihm sich zu ihm hinunterbeugte.

 

„Wieder mal am Schmachten?“

 

„Ach halt die Klappe, Langhaar“, spottete der Eisquirk-Nutzer und gab dem Größeren einen leichten Fausthieb in die Seite, woraufhin dieser kichern musste.

 

„Du kennst ihre Stärke besser als jeder andere hier von uns. Mach dir nicht zu viele Gedanken. Sie wird es schon schaffen…“

 

Geten sah zu Skeptic auf und wand sich schließlich wieder Shigaraki zu, der mit seinen blutroten Augen in die Menge blickte. Ein eiskalter Schauer jagte Getens Rücken hinunter. Der neue Großleutnant war ihm ein Dorn im Auge. Ebenso seine Komplizen und vor allem diesem Feuerteufel traute er nicht über den Weg. Die sturmgrauen Augen sahen zu Dabi hinüber, der gegenüber von ihm stand und seine Aufmerksamkeit der jungen Frau schenkte. Etwas störte ihn an der Tatsache - die Blicke zwischen der Blondhaarigen und dem Schurken waren dem Eisquirk-Nutzer eben nicht entgangen. Er musste die beiden im Auge behalten, schließlich war er für Mirabelles Wohlergehen verantwortlich und er würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen, wenn dieser Dabi auch nur einen falschen Schritt tätigte. Ein genervtes Murren verließ seine Lippen. Ihm blieb erst mal nichts anderes übrig als abzuwarten. Danach sah Geten wieder voraus, wo Mirabelle und Re-Destro vor Shigaraki zu stehen kamen. Das ehemalige Ligaoberhaupt sah auf die beiden herab und trat näher.

 

„Du bist also Mirabelle, ich habe schon viel von dir gehört, aber eines muss ich sagen – du wirkst schmächtig. Und wenn ich dich so betrachte, hast du in etwa die Größe eines Standgebläses. Re-Destro, sag mir… ist sie wirklich meiner würdig?“

 

Augenblicklich war es still. Keiner sagte auch nur einen Mucks, während Mirabelle den Großleutnant mit großen Augen anstarrte. War das gerade dessen Ernst? Stellte dieser tatsächlich ihre Person und Stellung in Frage? Innerlich begann sie zu brodeln. Was bildete sich dieser Fatzke ein? Er kannte sie nicht einmal und wagte es schon nach weniger als einer Minute sich ein Urteil über sie zu erlauben? Ohne Vorwissen? Knirschend biss Mirabelle ihre Zähne aufeinander. Es war immer dasselbe. Egal, wo sie auftauchte. Immer sah man auf sie herab. Ihre Hände bildeten sich zu Fäusten, was Re-Destro nicht entgangen war. Bevor dieser jedoch der jungen Frau ruhig zureden und sie zur Ruhe mahnen konnte, kam diese ihm auch schon zuvor.

 

„Du spuckst ja ganz schön große Töne – mag zwar sein, dass alle hier vor dir das Knie gebeugt haben, aber merk dir eins Tomura Shigaraki-“, Mirabelles goldene Iriden nahmen augenblicklich einen rötlichen Ton an, während sie eine Treppenstufe hinaufstieg.

 

„- ein wahrer Anführer wird man seiner Taten wegen, nicht seiner Worte und bevor ich DICH als Anführer akzeptieren werde, musst du erst deinen wahren Wert beweisen. Bist du es tatsächlich Wert dieses Erbe fortzuführen? Bist du es tatsächlich wert Anführer genannt zu werden? Ich gehorche aktuell einzig und allein Destros Willen. Schreib dir das gefälligst hinter die Ohren!“

 

Wenn man in diesem Moment dachte, dass die Raumtemperatur nicht noch weiter absinken konnte, dann war dies gerade tatsächlich der Fall. Die Temperatur sank augenblicklich gegen Nullpunkt. Der Schock stand allen Anwesenden ins Gesicht geschrieben. Einschließlich Dabi, der die junge Frau ungläubig anstarrte. War dieses Biest einfach nur mutig oder lebensmüde? Auf der einen Seite war er beeindruckt. Bisher hatte noch keiner diese Worte an ihren Anführer gerichtet. Zudem diese ausgerechnet noch von einer Frau kamen. Gedankenversunken wanderten die türkisfarbigen Iriden den Körper der Blondhaarigen herab. Schmächtig? Ja, etwas. Aber man sah, dass ihr Körper durchtrainiert war. Es stimmte - sie mochte zwar klein gewachsen sein, aber ihre mentale Stärke war erstaunlich. Dass wurde dem Flammenquirk-Nutzer in diesem Moment mehr als bewusst. Twice, der weiterhin neben dem Flammenschurken verweilte, schlug die Hände fassungslos gegen den Kopf.

 

„Waaaah, hat diese Hexe noch alle Sinne beisammen? Wie kann sie nur mit Tomura so sprechen?! – Geschieht dem Grobian mehr als Recht!“

 

Shigaraki hingegen drehte sich nach diesen Worten einfach um und kehrte der jungen Frau den Rücken zu. Ohne ein Wort zu sagen, schritt er wieder hinauf und sah aus dem großen Glasfenster. Sein Spiegelbild wurde durch den bevorstehenden Sonnenuntergang reflektiert.

 

„Dann zeig uns, was du draufhast“, entgegnete der Weißhaarige schließlich und wand sich wieder Mirabelle zu, die ihn immer noch mit ihren goldenen Iriden anstarrte.

 

 

 

 

Eine Weile sah der ehemalige Anführer der Schurkenliga die junge Frau einfach nur an. Der Weißhaarige erkannte etwas in ihren Augen – etwas ganz bestimmtes. Dieser Glanz, der in diesen inne lag. Diese Unerschrockenheit und der Drang sich zu beweisen. Es brannte ein Feuer in diesen goldenen Iriden, das nicht aufhören würde zu lodern, bis ihre Trägerin am Ende ist. Die Blondhaarige meinte es tatsächlich ernst. Danach wand Shigaraki wieder seine Aufmerksamkeit der Außenwelt zu, die sich hinter der Glasfront befand. Einen Moment lang herrschte Stille. Sie wirkte schon fast erdrückend für Mirabelle, die einfach nur dastand und auf eine Antwort wartete.

 

„Du wirst kämpfen…“, nach diesen Worten drehte sich der Weißhaarige wieder den anderen zu und ein gehässiges Grinsen schlich auf seine Lippen, was Dabi in diesem Moment alles andere als gefiel. Stirnrunzelnd sah der Schwarzhaarige auf.

 

„Allerdings nicht gegen einen von uns, sondern gegen unsere speziell modifizierten Menschen. Hast du schonmal etwas von Nomus gehört?“

 

Ein seltsames Gefühl machte sich in Dabi breit als er eins und eins zusammenzählte. Shigaraki will, dass sie gegen einen Nomu kämpft? Erneut hob sich eine Augenbraue nach oben und langsam spürte er, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte. Er hatte eine böse Vorahnung. Das hier wird nicht „einfach nur“ ein Showkampf werden. Das türkisfarbige Augenpaar weitete sich. Shigaraki will es tatsächlich wissen. Er will wissen, wie weit sie gehen wird. Ob sie bereit sein wird zu sterben, wenn es sein muss. Mirabelle sah währenddessen zu Re-Desto, der noch weiterhin neben ihr stand. Dieser nickte ihr zu und daraufhin sah die junge Frau wieder auf.

 

„Ja, habe ich. Ich konnte damals die Medien mitverfolgen, als sie an unterschiedlichen Orten aufgetaucht sind und Angst und Schrecken verbreitet haben…“

 

„Dann weißt du ja auch, wie gefährlich und unberechenbar sie sein können“, das Grinsen in Shigarakis Gesicht nahm augenblicklich andere Dimensionen an.

 

Seine roten Iriden funkelten regelrecht auf und die angehende Kommandantin hielt diesem Blick weiterhin stand. Sie durfte keine Schwäche zeigen, sie musste diesem Wahnsinnigen standhalten. Es stimmte, was man über ihn erzählte. Tomura Shigaraki war ein Monster. Währenddessen schritt der Weißhaarige wieder zu ihr hinunter und blieb kurz neben ihr stehen.

 

„Du wirst gegen fünf von ihnen kämpfen. Sehe sie als Bauern, wie auf einem Schachbrett. Besiege die Bauern und stelle dich danach dem König…“

 

Die Hände der jungen Frau ballten sich erneut zu Fäusten, als sie seine finstere Aura schon nah an ihrer Haut wahrnehmen konnte. Ein eiskalter Schauer jagte ihren Rücken hinunter.

 

„Und wer wird der König in diesem Spiel sein?“, brachte sie leise, aber mit gefestigter Stimme, hervor.

 

Nach dieser Frage kam der Weißhaarige erneut näher, sodass sie schließlich auf einer Höhe standen. Shigarakis rote Iriden blickten auf sie herab. Schwer schluckend hielt Mirabelle weiterhin eisern stand. Der Wahnsinn stand dem Weißhaarigen ins Gesicht geschrieben. Er war anders, ihn kümmerte es nicht, was sein Gegenüber fühlte. Die Worte wie „Eiskalt“ und „Emotionslos“ beschrieben Tomura Shigaraki in seiner Person sehr genau. Der Schurke betrachtete sie als Insekt – ein lästiges Wesen, das zerquetscht werden sollte. Mirabelle kannte diesen Blick nur zu gut. Sie wusste, was er vorhatte. Er will sie an ihre Grenzen bringen. Er will sie einknicken sehen. Aber da hatte dieser sich gewaltig ins Messer geschnitten. Sie würde sich eher ihre eigene Zunge abschneiden, als hier und jetzt zusammenzubrechen und um Vergebung zu flehen. Knirschend biss sich Mirabelle auf die Unterlippe.

 

Sie hatte eben eine Grenze überschritten – das wurde ihr in diesem Moment bewusst. Was hatte sie sich bloß schon wieder eingebrockt? Konnte sie nicht einmal ihren Mund halten? Nein, sie musste natürlich wieder vorpreschen. Sie hatte eben ein hitziges Gemüt und wenn man sie auch noch als schwächlich hinstellte, fuhr sie erst recht aus der Haut. Solche Situationen hatten ihr auch in ihrer Vergangenheit schon viel Ärger beschert. Hatte sie überhaupt jemals aus ihren Fehlern gelernt? Da musste sie nun durch. Sie lief nicht weg! Niemals! Egal was auch auf sie warten mag. Während die Blondhaarige weiterhin über ihr Fehlverhalten nachdachte, kam Shigaraki immer näher und die darauffolgenden Worte, die er dann fast schon flüsternd an sie richtete, ließen sie endgültig realisieren, dass sie wortwörtlich am Arsch war.

 

„Der Endboss wird ein High End sein…“

 

 

 

 

 

Re-Destro, der neben der jungen Frau stand, entglitten plötzlich sämtliche Gesichtszüge. Der Schock stand dem Ex-Großleutnant ins Gesicht geschrieben.

 

„Tomura! Das geht zu weit! So war das nicht-“

 

„ES ist mir egal!“, den Blick, den der Angesprochene dem Braunhaarigen in diesem Moment zuwarf, ließ den Älteren innehalten.

 

„DU hast als Großleutnant versagt! Sonst hättest du DEINE Leute besser im Griff und vor allem würden diese auch erkennen, wann sie ihr schäbiges MAUL zu halten haben!“, hierbei galt Shigarakis Blick der jungen Frau, die weiterhin neben ihm stand.

 

Mirabelle verweilte an Ort und Stelle. Fassungslosigkeit zeichnete sich in ihren Gesichtszügen ab. Sie konnte nicht fassen, was sich dieser Mistkerl da gerade herausholte. Wie konnte er es wagen! Ihre geballten Fäuste zitterten bereits vor Wut. Während sie dabei zusah, wie Shigaraki und Re-Destro diskutierten, schloss sie ihre Augen und richtete ihren Kopf Richtung Boden. Ihre Schultern, die sie zuvor noch gestrafft hatte, sanken hinunter.

 

Re-Destro hatte schon zu viel getan. Er war schon oft genug für sie in die Presche gesprungen und nun war sie an der Reihe. Sie wollte Akzeptanz und den musste sie sich erarbeiten. Egal wie. Sie tat es nicht nur für sich selbst – sie musste als Vorbild fungieren. Es stand zu viel auf dem Spiel. Gedankenversunken zog sich die junge Frau währenddessen ihre Brille, die sie zuvor die ganze Zeit getragen hatte, aus. Ihr Entschluss stand fest.

 

„Ich nehme die Herausforderung an!“

 

Im gesamten Raum war es augenblicklich still. Die genannten Worte hallten von den Wänden des Raums wider, während kein einziger weiterer Satz vollendet wurde. Alle Augenpaare waren auf Mirabelle gerichtet, die schließlich wieder aufsah. Goldene Iriden sahen zu Shigaraki auf - sein Ebenbild reflektierte sich in dem einzigartigen Augenpaar. Dabi stand währenddessen einfach nur in der Menge und beobachtete das Geschehen. Er verstand die Welt nicht mehr. Was war gerade vorgefallen, dass die Stimmung innerhalb weniger Seit so kippen konnte?

 

Wie in Trance sah der Schurke der Blondhaarigen, die wenige Minuten später zusammen mit Shigaraki an ihm vorbeischritt, nach. Etwas hatte sich verändert – ihre komplette Aura war innerhalb weniger Sekunden gekippt. Ihre Augen funkelten – allerdings nicht mehr in dem goldenen Glanz, wie zuvor. Ihre Iriden versprühten Funken. Blitze durchzogen das seidige Gold, das mehr und mehr in ein blutrot überging. Ihr kompletter Körper stand unter Strom und ihre Muskeln waren zum Zerreißen angespannt. Auch fielen dem Flammenquirk-Nutzer ihre Fäuste auf, wovon eine die ganze Zeit schon ununterbrochen zitterte. Mirabelle versuchte zwar die zitternde Hand zu verbergen, aber Dabi als stiller Beobachter entging nichts. Sie wirkte – nein, sie war nervös. Sie wusste, was auf sie zukam. Aber dennoch machte sie keinen Rückzieher. Auf eine seltsame Art und Weise brannte sie sogar auf das Bevorstehende. Der Schwarzhaarige ließ seinen Blick erneut über die junge Frau gleiten. Diese Worte, die sie an ihren Anführer gewandt hatte.

 

[…]

„Ich nehme die Herausforderung an!“

[…]

 

Diese Stimme… diese Stärke, die in dieser inne lag. Die Art und Weise, wie die Blondhaarige sich vor Shigaraki präsentiert hatte, erinnerte ihn an etwas. An ein Szenario aus längst vergangenen Tagen. Bilder setzten sich vor seinem inneren Auge zusammen. Sie waren verschwommen und die Worte, die gesprochen wurden, gingen in einem Echo unter.

 

[…]

„Warte!“

[…]

 

Dabi versuchte sich zu erinnern, aber ein dichter Nebel, der vor ihm auftrat, versperrte ihm die Sicht. Wer sprach da gerade? Wo kam diese Stimme her? Knurrend hielt sich der Schurke erneut den Kopf. Ein weiterer Blitzschlag zog sich durch seine Nervenstränge. Der Nebel lichtete sich langsam und zwei Personen standen einander gegenüber. Ihre Silhouetten waren jedoch verschleiert - er sah keine Gesichter, aber er konnte Kindergelächter im Hintergrund wahrnehmen.

 

[…]

„Wer bist du?“

[…]

 

Ein Junge mit wuschigem weißem Haar und türkisfarbigen Augen rannte aus dem Nebel hervor und trat an ein Mädchen heran, das den Rücken zu ihm gewandt hatte. Als der Weißhaarige stehen geblieben war, stemmte er seine Hände gegen seine Knie und atmete schwer aus. Das Mädchen besaß blonde kurze Haare. Vereinzelt wehten ihre Haarsträhnen im Wind. Erst strich die Angesprochene diese hinter ihr Ohr, ehe sie sich dem Weißhaarigen zuwand. Dabi hielt den Atem an, als er ihre Augen sah. Es waren jene Iriden, die bis vor wenigen Minuten noch Shigaraki angesehen hatten. Goldene Seelenspiegel schimmerten im Sonnenuntergang auf. Ihre Lippen formten sich zu einem Lächeln und kurz darauf schien sie zu antworten. Aber die Worte, die ihre Lippen verließen, kamen nie bei Dabi nicht an. Er verstand ihren Namen nicht.

 

Gedankenversunken stand der Flammenquirk-Nutzer einfach nur im Hintergrund. Wer waren die Beiden? Bevor der Schurke jedoch einen weiteren Gedanken fassen konnte, wurde es schwarz um ihn. Auch die beiden Kinder waren verschwunden - er befand sich allein im Raum. Alles verschwand in dunkelster Finsternis.

 

Im gleichen Augenblick vernahm Dabi eine Präsenz hinter sich. Eine Eiseskälte zog an seinem Nacken vorbei. Unfähig sich zu rühren, verweilte er an Ort und Stelle, als eine Stimme an ihn herantrat. Worte an ihn gewandt, so klar und deutlich, wie das Wasser, das einen Wasserfall hinabfloss.

 

//Erinnere dich…//

 

Eine Aufforderung, die Dabi für einen Moment zusammenzucken ließ. Sein Blut gefror augenblicklich in den Adern. Es war immer noch alles in tiefster Dunkelheit verschlungen. Sein Herz schlug schneller – seine Atmung verschnellerte sich. Da war jemand, er konnte es genau spüren. Ruckartig drehte er sich daraufhin herum, um diesem Jemand zu antworten…

 

 

doch hinter ihm stand niemand…

 

 

 

 

 

— • It′s gonna be okay, I push it all away • —

— • ′Cause I'm gonna be on top again • —

— • And when my world is down, I′m turning it around • —

— • Then I'm gonna be on top again • —

[Electric Callboy - Okay]

Part V – the match II

Ein kalter Wind schlug Mirabelle entgegen, als sie auf dem Dach eines Wolkenkratzers stand. Ihre Strähnen wehten im Hauch des Sturms, der sich in diesem Moment über ihr zusammenbraute. Die Prüfung fand in einem extra Bezirk außerhalb des eigentlichen Stützpunkts statt. Mit langsamen Schritten schritt die junge Frau an den Rand zu und sah meterweit in die Tiefe. Zwischen ihr und dem Boden lagen immerhin 100 m, dabei war sie nicht mal am obersten Abteil angekommen. Sie stand gerade auf einem Vordach des 12. Stocks. Dabei reichte die Anzahl der Etagen auf etwa 25. Die Sonne ging langsam zwischen den Gebäuden unter und ein Sonnenstrahl traf ihre Gestalt. Hinter ihr wurde ihr Schatten in die Länge gezogen. Die Strahlen reflektierten ihre Brille, die Mirabelle sich zuvor wieder angelegt hatte. Ebenso checkte sie ihr Equipment genau ab. Es sollte alles einwandfrei funktionieren. Zusätzlich befand sich an ihrem linken Ohr ein Sender, der mit einer extra Kamera ausgestattet war. Immerhin wollte Shigaraki alles vom Stützpunkt aus genau mitverfolgen. Gerade im Moment befand sie sich allein im Bezirk, der nur aus hohen Gebäuden bestand.

Ihre goldenen Iriden wanderten das Umfeld ab. Die Art und Weise, wie das Gelände ausgestattet war, erinnerte die Blondine an ein paar Trainingsorte der UA. Sie war nur einmal bei der Heldenschule gewesen, und zwar als sie aufgrund eines militärischen Auftrags dort hinbeordert wurde. Das war vor etwa drei Jahren. Tief ein und ausatmend betätigte sie einen Schalter, der sich an ihrem Apparat befand.

„Ich bin soweit“, brachte sie durch den Sender hervor, der zusätzlich noch ein Mikrofon beinhaltete.

Shigaraki, der sich an der anderen Leitung befand, hatte sich gemütlich in einem großen Designersessel niedergelassen und sah zur Leinwand auf, wo er die junge Frau genau im Bild hatte. Das gesamte Gelände war mit Kameras ausgestattet, sodass er nicht nur sie beobachten konnte, sondern das komplette Umfeld. Sie waren allesamt mit Bewegungsmeldern ausgestattet, sodass er das Kampfgeschehen mühelos mitverfolgen konnte. Es grenzte schon fast an ein Kino-Feeling. Ein fieses Grinsen schlich sich daraufhin auf Shigarakis Lippen.

Hinter ihm standen auch alle anderen, die sich in Reih und Glied aufgestellt hatten. Dabi versteifte sich, als er einen seitlichen Blick neben sich warf. Jetzt stand er schon wieder neben dem Eismännchen! Ist das denn zu fassen? Grummelnd rollte der Flammenquirk-Nutzer seine Augen und versuchte den Weißhaarigen zu ignorieren, der auf seltsame Art und Weise nervös zu wirken schien. Immer wieder wippte er seinen linken Fuß auf und ab, sodass selbst dieses schwarze Langhaar von Hackergenie ihn schon beruhigen musste.

„Reiß dich zusammen, sie wird es schon überstehen…“

„Das weiß ich selbst! Sorgen darf man sich dennoch noch machen, oder?“, zischte Geten Skeptic entgegen, der wiederrum seine normale Stellung einnahm.

„Du darfst nicht vergessen, dass sie als Elitesoldatin ausgebildet wurde. Sie wird schon wissen, was sie tut…“, hierbei wand der Schwarzhaarige seinen Blick zu Dabi, der die ganze Zeit über ihre Konversation belauscht hatte. Wobei hiervon keine Rede sein konnte – er stand immerhin direkt nebenan und konnte nicht weghören!

//Soso... hätte ich dem Vögelchen gar nicht zugetraut// schoss es Dabi durch den Kopf, als er seine Aufmerksamkeit wieder der Leinwand widmete. In der Zwischenzeit ertönte ein kurzes Signal, woraufhin auch alle anderen dem Geschehen folgten, dass gerade vor ihren Augen stattfand. Es war ein Staunen im Raum zu vernehmen, als sie Zeugen wurden, wie Mirabelle sich einfach in die Tiefe fallen ließ.

 

 
 

Die junge Frau ließ sich fallen. Ohne Anlauf - einfach so aus dem nichts. Die Schwärze der Tiefe kam immer näher. Ihre Glieder kribbelten – das Adrenalin pumpte durch ihre Venen. Ihr Herz setzte für einen Moment aus. Es war immer dasselbe, wenn sie von so einem hohen Punkt aus ins Geschehen stürzte. Immerhin war Mirabelle es gewohnt. Fallschirmspringen war damals schon eines ihrer Haupteinsatzorte gewesen. Der Wind peitschte ihr ins Gesicht und innerhalb von Sekunden kam auch der Manöver an ihrer Hüfte zum Einsatz. Zwei Eisenseile schossen hervor und bohrten sich in das Gemäuer des gegenüberliegenden Gebäudes. Da die Seile mit Haken ausgestattet waren, fanden sie auch ihren Halt und halfen der jungen Frau sich mit Schwung durch die Lüfte zu bewegen. Die Sonnenstrahlen erschwerten ihr allerdings schon nach wenigen Sekunden die Sicht. Da ihre Brille einen zusätzlichen Sonnenschutz enthielt, färbten sich die Gläser schon wenig später dunkler, sodass sie ihren Weg ohne große Probleme fortfahren konnte. Mit Eleganz schwang sie sich durch die leeren Straßen. Sich bereits auf einen Kampf einstellend, zog Mirabelle ihre Schwerter hervor, die sich an dem Eisenapparat befanden. Ihr blieb nicht mal eine Sekunde Zeit, um sich zu wappnen, denn der erste Nomu kam ihr schon entgegen.

„Da haben wir ja schon Nummer eins“, ein siegreiches Grinsen schlich sich auf Mirabelles Gesicht, als sie die Geschwindigkeit des Apparates anpasste und nach vorn pirschte. Mit einem sauberen Schnitt teilte sie den blauen Körper des Ungetüms in zwei Hälften. Das Blut spritze umher und ein Tropfen landete auf ihrer Brille. Ihre Augen funkelten auf, als sie auch schon den zweiten und dritten Nomu auf sich zukommen sah. Sie hatte die Ungetüme nicht einmal angesehen, ihr Körper hatte von selbst alles in Gang gesetzt. Mit einer gezielten Rotation erwischte sie die beiden Monster gleichzeitig. Ihre Köpfe flogen an ihr in Zeitlupe vorbei, als sie wieder zu ihrer Ursprungsstellung fand.

Die Art und Weise, wie sie sich bewegte – wie sie die Situationen einschätzte… Shigaraki ließ seinen Arm sinken, der zuvor seinen Kopf gestützt hatte. Seine roten Augen weiteten sich. Er konnte nicht fassen, dass gerade wirklich schon drei Nomus von einer gewöhnlichen Frau innerhalb weniger Sekunden erledigt wurden. Re-Destro, der sich neben ihn gesellte, grinste in sich hinein, während er eine Hand auf Shigarakis Schulter ablegte.

„Ich hab dich gewarnt, Tomura…“

„Schnauze…“, grummelte der Angesprochene, dessen Hände sich zu Fäusten bildeten. Er hatte sie tatsächlich unterschätzt. Aber das hieß noch lange nicht, dass sie das Spiel gewonnen hatte. Immerhin waren noch nicht alle Gegner besiegt.

Die Seile setzten sich währenddessen weiterhin in Bewegung und beförderten Mirabelle durch das Gelände. Wie ein Vogel schwang sie durch die Straßen. Als sie auch schon den vierten Nomu sichten konnte, ließ sie ihre Schwerter zurück in ihren Taschen versinken. Stattdessen zog sie auf ihrem Rücken eine ihrer Pistolen hervor, die sie von weitem schon gezielt auf das Monster richtete.

„Tzja, Freundchen - heute ist echt nicht dein Tag, was?“, als der Nomu die junge Frau jedoch bemerkte, war es schon zu spät. Sein Kopf wurde innerhalb weniger Sekunden in Stücke zerschossen, bevor er sich in Bewegung setzen konnte. Blut und Körperfetzen flogen umher.

Mit gezielten Sprüngen unterstützte sie das Eisenseilmanöver, das sie immer weiter nach oben beförderte. Die Sonne ging bereits hinter den Bergen unter und die Fensterscheiben der Wolkenkratzer nahmen einen blutroten Ton an. Hiervon ließ sich Mirabelle jedoch nicht beirren. Stattdessen ließ sie sich erneut fallen und schlug einen Salto in der Luft. Mit Eleganz und Anmut schwebte sie durch die Luft. Bog ihr Rückgrat durch, ihr Kopf in die unendliche Weite bestreckt.

Es war ein Anblick, der Dabi, der das Geschehen immer noch von der Leinwand aus beobachtete, fesselte. Er gab es ungern zu – doch er war beeindruckt. Dieses Weib hatte tatsächlich was drauf. Aber dennoch gab es etwas, was ihn verwunderte. Der Schwarzhaarige war jedoch nicht der Einzige, der diesen Gedanken hegte.

„Hat einer von euch mal ihre Quirk gesehen?“, kam es von Twice, der die ganze Zeit schon neben Dabi verweilte und seine Stirn in Falten legte.

„Tatsächlich nein, Jin – sie hat bisher nur ihre Waffen verwendet“, antwortete Toga, die sich vor dem Maskierten auf einem großen gemütlichen Kissen niedergelassen hatte. Immerhin konnte sie das Geschehen seit heute mit beiden Augen verfolgen – ihre Verletzungen waren geheilt.

„Komisch, dabei wäre es doch sinnvoller auf die eigenen Kräfte zurückzugreifen. Sehr seltsam, aber sie wird ihre Gründe haben“, Mr. Compress kratzte sich daraufhin am Hinterkopf und rückte seine Maske zurecht.

Dabi, der die Konversation seiner Kameraden im Stillen mitverfolgt hatte, sah wieder zur Leinwand auf. In der Zwischenzeit hatte die Blondine auch dem fünften Nomu ein Messer direkt in die Stirn gerammt. Mit beiden Händen hatte sie sich auf den Geflügelten gestürzt und stach immer wieder auf ihn ein. Der Aufschrei der Bestie war im ganzen Raum zu hören. Selbst Toga, die normalerweise von Blut begeistert war, musste ihren Blick abwenden. Das sogar das Blutbiest geschockt und entsetzt war, sprach Bände für sich. So viel Gewalt und Brutalität hätte man dieser Frau auch nicht wirklich zugetraut. Je länger der Flammenquirk-Nutzer dem Ganzen zusah, desto mehr schlich sich ein Verdacht in seine Gedanken.

Wollte diese Mirabelle nicht auf ihre Quirk zurückgreifen oder besaß sie überhaupt keine? Wieso musste sie überhaupt eine Prüfung ablegen? Sein Blick wanderte zu Geten und Skeptic, die weiterhin gebannt auf die Leinwand starrten. Der Schwarzhaarige hob fragend eine Augenbraue. Weder diese Eisfratze noch der Hacker mussten ihr Können unter Beweis stellen. Warum ausgerechnet nur sie? In diesem Moment zählte Dabi eins und eins zusammen. Die türkisfarbigen Augen weiteten sich. Sie musste sich einer Prüfung unterziehen, da sie keine mentalen Kräfte besaß. Sie war ein Normalo. Deswegen also der ganze Tumult. Seine Iriden wanderten wieder zum Bild auf. Er durfte sich nichts anmerken lassen – seine Hände bildeten sich zu Fäusten.
 

Bleib ja am Leben, du Normalo-Bestie!

 

 
 

Regen setzte ein. Vereinzelt rieselten die Tropfen zu Boden. Mirabelle hatte sich währenddessen auf dem Asphalt niedergelassen. Ihr Atem ging schnell und ihr Herz schlug heftig gegen ihren Brustkorb.
 

So… die Bauern sind erledigt…
 

Der Regen durchnässte bereits den Stoff ihrer Kleidung, der auf ihrer Haut lag. Kurz wand sich die Blondhaarige ihren Händen zu, die mit Blut verschmiert waren. Sie konnte es riechen und es war ein Geruch, der ihre Nackenhaare aufrichten ließ. Blut – ein eisiger bissiger Gestank, der ihre Magengegend rumoren ließ. Ihr wurde seit neustem immer schlecht, wenn sie mit Blut und Gedärmen in Berührung kam. Knirschend biss sich Mirabelle auf die Unterlippe. Sie musste sich zusammenreißen. Im Moment konnte sie ihre Sekundär-Aura hier nicht gebrauchen. Ihre Hände begannen bereits zu zittern. Anstatt einen weiteren Gedanken hierauf zu verschwenden, rannte sie los. Suchte erst einmal Unterschlupf.

Zu allem Überfluss setzte nun auch noch Platzregen ein und versetzte die Straßen innerhalb von wenigen Minuten unter Wasser. Zudem verdunkelte sich der Himmel. So schnell Mirabelle konnte, rannte sie durch die menschenleeren Straßen und sah sich um. Wo steckte der High End? Er musste sich doch irgendwo hier verstecken.

„Wo steckt du?“, kam es leise von der Blondhaarigen, die schließlich unter einer Brücke stehenblieb und nach draußen sah. Der Regen verzog sich allerdings wieder so schnell, wie er gekommen war. Langsam setzte sich Mirabelle daraufhin wieder in Bewegung. Immer wieder ihren Blick auf ihre Umgebung richtend. Eine wichtige Lehre, die ihr bereits in Rekrutenzeiten schon beigebracht wurde.

„Behalte immer deine Umgebung im Auge“, kam es leise über ihre Lippen, während sie durch die Pfützen schritt, die den Asphalt bedeckten. Hierbei wand sie ihren Blick zu Boden und konnte ihr Spiegelbild im Wasser betrachten. Gerade im Moment kam sie sich vor wie auf einer militärischen Mission. Wie oft hatte sie schon solche Spezialmissionen annehmen müssen, wo sie sich durch die Natur, sei es Wüste oder Dschungel, durchkämpfen musste. Egal wie fordernd und anstrengend ihre Missionen auch waren, sie schloss ihre Aufträge immer mit ausgezeichnet ab.

Plötzlich zog eine Eiseskälte durch ihre Nervenstränge, woraufhin Mirabelle wie angewurzelt stehen blieb. Sie spürte etwas. Ihre goldenen Iriden weiteten sich. Da war etwas, nicht weit weg von ihr. Bevor sie jedoch rechtzeitig reagieren konnte, wurde sie auch schon von einem Angriff überrascht. Ein stechender Schmerz durchzog ihren Körper und ein heftiger Aufschrei halte wie ein Echo durch die Luft. Alle Zuschauer vor der Leinwand hielten den Atem an. Toga hielt sich vor Schreck die Hände vor den Mund und starrte ungläubig auf die Leinwand, dessen Bild aktuell nur Geröll und Nebel zeigte. Dabi sah auf seine Fäuste herab. Warum zitterten seine Hände? Und warum hatte er das Gefühl, dass ihn ein kalter Schauer überlief? Er spürte eine innere Unruhe in sich. Was geht hier vor sich? Geschockt sah er wieder auf – das Bild klarte wieder auf.

Ein lautes Brüllen hallte daraufhin durch die menschenleeren Straßen. Der Asphalt bebte. Mirabelle krümmte am Boden und hielt sich ihren rechten Arm fest - Blut floss hinab und eine Lache hatte sich bereits neben ihr ausgebreitet. Das Mistvieh hatte ihren Arm gestreift. Mit schmerzverzerrtem Gesicht sah die Ex-Soldatin auf und widmete ihre Aufmerksamkeit ihrem Gegner. Ihre Augen weiteten sich vor Schock. Vor ihr stand ein Ungetüm, das sie so noch nicht gesehen hatte. Es war ein Körper, dessen Arme mit Sicheln ausgestattet waren. Allerdings war das noch nicht das Erschreckendste. Zwei Köpfe wanden sich ihr zu. Mit Augen so leer, sodass Mirabelle ein eiskalter Schauer über den Rücken jagte. Ein schweres Schlucken folgte. Sie konnte froh sein, dass dieses Drecksvieh nur ihren Arm gestreift hatte. Mit den Sicheln hätte es auch ganz anders ausgehen können.

„Scheiße…“, brachte Mirabelle keuchend hervor. Nun hatte sie wirklich ein Problem. So schnell sie konnte, erhob sie sich unter Schmerzen - langte nach ihren Schussgewehren und ballerte darauf los. Scheiß auf ihren pochenden, blutenden Arm. Wenn sie nicht bald etwas unternahm, war sie so gut wie tot.

„Nimm das! Du elende Missgeburt – verrecke!!“, immer wieder ballerte sie umher. Alles in ihrer Umgebung ging zu Bruch. Die Fenster der Gebäude zersprangen und zerschellten am Boden. Ein wahrer Splitterregen umgab sie. Im Moment war es der jungen Frau herzlich egal, wenn sie dabei beobachtet wurde. Im Augenblick war ihr alles scheißegal. Sie wollte einfach nur überleben. Die vorherigen Nomus waren ein Kinderspiel, aber dieses Monster spielte in einer ganz anderen Liga.

Als ihre Munition sich dem Ende zuneigte, wollte sie gerade aufladen, als das Monster auch schon auf sie zustürzte. Zu ihrem Entsetzen musste Mirabelle feststellen, dass dieses Ungetüm allen Schüssen ausgewichen war. Bevor sie reagieren konnte, fand sie sich auch schon auf dem Boden wieder. Ihre Gewehre versperrten den beiden Köpfen die Mäuler, sodass sie nicht an sie herankamen. Sie versuchte so gut es ging sich die Mäuler fernzuhalten, doch ihr verletzter Arm erschwerte die Verteidigung. Ihre rechte Hand zitterte und das Ungetüm kam immer näher.

Bevor der High End ihr die Kehle durchbeißen konnte, schossen auch schon zwei Drahtseile an diesem vorbei und sorgten dafür, dass sich Mirabelle unter dem Ungetüm herauskatapultieren konnte. Während sie in der Luft war, peilte sie eine andere Route an und schoss durch die Lüfte. Allerdings blieb sie nicht lange allein – der Nomu hatte ein schnelles Tempo drauf und stürzte hinter ihr her. Er war schneller als sie – das machte eine Flucht unmöglich. Schnell wand sich Mirabelle um und zog ihre Schwerter hervor, die sie dem Nomu entgegenschlagen wollte. Doch so schnell sie schauen konnte, waren ihre Waffen den Zähnen des Ungetüms erlegen und zerschellten in der Luft. Das Biest war schlau und sah ihre Bewegungen bereits voraus.

„Das darf doch nicht wahr sein!!“, Mirabelle betätigte daraufhin einen Knopf an ihrem Apparat, der die Geschwindigkeit innerhalb von Sekunden erhöhte. Nun war die Ex-Soldatin noch schneller und mit geschickten Windungen katapultierte sie sich in eine andere Richtung. Immer wieder schlug sie Hacken und versuchte den High End so aus der Fassung zu bringen. Diese Technik hatte sie Mirko zu verdanken. Durch ihren Rabbit-Quirk war sie in Thema „Feinde in die Flucht schlagen“ eine gute Lehrerin während ihrer Rekrutenzeit gewesen. Die junge Frau wand sich in der Luft, schlüpfte durch vereinzelte Rohre, die in ihr Sichtfeld rückten. Immer und immer wieder. Sie nutze jede Gelegenheit, die sich ihr bot. Vielleicht konnte sie den High End so etwas aus der Puste bringen und ihn müde machen.

Schwer atmend sah Mirabelle nach einigen hundert Metern hinter sich. Sie mochte zwar den Nomu für einen kurzen Moment verwirrt haben, aber diese Lage wird nicht lange anhalten. Zudem sie dem High End nichts mehr entgegensetzen konnte. Ihre Schwerter und Gewehre waren zerstört. Somit konnte sie sich nur noch mit ein paar Handgranaten über Wasser halten – allerdings waren diese aktuell mehr als kontraproduktiv. Im Moment bestände eher die Gefahr, dass sie sich selbst in die Luft sprengt. Somit fiel diese Option wortwörtlich ins Wasser.

So schnell Mirabelle konnte, schoss sie nach oben - der High End war inzwischen wieder dicht hinter ihr. Im Moment rannte sie mehrere Stahlgerüste hinauf, die zu einer Fabrik gehörten, die sich ebenfalls auf dem verlassenen Gelände befanden. Immer wieder schlang sie sich hinauf und überschlug sich mehrmals. Den schmerzenden Arm nahm sie inzwischen gar nicht mehr wahr – aktuell war ihr gesamter Körper mit Adrenalin vollgepumpt, sodass sie keine Schmerzen mehr spürte. Als Mirabelle schließlich am oberen Abteil ankam, balancierte sie auf den Seilen entlang und katapultierte sich mit den Drahtseilen weiter hinauf. Als sie einen Blick hinter sich wagte, war sie allein. Wo steckte das Ungeheuer? Als die Blondhaarige wieder ihren Blick nach vorn richtete, wurde sie auch schon von dem High End überrascht, der von oben auf sie herabstürzte. Fassungslos hielt die junge Frau inne. Das war doch unmöglich? War das nun das Ende? Hatte sie versagt? Welche Möglichkeit blieb ihr jetzt noch? Hierbei schloss sie ihre Augen. Wie in Zeitlupe ließ sie sich schließlich rückwärtsfallen.

„Mirabelle, bist du bescheuert?! Du kannst doch jetzt nicht einfach hier abkratzen!! Wozu hab ich dir noch geholfen? Nutz sie endlich!“, Geten entglitten alle Gesichtszüge, als er dabei zusah, wie seine Freundin sich fallenließ. Einfach so. Shigaraki hingegen lachte zynisch auf.

„Haha, wusste ich es doch!!“, sein Blick galt hierbei Re-Destro, der weiterhin gebannt auf die Leinwand starrte.

„Eine Normalo kann niemals ein Teil von uns werden! Sie ist schwach! Ohne Spezialität kann sie keine Kommandantin werden!“

Ein leises Kichern ließ den Großleutnant und Ex-Boss der Schurkenliga innehalten.

„Was gibt es hier jetzt noch zu lachen? Dein kleines Mädchen ist so gut wie tot!“

„Das denkst aber auch nur du…“, brachte der Braunhaarige hervor und funkelte den Zerfallquirk-Nutzer an.

„Mirabelle wurde als Elitesoldatin ausgebildet. Sie unterstand dem höchsten Heeresführer als 2. Kommandant und war zudem Vize-Feldwebel der 1. Division. Ihr Wort hatte Macht und Wirkung. Es mag zwar sein, dass sie über keine Quirk verfügt, aber dennoch war sie eine der besten…“

Sein Blick wanderte zu Mirabelle an der Leinwand, die weiterhin zu Boden stürzte, der High End wenige Meter über ihr. Es war dunkel und die Dämmerung brach bereits heran. Durch den Monitor konnte er ihr Grinsen sehen. Sie hatte also noch einen Trumpf im Ärmel. Danach wand sich der Ex-Großleutant wieder Shigaraki zu.

„Weißt du Tomura, Mein kleines Mädchen besitzt noch eine weitere menschliche Fähigkeit, die sie seit Kindesalter schon trainiert und verfeinert hat-“

Mirabelle griff währenddessen in ihre Seitentasche, die sich neben dem Drahtseilapparat befand. Ihre Finger langten nach einer kleinen Pistole – etwa in der Größe eines Mobilfunk-Klapphandys. Sie hatte nur noch diese eine Chance. Ihre Augenlider hoben sich. Immerhin hatte er ihr geholfen und seine Quirk zur Verfügung gestellt. Dies war ihr letzter Angriff – hiervon hing alles ab. Sie richtete das kleine Manöver auf den Nomu, der direkt vor ihr war. Zwischen ihnen lagen vielleicht 50 Meter. Hinzu kamen noch die schlechten Sichtverhältnisse -aber das war alles egal. Sie fixierte den Nacken des Nomus. Wenn sie es schaffte die Nervenstränge zu zerstören, die zu den Gehirnen der beiden Köpfe führten, konnten diese zumindest keine eigenständigen Körperbefehle – gar Regenerationsprozesse durchführen. Ihre goldenen Iriden funkelten auf. Mirabelle vertraute darauf, dass sie nicht verfehlte…

Das Grinsen Re-Destros nahm augenblicklich andere Dimensionen an und er sah zu Geten rüber, der sich daraufhin wieder gefangen hatte.

„Mirabelle Fujitōra war und ist aktuell Japans beste Scharfschützin – bisher hat sie NOCH NIE ihr Ziel verfehlt“

Im selben Augenblick löste sich der Schuss und eine kleine hellblaue Kugel, etwa in der Größe einer Erbse, schoss hinauf. Wie in Zeitlupe bewegte sich das Geschoss auf den Nomu zu, der wenige Sekunden später auch schon mit diesem kollidierte. Eine gewaltige Explosion folgte, gepaart von heftigem Beben, der die Fabrik erschütterte. Der Körper der Bestie wurde zerfetzt. Ein bitterlicher Todesschrei folgte, ließ alles erzittern. Aus der Explosion schossen Eiszapfen hervor, die sich durch das Stahlgerüst von oben an durchdrückten. Lautes Gepolter und das Zerschellen der Fenster folgten, die das Gebäude zuvor geziert hatten. Schimmernde Glasscherben, die an die Farben eines Regenbogens erinnerten, regneten zu Boden. Große, lange funkelnde Eisberge ragten schließlich hervor, als Mirabelle knieend am unteren Abteil ankam. Schwer atmend verweilte die Ex-Soldatin am Boden. Der Schock stand ihr immer noch ins Gesicht geschrieben. Ihre Hände zitterten. Sie war unfähig sich zu rühren. Hatte sie es geschafft? Hatte sie diesen High End tatsächlich erledigt?

Nach wenigen Minuten rieselten Schneeflocken auf die junge Frau nieder. Schimmernd gingen diese neben ihr zu Boden. Es war kühl – nach und nach kam ihr Körper zur Ruhe. Sie konnte schon ihren eigenen Atem vor sich sehen, der in Form von weißem Rauch aufstieg. Ihre Glieder zitterten. Schließlich ging der Schnee erneut in Regen über. Mirabelle erhob sich währenddessen, hielt ihren verletzten Arm und sah auf. Es war kein normaler Regen, der auf sie niederprasselte.

„Mission erfüllt“, brachte Mirabelle flüsternd hervor. Rote Tropfen bahnten sich ihren Weg an ihrem Gesicht hinab. Blut… ein ständiger Begleiter, der ihr immer wieder den Mageninhalt nach oben zu befördern drohte.

 

 

„Sie hat es geschafft!“, siegreich hob Geten seine Fäuste und schielte zu Shigagaki rüber, der mehr als fassungslos einfach nur dasaß. Neben dem Eisquirk-Nutzer fingen auch die anderen Metafront-Kommandanten an zu klatschen.

Sogar Toga und Twice stimmten ein, was Dabi mehr als skeptisch dreinblicken ließ. Hatte dieses Biest es nun tatsächlich geschafft auch seine eigenen Kameraden auf ihre Seite zu ziehen? Unmöglich! Seine Gedanken wurden jedoch je im Keim erstickt, als er wieder zur Leinwand aufsah und Mirabelle dabei beobachtete, wie sie vorsichtig einen Schritt vor den nächsten tätigte. Ihr Körper zitterte und sie konnte sich kaum auf den Beinen halten. Den Schmerz, den die Blondine erleiden musste, hielt sie gefasst hinter ihrer Fassade versteckt. Sie schien müde und ausgelaugt zu sein. Aber wenn wunderts? Ein kleines Lächeln huschte über Dabis Lippen – natürlich so, dass es niemand bemerkte. Eins musste er sich eingestehen – das Normalo-Biest war gar nicht so übel. In diesem Moment schoss ihm genau ein Gedanke in den Kopf. Er musste ihren Sieg aus einer anderen Perspektive aus betrachten: Vielleicht wird sie auch eine Bereicherung für seinen eigenen Plan sein, wer wusste das schon? Freiwillig schloss sich Dabi schließlich dem Geklatsche an.
 

Gut gemacht, Vögelchen – perfekter Schachmatt!

 

 

 

Zur selben Zeit tobte auch der gigantische Versammlungsraum, der sich direkt unter dem Hauptgebäude befand. Neben den Kommandanten konnten alle Freiheitskämpfer den Kampf ebenfalls per Leinwand mitverfolgen. Fast 90.000 Leute waren anwesend gewesen. Der Jubel war riesig und Geklatsche füllten den Raum.

„Mirabelle hat es geschafft!“

„Unsere Kommandantin lebe hoch!!“

Die Menge war außer sich vor Freude. Freudig hoben alle ihre Hände. Unter ihnen befanden sich auch bernsteingoldene Augen, die das Geschehen mitverfolgt hatten.

„Hawks, hast du das gesehen? Ich hab doch gesagt, dass sie diese Prüfung bestehen wird!“, eine junge Frau mit braunen kurzen Haaren gesellte sich zu dem geflügelten Helden, der ebenfalls applaudierte.

„Ja? Von einer ehemaligen Elitesoldatin kann man auch nichts anderes erwarten. Ich bin stolz auf sie~“

Seine bernsteingoldenen Augen sahen erneut zur Leinwand auf. Erst funkelten seine Iriden. Ja, er war wirklich stolz auf Mirabelle. Sie hatte sich äußerlich kein bisschen verändert, aber dennoch… seine Seelenspiegel verdunkelten sich augenblicklich. Durch dieses Ereignis ist dem Helden Nummer 2 allerdings nicht entgangen, dass seine ehemalige Teamkameradin sich bereits auf einen gefährlichen – blutigen Pfad begeben hat. Was konnte er hier noch ausrichten? Die besagte Dunkelheit hat sie bereits erreicht! Hilflos stand Hawks in der Menge. Umgeben von so viel Hass, Wut und Dunkelheit – und SIE war bereits ein Teil davon.
 

Verdammt, Mira – wo bist du hier bloß reingeraten?

 

 

 

— • You are more than what you're enduring• —

— • You can make it to the morning• —

— • All your pain is just a hero forming• —

— • If you can save, you can save your story• —

[Citizen Soldier - Save Your Story]

Part VI – paranormal liberation front

„Bis zu jenem Tag dachte ich, dass die Schurkenliga ein Hindernis für uns sei, und ich hinterfragte dies nicht. Mein Blickfeld war beschränkt. Ich war gefesselt von meinem Blut und unserer Lehre. Doch ich sah die wahre Befreiung!“, Re-Destros Stimme hallte durch den gesamten Versammlungsraum, während fast alle 100.000 Freiheitskämpfer am Fuße der Empore versammelt waren. Alle Augenpaare waren auf den Braunhaarigen gerichtet, der in einem großen Thronstuhl saß und zur Menge sprach.
 

„Dies ist keine Kapitulation! Tomura Shigaraki ist der wahre Befreier! Das sage ich erfüllt von Ehrfurcht! Meine Abdankung ist daher notwendig!“
 

Ein Gemurmel ging durch die Reihen. Die Unsicherheit der Anwesenden war mehr als spürbar. Re-Desto jedoch folgte mit seiner Rede weiter fort:
 

„Von heute an ist Tomura Shigaraki der Oberste Führer der Befreiungsarmee und er wird die Wiederkunft vollenden! Er führt uns auf einen Weg noch größerer Befreiung!“
 

Dabi stand in der Zwischenzeit gemeinsam mit Twice, Toga, Spinner und dem Rest der Kommandanten weit hinter Shigaraki und Re-Destro. Sie befanden sich aktuell in einem Art Zwischengang, der zur Empore führte. Sein Blick ging durch die Reihe. Neben ihm standen Skeptic und dieser Trumpet. Den Langhaarhacker kannte er ja schon, aber dieser Trumpet war nicht von dieser Welt. Mit seinen lockigen nach hinten gegelten Haaren sah er mehr als merkwürdig aus. Zu allem Übel war er auch noch der Anführer der „Hearts and Mind Party“ Partei. Dieser Typ war mehr als lästig und hatte eine Überzeugung von sich, die fernab von Gut und Böse lag. Als Dabis Iriden weiterwanderten, blieben sie schließlich bei der Eisfratze hängen. Dieser stand zusammen mit Mirabelle etwas abseits der Gruppe und unterhielten sich. Ein Knurren verließ Dabis Kehle. Er konnte dieses Eismännchen auf den Tod nicht ausstehen und dass dieses auch noch ausgerechnet mit dem Normalo-Biest verkehrte erst recht! Augen verdrehend wand der schwarzhaarige Schurke seinen Blick wieder nach vorne.
 

„Die Befreiungsarmee und die Schurkenliga werden fusionieren und einen neuen Namen erhalten. Erdacht wurde er von mir, Re-Destro, und Spinner von der Schurkenliga. Also dann! Verkünde den Namen, Tomura Shigaraki!“
 

In diesem Moment ergriff ihr Anführer das Wort und das war auch schon das Signal, wo sie nach vorne treten sollten. Jeder Leutnant nahm während dem Betreten der großen Versammlungshalle bereits den entsprechenden Platz in der Reihe ein. Dabi befand sich weit links. Kurz darauf folgte auch schon die große Enthüllung.
 

„Befreiungsfront des Paranormalen!“
 

Jubel brach aus und die Hände gingen allesamt Richtung Decke. Von der noch eben vorhandenen Unsicherheit war nichts mehr übrig. Stattdessen war die Menge außer sich. Immer wieder riefen sie Shigarakis Namen. Es herrschte ein Ausnahmezustand. Dabi sah in die Menge und ließ seine Augen schweifen. Dass tatsächlich so viel Trubel veranstaltet wurde, konnte selbst der Flammenquirk-Nutzer nicht nachvollziehen. Diese Leute waren doch allesamt verrückt geworden. Währenddessen lauschte er weiterhin Shigarakis Rede, die noch weiter das Wort an die Menge richtete:
 

„Wir legen die Bezeichnung „Schurken“ ab. Und der neue Name lässt eine weitere Auslegung des Begriffs Metakräfte zu.“
 

Der Weißhaarige legte seine Hand, die er zuvor noch im Gesicht getragen hatte, ab. Blutrote Iriden blickten in die Menge. Ein siegsicheres Grinsen legte sich auf dessen Lippen, als er sich erhob und seine Hände zur Decke richtete:
 

„Außerdem werden diese zehn hier zu Aktionstrupp-Kommandanten ernannt. Sie werden Einheiten mit verschiedenen Ausrichtungen leiten. Aber der Name ist natürlich nur Dekoration. Tun wir einfach, wonach uns der Sinn steht…“, der Raum tobte – die Menge fühlte sich von der Rede mitgerissen und jubelte auf.
 

Dabi sah während dem Ausnahmezustand zu seiner linken. Seine türkisfarbigen Seelenspiegel weiteten sich. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass ausgerechnet Mirabelle neben ihm stand. Die Blondhaarige hatte ihre Arme vor ihrem Brustkorb verschränkt und blickte in die Menge. Ihre goldenen Iriden blitzten auf. Die Art und Weise, wie sie einfach dastand, ließ niemanden erahnen, dass sie ein wahres Monster war und ohne mit der Wimper zu zucken sämtliche Nomus abschlachten konnte. Die türkisfarbigen Augen wanderten den Körper der jungen Frau ab. Aktuell trug sie ein schwarzes Ganzkörperoutfit, das ihre feminine Figur perfekt zur Geltung brachte und hauteng anlag. Ihre Brosche ruhte auf derselben Seite, wie auch beim vorherigen Outfit. Eine Augenbraue des Flammenquirk-Nutzers wanderte skeptisch nach oben. Dieses Schmuckstück schien der Blondhaarigen wohl sehr wichtig zu sein. Auch als sie bis vor wenigen Stunden noch blutverschmiert den Besprechungsraum betreten hatte, blieb diese glitzernde Brosche unberührt und war so ziemlich das einzige an ihrem Körper, das nicht mit Blut eingesaut war. In diesem Moment hatte Mirabelle bei ihm einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Zwischen ihr und Toga, die bisher als einziges weibliches Wesen 24/7 um ihn herumgesprungen war, lagen Welten. Diese Frau war auf der einen Seite das komplette Gegenteil von der Blutsaugerin, aber auf der anderen Seite veranstaltete sie dasselbe – wenn nicht sogar noch ein größeres - Blutbad. Seine Iriden wanderten weiter. Was allerdings neu war, war der lange hellblaue Schal, der sich um ihren Hals befand und fast bis zum Boden reichte. Mirabelle schien ihn gar nicht zu bemerken. Kopfschüttelnd begab sich der Schwarzhaarige schließlich zu Mr. Compress und mischte sich nach der Rede zusammen mit seinen Kameraden unter das Volk.
 


 


 


 

An diesem Abend wurde reichlich gefeiert und man wurde den einzelnen Leuten vorgestellt. Es herrschte eine ausgelassene Stimmung, die auf gemeinsamen Umtrunk einlud. Dabi hingegen konnte sich wirklich was Besseres vorstellen, als hier unter Menschen zu sein. Er hasste Menschenmengen – immer noch. Auch als Kommandant hat sich diese Abneigung nicht geändert. Als er auch noch mitbekam, wie beliebt dieses Normalo-Biest bei den Leuten war, glaubte er komplett im Wald zu stehen. Die Leute waren allesamt von Mirabelle mehr als begeistert. Sie schien tatsächlich einen hohen Einfluss auf die Freiheitsfront zu haben. Aber dennoch kam ihm fast wieder die Kotze hoch, als dieser Geten sich noch an sie klebte und nicht von ihrer Seite wich. Immer mehr braute sich eine dunkle Wolke über Dabi zusammen. Es ist nicht so, dass er auf das Eismännchen eifersüchtig war, er hasste es ihn einfach nur zu sehen! Seine Laune war langsam am Nullpunkt angelangt. Er wollte einfach nur noch weg von hier. Toga, die sich einen Drink gegönnt hatte, gesellte sich zusammen mit Spinner zu dem Schwarzhaarigen.
 

„Meine Güte Dabi-Lein, nun komm mal etwas in Partylaune~“, grinsend hielt sie ihm einen Becher mit Vodka entgegen, den der Angesprochene erst skeptisch beäugte.
 

„Was genau verstehst du eigentlich daran nicht, dass ich Anti-Trinker bin!“
 

„Mensch Blue Flame! Nun komm schon, mein Bester. Auf gute Bruderschaft~“, Spinner war schon so betrunken, dass er einen Arm über Dabis Schulter legte und sich ihm aufdrängte, was der Flammenquirk-Nutzer erst recht nicht ausstehen konnte.
 

„Bleib mir vom Leib oder ich verarbeite dich zu Brennholz!“, mit aller Mühe versuchte sich der Schwarzhaarige seinen Kameraden vom Hals zu schaffen. Allerdings wurde er hierbei durch eine bekannte Stimme unterbrochen.
 

„Aber, aber – Wer ist hier nicht in Feierlaune~?“
 

Der Größere ließ von dem Grünhäutigen ab und sah erschrocken hinter sich. Türkisfarbige Augen trafen auf goldene Iriden. Sofort wich Dabi zurück, woraufhin Spinner fast eine Begegnung mit dem Boden machte. Warum musste man ihn auch so dermaßen quälen? Ausgerechnet Mirabelle stand vor ihm - zur Abwechslung mal allein. Bevor er jedoch das Wort an die Blondine richten konnte, kam Toga ihm zuvor und hüpfte freudig hinter diesem hervor.
 

„Aw, du bist Mirabelle, oder? Schön deine Bekanntschaft zu machen. Jin hat mir schon viel von dir erzählt. Du warst wirklich gut bei der Prüfung. Hätte dir so viel Brutalität gar nicht zugetraut. Ich bin Himiko Toga und ich hoffe auf gute Freundschaft. Du musst wissen, ich liebe Blut und alles, was damit in Zusammenhang steht~“, und schon plapperte die Verwandlungsquirk-Nutzerin wie ein Wasserfall auf Mirabelle ein und schüttelte hierbei mehrmals ihre Hand. Die Überforderung stand ihrem Gegenüber ins Gesicht geschrieben.
 

„Ach was, nicht doch. Ich habe einfach nur alles getan, um da irgendwie wieder lebend rauszukommen, aber danke für das Kompliment“, ein mehr als gequältes Lächeln zierte Mirabelles Lippen, während sie sich verlegen am Hinterkopf kratzte.
 

Dabi, der der Konversation der beiden Frauen folgte, sah mehrmals zwischen ihnen hin und her. Erst jetzt fiel dem Schwarzhaarigen auf, dass Toga und Mirabelle in etwa dieselbe Körpergröße teilten. Sie waren fast gleichgroß. Aber dennoch war ersichtlich, dass Mirabelles Körper durchtrainierter war. Als Frau war es sehr schwierig Muskeln aufzubauen. Sie musste wohl viel trainieren, dennoch besaß sie alle Rundungen, die zu einer Frau gehörten. Dabi musste zugeben, dass sie sehr attraktiv auf ihn wirkte. Sein Blick galt vor allem ihrem rechten Arm. Fühlte sie gar keine Schmerzen? Oder war sie schon so gut abgehärtet, dass ihr eine Schnittwunde dieser Art nichts anhaben konnte? Bevor Dabi jedoch weiter in seinen Gedanken versinken konnte, stand auch schon Mirabelle vor ihm und wedelte mit ihrer Hand vor seinem Gesicht hin und her.
 

„Erde an Schwachkopf! Bist du noch anwesend?“
 

„Hä?“, mehr als perplex starrte Dabi auf die junge Frau herab und realisierte, dass er gerade komplett abgedriftet war. Dann halten Mirabelles Worte in seinem Kopf wieder und eine Zornesader bildete sich an seiner Schläfe. Wie frech war dieses Biest denn bitte?! Toga machte die Lage natürlich nicht besser. Sie lachte sich im Hintergrund kaputt und krümmte schon am Boden. Wutentbrannt wand er sich der jungen Frau zu, die immer noch vor ihm stand.
 

„Sag mal – legst du es echt drauf an, mich zu reizen? An deiner Stelle würde ich das lassen, kleines hübsches Vögelchen, sonst verbrennst du dir noch deine schönen Federchen~“, zähne-grinsend verschränkte Dabi seine Arme vor seinem Oberkörper, während Mirabelle den Größeren nur verdattert anstarrte. Augenblicklich lief ihr Kopf knallrot an. Ob vor Scharm oder vor Wut, konnte keiner in diesem Moment sagen.
 

„Wie bitte? Hübsches Vögelchen? Ich glaub dir piept´s wohl! An deiner Stelle würde ich mal ein anderes Outfit wählen, Grufti! Willst du so etwa morgenfrüh vor deine Division treten?“, mehr als abwertend nahm die Blondhaarige den Stoff des Mantels in ihre Finger und wand diesen hin und her.
 

„Mein Outfit passt mir angegossen – danke für den Hinweis, Vögelchen~“, konterte Dabi und zog sich seinen schwarzen Mantel zurecht, der seit neustem mit noch mehr Nieten versehen war. Auf Wunsch hatte man ihm extra diesen Mantel angepasst und auch seine Hose war mit den gleichen Nieten verziert. Er mochte es dunkel – war ihm doch egal was andere davon hielten. Aber der Spitzname gefiel ihm – so konnte er die Alte schön aus der sonst so neutralen-emotionslosen Fassade locken.
 

„Was zum?“, Geten, der sich zwischenzeitlich zu ihnen gesellt hatte, blieb wie angewurzelt stehen, während Twice neben ihm in helles Gelächter ausbrach. Die Tränen drangen bereits aus dessen maskierten Fassade hervor.
 

„Haha, die beiden sind so witzig, ich fang gleich an zu weinen!“
 

„Ach, vergessen wir das Ganze einfach, Flameboy! Wir werden noch lange genug Zeit miteinander verbringen, mein Hübscher~“, die Ex-Soldatin ließ schließlich von Dabi ab und legte lachend einen Arm um Getens Schulter, der mehr als verdutzt seine Freundin anstarrte.
 

„Mirabelle, was-?“, bevor der Eisquirk-Nutzer seine Frage zu Ende stellen konnte, griff die Angesprochene auch schon nach dem zweiten Vodka-Becher, der sich in Getens Hand befand, und sah über ihre Schulter zurück zu Dabi und den anderen.
 

„Nun denn, habet wohl meine lieben Kameraden, wir sehen uns auf dem Schlachtfeld, cheers~“, nach diesen Worten zwinkerte die Normalo dem Schwarzhaarigen erneut zu und kippte sich daraufhin den Becherinhalt in ihren Mund.
 

Zusammen mit Geten machte sie sich dann auf den Weg zurück in die Menge und ließ einen verärgerten Dabi zurück, der einfach nur bestellt und nicht abgeholt dastand. Spinner und Toga hatten dem Szenario zugesehen, während sich Twice ihnen anschloss. Mehr als perplex sah er zwischen seinen Kameraden hin und her.
 

„Eine Frage, was war hier gerade los, Himiko?“
 

„Ach je, Jin – Dabi ist in Flirten wirklich eine Vollniete!“, abwertend hob die Angesprochene hierbei ihre Hand auf und ab.
 

Sofort war Dabis Gehör anwesend und eine gewaltige Wut staute sich in ihm auf. Seine Fäuste gingen bereits in Flammen auf. Seine Zähne presste er so fest es ging zusammen. Er durfte jetzt nicht ausrasten. Wutentbrannt warf er Toga einen Blick zu, der tausend Bände sprach. Sofort verstummten die Stimmen seiner Kameraden und Dabi stapfte zurück zu ihnen.
 

„Hey- was?“, ohne auch nur zu antworten, riss er Toga den Becher aus der Hand. Was die Vogelscheuche konnte, konnte er schon lange! Was bildete sich dieses Weibsstück bitte ein? Zudem sie ihn hat aussehen lassen, wie ein gottverdammter Vollidiot! Das hielt man doch nüchtern echt nicht mehr aus. Eigentlich hatte der Schurke vor Monaten schon geschworen keinen Alkohol mehr anzurühren, aber dieses Monster trieb ihn regelrecht dazu!
 

„Dieser Alten wird noch hören und sehen vergehen!“, murmelte Dabi in seinen nicht vorhandenen Bart, exte den Inhalt in einem Schluck hinunter und stapfte mehr als angefressen aus der Halle. Er musste hier weg.
 

Toga, Spinner und Twice standen einfach nur da und tauschten Blicke aus. Keiner von ihnen wurde je Zeuge, wie Dabi seine eiskalte Maske fallenließ und erst recht hatten sie noch nie mitbekommen, dass der Flammenquirk-Nutzer Alkohol trank. Verdutzt sahen sie ihrem Kameraden nach, der den Ausgang des Saals anpeilte. Schließlich war es Toga, die das Wort an ihre beiden männlichen Kollegen richtete.
 

„Mein Vorschlag wäre -wir passen lieber mal auf unseren Flammenteufel auf, bevor er etwas dummes angestellt, wer ist dabei?“
 

„Ach meine liebste Himiko – für dich hole ich die Sterne vom Himmel~“, entgegnete Twice und fiel vor der Blondhaarigen auf die Knie. Spinner hingegen atmete genervt aus.
 

„Ihr seid echt bescheuert – wenn er dahinterkommt, könnt ihr euer Todesurteil unterschreiben, das ist euch klar, oder?“
 

„Ach papperlapapp Spinner, es ist unsere Mission, unserem Kameraden auf die richtige Spur zu geleiten~“, die gelben Iriden der Verwandlungsquirk-Nutzerin flammten auf.
 

„Richtige Spur- hab ich was nicht mitgekriegt?“, fragend runzelte Spinner daraufhin die Stirn. Toga kicherte auf die Frage hin und hob mehrmals ihre Augenbrauen nach oben. Anstatt ihrem Kameraden jedoch zu antworten, zog sie beide Kerle zu sich hinunter.
 

„Keine Sorge, lasst das mal schön meine Sorge sein. Ich kümmere mich darum~“
 


 


 


 


 

Der nächste Morgen brach schnell heran. Die Sonne ging bereits hinter den Bergen auf und warf ihre Sonnenstrahlen auf das Land, das zuvor mit dichtem Nebel bedeckt war, der langsam nach oben aufstieg. Die Vögel sangen ihr Morgenlied und es herrschte ein sinnlicher Morgen, zumindest für die Außenwelt. Für Dabi galt dies natürlich nicht. Gähnend saß er im Besprechungsraum zusammen mit den anderen Leutnants. Es war gerade mal 7 Uhr. Eine Zeit, wo er am liebsten noch im Bett lag. Gelangweilt verweilte der Schwarzhaarige auf seinem Stuhl und wippte seinen linken Fuß auf und ab. Irgendetwas musste er tun – schließlich musste er sich wachhalten. Die Nacht war schneller rum, als er schauen konnte. Bis er überhaupt seinen wohlverdienten Schlaf gefunden hatte, hatte schon Stunden gedauert. Sein Kopf hatte zuvor den gesamten Tag verarbeitet. Aber vor allem ging ihm dieses seltsame Gefühl nicht aus den Gliedern. Immer wieder spürte er eine Präsenz, die er nicht deuten oder gar sehen konnte. Er vernahm sie immer wieder, wenn ihm ein Schauer über den Nacken lief. Etwas war seit gestern anders. Alles begann damit, als er sie traf. Seine Iriden wanderten zum Pult, an dem Mirabelle aktuell stand und auf eine Leinwand hinter ihr deutete, auf dem sie zuvor alle wichtigen Stichpunkte niedergeschrieben hatte.
 

„Nun denn, ich habe mir hier eine Konstellation überlegt, und zwar werden wir je mit zwei Teams agieren.“, daraufhin deutete die Blondhaarige mit einem Zeigestock auf die einzelnen Skizzen.
 

„Es wird je ein Mitglied der Liga und ein Mitglied der Metafront in einer Einheit zusammenarbeiten. Re-Destro und ich haben sehr lange überlegt und uns auf euere Stärken und Schwächen konzentriert. Demnach wird die Verteilung der Truppen wie folgt durchgeführt:
 

Nr. 1) Auftakt-Aktionstrupp Unter-Menschenmassen-Begraben-Regiment, auch bekannt als Truppe BLACK, wird von Twice allein angeführt werden. Aufgrund seiner Quirk ist er in der Lage durch seine Doppelgänger alles allein in Schutt und Asche zu legen.“
 

Auf die erste Benennung hin, fiel der Maskierte auf die Knie und jubelte auf.
 

„Jawoll~ seht mal, wie cool ich bin – ich kack mich gleich ein!“
 

Helles Gelächter folgte und erfüllte den Raum. Mirabelle hingegen räusperte sich daraufhin kurz und fuhr weiter fort:
 

„Nr. 2) Auftakt-Aktionstrupp Überfallkommando/Nachrichten-Regiment, von uns betitelt als CARMINE, werden Toga und Skeptic leiten. Wir hoffen hier auf entsprechende gute Zusammenarbeit.“
 

Toga sah zum Schwarzhaarigen auf, der neben ihr stand und reichte diesem die Hand, woraufhin dieser sich leicht bücken musste und die Geste erwiderte.
 

„Nr. 3) Auftakt-Aktionstrupp Überfallkommando/ Unterstützungs-Regiment, Experiment BROWN, werden Spinner und Mr. Compress unter ihre Fittische nehmen. Hier haben wir ausnahmsweise mal erlaubt, dass zwei Kommandanten der Liga zusammenarbeiten. Ich hoffe, dass bereitet euch keine Umstände.“
 

Auf die Worte hin klatschten sich die benannten Kommandanten die Hand ab und gaben sich ein High-Five. Dabi sah gelangweilt zu ihnen. Die hatten es gut. Aber bisher war sein Name noch nicht genannt worden. Skeptisch sah er zu Mirabelle auf, die sich nun wieder ihrer Liste zuwand, die sie in ihrer Hand hielt. Nun blieb niemand mehr von der Liga übrig, außer Shigaraki und dieser hatte weiß Gott andere Dinge zu regeln. Genauso wie Re-Destro, der dieser Versammlung aktuell beiwohnte und neben der Ex-Soldatin stand. Murrend blickte er neben sich. Also blieben nur noch Geten und Trumpet übrig. Beide waren seiner Meinung nach eine mehr als schlechte Wahl. Wobei – fehlt nicht Mirabelle selbst auch noch? Bevor Dabi jedoch weiter darüber nachgrübeln konnte, fielen auch schon die Sätze, die seine Nerven endgültig in Schmorr-Brand versetzten.
 

„Und dann kommen wir auch schon zur letzten Einheit - der Auftakt-Aktionstrupp Überfallkommando / Überraschungsangriff-Regiment, auch VIOLET genannt, fällt unter die Führung von unseren Fernkampfspezialisten. Die Entscheidung war echt schwierig zu treffen, aber da die Quirks hervorragend miteinander harmonieren, konnten wir die Konstellation nicht anders aufstellen. Geten und Blue Flame werden hier die Truppen vorantreiben.“
 

Entsetzen folgte und Stille legte sich über den Raum. In diesem Moment hätte man eine einfache Stecknadel auf den Boden fallen hören können. Alle Anwesenden wussten, was los war und es verhieß nichts Gutes. Aber nicht nur bei Dabi – sondern bei der Eisfratze ebenfalls. Ungläubig sahen sich die beiden Kommandanten an und der Sturm kam sofort ins Rollen.
 

„Wie bitte – ich soll mit Väterchen Frost zusammenarbeiten? Ich glaub es hackt euch! Nie und nimmer arbeite ich mit diesem Gnom hier zusammen!“, mit dem Zeigefinger deutete Dabi auf den Eisquirk-Nutzer, während seine andere Hand in Flammen aufging.
 

„Moment mal, wen nennst du hier Gnom – Narbenfratze! Soviel ich weiß, haben bellende Hunde hier nichts zu melden!“, eine Zornesader hatte sich auf Getens Schläfe gebildet und die Temperatur im Raum sank augenblicklich wieder gegen Nullpunkt. Der Kaffeebecher von Re-Destro begann bereits zu kristallisieren.
 

„WIE WAR DAS?! Sag das nochmal!“, bedrohlich baute sich Dabi daraufhin vor dem Kleineren auf. Was bildete sich dieses Eismännchen bitte ein? Seine Flammen würden ihn wegschmelzen! Von wegen Harmonie! Scheiß drauf!
 

Mirabelle blickte währenddessen zwischen den beiden Streithähnen hin und her, ehe sie erschöpft ausatmete. Sie hätte es wissen müssen. Immerhin hatten Re-Destro und Skeptic sie schon über die Streitereien der beiden informiert. Pfeifend krempelte sie sich daraufhin ihre Ärmel nach oben. Re-Destro, der weiterhin neben der Ex-Soldatin verweilte, fuhr mit seinem Rollstuhl zur Seite, sodass die Jüngere die Treppen hinabsteigen konnte. Ihre Fäuste knackten bereits. Alle Anwesenden fühlten schon die Aura, die die Blondhaarige ausstrahlte und sprangen panisch zur Seite. Alle außer Dabi und Geten, die immer noch einander gegenüberstanden und sich gegenseitig allerlei Schimpfwörter um die Ohren schlugen.
 

„HALT DEINE VERDAMMTE FRESSE ODER ICH NUTZ IHN ALS KÜHLSCHRANK!“
 

„ACH WIRKLICH? NUR SCHADE, DASS ICH DEINEN EISARSCH VERBRENNEN WER-!“, im nächsten Moment folgte ein Poltern und ein heftiger Schmerz durchzog Dabis Schläfe, woraufhin er den Halt verlor und rückwärts umkippte. Sein kompletter Kopf vibrierte und fühlte sich an, als ob ihn jemand mit einem Baseball-Schläger verarbeitet hätte. Gleichzeitig hielt er sich die Nase, woraus Blut tropfte. Ungläubig sah er zu Geten, der sich ebenfalls den Kopf hielt und am Boden verweilte.
 

Alle anderen Anwesenden hielten die Luft an. Mirabelle hatte tatsächlich Dabi und Geten jeweils am Hinterkopf gepackt und ihre Köpfe gegeneinandergeschlagen. Nun saßen beide Streithähne am Boden und sahen zu der Ex-Soldatin auf, die mehr als angefressen vor ihnen stand und auf sie herabblickte. Ihre Iriden funkelten gefährlich auf, während sich hinter ihr ein dunkler Nebel zusammenzubrauen schien.
 

„Was geht in aller Herrgotts Namen bitte…“, die Worte waren noch ruhig gewählt, doch im nächsten Moment bildete sich eine Zornesader an Mirabelles Stirn, woraufhin die junge Frau die Fassung verlor und auf die beiden Kommandanten einschrie:
 

„…IN EUREN SPATZENHIRNEN VOR!!! WAS IST DAS BITTE FÜR EIN BENEHMEN?! UND IHR WOLLT AKTIONSTRUPPKOMMANDANTEN SEIN?!!! ICH GLAUB ICH SPINNE!!!! REIßT EUCH GEFÄLLIGST ZUSAMMEN!!!!“
 

Fassungslos verweilte Dabi an Ort und Stelle. Gerade im Moment kam wieder ihre innere Bestie zum Vorschein und verdammt nochmal, er gab es ungern zu – aber dieses Normalo-Biest war ein wahres Monster und es faszinierte ihn auch noch. War er geisteskrank? Die Art und Weise, wie Mirabelle vor ihnen stand. Diese Aura sprach Bände und ausgerechnet er und die Eisfratze hatten sie freigelassen. Geten versuchte währenddessen vergebens auf seine Freundin einzureden, aber stattdessen packte sie den Weißhaarigen am Kragen und zog ihn zu sich hoch. Eine Standpauke folgte die nächste und nach wenigen Minuten hatte sich Mirabelle auch wieder beruhigt. Erschöpft legte sie ihre Stirn in Falten.
 

„Ihr zwei seid echt hoffnungslose Fälle… also muss ich den Plan doch nochmal ändern, wie schade. Nur gut, dass ich hier schon an einen Plan B gedacht habe…,“ genervt hielt sie sich die Stirn und wand ihren Kopf hin und her.
 

Auf die Worte hin hoffte Dabi schon auf ein Wunder. Er hoffte innig, dass er doch nicht mit dem Eismännchen zusammenarbeiten müsse. Er nahm freiwillig Trumpet als Partner - es war ihm alles egal. Hauptsache er kam irgendwie aus dieser Lage wieder raus. Aber zu seinem Leidwesen wurde im nächsten Moment seine Hoffnungen zerstört …
 

„In diesem Fall werde ich das Team VIOLET mitunterstützen-“
 

…und seine Wünsche mit Füßen getreten.
 

„-Da ich neben dem Nahkampf auch eine Fernkampfspezialistin bin, werde ich entsprechend im Hintergrund mitagieren und aufpassen, dass ihr zwei Schwachköpfe euch nicht die Schädel einschlägt! Wenn ich noch einmal so ein Benehmen mitbekomme, dann Gnade euch Gott!“
 

Fassungslos verweilte Dabi am Boden und spürte immer mehr und mehr, wie ihn die Panik überlief. Das Gefühl, das sich langsam mehr und mehr in ihm ausbreitete, kannte er nicht. Es war komplett neu. Als er auch noch dabei zusah, wie Geten aufjubelte – sank seine Laune endgültig auf den Höllenpfad. Das war jetzt nicht ihr fucking Ernst? Jetzt hatte er ausgerechnet beide um die Ohren!?
 

Das ist jetzt nicht wahr?! Wollt ihr mich alle verarschen?!
 

Als der Schurke dann auch noch dieses siegreiche Grinsen Getens zu sehen bekam, war es aus und vorbei. Bald brande hier die Hölle, soviel stand fest. Dabi ließ sich nicht so behandeln, erst recht nicht von einem Weibsstück, das hier einen auf Feldwebel machte! Sie waren hier nicht beim Militär! Knirschend biss Dabi die Zähne aufeinander, sodass sein Kiefer schon wehtat. Und das tat er normalweise nie, da er bisher noch nie so einen Druck aufbauen musste. Er kochte innerlich. Am liebsten würde er diesen Ort jetzt schon im Flammenmeer aufgehen lassen. Wie soll er das bitte bloß aushalten? Wenn das so weitergeht, dreht er irgendwann noch durch.
 

Wie Recht er jedoch mit seiner Vorahnung haben sollte, war dem schwarzhaarigen Schurken zumindest in diesem Augenblick noch nicht bewusst.
 


 


 


 


 

[Zur selben Zeit ganz wo anders]
 

Regen peitschte gegen die bereits eingerissenen Scheibenfenstern, während der Wind unnachgiebig dagegen schlug und die Gläser vibrieren ließ. Donner ertönte und ließ den Steinboden beben. Vor dem Fenster stand eine Gestalt, ein Mann, eingehüllt in einem Umhang, dessen Kapuze herabgezogen war. Mit vor Armen verschränkter Brust blickte er in den Sturm, der vor ihm stattfand und mit mehreren Blitzen antwortete. Helle Funken erfüllten den dunklen Raum, der mehr an einen Kerker einer Burg erinnerte. Währenddessen nährten sich Schritte, woraufhin die Aufmerksamkeit des Mannes bei einem seiner Diener lag.
 

„Toroshimaru-Sama“
 

Auf diesen Namen hin wand sich die Gestalt dem Anwesenden zu, der einige Meter hinter ihm stand. Helle Blitze fegten erneut über den Sturmhimmel, woraufhin das Gesicht des Mannes, dessen Name soeben gefallen war, aufhellte. Eine Augenklappe zierte die linke Gesichtshälfte – das rechte Auge funkelte rot auf. Was allerdings mehr als auffällig wirkte, war die Narbe, die sich unter der Augenklappe über die Wange hin bis zum Nacken über den Hals seitlich erstreckte. Giftgrüne Strähnen fielen diesem ins Gesicht – die restlichen Haare waren zu einem Dutt hochgebunden.
 

„Erstatte Bericht…“, eine dunkle Stimme legte sich über den Raum, woraufhin der Diener erstarrte und zu zittern begann. Aufgrund der Nervosität begann der kleinwüchsige Mann bereits mit seinen eigenen Fingern zu spielen.
 

Bevor dieser jedoch antworten konnte, ging die Tür auf und zwei großgewachsene Männer in Rüstungen betraten den Raum. Gefolgt von einem Rothaarigen jungen Mann, den sie zuvor gefesselt und geknebelt hatten. Toroshimaru trat daraufhin vor die beiden Männer, die zurückwichen und ihre Stäbe vor dem Gefangenen über Kreuz in den Boden rammten. Der Rothaarige zitterte am ganzen Körper.
 

„Bitte… habt Erbarmen“, kam es leise flüsternd über dessen Lippen, als er zum Grünhaarigen aufsah.
 

„Aber, aber… wer hat denn hier Angst?“, Toroshimaru ging vor dem jungen Mann auf die Knie und hob sein Kinn an. Langsam wand er dieses mit seinen Fingern hin und her.
 

„Du bist schuldig eine Verbindung mit einem meiner Untergebenen eingegangen zu sein? Jeder kennt das Gesetz. Jeder weiß, dass wir keine Kreuzung zwischen Beta und Omega dulden.“, die Worte des Grünhaarigen waren ruhig und langsam gewählt.
 

„Bitte… lasst mich gehen! Ich bin ein armer Schlucker, der von seiner langjährigen Freundin verlassen wurde und sich danach dem gleichgeschlechtlichen zugewandt hat. Bitte, ich wusste nicht, dass er ein Omega ist…“, stammelte der Beta und krümmte in sich zusammen.
 

„Als Beta hättest du die Signale trotzdem merken müssen… WIR sind anders als IHR“, ein breites Grinsen breitete sich auf Toroshimarus Lippen aus, während er sich erhob und auf den Beta herabblickte.
 

„Weißt du, wir, die Hokkaido, haben ein klares Bild vor Augen. Wir dulden nur Beziehungen zwischen Alpha und Omega. Ein Beta hat bei uns nichts zu suchen und jeder, der die Regeln, die auch der Kommission bekannt sind, bricht, zahlt mit seinem Leben~“
 

„Nein, bitte lass-“, im nächsten Moment wurde dem Beta der Mund zugehalten. Ungläubig sah der Rothaarige auf die Hand des Grünhaarigen herab, der zuvor erneut vor ihm kniete. Sein noch vorhandenes Auge blitze gefährlich auf.
 

„Ich habe euere Ausreden so satt, wisst ihr das auch? Was denkt ihr, müssen wir alles erdulden, wenn wir jeden dahergelaufenen Hund einfach laufen lassen? Weißt du eigentlich mit wem du hier gerade redest?“, danach ließ Toroshimaru von dem Beta ab und wand ihm den Rücken zu.
 

„Als Ober-Alpha habe ich unsere Gesetze zu wahren und richte über alle Verbrechen, die mit uns in Verbindung stehen. Dein Partner hat bereits die erforderliche Strafe erhalten. Aber du… wirst anders behandelt werden.“, zur selben Zeit nährte sich hinter dem Grünhaarigen ein dunkler Schatten und ein Knurren hallte im Raum wider. Die Temperatur sank augenblicklich gegen Nullpunkt. Jegliche Glücksgefühle und Emotionen schwanden. Es wirkte so, als ob diese von dem Schattenwesen aufgesogen wurden, das langsam an die Beteiligten herantrat.
 

„Nicht ich werde als Richter über dich sprechen, sondern er…“, langsam wand sich Toroshimaru dem Wesen zu, das hinter ihm zum Vorschein kam. Ein Wesen, das komplett in dunklem Nebel gehüllt war. Es hatte die Gestalt eines Wolfes. Glutrote Augen fixierten den am Boden geknebelten Beta, der sich zu befreien versuchte, aber von den beiden Wachen in Schach gehalten wurde.
 

„Shallow – ich überlasse ihn dir…“, nach diesen Worten wand sich der grünhaarige Alpha von dem Beta ab, woraufhin der Schattenwolf an den Rothaarigen herantrat. Zähnefletschend stellte er sich dem Beta entgegen.
 

Im nächsten Moment war auch schon ein schmerzlicher Aufschrei zu vernehmen, der von den Decken widerhallte. Toroshimaru trat währenddessen an seinen Diener heran, der sich ebenfalls noch im Raum befand und dem Geschehen mit Entsetzen folgte. Er wusste, dass sein Gebieter keine Gnade walten ließ. Mit Schrecken sah er dabei zu, wie die Bestie den Beta in Stücke riss und seine Innereien im Raum verteilte. Es verging mehrere Minuten, die sich jedoch wie Stunden anfühlten. Die Wachen hatten zwischenzeitlich den Raum wieder verlassen. Langsam wand sich der Kleinere daraufhin dem Alpha zu, der an ihm vorbeilief.
 

„Wie ist die Lage?“, der Grünhaarige trat erneut an die Fensterfront und legte seine Handfläche gegen die brüchige Scheibe. Der Sturm hatte immer noch nicht nachgelassen und wütete weiter.
 

„Wir haben es erfolgreich geschafft eine Omega in der Befreiungsfront einzuschleusen. Aufgrund der Genmanipulation, die man an ihr durchgeführt hatte, waren unsere Spuren nicht erkennbar, sodass sie unentdeckt blieb und forschen konnte.“
 

„Was hat Shila bereits herausfinden können? Habt ihr sie gefunden?“
 

„Eure potenzielle Partnerin ist eine der Kommandanten der Paranormalen Befreiungsfront. Sie ist für die Organisation der Streitmächte zuständig und leitet die militärische Einheit unter sich. Zudem war es ihr gelungen mehrere Nomus und auch einen High End abzulichten. Somit hat sie zu ihrer alten Stärke zurückgefunden. Was unseren Einsatz erschweren wird.“
 

„Was anderes hätte ich auch von Mirabelle nicht erwartet…“, während der Alpha weitersprach, zog er sich die Augenklappe vom Gesicht und enthüllte ein weißes Auge - die längliche Narbe ging komplett durch die Augenhöhle hindurch.
 

„Immerhin hat sie mir vor zwei Jahren diese Verletzung zugefügt…wenn sie sich damals nicht gegen mich aufgelehnt hätte, wäre sie längst MEIN“, hierbei fuhr eine seiner Fingerkuppen das Narbengewebe nach. Die Verletzung war inzwischen komplett verheilt, jedoch hat es sein linkes Augenlicht gekostet.
 

„Warum sind sie so besessen von ihr, Sir? Sie ist ein Omega und hat sich gegen sie, einen Alpha – nein einen Ober-Alpha, aufgelehnt! Ihr droht die Todesstrafe!“
 

Im selben Augenblick schritt der Schattenwolf an dem Diener vorbei und trat an den Alpha heran, der weiterhin am Fenster verweilte. Blut tropfte aus seinem Maul hervor und seine Pfoten waren blutgetränkt und hinterließen entsprechende Spuren. Der kleinwüchsige Mann schluckte schwer und sah dem Wesen nach. Die Kälte war mehr als spürbar, die von dem Monstrum ausging.
 

„Weißt du Nils,…“, Toroshimaru wand sich daraufhin seinem Diener zu, während er dem Schattenwolf durch das Nebelfell strich.
 

„Als Ober-Alpha wird man geboren… als höchstes Individuum geht man eine Verbindung mit einem Wesen aus einer anderen Welt ein. Schattenwölfe existieren hier nicht. Solange ich lebe, lebt auch mein Seelenpartner an meiner Seite hier in dieser Welt. Aber wo es einen Ober-Alpha gibt, gibt es auch einen entsprechenden Gegenpart.“
 

„Meinen Sie wirklich sie ist eine Queen-Omega? Die Letzte dieser Art gab es vor mehr als 100 Jahren!“
 

„Omegas lieben die Harmonie und den Frieden dieser Welt. Ein normaler Omega würde sich niemals gegen einen Alpha behaupten. Eine Queen- oder ein King-Omega hingegen würden es mit jedem aufnehmen. Sie machen vor Alphas nicht halt und vor einem Ober-Alpha erst recht nicht. Sie sind starken Wesens und ihr Gerechtigkeitssinn geht über die normalen Grenzen hinaus. Sie werden auch als Anführer der Omega bezeichnet. Nils, sie ist meine perfekte Partnerin. Auch wenn sie selbst es aktuell zumindest noch anders sieht…“, ein gehässiges Grinsen zierte Toroshimarus Lippen, als er schließlich den Schattenwolf unter dem Kinn graulte. Sein rotes Auge fixierte den kleineren Mann.
 

„Behaltet Mirabelle im Auge. Sobald sich eine passende Gelegenheit ergibt – schlagen wir zu.“
 

„Sehr wohl, mein Herr“, verneigend trat der Diener schließlich aus dem Raum und ließ den Alpha allein. Die Schritte verstummten.
 

Der Grünhaarige wand sich schließlich erneut seinem Partner zu, der mit roten Iriden zu seinem Herrn aufsah. Ein leises Winseln folgte, ehe der Anführer der Hokkaido erneut das Fell des Schattenwesens zu streicheln begann. Erst sanft, dann fester – was dem Wolf jedoch nichts auszumachen schien. Während den Streicheleinheiten wand sich Toroshimaru ihm zu.
 

„Ach Shallow, schon sehr bald wird die Beta-Welt vor uns niederknien und wir werden wieder zu alter Stärke zurückfinden. Viel zu lange hat man uns kleingehalten und unterschätzt. Immerhin machen wir nur noch 5 Prozent der Erdbevölkerung aus. Und dass alles nur, weil man vor hunderten Jahren unseresgleichen abgeschlachtet hat. Wieviel Blut wurde deswegen schon vergossen? Gleiches mit gleichem vergolten? Aber wir werden uns erheben und wenn die Gerüchte der Weltregierung stimmen, wird sie uns mit ihrer Macht helfen können. Re-Destro kann noch so lange versuchen sie von uns fernzuhalten, aber das Schicksal lässt sich nicht umstimmen.“, gedankenversunken sah Toroshimaru wieder aus dem Fenster und blickte in den Sturm hinaus.
 

Hierbei lehnte er erneut seine Hand an die Glasfläche und ließ seine Fingerkuppen kreisen. Vereinzelt sprangen die Blitzfunken Richtung Fenster. Der Alpha blickte auf die Scheibe und sah dabei zu, wie die Funken ihm entgegenblitzen und sich erneut entfalteten. Ein leises Kichern folgte. Sein rechtes Auge funkelte gefährlich auf, während ein krankhaftes Grinsen sich auf dessen Lippen legte.
 

„Warte nur ab, Mirabelle – meine Teure - schon sehr bald werden wir vereint sein. Unser neues Utopia steht unmittelbar bevor. ~“
 


 


 

— • All of this time, I can't believe I couldn't see • —

— • Kept in the dark, but you were there in front of me • —

— • I've been sleeping a thousand years, it seems • —

— • Got to open my eyes to everything • —

[Evanescence – Bring me to life]

Part VII – Different faces

Es herrschte eine sternklare und kalte Nacht. Der Vollmond stand bereits am Himmel und erleuchtete die Nacht. Eine zarte Brise wehte durch die Äste, die inzwischen aufgrund des Herbsteinbruchs ihr Blätterkleid verloren hatten. Ruhe beherrschte die Gegend, die vom Mondlicht erhellt wurde.
 

Plötzlich ertönte ein lauter Knall. Sirenen heulten auf, Scheinwerfer durchschweiften das Gelände, das aufgrund einer soeben stattgefundenen Explosion in Flammen stand. Das Feuer breitete sich innerhalb von Sekunden überall aus. Einzelne Fabrikmitarbeiter rannten umher - versuchten etwas gegen die Flammen zu unternehmen, scheiterten jedoch kläglich.
 

„Wir müssen das Feuer unter Kontrolle bekommen! Wo bleibt das Umweltkommando?“, ein klein geratener Mann, dem das Fabrikgelände gehörte, lief auf dem Platz umher. Er trug einen schwarzen Anzug und besaß eine Glatze. Immer wieder sah er zum Gebäude auf. Die Flammen hatten bereits das komplette Dach in Beschlag genommen und brannte lichterloh. Nach wenigen Sekunden kam auch schon ein junger Bursche vor ihm zum Stehen. Sein Atem ging hektisch, die Schulter senkten sich im Sekundentakt auf und ab.
 

„Die Wasserversorgung wurde gekappt, Mikawa-Sama!“, nach diesen Worten rannte der junge Mann auch schon wieder zum Geschehen und half mit.
 

„WAS WIE BITTE? DAS KANN NICHT SEIN!“, verärgert raufte sich der kleine Mann den Kopf und sah sich erschrocken um. Ihm kam ein unruhiger Gedanke. Das hier war kein Unfall - das hier war ein Anschlag. Ein Anschlag auf Hokkaido. Immerhin versorgte er durch seine Fabrik die Streitmacht mit entsprechenden Vorräten und Waffen. Bevor der Fabrikinhaber jedoch ein weiteres Wort an seine Mitarbeiter richten konnte, wurde ihm auch schon von hinten der Mund zugehalten und vom Geschehen weggeschleift. Verzweifelt begann der Ältere um sich zu schlagen, hatte aber keine Chance.
 

Wenige Sekunden später befand sich der Inhaber der Fabrik in einer dunklen Ecke des Geländes und sah sich mit einer kleinen vermummten Gestalt konfrontiert, die ihm daraufhin ein Messer an die Kehle hielt.
 

„Was wollen Sie von mir…?“, ein Zittern legte sich in seine Stimme, als er sein Gegenüber musterte. Dabei fiel dem Mann auf, dass die Gestalt zwar kleiner als er war, ihn jedoch in vollem Umfang überwältigt hatte. Goldene Augen stachen unter der Kapuze des Umhangs hervor.
 

„Du hast genau eine Chance…“, brachte eine weibliche Stimme hervor und verstärkte den Druck auf das Messer, das sich in der Hand des Anwenders befand. Die Klingen bohrten sich langsam in das Fleisch und Blut floss an der Schnittwunde herab.
 

„… wo befinden sie sich? Wo hält ER sie gefangen!“
 

Nach diesen Worten erschien eine weitere Gestalt hinter ihnen und vereiste innerhalb von Sekunden alles um sie herum. Eine hohe Eismauer ragte hinauf und verwehrte jedem Außenstehenden Einblick. Der Fabrikinhaber bibberte und starrte ängstlich umher.
 

„Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Ich weiß gar nichts. Meine Fabrik dient lediglich der Verpflegung der Truppen!“, brachte der Mann leise und heiser hervor.
 

„Ach, ist dem so, ja? Da sind mir allerdings ganz andere Informationen zugespielt worden…“
 

„Nein bitte, verschont mich… Alle Mittel verdanke ich ihm, ohne ihn wäre ich ein Nichts. Ich kann ihn nicht verraten! Das ist unmöglich!“, der Fabrikinhaber zitterte am ganzen Körper und drohte einzuknicken.
 

„Ich denke kaum, dass ER Gnade walten lässt…“
 

„Ich weiß wirklich nichts … bitte... lasst mich gehen…“
 

Eine unangenehme Stille legte sich über die Beteiligten. Der Mann verweilte immer noch an Ort und Stelle, während die vermummte Gestalt ihren Blick gen Boden richtete. Schließlich wandte sie erneut das Wort an ihn. Leise und klar verständlich.
 

„Genau das wollten die anderen auch – Freiheit. Aber ihnen wurde dieser Wunsch verwehrt. Warum sollte ich also Gnade bei einem Söldner wie DIR walten lassen, der die Machenschaften dieses Tyrannen unterstützt?“, ein gefährlicher Unterton legte sich in die weibliche Stimme, deren Aura sich augenblicklich verfinsterte. Dunkle Wellen schlugen umher und drohten alles mit sich zu reißen.
 

Bevor die Konversation jedoch weiterfortgeführt werden konnte, rannte plötzlich die zweite Gestalt von hinten auf die junge Frau zu und nahm ihre Hand.
 

„Mira, wir müssen hier weg. Ich höre Polizeisirenen. Sie sind auf dem Weg hierher.“
 

Die Angesprochene zischte verärgert auf und ließ Widerwillen von dem Fabrikinhaber ab, der auf den Boden sank und sich den Hals hielt. Das Nächste, was folgte, war das Messer, das sich vor dem Mann tief in den Boden rammte. Mit voller Wucht trat Mirabelle auf das Messer und sorgte dafür, dass es noch mehr im Granitboden einsank.
 

„Richte deinem werten Herren folgendes aus...“, danach ging die Blondhaarige auf die Knie und zog sich ihre Kapuze runter. Der Inhaber sah ängstlich auf und sah sich mit wilden raubtierähnlichen Augen konfrontiert. Sie erinnerten an die einer Raubkatze, die ihre Beute fest im Blick hatte. Sein Spiegelbild blitzte in den goldenen Iriden auf.
 

„Ich werde dem ganzen Elend schon sehr bald ein Ende setzen. Dafür werde ich alles in meiner Macht Stehende tun. Er mag zwar im Dunkeln lauern, ich jedoch bewege mich durch die Finsternis…“, nach diesen Worten umwarb Nebel das Gelände und innerhalb von Sekunden waren die beiden vermummten Gestalten verschwunden.
 

Der Inhaber blieb mit einem ängstlichen Blick zurück. Mit zitternden Händen zog er sein Mobiltelefon hiervor. Sein Blick galt erneut dem Fabrikgelände, das inzwischen fast bis auf die Grundmauern komplett abgebrannt war. Zudem sich den Flammen zwischenzeitlich auch blaue Flammen hinzugesellt hatten, die das restliche Gemäuer mit sich einrissen. Als ein Signalton am Hörer ertönte, folgten lediglich wenige Worte.
 

„Toroshimaru-Sama, wir haben ein Problem!“
 


 


 

„Das war knapp, Mira… das geht zu weit.“
 

Im Radius von fünf Kilometern kamen die zwei Gestalten zum Stehen. Geten zog sich sofort den Umhang aus und warf ihn ins Gebüsch, was Mirabelle ihm sofort nachtat. Diese ignorierte die Worte ihres besten Freundes und zog sich ihre Kleidung zurecht. Genau diese Eigenschaft hasste Geten an ihr. Sie nahm ihn wieder mal nicht ernst. Wutentbrannt stellte er sich vor die Blondhaarige und hielt ihre Schultern fest.
 

„Dir ist klar, dass du ihnen so irgendwann in die Arme laufen wirst. Du tust ihnen sogar einen Gefallen damit! Du weißt genau, dass Re-Destro dich zwar aus Tartarus rausgeholt hat, aber das hier würde er nicht tolerieren! Du bringst mit deinen Aktionen uns alle in Gefahr! Aber dir scheint das gleichgültig zu sein! Warum gehst du so weit! Allein kannst du gar nichts ausrichten!“
 

Eine Weile schwieg die Kommandantin und sah schließlich auf. Traurigkeit und Hilfslosigkeit spiegelten sich in dem goldenen Augenpaar wider.
 

„Mir ist das alles bewusst, aber wer sonst soll dem Ganzen ein Ende setzen! Re-Destro hat mir die Erlaubnis gegeben Informationen zu beschaffen… Ich kann hier nicht seelenruhig rumsitzen, während meine Brüder und Schwestern in Gefahr sind. Ihr Beta habt doch keinen blassen Schimmer, wie es mir dabei geht oder den anderen…“, nach diesen Worten riss sich Mirabelle von Geten los. Verärgert sah der Eisquirk-Nutzer seiner Freundin nach und schlug sich die Hand gegen die Stirn.
 

Dabi, der in Seelenruhe auf einem Felsvorsprung verweilte und eine Zigarette rauchte, atmete genervt aus. Die Ruhe, die er bis eben noch genossen hatte, war wieder verflogen. Wie lange hatte diese gedauert? Vielleicht mal 15 Minuten. Von der Diskussion hatte er nichts mitbekommen, er war auch froh drum.
 

Seit mehr als zwei Monaten war der Schwarzhaarige nun schon mit seinem neuen Team unterwegs. Sie überfielen Fabriken, legten sich mit anderen Schurkenorganisationen an und spähten diese aus. Ihre Einheit war eigentlich für den aktiven Fernangriff zuständig, aber ab und an waren sie auch nur zu dritt unterwegs. Diese Missionen galten Informationsbeschaffungen. Allerdings wusste Dabi bis heute nicht, nach welchen Informationen sie überhaupt suchten. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, war es ihm auch egal – Hauptsache er hatte seine Ruhe. Wobei das Normalo-Biest und die Eisfratze diese ihm selten gewährten - so wie im Augenblick.
 

„Ist das dein Ernst, Blueflame? Deine Flammen waren viel zu spät. Wo warst du überhaupt?“, verärgert stemmte Geten seine Hände in die Hüfte.
 

„Meine Güte, was motzt ihr jetzt schon wieder rum! Ich hab doch meinen Einsatz vollbracht. Meine Flammen haben alles in Asche zersetzt.“
 

„Du bist wirklich nicht der Schnellste, oder?“, provozierend stellte sich der Weißhaarige vor den Flammenquirk-Nutzer und funkelte diesen verachtend an. Ein genervtes Seufzen folgte.
 

„Nerv nicht rum, Kühlschrank - sonst zieh ich dir den Stöpsel...“, Dabi war klar, worauf der Kleinere anspielte. Das Eismännchen ließ selten solche Schikanen aus, aber es juckte ihn nicht.
 

„Deine Aufgabe war es uns mehr Zeit zu verschaffen…“, brachte Mirabelle ruhig hervor und trat an den beiden Männern vorbei. Ihre Aura sprach wieder für sich. Die türkisfarbigen Augen sahen der jungen Kommandantin nach. Sie tat es gerade schon wieder.
 

In den letzten Wochen hatte Dabi das junge Talent genauer unter die Lupe nehmen können. Mit Mirabelle Fujitōra war wahrlich nicht gut Kirschen essen. Ihr körperliches Geschick und ihre militärische Einschätzung und Erfahrung standen ihr in nichts nach. Im Nahkampf machte ihr keiner etwas vor und was den Umgang mit Waffen betraf, suchte sie ihresgleichen. Mirabelle war ein Genie - das war nicht von der Hand zu weisen. Allerdings gab es eine Sache, die den schwarzhaarigen Schurken stutzig werden ließ. Auf der einen Seite war sie diese energische, taffe und hitzköpfige Frau, die alles direkt erledigen und gegebenenfalls in Schutt und Asche legen wollte. Andernfalls jedoch wirkte sie so mysteriös und unnahbar. Nachdenklich und in sich gekehrt, wie gerade im Moment. Eigentlich immer, wenn ihre Truppe zu solchen Informationsbeschaffungsmissionen aufbrach. Es wirkte so, als ob sie zwei Persönlichkeiten beherbergte.
 

Mirabelle trat währenddessen vor einen Felsvorsprung und sah in die Ferne. Ein zarter Windhauch umspielte ihre Strähnen, sodass diese im Wind tanzten. Der Vollmond thronte hoch über ihr.
 

„Wir treten den Rückzug an…“, nach diesen Worten betätigte Mirabelle ihren Apparat. Die Drähte schossen aus dem Manöver hervor und bohrten sich in die Baumstämme, woraufhin sich die junge Frau in Bewegung setzte. Geten und Dabi taten es ihr gleich und folgten ihr.
 

Während sie den Rückweg antraten, sah Dabi vom Boden immer wieder auf und beobachtete Mirabelle dabei, wie sie sich von Ast zu Ast schwang. Wie selbstsicher sie sich durch die Lüfte bewegte - sie wirkte schon fast wie ein Falke. Die Art und Weise, wie sie sich bewegte und zwischen den Bäumen umhersprang, erinnerten an Hawks. Ihre Bewegungen waren fast identisch. Auf der einen Seite brannte es den Schurken zu erfahren, was in dem Kopf dieser jungen Frau vorging. Sie war anders als jedes weibliche Wesen, dem er zuvor begegnet war. In ihr brannte etwas - etwas, was ihn seit ihrer ersten Begegnung an schon fasziniert hatte. Wäre da nur nicht ihr dämlicher Dickkopf und ihre Besserwisserei.
 

Wie oft war er die letzten Wochen schon mit ihr aneinandergeraten, weil sie verschiedene Ansichten teilten. Es fing schon damit an, als es um die Truppenführung ging. Er selbst sah es locker, schließlich interessierten ihn seine Untergebenen kein Stück, was Mirabelle ein Dorn im Auge war. Durch ihren militärischen Werdegang trat sie streng ihren Rekruten entgegen und wirkte wie eine Art Patron, der sich zwar angriffsbereit dem Gegner entgegenstellte, aber auch gleichzeitig eine Schützerin für ihre eigenen Leute darstellte. Auf Dabi machte ihr komplettes Verhalten absolut keinen Sinn. Warum war sie so verbohrt darauf voranzuschreiten und gleichzeitig unfähig Opfer zu bringen? Jeder Kampf forderte Opfer. Man konnte nicht alle beschützen. Wenn man selbst voranschreiten wollte, musste man gegebenenfalls über Leichen gehen. Er selbst hatte die Erfahrung schon mehrere Male gemacht, wobei er allein bei dem Gedanken daran sich auf die Unterlippe biss. An seine Vergangenheit und seinen Werdegang wollte er nicht denken. Es war Geschichte. Alles. Alle Bande hatte er gekappt – zu jedem. Jeder, der mit ihm zu tun hatte. Allerdings ließ ihn der Gedanke nicht los, dass er zu Mirabelle noch eine Bindung zu besitzen schien. Seit sie in sein Leben getreten war, schlichen sich Bilder in seinen Kopf, die aus einem ganz anderen Leben stammten. Bilder mit freudigen Gesichtern – Bilder, die alles in einem anderen Licht darstellten als zur heutigen Zeit. Kopfschüttelnd wand der Schurke schließlich seinen Blick von der Kommandantin ab und sah wieder geradeaus. Er durfte ihr nicht zu nah kommen – er musste sich von ihr fernhalten. Abstand zu ihr wahren, anders drehte er sonst irgendwann noch durch. Er durfte nicht an sein altes Leben erinnert werden. Das musste er mit allen Mitteln verhindern.
 


 


 

Es vergingen erneut einige Tage und Wochen. Es herrschte reges Treiben in der Gunga Mountain Villa. Die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren. Vor einiger Zeit hatte sich Tomura in die Hände von Herrn Dr. Ujiko begeben, der ihn stärker machen wollte. Dabi war der ältere gebrechliche Herr nicht ganz geheuer. Es handelte sich bei Herrn Ujiko um einen Arzt, der auch gleichzeitig als Wissenschaftler die Nomus ins Leben gerufen hatte. Er war ein treuer Diener All for Ones und allein bei dem Gedanken lief Dabi ein eiskalter Schauer über den Rücken. All for One war ein Scheusal, wie es im Buche stand. Er verabscheute ihn. Nur wegen seinen eigenen Zielen war Dabi überhaupt erst der Liga beigetreten, obwohl ihn das Gefühl nicht losließ, dass er mit All for One schon einmal in seiner Vergangenheit zu tun hatte. Sobald der schwarzhaarige Schurke sich jedoch versuchte zu erinnern, tauchte ein dichter Nebel vor seinem Innern auf. Alles lag im Dunkeln. Absolut alles. Ihm blieb nichts außer seiner Gegenwart, mit der sich der Schwarzhaarige wohl oder übel abfinden musste.
 

Gerade im Moment durchschritt Dabi zusammen mit Twice das Labor, das sich tief verborgen im Keller befand. Neugierig wand sich der Flammenquirk-Nutzer den Glasbehältern zu, in dessen Innern sich die Kreaturen der Hölle befanden. Auf eine seltsame Art und Weise fühlte sich Dabi mit den Ungeheuern verbunden. Zusammengeflickt, aus sämtlicher DNA, ohne wirklich zu wissen, warum sie auf der Erde wandelten. Ein Gedanke, der ihn schon seit Jahren heimsuchte. Es ließ ihn nie los, weder am Tag noch in der Nacht, sobald er die Augen schloss. Auf der einen Seite hatte er sich mit seinem Dasein abgefunden, aber gleichzeitig brannte etwas in ihm, das mehr forderte. Anfangs war es nur ein Funke gewesen. Besonders schlimm wurde es, seitdem er ihr begegnet war. Es hatte den Anschein, als ob genau zu diesem Zeitpunkt etwas in ihm erwacht war und den Funken weiter entfacht hatte. Es wirkte wie eine Stimme, die zu ihm sprach. Rauschend und nicht verständlich. Dabi konnte bis heute nicht herausfinden, was ihm sein Innerstes mitteilen wollte, und das nervte ihn. Twice, der sich in der Zwischenzeit weiter vorne aufhielt, sah verblüfft auf.
 

„Schon faszinierend, was aus Menschenhand alles erschaffen werden kann – Eine Schande an der Natur!“
 

Dabi wand sich nach diesen Worten dem Maskierten zu und sah zur Decke auf.
 

„Mag sein, aber dafür ist die Wissenschaft dar. Man erlangt die Macht über alles und jeden zu herrschen. Es gibt genug Verrückte, die behaupten hierdurch zu Gott zu werden…“
 

„Weltherrschaft, so könnte man es benennen – ich würde alles niederbrennen!“, murmelte Twice in seinen nicht vorhandenen Bart und wand sich Dabi zu, der wieder seine Aufmerksamkeit den Nomus gewidmet hatte.
 

„Mal eine andere Frage – wie laufen eigentlich die Annährungsversuche? Hop, verrat mir alles, mein Kumpel“, freudig kam der Maskierte auf Dabi zu und nahm ihn erneut in den Schwitzkasten.
 

„Sag mal, ist das deine neue Lieblingsbeschäftigung, oder was? Und was heißt hier Annährungsversuche – wir sind nur zusammen auf Missionen! Und jetzt lass mich los!“
 

„AH – wir kommen der Sache schon näher! Hast du schon mit ihr geredet? Mal allein?“, hierbei hob Twice immer wieder die Augenbrauen, sofern man sie durch den Stoff erkennen konnte, auf und ab.
 

„Diese Eisfresse klebt doch ihr wortwörtlich am Arsch und – Moment… was soll das werden?! Da ist nichts! Rein gar nichts und wenn du mich nicht augenblicklich loslässt, fackel ich dich ab!“, eine Zornesader bildete sich langsam an Dabis Schläfe. Warum ausgerechnet er? Konnte sich der Depp mit seiner Schizophrenie nicht an jemand anderen wenden?
 

„Ach nur gut, dass Toga so weit gedacht hat~“, nach diesen Worten ließ Twice von dem schwarzhaarigen Schurken ab und schritt an diesem vorbei, der sich zuvor den Mantel wieder zurechtgerückt hatte.
 

Entsetzt hielt der Flammenquirk-Nutzer daraufhin in seinem Tun inne und sah dem Maskierten nach, der sich friedlich vor sich hin pfeifend dem Ausgang nährte. Da stimmte doch etwas nicht und wenn die Irre noch ihre Hände mit im Spiel hatte, dann konnte das nur im Chaos enden.
 

„Was soll das heißen? Was hat die Irre schon wieder angestellt?!“
 

„Nenn sie nicht so! Sie ist meine Toga, du Trampel! Und nein – ich verrate nichts!“
 

Bedrohlich baute sich Dabi vor dem Dopplungsquirk-Nutzer auf und funkelte ihn böse an. In diesem Moment hätte man denken können es sprühen Funken aus dem türkisfarbigen Iridenpaar.
 

„Was habt ihr wieder angestellt?! Raus mit der Sprache oder ich brenn sie aus dir raus!“, ein Fäusteknacken folgte, woraufhin Twice leicht zusammenzuckte. Wild wedelte der Maskierte mit seinen Händen hin und her.
 

„So schlimm ist es nicht, wirklich. Nur bei unserem monatlichen Zusammentreffen hat Toga halt noch einen Überraschungsgast eingeladen!“
 

Augenblicklich hielt Dabi inne. Unglaube spiegelte sich in seinem Gesicht wider. Es wurde immer blasser und blasser. Er sah so oder so schon aus wie eine Leiche, aber nun war es noch weniger verkennbar. Ein Schlucken folgte. Er wollte fallen, so tief wie möglich und am besten sollte sich noch ein Loch unter ihm auftun, in dem er verschwinden konnte.
 

Einmal im Monat trafen sich die ehemaligen Mitglieder der Schurkenliga bei einem Lagerfeuer außerhalb der Villa und sprachen über alte Zeiten. Ein Treffen, worauf er persönlich gern verzichtet hätte, aber die Irre akzeptierte kein „NEIN“. Sie ging ihm damals so lange auf die Nerven, bis der Schwarzhaarige freiwillig nachgegeben hatte. Dieses Treffen stand Morgenabend an und Toga soll ausgerechnet sie eingeladen haben?
 

„Ach, das wird schon, mein Freund! Wir werden alle unseren Spaß haben und du ganz besonders. Dein Wohlergehen liegt uns wirklich sehr am Herzen. Also man sieht sich~“, Twice schritt daraufhin an dem Schwarzhaarigen vorbei und schlug ihm hierbei mehrmals auf die Schulter. Er nutzte die Gunst der Stunde, solange sein Kumpel in eine Schockstarre verfallen war und schritt danach wieder friedlich vor sich hin pfeifend Richtung Ausgang.
 

Schweißtropfen bildeten sich auf Dabis Stirn, die sofort wieder verdunsteten. Das war nicht deren Ernst?! War denen überhaupt bewusst, welchem Risiko sie sich hierbei aussetzten?! Hilflos stand der Schwarzhaarige mitten im Raum und wand sich wieder den Glasbehältern zu. Wie gern hätte er in diesem Moment mit ihnen getauscht. Das konnte nur im Desaster enden!
 


 


 


 

[Währenddessen zur gleichen Zeit]
 

Nur in einem seidenen Kimono bekleidet stand Mirabelle vor einem Fenster. Vor ihr befand sich ein Balkon, der aufs Dach führte. Ein zarter Windhauch wehte durch die Nacht und lockte die Blondhaarige schließlich nach draußen. Vorsichtig betrat sie die Veranda. Ihre nackten Füße berührten den Granitboden. Die Kälte, die von diesem ausging, spürte sie nicht. Ihr Blick galt dabei dem Sternenhimmel, der hoch über ihr thronte. Immer wieder zog sie sich den Kimono zurecht. Blau-Silbriger Stoff schimmerte auf.
 

„Na sieh mal einer an. Nun begegnen wir uns doch…“
 

Mirabelle blieb ruhig und sah seitlich neben sich. Rote Federn tanzten an ihr vorbei und sie wusste genau, wem sie gehörten.
 

„Keigo…“
 

Der Angesprochene landete ein Stück hinter ihr und lehnte sich gegen die Dachziegel, die seitlich am Fenster vorbeiliefen.
 

„So so, du hast mich also erkannt. Aber wen wunderts. Wir waren lange genug Kameraden gewesen“, sprach Hawks und trat schließlich ein Stück auf Mirabelle zu, die sich bisher ihm noch nicht zugewandt hatte und immer noch mit dem Rücken zu ihm stand.
 

„Wenn du hier bist, um über alte Zeiten zu reden, dann kannst du gleich wieder gehen…“, brachte die Blondhaarige leise hervor und wand sich schließlich dem geflügelten Helden zu.
 

„Was willst du, Keigo? Was machst du überhaupt hier?“
 

Der blondhaarige Held fuhr sich erst über den Nacken, ließ diesen zweimal knacken und sah schließlich Mirabelle eindringlich an.
 

„Ich bin hier um die Befreiungsfront zu unterst-„, bevor Hawks weiterreden konnte, stürzte sich Mirabelle auf ihn, langte nach seinen Händen und pinnte ihn an die Dachziegel, die sich von hinten unangenehm an seine roten Schwingen pressten. Ihr Angriff war blitzschnell, sodass der Blondhaarige nicht rechtzeitig reagieren konnte. Aber das war ihr Wesen, schon immer gewesen. Flink, schnell – scharfsinnig. Ihr machte keiner etwas vor. Genauso hatte er seine ehemalige Kameradin in Erinnerung behalten.
 

„Lüg mich nicht an! Das konntest du noch nie…“, raubtierähnliche Augen fixierten den geflügelten Helden, der sich wehrlos ergab und die Hände von sich wies. In diesem Fall war es notwendig mit Taktgefühl vorzugehen.
 

„Ich bin hier, um dich hier rauszuholen! Du hast keine Ahnung, was für eine Lawine sich durch deinen Ausbruch aus Tartarus in Gang gesetzt hat. Du befindest dich auf der roten Liste! Was das bedeutet, brach ich dir ja wohl nicht zu sagen!“, Hawks Augen verfinsterten sich und seine bernsteingoldenen Augen blitzten kurz auf.
 

Mirabelle jedoch blieb stumm und emotionslos. Statt zu antworten, ließ sie von dem Helden Nr. 2 ab und schritt wieder nach vorn an die Veranda.
 

„Warum sollte ich zurückkehren? Es hätte doch sowieso keinen Sinn. Eine wie ich wird nicht in euerer Welt erhört werden…“
 

Hawks, der sich zuvor kurz seinen Flügeln gewidmet hatte, zog scharf die Luft ein. Seine Augen weiteten sich.
 

„Was redest du denn da für einen Blödsinn! Natürlich bist du eine von uns… Du bist diejenige, die abtrünnig wurde…“
 

„Ach ja, ist dem tatsächlich so?“, Traurigkeit legte sich in die weibliche Stimme, woraufhin Hawks wie angewurzelt erstarrte. Ein eiskalter Schauer lief seinen Rücken hinunter.
 

Schließlich wand sich Mirabelle erneut dem geflügelten Helden zu, allerdings hatte sich ihr Blick geändert. Wut, Schmerz und Enttäuschung spiegelten sich in den goldenen Iriden wider.
 

„Haben dir deine ach so tollen Vorgesetzten mal erzählt, warum ich meinen Posten in der Armee tatsächlich verloren habe? Warum ich wirklich in Tartarus einsaß? Du hast all die Jahre deine Augen verschlossen, so wie jeder da draußen in dieser verfluchten Welt!“
 

„Hey, jetzt halt aber mal die Luft an! Du hast dich von mir abgewandt und nicht umgekehrt Außerdem habe ich meine Augen nicht verschlossen – ich sehe genau hin! Deswegen bin ich schließlich hier!“, wutentbrannt wollte Hawks die Kleinere zurechtweisen. Ihr mitteilen, dass sie unrecht hatte. Jedoch hielt er augenblicklich inne, als er etwas an ihrem Hals erblickte. Es schimmerte silbern auf. Anscheinend schien es eben beim Angriff aus ihrem Kimono herausgefallen zu sein. All die Wut, die der junge Mann noch zuvor in sich trug, verpuffte und machte einem anderen Gefühl Platz. Einem Gefühl, dem Hawks sich nicht entziehen konnte. Ein unangenehmes Ziehen zog durch seine linke Brust.
 

Langsam trat der geflügelte Held daraufhin auf sie zu und blieb vor ihr stehen. Anschließend griff er nach dem Schmuckstück, das sich um ihren Hals befand. Vorsichtig fuhr er mit seinem Daumen über den Anhänger drüber, der den Buchstaben T umschlungen mit einem M enthielt. Das Amulett wirkte wie neu, dabei war es schon über 10 Jahre alt. Die Blondhaarige musste es all die Jahre wie einen Schatz gehütet haben.
 

„Du trägst es also immer noch…“, flüsterte der Pro Hero und sah vom Schmuckstück auf, während Mirabelle ihren Blick abgewandt hatte.
 

„Ich wüsste nicht, was es dich angeht“, brachte die Blondhaarige leise hervor und sah wieder zu Hawks auf, ehe sie nach ihrer Kette langte und diese in ihrem Dekolleté zwischen dem Seidenstoff verschwinden ließ. Danach trat sie neben Hawks und schloss ihre Augen.
 

„Ich weiß, was du für mich all die Jahre empfunden hast…aber… es hätte niemals zwischen uns funktionieren können. Wir kommen aus zwei verschiedenen Welten, ich bin anders als ihr, die da draußen lebt…“
 

Auf die Worte hin erstarrte der Größere und hielt augenblicklich inne. Seine falkenähnlichen Augen weiteten sich. Es fühlte sich so an, als ob man den Boden unter ihm wegzog. Anhand dieser Aussage und den Recherchen, die er in der Zwischenzeit über sie betrieben hatte, fand nun das letzte Puzzlestück ins Bild zusammen. Er hoffte innig, dass er mit seiner Vermutung unrecht hatte und sich alles klären würde. Allerdings fiel genau diese Hoffnung in diesem Moment wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Geschockt sah er seitlich neben sich.
 

„Also bist du tatsächlich…“, ehe der Pro Hero die letzten Worte aussprechen konnte, spürte er eine Hand auf seiner Schulter, die in erneut verstummen ließ.
 

„Vergiss mich bitte, Keigo… Du kannst nichts für mich tun… Das hier ist ein Kampf, den ich alleine fechten muss… Bitte kehre um, ich ertrage es nicht, noch einen geliebten Menschen zu verlieren… Bitte geh…“
 

Erneut lief Hawks ein kalter Schauer über den Rücken. Die Traurigkeit und Einsamkeit waren spürbar. All ihre Worte waren in diesen Emotionen ertränkt. Sein Blick galt erneut der Blondhaarigen, die daraufhin wortlos ihren Weg fortführte und im Innern verschwand. Das letzte, was der geflügelte Held noch sehen konnte, waren Tränen, die sich um sie herum verteilten und im Mondschein aufschimmerten. Sie weinte. Knirschend biss der junge Mann seine Zähne aufeinander und ballte seine Hände zu Fäusten. Ihm blieb vorerst nichts weiteres übrig, als sich wieder unter die Befreiungsarmeeanhänger zu mischen und weiterhin alles im Blick zu haben. Er gab nicht so einfach auf, dafür war sie ihm zu wichtig.
 

Gedankenversunken sah Hawks Mirabelle nach, die bereits im Zimmerinnern verschwunden war. Immer noch spürte er die Kälte, die durch seine Venen floss. Immer wieder wiederholten sich ihre letzten Worte in seinem Innern. Immer und immer wieder und langsam verstand er, was sie damit bezweckte. Diese Worte eben – sie klangen für ihn wie ein Abschied. Ein Abschied aus ihrer gemeinsamen Welt, aus der sie sich soeben endgültig losgesagt hatte.
 


 


 

— • I'm lost in these memories • —

— • Living behind my own illusion • —

— • Lost all my dignity • —

— • Living inside my own confusion • —

[Linkin Park - lost]



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Kommentare zu dieser Fanfic (1)

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Von:  swetty-mausi
2023-06-08T18:10:36+00:00 08.06.2023 20:10
Tolle Geschichte
Antwort von:  Mina_Tara
10.09.2023 16:43
Vielen Dank :3


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