Zum Inhalt der Seite

Seasons of life.

If it's meant to happen, it will.
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Without ifs or buts.


 

2023

late spring
 

Das Display erlosch mit einem frustrierten Laut.

Ignorieren und genießen wäre besser gewesen. Besser für ihre Laune, die jetzt leicht umschwang. Ins Bodenlose sank sie nicht, aber das lockere Gefühl von vorhin war erstmal verflogen.

Bevor das Smartphone zurück auf den kleinen, runden Tisch gelegt wurde, überprüfte sie in der Spiegelung ihr rotes, welliges Haar, das in Abständen vom Wind umspielt wurde. Der Farbe wegen wurden sie gerne Rotschopf genannt. Manchmal verspielt. Manchmal als Beleidigung. Über letzteres lachte Nami. Vielleicht nicht direkt in der Situation, aber im Nachhinein Den Zusammenhang verdankte sie ihrem ungezügelten Temperament. Wurde ein Bogen überspannt, garantierte sie für nichts.

Gerade wäre ein solcher Moment, wäre die Person anwesend, die ihr die Nachricht geschrieben hatte. Stattdessen blieb sie unbeantwortet. Für jetzt. Eigentlich gehörte der Inhalt in die Kategorie, die Nami liebend gern ignorierte. Besonderes bei Menschen, die eigentlich wussten, was Sache war.

Carina hatte sich endgültig ins Aus geschossen. Der Punkt, an dem ein Schlussstrich notwendig war, war eingetroffen. Bevor sie aber über das eigene Ziel hinausschoss, legte sie das Smartphone lieber zu Seite. Morgen war ein neuer Tag. Morgen konnte sie ihr genauso gut eine knappe Erklärung abgeben, eine sehr knappe.

Für eine andere Frau war Carina eine nette Partie. Seit sieben Jahren pflegten sie eine Freundschaft, vor ein paar Monaten war daraus eine Freundschaft Plus geworden. Nun wurde die Angelegenheit zu heiß, leider nicht im positiven Sinn. In dem Fall wäre etwas wie Vorfreude aufgekommen. Carina verdiente ihren Lebensunterhalt als Reisebegleiterin. Dass sie sich wochenlang nicht sahen, kam häufiger vor. Das ins Bett gehen hatte vor ein paar Monaten seinen Anfang genommen. Eine durchzechte Nacht, die Lust. Nami würde lügen, hätten ihr die Stunden, die sie seither verbrachten, keinen Spaß gemacht. Überraschend gut hatten sie ihr gefallen, aber eben nicht auf der Gefühlsebene. Für sie war Carina eine gute Freundin, mit der sie eben dann und wann das Bett teilte. Mehr nicht und ihre Einstellung kannte die andere, zumal sie einen ähnlichen Stil führte. Carina suchte keine Beziehung, sie liebte ihre Abenteuer auf den Reisen. Die Frau war einiges, aber kein Unschuldslamm. Eine Partnerin würde dem Spaß im Weg stehen.

Anzeichen, das dem nicht so war, waren in dem vergangenen Monat auffällig geworden. Erst hatte Nami gedacht, sie würde sich alles einbilden. Nun, spätestens mit der Nachrichtig, lag alles auf der Hand. Statt mitzuspielen, hatte Carina den Plan durchkreuzt. Gefühle waren da und gewisse Ansprüche, denen Nami nie gerecht werden konnte und wollte.

Manch eine bezeichnete sie schon mal als ein Arschloch, aber das war im Endeffekt nicht ihr Problem. Sie verliebte sich nicht. Ließ man sich auf Nami ein, so stimmten sie einer Unverbindlichkeit zu. Weder verheimlichte sie den Punkt, noch log sie. Jeder Frau sagte Nami sofort, was Sache war. Zu ihrem Pech überschätzte sich die eine oder andere. Carina bildete eben doch keine erhoffte Ausnahme. Nun zahlten sie drauf. Ihr Beziehungsgeflecht funktionierte eben nur, wenn sich jede an die Abmachung hielt. Empfand eine mehr mussten sie aufhören. Spielen gehörte nicht zu ihrem Repertoire und an dem, dass sich andere einbildeten, konnte Nami nichts ändern. Sie hatte keinen Einfluss auf die Gefühle. Leider mussten sie aber ihre Standfestigkeit hinnehmen. Verlieben war nicht drin.

Ein Arm baumelte über der Stuhllehne. Ihr Blick glitt durch die laute, buntgemischte Menschenmasse. Sonntag, Sonne. Was wollte man mehr? Der frische Wind war mit den frühlingshaften Temperaturen erträglich und luden förmlich für einen Besuch an der Themse ein.

Ein Zeichen. Lieber den Tag genießen, als unnötig Energie aufzubringen.

»Dachte schon, ich komme nie zurück!«, hörte sie das Lachen. Sofort riss sich Nami von den Menschen los und sah auf. Mit dem Schere-Stein-Papier-Prinzip hatten sie entschieden, wer sich anstellen musste und wer schnell noch einen freien Platz ergatterte. Das Glück war auf ihrer Seite gewesen. Wie so oft. Vivi unterstellte ihr ein Schummeln, aber analysieren war keine Schummelei. Eher sollte sie ihre Taktik ändern, dann würde Nami öfter verlieren.

»Danke.« Endlich, langsam hatte der Hunger übernommen. Obwohl sie einige Minuten angestanden war, strotzte Vivi vor guter Laune. Ansteckend. Namis Lächeln kehrte zurück.

Das letzte Mal, dass sie hier zusammen Fish N Chips vertilgten, lag ein paar Wochen zurück. Im April. In diesen Stunden merkte sie umso deutlicher, wie rasant das Leben voranschritt.

Ihre Freundschaft begann auf ruppige Weise auf dem Hof einer Privatschule. Vivi war in dem Jahrgang unter ihr. Es dauerte, aber kaum waren die Startschwierigkeiten überwunden, waren sie fast unzertrennlich geworden. In der restlichen Schulzeit, wie im Studium, verbrachten sie genug Stunden an der Themse. Aber die spontanen Verabredungen, bei denen gegessen, gequatscht oder durch die Geschäfte geschlendert wurde, verringerten sich. Mittlerweile standen sie mehr durch das Schreiben oder Telefonieren in Kontakt. Sogar Zoro bekam sie öfter zu sehen. Dennoch blieb die Verbindung zueinander, und Namis Gefühl sagte, dass sich das nie ändern würde. Was immer die Zukunft parat hielt.

»Wo sind wir stehengeblieben?«, fragte Vivi abwesend, während sie herzhaft in den frittierten Fisch biss.

»Venedig«, half sie kopfschüttelnd auf die Sprünge. Eigentlich hieß sie Vivienne. Mit vollem Namen angesprochen werden, hasste sie. Ein wichtiges Detail, das Nami gerne nutzte, um Diskussionen zu beenden. Sobald Vivienne ausgesprochen wurde, wusste sie sofort, dass der Bogen bedrohlich spannte. Wie eine letzte Warnung. Wurde sie ignoriert, garantierte Nami für nichts. Bislang zählten sie jene Momente an einer Hand ab, dass an Vivis Art lag. Austeilen konnte sie sehr wohl, aber war ihr Wesen deutlich gezügelter, suchte lieber die Harmonie. Dasselbe galt für Nami, bloß schoss sie schneller über das Ziel hinaus.

Wenn sie Vivi beim Essen betrachtete, vergaß man zeitweilig auf ihre Abstammung; eine weit zurückreichende Aristokratenfamilie, die dementsprechend eine enge Verbindung zum Königshaus pflegte. Dabei machte sie an manchen Tagen nichts glücklicher als irgendwo, untergegangen in der Menschenschar, Fish N Chips zu essen. Das mochte sie an Vivi, sie war alles, aber nicht abgehoben. Da hatte Nami in den Jahren andere Kaliber kennengelernt. Jene, die bis heute nicht verstanden, warum Vivi einen Mann aus einer Arbeiterfamilie heiratete. Der Tratsch war groß gewesen. Manche sahen in ihm einen Mann, der nur hinter ihrem Erbe her war. Dass sie und Korsa seit Kindesbein eine tiefe Verbundenheit hatten, die während der Teenagerjahre in eine romantische Beziehung umschwang, vergaßen sie dabei. Daher hatte Vivi auf manch eine Einladung vergessen. Auf ihre Weise hatte Vivi der Hochzeit einen zusätzlichen Kick verliehen. Das war im vergangenen September.

»Der Urlaub … genau!« Vivi schnippte und schluckte den Bissen hinunter. »Himmlisch! In allem. Allein die Bauwerke, der Lifestyle und – du kannst dir denken was kommt – wir haben im Sonnenuntergang eine Gondelfahrt gemacht. Eine waschechte, romantische Gondelfahrt. Ich weiß, der pure Kitsch«, erzählte sie schmachtend. Nami lachte. Als ob sie ohne eine Fahrt zurückkäme. Vivi war eine Romantikerin. Kitsch liebte sie und es war das Sinnbild der Romantik, wenn man als Paar die Stadt besuchte. »Leider ist die Zeit unfair, sie ist zu schnell vergangen. Irgendwann möchte ich zurück, Neues erkunden. Ich beneide jeden, der dort wohnt.«

Während Nami ihr Wasser trank, hob sie schon ihre rechte Braue. Jetzt übertrieb ihre Freundin.

»Alle Welt flüchtet vom sinkenden Schiff und du würdest die Möglichkeit in Betracht ziehen? Seien wir ehrlich, entweder stinkts oder sie wird überflutet – vom Wasser und den Touristen. Wo bleibt die Lebensqualität?«

Tadelnd hob Vivi den Zeigefinger.

»Ein Leben abseits der Touristen existiert und sollte sie irgendwann untergehen, muss man sie vorher eben noch auskosten«, entgegnete sie und am Ende hielt sie das Grinsen nicht zurück.

Nun rollte Nami die Augen über.

»Okay, dann eben die Realität. Ziehst du um und musst dort leben, kehrt irgendwann der Alltag ein. Der Alltag nimmt dir den Charme und Zauber, dafür wirst du deutlicher auf die Schattenseiten aufmerksam. Jede Medaille hat zwei Seiten, Venedig bildet keine Ausnahme. Solange du bei Kurzbesuchen bleibst, bleibt dir die Romantik erhalten. Du siehst, was du sehen willst, du genießt, gehst aus, shoppen, bist vom Ambiente entzückt und fährst nach Hause. Deine Traumvorstellung bleibt. Fertig.«

»Pragmatisch … «, murmelte die anderen gepresst. »Spielverderber. Ist dir klar, oder? Vielleicht solltest du einen Abstecher machen, würde deine romantische Ader füttern. Bewirkt Wunder.«

»Danke, kein Interesse.«

»Sonst bist du für jede Empfehlung aufgeschlossen«, säuselte Vivi.

»Ich war schon früher dort und sie hat keinen bedeuteten Einfluss gehabt.«

Daraufhin verzog Vivi missmutig das Gesicht, nuschelte undefinierbare Worte in ihren Fisch, ehe sie erneut abbiss. Dass sie nicht alle Denkweisen teilten, war gut so.

»Wenn wir gerade beim Thema sind … irgendwelche Neuigkeiten? Gedatet? Geghostet? Irgendetwas am Schirm?« In letzter Sekunde hielt Nami stand, nicht zum Smartphone zu sehen. Carina aus dem Leben streichen, war eine Neuigkeit. Keine von der Vivi hören wollte. Lieber wäre ihr andersherum. Deshalb schwieg Nami nicht. Gerade war ihr einfach nicht danach. Hätte sie einen zu schnellen Blick riskiert, hätte Vivi den registriert und sofort nachgehakt.

»Gegenfrage … wo versteckt sich dein Göttergatte?«, lenkte Nami lieber ab und legte dabei eine Neugierde an den Tag. Oder sie versuchte interessiert zu wirken.

»Schon vergessen? West Ham hat das letzte Heimspiel«, war alles, das Vivi sagte. Da ging ein Licht auf. Natürlich. Da war was.

»Du bekommst Venedig, er seinen Stadionbesuch. Guter Deal muss ich sagen.«

»Wir steigen beide bestmöglich aus, habe ich gut eingefädelt.« Gekonnt klimperte Vivi mit den Wimpern. Dann musste sie lachen. »Er liebt das Stadionfeeling. Überhaupt benimmt er sich an Spieltagen wie ein kleines Kind, mir gefällt’s. So hat jeder seine eigenen Hobbies. Er geht mit Zorro seinem nach und wir haben endlich mal Zeit für unser Ding.«

»Bier trinken, Experte spielen und grölen. Bester Zeitvertreib nach einer kitschigen Überreizung«, neckte Nami. Zeitgleich fiel ihr ein, was ein Spieltag bedeutete. »Ich hoffe auf einen Sieg. Bei einer Niederlage muss ich mir Zoros Gejammere anhören.« In den Jahren war das ein festes Ritual geworden. Früher hatte sie ihn dann und wann sogar begleitet, aber das Gefühl schwappte nie über. Englische Fans waren nicht ihres. Bei den Spielen im Ausland, die sie mal besuchten, hatten ihr schon eher Unterhaltung geboten. Einfach von der Fankultur. Etwas, das sie ihm so nie sagen würde. Dank Zoro blieb sie in der heimischen Liga auf den aktuellen Stand. Normalerweise würde sie manches überhaupt nicht auf dem Radar haben, aber er ließ sich gerne über eine Niederlage aus. Das Schwärmen über einen Sieg war ihr die liebste Option.

In Vivis Ehemann hatte er endgültig seinen eigenen Fußball-Buddy gefunden. Als Unterstützer desselben Vereins hatten sie mittlerweile Saisonkarten nebeneinander. Vor dem Kennenlernen der zwei hatte Vivi damals ihre Bedenken geäußert, als sie darin aber eine Gemeinsamkeit fand, war ihr alles leichter gefallen. Fußball selbst war eine Basis, dann die gleiche Lieblingsmannschaft und der gemeinsame Hass Chlesea gegenüber, war einer Verbrüderung gleichgekommen. Und darin lag einer der Punkte, warum Angst vorhanden war. Für Nami und Vivi hatte Zoro in den Jahren einen hohen Stellenwert eingenommen. Er glich manchmal mehr einem Bruder als einem Freund. Dass bewies er selbst oft genug, sein Beschützerinstinkt war groß und wer in das Leben der zwei wollte, musste erst an ihm vorbei. Seine Worte. Wie oft hatte er ihnen das gesagt.

Vivi war das Auskommen der Männer von Anfang an wichtig gewesen. Für Nami war seine Art ein gefundenes Fressen. Da sie niemanden vorstellen wollte, musste sie stets darüber lachen. Niemand kam nah. Waren sie aus, begnügte er sich in der Rolle desjenigen, mit dem sie, gelinde ausgedrückt, die Auswahl überflog. Selbst, wenn sie irgendwann jemanden fand, mit dem eine Beziehung möglich wäre, würde er das Match, das er in Korsa hatte, kein zweites Mal bekommen. Das stand fest.

Nun kam ein bisschen Neugierde auf und sie griff nach ihrem Smartphone. Der Live-Ticker war schnell geöffnet und der Stand ließ sie entspannt aufatmen. »West Ham ist auf Siegkurs. Wird heute länger und ich muss ihn nicht trösten.«

»Der Pub wird überlaufen«, kommentierte Vivi kopfschüttelnd. »Die werden morgen kaum aus dem Bett kommen.«

»Dein Mann vielleicht. Zoro müsste bis in die Morgenstunden trinken.« Verstehen brauchte Nami das Ganze nicht, ihr war das egal, solange die zwei ihren Spaß hatten.

»Leider«, seufzte die andere. Das restliche Essen aßen sie schweigend, erst als sie fertig waren, lehnte Vivi zurück und musterte sie auf ihre typisch wissende Art. »Was sind deine Sommerpläne. Du wirst nie und nimmer die Füße stillhalten.«

Nein, das nicht. Reisen war ein fester Bestandteil in Namis Leben. Entweder Kurztrips, gerne auch spontan oder längere Aufenthalte. Seit sie ein Kind war, wollte sie die Welt bereisen. Neue Orte erkunden, neue Erfahrungen sammeln. Zwar stand der Tapetenwechsel, die Erholung genauso im Mittelpunkt, aber in erster Linie wollte Nami ihre Abenteuerlust befriedigen.

»Nächstes Wochenende bin ich in Edinburgh unterwegs.«

Ein Pfiff ließ Nami aufschauen. »Schottland, schön … windig … verregnet … kalt.« Sie schüttelte sich. Nami griff prustend nach ihrer Wasserflasche. So in etwa.

»Haben wir bessere Bedingungen?«

»Im Schnitt? Allemal! Schottland ist halt … Schottland. Erzähl, wie kommt’s? Hätte ein wärmeres Klima erwartet.« Schulterzuckend trank Nami. Langsam und mehr als sie wollte. Innerlich kroch eine Unruhe empor, die sie mit dem Wasser regelrecht hinunterspülen versuchte. Der Trip kreiste bereits eine Weile in ihren Gedanken und nächste Woche bot sich eine günstige Gelegenheit. Das Blatt hatte sich gewendet und das lag an einer anderen Sache, über die sie lieber nicht reden wollte.

»Ich habe bislang nie Zeit gehabt oder sagen wir, mein Interesse war nie groß genug. Einen neuen Ort kennenlernen, ist das beste Argument, oder? Generell spiele ich mit dem Gedanken im Juli das Land zu erkunden. Merkwürdig, oder? Gleich ums Eck und bisher bin ich nie dazu gekommen. Habe ich Schottland, habe ich die Insel durch.« Wales, Irland, auch Nordirland waren neben England abgehakt. Das, was sie sehen wollte, aber Schottland ließ all die Zeit auf sich warten. Jetzt bot sich die Gelegenheit alles abzuhaken.

»Da bekommt die Bezeichnung Wanderhure eine neue Bedeutung«, bemerkte Vivi trocken, hob tadelnd den Zeigefinger, während Nami langsam ihre Flasche abstellte. Hatte sie gerade richtig gehört? »Was denn? Sprache verschlagen?« Merklich unterdrückte ihre Freundin ein Lachen, in dem sie vorlehnte und das Kinn an den Händen abstützte.

»Manchmal hast du sie nicht alle«, brummte Nami genervt, wobei sie ihre Stirn rieb.

»Papperlapapp. Wie sieht’s aus, machen wir die Märkte unsicher?«
 


 

Die Sonne war längst untergegangen als Nami nach Hause kam. Ihre Füße waren erledigt, Vivi hatte sie regelrecht durch die Straßen gejagt, auf der Suche nach einmaligen Stücken. Sie liebte Flohmärkte. Das Feilschen überließ sie Nami. Was den Wert und das Geld anging, war sie der harte Brocken.

In der heißen Dusche sah sie ihre wohlverdiente Belohnung, sie entspannte ungemein. Anschließend ließ sie sich mit einem Glas Rotwein am Sofa nieder und ging ihre Nachrichten durch. Zoro hatte wieder geschrieben. Ausgelassen feierte er, zusammen mit Korsa, noch immer den Sieg. Eigentlich nahm er das als perfekte Ausrede, um mal einen über den Durst zu trinken. Das Älterwerden hatte ihn durchaus verändert. Früher war er oft unterwegs, trank genug. Er war, was das anging, wesentlich ruhiger geworden. Während sie eine knappe Antwort tippte, grinste Nami vor sich hin.

Tasha, der Spitzname hatte sich irgendwann für Tashigi eingebürgert, zeigte keinerlei Interesse an der Sportart. Bis heute verwechselte sie sein Lieblingsteam. Ihre Leidenschaft galt dem Schwertkampf. Zoros größte Leidenschaft. Dass sie mit der Basis in ein Gespräch fanden, lag auf der Hand. Ihr Kennenlernen verdankten sie der Arbeit. Der Polizei. Anderweitig hätten sie nie miteinander zu tun gehabt. Auf den ersten Blick hin, wirkte sie sehr unscheinbar, passte überhaupt nicht in sein Beuteschema. Der Zufall brachte sie ins Gespräch und am Ende war es das Beste, das ihm passiert war.

Tasha nahm den Werdegang deutlich ernster. Rasch hatte sie sich einen Namen gemacht, vor zwei Jahren wechselte sie zur City of London Police, wo sie mittlerweile in der Terrorismusabteilung zuständig war.

Eigentlich hatte Zoro früher selbst große Ziele gehabt. Vor seinem Unfall. Ein erst einfach scheinender Einsatz hatte ihm das Auge gekostet. Das Ereignis änderte seine Möglichkeiten und somit seine Einstellung. Er ließ sich nicht gehen, dafür war er nicht geschaffen, aber fühlte er sich in seinem jetzigen Aufgabenbereich perfekt aufgehoben. Die Position als Ausbilder verdankte er seinem Wesen und seinem Können. Wenn er wollte, könnte er im Hintergrund weitaus mehr, aber ihm reichte der Posten.

Wiederum wurde Nami bewusst, wie rasch die Zeit verflog. Die Hochzeit lag über ein Jahr zurück. Verrückt. Sie lehnte zurück und starrte zur Decke hoch.

»Wie kommt’s?«, hallte die Frage. Wie kam sie auf Schottland? Das Land blieb übrig, konnte endlich von der Liste gestrichen werden. Eine einfache Begründung. Dabei lag mehr dahinter. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, vielleicht war der Sommer die letzte, richtige Gelegenheit, bevor sich ihr Leben veränderte. Trat das Erhoffte ein, sollte sie in Zukunft lediglich für Besuche ihrer Liebsten zurückkehren.

Ein Gedanke, der sie laut und tief ausatmen ließ.

Schon immer hatte Nami gesagt, sie würde irgendwann aus England fortgehen. Ihr Leben sollte nie durchgehend in diesem Land stattfinden. Dafür war die Welt zu groß und das Gefühl zu stark. Die Insel selbst war nicht, wie gesagt wurde, ihr Heimathafen. Das empfand sie woanders und genau dort fand sie die perfekte Grundlage für ihren Beruf. Die Richtung, die sie verfolgte.

Hier wusste nur eine Person Bescheid. Ihre Schwester. Niemanden sonst hatte sie von ihrem Vorhaben erzählt.

Erst mit der Zusage sollte der Rest erfahren, wie ihr nächster Schritt aussah. Nami hatte ein gutes Gefühl, darauf arbeitete sie seit Jahren hin, aber wollte sie irgendwie keinen voreiligen Träumereien nachjagen. Sich nicht allzu sehr darauf versteifen. Andererseits bildeten ihre Freunde die Kehrseite. Sie hatte Freunde, aber Vivi und Zoro waren Familie und die Familie zurücklassen fiel ihr schwer. Ein paar tausend Kilometer, ein anderer Kontinent. Ihre Schwester verstand sie. Schon ihr Onkel würde durchdrehen. Sie allein auf der anderen Seite des Meeres.

Kamen sich Traum und Realität nahe, kamen Gefühle hoch, die sonst mit einem Lächeln quittiert wurden. Andere kamen zuvor gar nicht hoch. Mit einer gewissen Entfernung ging man meist leichter mit dem Gedanken um. Rückte der eine Punkt näher, wurden die eigenen Gefühle komplizierter.

Die Angst selbst war dabei unbegründet. Allein die zwei unterstützten Nami und würden ihr, sollte sie den Schritt nicht wagen, gleichzeitig in den Hintern treten, anstatt sie abzuhalten. Das, was ihr merklich auf den Magen schlug und warum sie nicht bereit war darüber zu reden, war die Tatsache, dass sie sich vermissen würde. Obwohl man sich nicht länger täglich sah, waren sie in der Nähe. Sie waren dennoch nie aus der Welt. Wäre etwas, wären sie nie allzu weit entfernt voneinander. Zoro war eine Sache, Vivi eine andere. Sobald sie Bescheid wusste … sie würde alles auf den Kopf stellen. Ein unnötiges Tamtam veranstalten, etwas, das Nami gerade überhaupt nicht brauchte.

Und das war eben der Hauptgrund, warum sie sich mit Entscheidung England den Rücken zu kehren, verboten hatte sich zu verlieben. Deshalb interessierte sie sich nicht für tiefergehende Gefühle, eine feste Bindung. Wenn der Moment eintraf, konnte sie keinen Neustart erzwingen. Niemanden auffordern das Leben ihretwegen auf den Kopf zu stellen. Das Leben war trügerisch. Was, wenn das Herz zuerst gewann und erst später der Verstand einsetzte? Auf beiden Seiten? So ein Schritt war nicht im realistisch. Er überlebte nicht jede Beziehung.

Für Nami war das Leben in London in Ordnung. Früher und heute. Ihr aktueller Job war in Ordnung. Genau das störte Nami. Es war eben nur in Ordnung. Sie wollte mehr. Mehr empfinden als das, mehr als ein in Ordnung.

Nun war die Chance, wofür sie sich über Jahre den Hintern aufgerissen hatte, greifbarer denn je. Allein war der Schritt unkomplizierter. Die Umstellung galt ihr allein. Familie und Freunde waren ein schwerwiegender Punkt, mit dem sie dann leben musste, aber eine Beziehung?

Wenn sie die eine Person gefunden hätte, mit der sie ihr Leben teilen wollte, die eine Liebe … Nami war viel, aber alles andere als gefühlslos. Liebte sie, dann ohne Wenn und Aber und das könnte ein großes Problem werden.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Dark777
2024-01-21T19:41:01+00:00 21.01.2024 20:41
Die Geschichte spielt sich nun also etwa ein Jahr später ab und es haben sich in der Zwischenzeit ein paar Sachen geändert, ein paar sind aber gleich geblieben (Namis Einstellung zur Liebe). Jetzt erfährt man aber auch, warum Nami so partout gegen diese Gefühlsregung ist. Wie ich das sehe, ist Nami recht rastlos. Sie ist eigentlich zufrieden, aber fühlt sich nicht ganz ausgefüllt. Aus dem Grund will sie wohl auch ständig reisen (vom möglichen dauerhaften Umzug mal abgesehen): Es ist nichts weiter als die Suche nach „mehr“. Das ist irgendwie paradox, da Nami Vivi gegenüber selber gesagt hat, dass der Glanz in Bezug auf Venedig verschwindet, wenn man der Umgebung tagtäglich ausgesetzt ist. Der Alltag stellt sich zwangsläufig ein und Glück ist ein flüchtiges Gefühl – Zufriedenheit währt wiederum lange.

Robin wird alles auf den Kopf stellen, fragt sich nur wann und wie genau. Bin gespannt :).

V(~_^)
Von:  BurglarCat
2023-09-06T05:03:12+00:00 06.09.2023 07:03
musste gerade feststellen, dass ich dir zum Prolog nicht mal nen Kommt dagelassen haben xD
dann wird das nun nachgeholt! Ich denke die Grundeinstellung ist deutlich auch, wenn es noch die ein oder andere Frage aufwirft. Den Antworten kommen wir dann im zweiten Kapitel schon etwas näher. Nami will sich nicht verlieben, weil sie das Land verlassen will. Ein durchaus nachvollziehbarer Gedanke. Manchmal ist es eben kein guter Zeitpunkt und man sollte durchaus den eigenen Wünschen und Träumen nachjagen. Ergibt also durchaus Sinn.
Ich würde ja gerne wissen worauf genau sie da so hingearbeitet hat und was der Job sein wird aber das werden wir ja vielleicht noch erfahren. Es sei denn es passiert etwas ganz anderes und es kommt gar nicht erst dazu, dass sie diesen Job bekommt oder dem nachgehen kann?
Bleibt auf jeden Fall spannend. Ich frage mich nur, warum sie das so nicht auch ihren Freunden erklärt, wenn die ständige Fragerei nach einer Beziehung sie stört. Wäre doch durchaus ein valides Argument, um dem etwas einhält zu bieten und gleichzeitig ein paart Karten auf den Tisch zu legen. Frage mich, ob sie es sich nicht etwas schwerer macht als nötig aber.. das werden wir noch sehen.
ich freue mich schon sehr darauf!


Zurück