Es war eine angenehm warme Sommernacht, sodass die beiden Elben es vorgezogen hatten, auf die Suche nach einem Gasthaus zu verzichten und im Freien zu übernachten. Ein kleines Feuer hatten sie entzündet, auf dem sie vor Stunden einen einfachen Eintopf aus ihren Vorräten gekocht hatten, doch inzwischen war es fast verloschen. So saßen sie nun schweigend beisammen. Sanft hatte er seine Arme um seine Partnerin gelegt, deren Kopf nun ruhig an seiner Schulter lehnte.
Seit mehreren Minuten war kein Wort mehr gesprochen worden, und er dachte an eine ganz ähnliche Nacht, die nun fast ein Jahr zurück lag, kurz nachdem sie einander getroffen hatten. Auf einer Lichtung hatten sie gerastet und beide gedankenversunken und den Sternenhimmel geschaut. Auch damals war ihr kleines Lagerfeuer fast vollständig heruntergebrannt gewesen.
"Da war gerade eine Sternschnuppe...", hatte er irgendwann bemerkt.
"Ja, ich weiß", war ihre Reaktion gewesen. "Ich habe sie auch gesehen."
"Und? Hast du dir auch etwas gewünscht?" Neugierig fragend hatte er sie angesehen.
"Nein." Ernst und tonlos hatte diese Antwort geklungen und sie hatte weiterhin starr in den Nachthimmel geschaut.
"Warum nicht?" Er hatte überrascht die Augenbraue hochgezogen, eine ganz charakteristische Reaktion für ihn.
"Welchen Sinn hätte das schon? Seit Jahren habe ich doch nur noch einen einzigen Wunsch und den könnten mir nicht einmal alle Sternschnuppen der Welt zusammen erfüllen". An dieser Stelle hatte sie eine kurze Pause gemacht und den Blick gesenkt. Voller Traurigkeit hatte sie nun in das verlöschende Feuer geschaut, als sie leise fort gefahren war: "Nur Ilúvatar allein könnte mir diesen Wunsch erfüllen, denn er allein hat die Macht, ein totes Herz wieder zum Schlagen zu bringen..."
Damals hatte er noch nicht gewusst, was sie gemeint hatte, doch heute, während er wieder darüber nachdachte und dieses Gespräch nochmals reflektierte, war ihm klar, dass sie von ihrem früheren Gefährten gesprochen hatte, der einige Jahre zuvor getötet worden war. Noch bis vor kurzem hatte sie sehr unter diesem Verlust gelitten und nur sehr langsam war es ihr möglich gewesen, Trauer, Schmerz und die Ängste vor einem neuerlichen Verlust zu überwinden, und sich selbst ihre Liebe zu ihm einzugestehen.
Nachdenklich blickte er auf die Frau herab, die er nun im Arm hielt und die wie vor einem Jahr verträumt in den Sternenhimmel aufblickte. Dabei kam in ihn die Frage auf, ob sie dieses traurige Kapitel ihrer Vergangenheit wohl wirklich endgültig abgeschlossen und überwunden hatte.
"Da war gerade eine Sternschnuppe!", riss sie ihn plötzlich aus seinen Gedanken.
Lächelnd zog er seine Liebste ein wenig fester in seine Umarmung. "Hast du dir denn auch etwas gewünscht?"
"Nein..." Auch auf ihrem Gesicht zeichnete sich ein Lächeln ab.
"Nein? Warum nicht?" Erstaunt und auch ein wenig besorgt musterte er sie. Konnte es wirklich sein, dass sie sich noch immer nach ihrem früheren Partner sehnte?
"Kannst du dir das nicht denken?" Sie wand den Blick von den Sternen ab, richtete sich ein wenig auf und sah ihm liebevoll in die Augen. "Weil ich mit dir zusammen einfach wunschlos glücklich bin!" Wie um diese Erklärung zu bestätigen gab sie ihm einen langen, zärtlichen Kuss.
Als sie sich wieder von ihm löste, schaute er sie aus strahlenden Augen an und lachte leicht. "Du hast dich vor einem Jahr sehr geirrt, weißt du das?" Da sie ihn daraufhin nur fragend ansah, fuhr er lächelnd fort: "Ich bin nicht Ilúvatar, dennoch habe ich es geschafft, dein totes Herz wieder zum Schlagen zu bringen."
Fröhlich stimmte sie in sein Lachen ein und küsste ihn erneut.
"Ja, muin nin, das hast du!"
