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Geständnisse

Sidestory zu Schatten des Lichts (zwischen Kapitel 27 und 28)
von

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Zeichenerklärung:

"..." gesprochenes

,...' gedachtes

#...# Erinnerung

(...) die Kommentare der werten Autorin
 

Sidestory von Schatten des Lichts (nach Teil 27):
 

Geständnisse
 

Die Fahrt zurück nach Lodostina verlief sehr schweigsam, bis auf Kiras permanent gestammelten Entschuldigungen, die von Takerus ewigen Erklärungen, dass er es nicht ernst nehmen würde und er sich keine Gedanken machen müsste, abgelöst wurden. Als ihn seine Mitfahrgelegenheit schließlich zu Hause absetzte, verlief die Verabschiedung genauso knapp, wie die kurzen Gespräche zuvor. Die Stimmung zwischen den beiden war bis aufs äußerste gespannt und jedes Wort wurde sofort auf die Goldwaage gelegt, um eventuelle Andeutungen, was das morgendliche Zwischenspiel betraf, nicht zu überhören.

Erst eine Woche später in der die beiden mit Müh und Not Abstand voneinander hielten, ließ man es bei einem unbedeutenden Zwischenfall bewenden. Doch gerade als wieder Frieden eingekehrt war, drohte ein unglücklicher Zufall einen weiteren Krieg vom Zaun zu brechen.
 

"Was ist los? Es kann doch unmöglich so wichtig sein, dass du wegen mir deine überlebenswichtigen Termine verschiebst." Doch die Miene von Herrn Hinoto zeigte, dass er nicht zum Spaßen aufgelegt war und keine Lust auf die sarkastischen Witze seines Sohnes hatte.

"Setz dich! Ich... Es tut mir Leid, wenn ich mich irren sollte und das Ganze nur ein Missverständnis ist, aber... Mir ist zu Ohren gekommen, dass du dich in gewissen "Clubs" rumtreibst, die nun wie soll ich sagen, von zweifelhaftem Ruf sind. Für andersorientierte Menschen. Für... Homosexuelle."

Kira gefror das Blut in den Adern. Schon allein wie er das Wort förmlich ausspuckte, zeigte wie sehr es ihm zuwider war auch nur davon zu sprechen. Zitternd erhob er sich, wagte es jedoch nicht den Blick vom Boden zu lösen und die Hoffnung in seinen Augen zu lesen, dass das alles Irrtum war.

"Ich... von wem?..." "Das spielt keine Rolle. Kira sieh mich an!" Doch dessen Knie waren inzwischen so weich wie Wackelpudding und er musste sich an der nächsten Wand abstützen, um nicht vor seinem Vater zusammenzubrechen und ihm damit die Bestätigung zu liefern.

"Vater bitte...lass uns..." Kiras Kopf war wie leergefegt. Seine schlimmsten Befürchtungen wurden gerade zur bitteren Realität.

"Das ist nicht dein Ernst! Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?! Ich habe meinen Sohn anständig erzogen! Ich verbiete dir, dich noch einmal mit solchem Gesindel herumzutreiben! Haben wir uns verstanden?!"

Kira blieb bei seinen Worten nichts anderes übrig als leise zu schmunzeln, bevor er in ein hysterisches Lachen ausbrach, obwohl die Situation in der er sich befand alles andere als komisch war.

"Du lebst mit diesem Gesindel unter einem Dach! Verstehst du jetzt?!" Bleich geworden erstarrte Herrn Hinotos Miene zu Stein. "Wenn das wieder eine von deinen schlechten Scherzen ist, weil du dich weigerst die Firma zu übernehmen, dann..." "Verdammt, ich stehe auf Männer! Schon seit Jahren! Ich bin eine Schwuchtel, schwul, homosexuell, wie auch immer du es nennen willst! Ich..." Doch bevor er weitersprechen konnte, erfüllte er dumpfer Knall den hohen Raum. "Du weißt, ich habe dich niemals geschlagen, aber komm doch zur Vernunft Junge! Das bildest du dir doch nur ein! Du bist nicht einer von denen!"

Ohne ein weiteres Wort griff Kira nach seiner Jacke und wollte sich aus dem Staub machen, bevor die Situation noch weiter eskalierte, als er am Arm gepackt wurde und sein Vater ihn zwang ihm ins Gesicht zu sehen. "Kira... Ich meine es doch nur gut! Versteh mich doch, ich...will einen richtigen Sohn, keinen..." Wütend schüttelte Kira seine Hand ab, als ihm ein glänzender Gegenstand ins Auge fiel, der offen auf der Kommode lag. Sein ganzer Körper bebte vor Zorn, als er die Schere in die Hand nahm und seine langen Haare damit Stück für Stück abschnitt.

"KIRA!" "Was denn?! Du sagtest doch du willst einen richtigen Sohn! Nicht so einen wie mich! Ist es gut so?! Bin ich jetzt wieder dein Sohn?!" Mit vor Tränen glänzenden Augen drückte er ihm das Bündel schwarzer Haare in die Hand und stürmte, ohne nur einen Blick zurückzuwerfen, aus dem Haus.
 

Die Bar war stickig und der Qualm, des Zigarettenrauchs, der überall in der Luft lag, brannte in den Augen. Nichts desto trotz saß Kira bereits seit Stunden hier und kippte einen Whiskey nach dem anderen hinunter, bis er kaum noch aufrecht sitzen konnte und er als leichte Beute abgetan, von einem blonden, gutgebauten Mann von der Seite angesprochen wurde.

"Ich dachte mir, du könntest ein wenig Gesellschaft vertragen. Ich beobachte dich schon seit einiger Zeit, es ergab sich aber bisher nie die Gelegenheit dich anzusprechen. Aber was hast du nur mit deinen schönen langen Haaren gemacht? Sieht aus als wärst du mit der Heckenschere drangegangen." Dabei fuhr er ihm federleicht durch das rabenschwarze Haar und kam mit seinem Gesicht bereits gefährlich nahe. Kira konnte sich bei dem Vergleich ein Grinsen nicht verkneifen und versuchte nicht allzu sehr zu lallen, was bei dem Alkoholkonsum ein wahres Kunststück war.

"Mein Vaader hat gesagt, ich daff mich nich mit Gesindll wie dir abgeben. Muss dir n'andern suchn." Damit wandte er sich wieder seinem leeren Glas zu. Doch dieser gab sich keinesfalls so leicht geschlagen und legte dreist eine Hand auf seinen Hintern.

"Aber wie ich sehe bist du ganz allein hier. Außerdem bist du doch schon ein großer Junge. Ich bin mir sicher wir werden unseren Spaß haben." Gleichgültig ließ er die Tuchfühlung über sich ergehen und merkte nur halb, wie er zu ihm gedreht wurde und der Mann anfing zuerst an seinem Ohr zu knabbern und sich dann immer weiter bis zu seinen Lippen vorarbeitete.

,Was mach ich hier eigentlich? Ich...Takeru.. ich will zu Takeru... Ich muss...' Unbeholfen versuchte er ihn von sich zu schieben und Abstand zwischen sie bringen, was nur bewirkte, dass er vom Barhocker rutschte und dieser sich so nur noch näher an ihn drängte.

"Ich will nicht...lass.. lass mich..." Doch seine Bitte wurde ganz einfach ignoriert und er wurde geschickt immer weiter mit einem Arm des Blondhaarigen um seine Hüfte Richtung Ausgang geschoben, als Kira plötzlich eine Stimme hinter sich hörte, die er nur allzu gut kannte.

"Er hat nein gesagt! Also, lass ihn los!" Genervt drehte sich der Mann, der Kira unter Beschlag genommen hatte, um und blickte in zwei wütend funkelnde, grüne Augen.

"Wusste ja nicht, dass er schon vergeben ist. Ich dachte nur, er hätte es mal wieder nötig. Offensichtlich ist dein Schätzchen zu Hause nicht genug ausgelastet." Doch das freche Grinsen, das er dabei aufsetzte verschwand innerhalb eines Bruchteils einer Sekunde, als ihn die Faust seines Kontrahenten mitten im Gesicht traf.

"Scheiße!" Fluchend wand er sich am Boden, während Takeru Kira, der die ganze Szene nur ungläubig verfolgt hatte, unterm Arm packte und mit sich nach draußen zerrte.

"Lass dich nicht immer so verdammt Volllaufen! Der Typ hätte dich in kürzester Zeit überrumpelt, wenn ich dich nicht gefunden hätte." Die frische Luft, die Kira nun gierig in seine Lungen einsog, klärte ein wenig seinen benebelten Verstand. Mit letzter Kraft wand er sich aus den Armen, die ihn bis jetzt auf den Beinen gehalten hatten und lehnte sich gegen eine Laterne.

"Du wasst also bei meinem Vadder? Dann weißt du ja die gudde Nachricht bereitss. Seit wann bisss du ssschon hier?" Nur ungern sah Takeru zu, wie Kira versuchte auf seinen eigenen wackligen Beinen das Gleichgewicht zu halten und beobachtete besorgt, wie er nichts desto Trotz seine Hilfe immer wieder abwehrte.

"Ich habe genug gesehen... Du kannst bei mir schlafen." Kopfschüttelnd ließ sich Kira müde auf den kalten Asphalt sinken. Er verabscheute den Gedanken, dass er gerade eben noch so hilflos dem anderen Mann ausgeliefert war und ausgerechnet Takeru gesehen hatte, wie er sich einfach von jemandem küssen ließ, den er gar nicht kannte.

"Besssa nicht." Seufzend beugte er sich zu Kira hinunter und betrachtete zum ersten Mal seine abgeschnittenen Haare. "Dein Vater muss die Tatsache, dass du auf Männer stehst erst mal verdauen. Er wird schon noch einsehen, dass es allein deine Sache ist, in wen du dich verliebst."

"Iss es dass? Wass wenn die Liebe nich erwidert wird." Seine Stimme war nur mehr ein kaum hörbares Flüstern, während er Takerus sorgenvollem Blick auswich.

"Du...du bist in jemanden verliebt? Kenn...Kenne ich ihn?" Takerus Hand zitterte, als er Kiras Kinn sanft hochhob und er seine stummen Tränen bemerkte, die ihre feuchten Spuren über seine Wangen zogen.

"Kira?" Zögernd beugte sich dieser nach vor und küsste Takeru, der mit weit aufgerissenen Augen plötzlich die Lippen seines besten Freundes auf den seinen spürte. Mit leichtem Druck schob er ihn von sich und erhob sich, um das soeben Geschehene zu verarbeiten und steckte seine zitternden Hände schnell in die Jackentasche. "Tut mir Leid...", wisperte Kira, bevor er sich wieder an den Laternenpfahl zurücklehnte und die Augen schloss, als sei er für jeden Wutausbruch, für jedes Geschrei bereit es über sich ergehen zu lassen, doch stattdessen blieb nur eine beklemmende Stille zwischen ihnen, als das ferne Gelächter und Grölen einer Jugendbande immer näher kam.

"Was haben wir denn da? Zwei Schwuchteln. Ich sagte doch, bei diesem Club sind wir richtig. Aber das sie schon so unverschämt sind sich aus ihrem Rattenloch zu wagen und die armen Bürger mit ihrem Anblick zu belästigen." Zweifellos war die Bande auf Streit aus und hatte ihre nächsten Opfer bereits auserkoren.

,Shit!' Schoß es Kira durch den Kopf, dem diese gewalttätigen Übergriffe bereits bekannt waren. Allerdings stand es nie vier gegen zwei und er befand sich bei diesen Auseinandersetzungen bisher immer in einer besseren Verfassung und kämpfte nicht bereits mit seinem eigenen Gleichgewicht. Er wusste, die Chancen die Sache heil zu überstehen standen mehr als schlecht, aber er würde sich nicht so einfach geschlagen geben.

Takerus Miene verfinsterte sich ebenso. Von derartigen Situationen war er bisher verschont geblieben. Nach einem Seitenblick auf Kira, der sich nun ebenfalls aufgerichtet hatte und eine Angriffsposition eingenommen hatte, wusste er, dass ein Kampf wohl unvermeidlich sein würde.

"Kira, verschwinde sobald du die Gelegenheit dazu hast! Verstanden! Du kannst dich kaum auf den Beinen halten, so bist du mir keine Hilfe!" "Ach und du nimmsst es dann mit vier gleichzeitig auf, wasss?!", zischte Kira zurück, der nicht im Traum daran dachte seinen Freund allein zurückzulassen, nachdem er ihn in diese Lage gebracht hatte.

"NA WAS IST! Seid ihr jetzt fertig, oder wollt ihr noch ein letztes Gebet sprechen, bevor wir euch in die Hölle schicken?" Offensichtlich war der Anführer der Bande ein richtiger Witzbold. Das Lachen der anderen Drei, die bereits einen Kreis um sie gebildet hatten, erklang wie das von stinkenden Raubtieren, wie das von Hyänen, bereit zum Angriff.

Doch offensichtlich hatten sie nicht damit gerechnet auf ausgebildete Kampfsportler zu treffen, denn die Überraschung, als Takeru sich gegen dreien von ihrer Sorte behaupten konnte und selbst der Betrunkene Kira sich nicht mal so schlecht gegen den, wenn auch relativ schmächtigen Jugendlichen schlug, war groß.

Fluchend steckten sie immer wieder gezielte Schläge ein, bevor die aufgebrachte Meute alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen gewillt war. Nachdem der großmäulige Anführer von Takeru gegen die nächste Hausmauer gedonnert worden war, wischte sich einer der Angreifer das Blut von der aufgeplatzten Unterlippe und sann nach Rache. "Das wirst du mir büßen!" Takeru, der ebenfalls schon außer Atem war und selbst einige Schläge abbekommen hatte, beschäftigte sich gerade mit dem Übriggebliebenen der drei, die ihn angegriffen hatten und bemerkte somit nicht, dass hinter ihm ein Klappmesser gezogen wurde.

"NICHT!" Kira der gerade eben noch einem Tritt ausgewichen war, erkannte aus dem Augenwinkel die drohende Gefahr.

"TAKERU!" Dieser streckte soeben seinem Gegenüber mit einem Fausthieb in die Magengegend zu Boden, als er Kiras Warnung hörte und sich umdrehte.

"Kira? Was..?" Mit schmerzverzogenem Gesicht klammerte sich dieser an Takeru fest und biss die Zähne zusammen, als ein weiteres Mal die scharfe Klinge seinen Rücken traf.

"Schnell lass uns von hier verschwinden!" Eilig sammelte sich die Bande zusammen und ergriff die Flucht, bevor die Polizei eintreffen würde.

"Kira?" Wie in Trance strich er ihm die schweißnassen, schwarzen Strähnen aus dem Gesicht, während der kraftlose Körper in seinen Armen in sich zusammensackte. Entgeistert blickte Takeru auf seine Hand an der das warme Blut seines Freundes klebte. "Wir brauchen einen Krankenwagen! SCHNELL!!!"

Ein vorübergehender Passant, der die Szene aus sicherer Entfernung beobachtet hatte, fingerte nervös an seiner Hosentasche und holte ein Handy heraus, um den Notruf zu verständigen.

"Kira? Schlaf nicht ein! Du darfst jetzt nicht einschlafen! Halt die Augen offen! Sieh mich an!" Ängstlich ergriff er Kiras Hand und zog ihn fest an sich, während er den in Schmerzen zusammengekrümmten Körper unter sich beruhigend hin und herwiegte, wie eine Mutter ihr Kind.

"Der Krankenwagen kommt gleich...es kann nicht mehr lange dauern...du musst nur noch ein bisschen durchhalten..." Mit tränenverschleiertem Blick strich er ihm immer wieder sanft über das leichenblasse Gesicht und murmelte leise ermutigende Worte, als Kira ihn noch näher zu sich zog und ihm mit erstickter Stimme ins Ohr flüsterte: "Takeru...geh nicht weg, bitte. Lass mich nich allein. Ich werde dir auch nie wieder sagen, dass ich dich liebe. Bitte, geh nich weg..." Schluchzend nickte er Kira zu und zwang sich zu einem Lächeln. "Bestimmt nicht."

Die Sirenen wurden lauter. Der Griff an Takerus Pullover lockerer. Schnell, schnell! Eilig schälte man den ohnmächtigen Körper aus seinen Armen. Unbewusst griff Takeru nach seiner Hand bevor er jede Verbindung zu ihm verlor. Erst durch Sanitäter, die ihn immer wieder baten, ihn doch loszulassen, kam er zur Vernunft und ließ sich auf die Seite drängen, um sie bei ihrer lebenswichtigen Arbeit nicht länger zu behindern.
 

Der sterile Geruch des Krankenhauses und die kahlen, weißen Gänge, die eine so unglaublich trostlose Wirkung hatten, wurden nur noch durch die schreckliche Ungewissheit übertroffen. Einzig und allein den nahen Verwandten war die Auskunft über den Zustand des Patienten zu gewähren und so musste Takeru wohl oder übel warten, bis Kiras Vater die Güte fand in Erscheinung zu treten und sich nach seinem Sohn zu erkundigen.

Die Stunden verstrichen, als sich jemand neben ihm räusperte.

Tiefe Schwarze Ringe zeichneten sich auf den müden, verweinten Augen ab, die das grüne Leuchten verloren hatten. Die Kleidung noch immer voller Blut und die eigenen kleinen Wunden und Kratzer noch unversorgt, ergab er das kümmerliche Bild eines verwundeten Straßenkaters, der sich geschlagen gegeben jedem weiteren Kampf auswich.

Takeru hatte keine Kraft mehr mit Herrn Hinoto über die Richtigkeit seiner Handlung zu streiten und erwartete aus leeren Augen jede Antwort, auf seine unausgesprochene Frage. Stumm nickte ihm der ansonsten jung gebliebene Mann zu, der nun um zehn Jahre älter wirkte, als noch Tage zuvor.

Die Schläfen ergraut, die Stirn in tiefe Falten gelegt, setzte er sich neben ihn und räusperte sich ein weiteres Mal, bevor er zu sprechen begann. "Die Ärzte sagen, er....er hat es überstanden. Es war knapp, aber er überlebt. Die Stiche haben jeweils die rechte Niere getroffen und die Leber leicht verletzt. Er wird das trinken jetzt einstellen müssen. Ich hoffe, du kannst ihm das klar machen."

Alle Gedanken kreisten immer wieder um die letzten Ereignisse, bevor man Kira mit einem Rettungswagen ins Krankenhaus brachte, bis die Bedeutung der Worte von Herrn Hinoto zu ihm durchdrang. Mit einem Mal brach alle Verzweiflung und Hoffnung der letzten Stunden in ihm hervor, bis er erleichtert tief durchatmete. Er wusste nicht, ob er lieber weinen oder lachen sollte. Er tat beides, als ein tröstender Arm um ihn gelegt wurde.

"Kümmere dich um ihn. Ich...ich kann nicht. Noch nicht. Versprich mir einfach, dass du auf ihn aufpasst. Du kannst jetzt zu ihm gehen. Er ist noch auf der Intensivstation." Das war sein letztes Wort, bevor er Takeru allein zurückließ und sich auf den Nachhauseweg machte.
 

An mehreren Maschinen wurde jede Funktion von Kiras Körper aufgezeichnet und überprüft. Das Bild das sich Takeru bot, ließ ihm den Atem stocken. Vorsichtig holte er den leeren Stuhl heran und setzte sich neben das Bett. Bevor er in den sterilen Raum treten durfte, hatten die Schwestern darauf bestanden seine Wunden notdürftig zu versorgen und ihm andere, saubere Kleidung zu geben, sodass er zumindest wieder aussah wie ein halber Mensch. Das Herz wurde ihm bei dem Anblick unsagbar schwer. Es war ihm beinahe unerträglich den immer vor Leben sprühenden Kira so zu sehen und nur abwarten und zusehen zu können.

Behutsam nahm er die Hand seines Freundes in die seinen, bevor er federleicht mit seinen Fingerspitzen die Lippen berührte.

#"Bist du dir wirklich sicher, dass du nur sein bester Freund sein willst?" "Takeru...geh nicht weg, bitte. Lass mich nicht allein. Ich werde dir auch nie wieder sagen, dass ich dich liebe. Bitte, geh nicht weg..." "Kümmere dich um ihn. Ich... ich kann nicht. Noch nicht. Versprich mir einfach, dass du auf ihn aufpasst."#

So viele Stimmen hallten in seinem Kopf wieder, bis es schier unmöglich war den eignen Gedanken zu folgen. Zögernd beugte er sich über ihn und ersetzte seine Finger gegen seine Lippen, während er ein weiteres Mal drohte in Tränen auszubrechen. Verzweifelt löste er sich von ihm und betrachtete noch lange sein fahles Gesicht. ,Ich weiß es nicht! Ich weiß es doch nicht... Sag mir doch was ich tun soll!'
 

Jeder einzelne Zentimeter in seinem Körper schmerzte, als er langsam den Weg zurück ins Bewusstsein fand und versuchte die Augen zu öffnen. Irgendetwas undefinierbar Warmes, Weiches lag auf seinem Arm, der inzwischen schon eingeschlafen war. Kläglich versuchte er seinen Arm zu befreien, als er bemerkte, dass jemand seine Hand fest umschlossen hielt. Die Neugier siegte und so brachte er es schließlich fertig seine Augen für einen Moment offen zu halten und erkannte einen komischen blau-schwarzen Mob neben sich.

"Ta..ke...ru?..." Dieser durch die leise gewisperten Worte und den leichten Druck an seiner Hand erwacht, rieb sich schnell den Schlaf aus den Augen und blickte in das schwach lächelnde Gesicht Kiras.

"Ich bin hier! Ich..." Zu mehr konnte er sich nicht überwinden, als ein Schluchzen seiner Kehle entrann. "Warum... weinst du denn? Es...geht mir doch gut." Das erstickte Lachen über Kiras Worte, ging in den Tränen unter, die sich einfach nicht aufhalten ließen.

"Ich...habe...in meinem...ganzen...Leben noch nicht......nicht so geheult...ich kann nicht....kann einfach nicht...aufhören....." Beruhigend drückte Kira seine Hand, die noch immer in seiner lag und schloss die schweren Augenlieder. "Takeru... Danke."
 

Der Weg vom Krankenhaus bis hin zu Takerus Wohnung war selbst im Auto noch mehr als beschwerlich. Auch wenn Kira noch so sehr versuchte sich ruhig zu verhalten und sich nicht zu bewegen, waren die Schmerzen bei jedem Bremsen und Beschleunigen unerträglich. Der Schweiß stand ihm auf der blassen Stirn, während er seine Fingernägel fest in den Sitz krallte.

"Das ist ja nicht mehr zum Mitansehen! Ich bring dich sofort zurück! Sie haben doch gesagt, dass es zu früh ist. Aber du willst ja nicht hören." Gerade als Takeru bei der nächsten Kreuzung zurückfahren wollte, hielt ihn Kiras flehender Blick zurück.

"Ich halte es dort nicht länger aus. Außerdem brauchst du dringend eine Dusche und neue Kleidung. Du hast das Krankenhaus tatsächlich nicht verlassen, seit ich dort bin. Das sind fünf Tage! Fünf! Die Hälfte der Strecke haben wir sowieso schon hinter uns. Da bleibt es doch auch vollkommen gleich. Bitttteeee!"

Sein herzerweichender Blick raubte Takeru noch den letzten Nerv. Wieder einmal ließ er sich breitschlagen und fuhr in die Richtung seiner Wohnung weiter. "Gut, aber du bleibst im Bett. Verstanden?!" Zufrieden lehnte sich Kira mit einem Grinsen zurück und jaulte kurz auf, als Takeru ein wenig zu stark bremste und ihn entschuldigend anlächelte. "Das hast du doch mit Absicht gemacht..."

"Ich? Aber nicht doch. So etwas würdest du mir zutrauen?"
 

Nachdem Kira seine Schmerzmittel genommen hatte, schlief er wie ein Baby und Takeru hatte genug Zeit sich ausgiebig zu duschen und schnell einen Bademantel überzuwerfen, als ihm ein weißer Umschlag ins Auge stach. Er hatte ihn bisher bewusst gemieden, doch jetzt war die Zeit gekommen ihn zu öffnen.

#"Sieh es als eine Art Test an. Wenn du dir nicht mehr sicher bist, was du fühlst, dann öffne den Umschlag."#

Zaghaft riss er das Kuvert auf und zog ein Foto aus dem Umschlag. ,Das soll also dein Test sein, Misa?' Lachend hielt er es vor sein Gesicht, bis er verstummte und es still betrachtete.

Das laszive Foto zeigte Kira, als er sich nach seiner kalten Dusche am Meer in den warmen Sand fallen gelassen hatte. Die offenen, langen, schwarzen Haare, die Haut über die einzelne Wasserperlen ihre Spuren zogen, das durchsichtig gewordene Hemd, das mehr zur Dekoration diente als die makellose Haut zu verstecken...

Schweratmend und mit rasendem Herzen ließ er es fallen, als hätte er sich daran die Finger verbrannt.

,Verdammt!' Zitternd erhob er sich, als er bemerkte, dass sein Körper bereits eine heftige Reaktion zeigte und stürmte ins Bad, um sich mit einer kalten Dusche Abhilfe zu schaffen. Das Bild hatte sich bis in das Innerste seiner Zellen gebrannt und selbst das kalte Wasser wollte diesmal nicht helfen. So lehnte er sich schwankend gegen die kühlen Fliesen, während er seine Augen schloss und die Hände über seinen Körper gleiten ließ. Salzige Tränen vermischten sich mit dem kühlen Nass, als er damit begann sich selbst bis zum Höhepunkt der Lust zu treiben. Mit einem unterdrückten Schrei ergoss er sich in seiner eigenen Hand und sank von aller Kraft verlassen zusammen, ehe er sich weinend in die Ecke der Dusche kauerte. ,Kira...'
 

Vorsichtig setzte sich Takeru neben die schlafende Schönheit in seinem Bett und betrachtete eingehend sein Gesicht, als Kira langsam durch die Gewichtsverlagerung der Matratze erwachte und die Augen aufschlug. Schweigend wand Takeru seinen Blick ab und starrte auf den Boden.

"Warum kommst du nicht ins Bett? Du bist ja ganz blau im Gesicht! Was hast du gemacht?!" Doch anstatt einer Antwort schüttelte er nur traurig den Kopf. "Hast du solche Angst vor mir? Ich werde dich schon nicht im Schlaf überfallen..." Mit einem heiseren Lachen vergrub Takeru sein Gesicht in seinen Händen und wischte sich schnell mit dem Handrücken über die Augen, in denen es verräterisch glitzerte.

"Tu...tut es nicht weh, wenn ein Mann mit einem anderen... Ich....ich meine,...wenn........wenn ein Mann mit einem anderen Mann schläft." Kira glaubte seinen Ohren nicht zu trauen und musste schwer schlucken, während er sich aufsetzte, als er den Sinn dieses Gesprächs erfasst hatte.

"Du meinst, wenn....wenn man in den anderen eindringt? Das..........ich......" Verlegen räuspernd suchte er nach den richtigen Worten, um Takeru zu erklären, wie es sich anfühlte, wenn man sich einem anderen Mann hingab.

Für einen Moment herrschte ein beklommenes Schweigen zwischen ihnen, bis sich Takeru zu seinem Freund umdrehte und ihn schüchtern und zugleich erwartungsvoll anblickte. Kira holte tief Luft und versuchte sein rot leuchtendes Gesicht hinter seinen nach vor fallenden Haaren zu verstecken.

"Mit einem.... einem Gleitmittel und.... und wenn man vorsichtig ist,.... dann passiert auch nichts. Man muss am Anfang nur sehr behutsam sein, damit man seinen Partner nicht verletzt. Aber dann ist es für beide... unglaublich gut!" Bei dem Gedanken musste er unweigerlich grinsen und wagte bei der Vorstellung einen kleinen Seitenblick auf Takeru, der noch immer vorn über gebeugt auf dem Bett neben ihm saß und dem offensichtlich noch eine weitere Frage auf den Zunge lag.

"Kira...warst....warst du.... Ich meine,....hast...hast du oder der andere....?" Dieser stand jedoch gerade kurz vor einem Nervenzusammenbruch und war sichtlich bemüht überhaupt noch einen Ton aus seiner Kehle herauszubringen. "Ich... Das... das liegt am Partner..."

"Dann hast du schon beides gemacht?" Kiras Wangen glühten inzwischen so heiß, als hätte er vierzig Grad Fieber. Anstatt einer Antwort nickte er nur leicht, als Takeru seine Hand ergriff und zaghaft mit dem Daumen darüber strich, ehe die grün aufblitzenden Augen, die seinen suchten.

"Dann habe ich ja nichts zu befürchten."

Vorsichtig näherte er sich Kira, der noch immer ungläubig die Augen aufgerissen hatte und nicht wagte sich zu bewegen, um feststellen zu müssen, dass das alles nur seiner geistigen Vorstellungskraft entsprungen war. Erst als er deutlich die noch blauen Lippen des anderen auf den seinen spüren konnte, legte er eine Hand in dessen Nacken und fuhr federleicht mit seinen Fingern durch den bläulich-schwarzen Haarschopf.

Etwas erschrocken öffnete Takeru den Mund, als er Kiras Zunge über seine Oberlippe streichen spürte, ehe er mit seiner eigenen dessen Spitze leicht anstupste und sie den Kuss vertieften. Sanft streichelnde Hände begannen sachte den Rücken und die Brust des anderen zu erkunden, bis Kira sich wehmütig wieder zurückzog, um nicht doch noch über ihn herzufallen.

Als sie sich voneinander lösten zitterte Takeru am ganzen Körper, als hätte er gerade seinen ersten wirklichen Kuss bekommen, während Kira mit glänzenden Augen strahlte wie ein kleiner Junge an Weihnachten bei der Bescherung. (Nein, du darfst dein Geschenk jetzt noch nicht auspacken!)

Die Schmerzen für einen Moment vergessen, machten sich seine Stichwunden wieder bemerkbar und erinnerten ihn daran, dass er ohnehin unfähig für mehr wäre. Seufzend rückte er ein großes Stück beiseite und schaffte Platz für seinen noch immer in Trance versunkenen Geliebten. Liebevoll lächelnd packte Kira Takeru am Kragen und zog ihn wieder zu sich, um ihm sanft einen Kuss auf die Lippen zu hauchen.

"Wir werden es nicht überstürzen. Nicht das du es später bereust." Zustimmend nickte Takeru erleichtert und kroch nun ebenfalls unter die Decke.

"Woher eigentlich dieser Sinneswandel?" Trotz Kiras überschwänglichem Glücksgefühl war er nun doch zu neugierig und musste wissen, was seinen bisher heterosexuellen Freund dazu gebracht hatte seine Meinung noch einmal zu überdenken.

"Ich habe einen gewissen Test nicht bestanden." Sichtlich betreten, drehte sich Kira zu Takeru, der nur schmunzelnd einen Arm um ihn legt und sich an ihn kuschelte. "Wieder eine von Misas genialen Ideen. Vergiss es einfach... Ich erklär's dir später." Mehr wollte er im Moment auch nicht davon preisgeben und genoss stattdessen einfach die Nähe des anderen, dem es inzwischen egal war, wodurch er seinen Takeru bekommen hatte. Solange er nur nicht wieder verschwand.
 


 

So, das ist das Kapitel, das ich seperat zu meiner Geschichte Schatten des Lichts ins Internet gestellt habe. Schließlich hab ich Kira und Takeru inzwischen so gern, dass ich ihnen einen eigenen Teil widmen wollte.

Besonders da es ja jetzt dem Ende zu geht.

(Manche werden wohl aufstöhnen und sagen: Na endlich! Wird auch langsam Zeit)

Im Übrigen bin ich der Überzeugung, dass man sich durchaus in einen Menschen des eigenen Geschlechts verlieben kann, auch wenn es normalerweise nicht der eigenen sexuellen Orientierung entspricht.

Außerdem sollte man nicht vergessen, dass Takeru doch ein relativ konservativer Mensch ist und wohl nur schwer seinen Gefühlen nachgibt. (Besonders wenn es sich wie in diesem Fall um seinen MÄNNLICHEN, besten Freund handelt.)



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  BabyG2005
2005-11-21T11:02:55+00:00 21.11.2005 12:02
Komm ich also nur dazu die sidestory zu kommentieren.
Oh man. Jetzt erfährt kiras vater, dass er schwul ist. Und dann schneidet kira sich auch noch seine schönen langen haare ab. Ich hätte aba nich gedacht, dass sein vater so reagiert. Ich hab den eigentlich für einen verständnisvollen menschen gehalten. Wie man sich doch täuschen kann.
Na zumindest gibt kira zu in takeru verliebt zu sein. Das is doch auch schon mal was. Und ich kann takeru verstehen, dass er verwirrt ist. Wäre ich an seiner stelle glaube ich auch. Und dann kommen da noch so kleine jugendliche die streit wollen. Können die sich nich wen anders suchen?
Das is ja so typisch. Erst den armen kira abstechen und dann abhauen. Aba kira wird es überleben oda? Oda bissu wieder auf todeszug?
Na gott sei dank hat es kira überlebt. Die szene im krankenhaus fand ich süß- das war also in dem umschlag XD gut gemacht misa! Sag mal wie oft müssen die männer in deiner geschichte eigentlich kalt duschen?
Dieses gespräch zwischen den beiden wo es im gewissen sinne um aufklärung ging, fand ich süß. Die beiden sind aba auch süß.
Anschließend kann ich hier auch nur eines sagen. Tja takeru... du bist durchgefallen XD (ich konnte es mir einfach nicht verkneifen ^^)
Ich mag zwar das genre nicht, aba ich musste es einfach lesen, weil die beiden mir trotz dieser schwulensache sehr ans herz gewchsen sind XD
Dann mal weiter zum epilog XD


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