Encounter
Kapitel 59:
Encounter
Lysops Sicht
Nach der Schule hatte sich Nami an meine Versen geheftet und ich drehte mich geschlaucht zu ihr um.
„Was ist los?“ Engelsgleich stand sie da und sah mich mit ihren großen, braunen Augen an. „Duuu,
Lysop?“ Bei ihrer Tonlage merkte ich schon, dass sie etwas von mir wollte, bestimmt etwas zum
Reparieren. „Was ist?“ fragte ich gelangweilt und zögerte, bevor ich meinen Weg fortsetzte. „Darf ich
dich um einen Gefallen bitten?“ Wunderbar, was hatte ich gesagt? Resignierend seufzte ich und sah sie
trostlos an. „Was denn?“ Freudig kam sie mir näher und fasste nach meiner Hand. „Ich wusste, auf dich
ist Verlass!“ Schnell zog ich meine Hand wieder weg und fauchte zurück. „Jaja, schon gut!“ „Du kriegst
auch was dafür, versprochen!“ bot sie mir noch schnell an, aus Angst, ich würde meine Hilfe
zurücknehmen. Ich wurde hellhörig, sie wollte mich... belohnen? Wie denn, mit was? Etwa einem Kuss?
Schnell schüttelte ich innerlich meinen Kopf, auf so was konnte mal wieder nur ich kommen! „Was
denn?“ wollte ist wissen und sie lächelte mich breit an. „Wir haben doch nächste Woche diesen
Klassenausflug, da habe ich ein super Angebot für dich.“ Sie zwinkerte mir helmsich zu und meine
Neugierde war endgültig geweckt. „Sag’s schon!“ drängelte ich und nach kurzem Kichern –warum
kichern alle Mädchen eigentlich?- hatte sie sich wieder im Griff und beugte sich ein Stück zu mir vor,
um es noch geheimnisvoller zu gestalten. „Ich bin mir sicher, dass Vivi bei der Busfahrt neben Ruffy
sitzen will und deshalb werde ich mich wohl neben Kaya setzen.“ Als Kayas Name fiel, sprang mein
Herz einen kleinen Hüpfer nach oben. Was hatte sie denn jetzt damit zu tun? „Aber wenn du mir jetzt
hilfst, werde ich alles so arrangieren, dass sie sich im Bus neben dich setzen wird! Okay?“ Nami hatte zu
Ende gesprochen und sah mich erwartungsvoll an, wobei ich einmal vor Aufregung in die Hände
klatschte. „Das ist super!“ reagierte ich viel, viel, VIEL zu voreilig und lief gleich darauf schon rot an. Ich
Depp! Aber Nami kicherte bloß wieder und freute sich mit mir. „Schön, dass du dich so leicht überreden
lässt.“ meinte sie lieb zu mir und ich konnte es noch kaum glauben, ich würde neben Kaya sitzen! Nami
holte mich ziemlich schnell aus meinen Gedanken, denn so ganz ohne Einsatz würde sie mir nicht das
Ticket für den Sitzplatz rausrücken. „Also, ich hab da eine Bitte...“
Bald darauf waren wir bei mir zu Hause in meinem Zimmer, ich saß an meinem Computerschreibtisch
und Nami stand hinter meinem Stuhl, war auf der Lehne abgestützt und verfolgte meine Handlungen,
die ich mit der Maustaste vollführte. Klick, klick, neues Fenster öffnen, weiterleiten, klick, ich war die
ganzen Abläufe schon so gewohnt, dass meine Finger nur so über die Tastatur flitzten. Es dauerte nicht
lange, und ich hatte es herausgefunden, wozu war ich denn sonst das Computergenie unserer Clique?
Ein Meister im Hacken, ohne zu übertreiben. Ich schmiss meinen Drucker an und druckte alle nötigen
Daten aus. „Hier, das McBader-Krankenhaus. Im Zimmer 328.“ las ich vom Blatt ab und reichte es ihr.
„Danke, Lysop.“ sagte sie nebenbei, als sie sich die Adresse noch mal anguckte. Da stand es Schwarz
auf Weiß. Wozu sie das brauchte? Und was für ein Zusammenhang war da mit Sanji? Ich hatte keine
Ahnung, aber hauptsache meine Arbeit würde sich für mich rentieren. In mich hineingrinsend
verabschiedete ich Nami und sie verließ mein Appartement. Wie nach getaner Arbeit klatschte ich mir
die Hände ab und schlurfte ins Esszimmer.
Namis Sicht
Mit Seulgis Adresse im Geldbeutel machte ich mich auf dem Weg ins McBader-Krankenhaus. Das lag
ganz schön weit außerhalb der Stadt, aber war mit den Buslinien kein großer Umweg mit Umsteigen. Es
dauerte nicht lange, bis ich es erreichte und gleich an der Rezeption wurde mir gesagt, in welchem
Stockwerk sich das Zimmer 328 befand. Ich suchte in den elendig langen und weiß-orange
gestrichenen Gängen nach einem Fahrstuhl, bis ich ihn endlich gefunden hatte, ich war auf der
richtigen Spur. Über Seulgi würde ich noch näher an Sanji rankommen, denn von sich aus würde er mir
nichts von seiner Familie erzählen, schätzte ich. Ich sah schon im Gang kleine Türschildchen, Nummer
314, 316, 318, immer weiter, mir kamen drei oder vier Personen entgegen, dann kam 326 und die 328.
Perfekt, ich war angekommen. Alle Türrahmen sahen identisch aus und der Geruch war überall gleich,
ich glaubte nicht, dass es mir gefallen würde, dort zu leben. Aber ich war an meinem Ziel erreicht und
tapste zur Tür hin, als diese plötzlich geöffnet wurde und ein großer, stämmiger Mann vor mir stand.
Mit einem gewaltigen, blonden Bart und Knollnase, kleinen Augen und vielen Falten trat er mir
entgegen und seine dunkle Stimme erhob sich, als er mich bemerkte. „Wer sind Sie?“ Er hatte natürlich
gleich gesehen, dass ich keine Krankenschwester war, und ich trat erstmal drei kleine Schritte zurück,
um an Distanz zu gewinnen. Der Mann konnte ganz gut Seulgis Vater sein, Moment, da ratterte es
blitzschnell in meinem Kopf, also war das auch Sanjis Stiefvater! „Ich bin eine... Freundin von Seulgi.“
versuchte ich glaubwürdig rüberzukommen, doch trotz meines unschuldigen Lächelns verzog der Mann
vor mir keine Miene. Shit, der wusste wohl über ihren Freundeskreis Bescheid, also war das ein Schuss
in den Ofen! „Und wie kommt das, dass ich Sie hier noch nie gesehen habe?“ Ich musste unmerklich
schlucken und blockte alles ab. „Also, ich bin eine Freundin von Sanji und er hat mir von Seulgi erzählt.
Ich wollte sie gerne mal kennen lernen, wenn Ihnen das nichts ausmachen würde...“ redete ich um das
Thema herum und wurde nur skeptisch dabei beobachtet. „Eine Freundin von Sanji?“ Seinen Tonfall
mochte ich nicht wirklich, aber er war nicht sauer oder so. „Ja.“ Ich wollte ihm nicht gleich unter die
Nase binden, dass ich seine <feste> Freundin war, immerhin ging das ihn noch nichts an. Es sei denn,
Sanji würde mich bei ihm vorstellen, wobei ich mir jetzt von vorneherein ein schlechtes Bild
zugeschrieben hatte. Echt klasse.
„Meine Tochter möchte aber jetzt keinen Besuch.“ wies er mich ab und es war aussichtslos, da
anzufangen zu protestieren. Dennoch versuchte ich es, immerhin hatte ich mir die Mühe mit Lysop
gegeben und es ging hier um meinen Sanji. „Achso... auch nicht ganz kurz?“ Mit einem undefinierbaren
Blick äugte er mich an und ich musste den Schwanz einziehen. „Auch nicht ganz kurz.“ wiederholte er
meine Worte und erwartete von seiner Haltung her, dass ich nun ganz klein beigeben und einen
Rückzieher machen würde. Normalerweise war ich in solchen Dingen standhaft, doch der Typ hatte
mich nun mal dummerweise abgefangen und ich hätte mich auch nicht erst noch irgendwo verstecken
können, um später zu Seulgi gehen zu können, denn vielleicht hätte sie es dann ihrem Vater erzählt
und das wäre nicht so gut. Ich entschloss noch im selben Moment, sie unter Umständen ein anderes
Mal zu besuchen und wandte mich vom Zimmer 328 ab. Ich spürte noch die bohrenden Blicke des
Mannes auf meinem Rücken lasten, als ich den Gang entlang lief, doch ließ mir nichts anmerken.
Verließ ich das Krankenhaus eben, ich hatte bestimmt nichts verpasst. Ich würde so oder so an Sanjis
Tagebuch rankommen, bestimmt hatte er fiese Gedanken über so einen Stiefvater aufgeschrieben.
Wenn ich die lesen würde, hätte ich wenigstens schon mal ein Bild vor Augen. Da fiel mir noch etwas
Wichtiges ein... es konnte doch gut sein, dass Sanji auch etwas über seine Drogenphase aufgeschrieben
hatte, oder? Mir war in den letzten Tagen irgendwie total entfallen, dass ich das herausfinden wollte,
aber durch das ganze Herzflattern war ich echt mega abgelenkt!... Jetzt wollte ich erst recht wissen, was
los war, also würde ich ihn einfach mal ganz direkt danach fragen. Ich meine, mir würde er es doch
bestimmt sagen, immerhin liebten wir uns und hatten keine Geheimnisse voreinander. Wieso sollte er
mir verschweigen, dass er mal Drogen genommen hatte? Meines Erachtens nach hatte ich ein Recht
darauf, es zu erfahren.
erstellt am 31.05.2007
4Kolibris,
Elena