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Washuleins Märchenstunde

Antimärchen einer andern Ebene
von

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Tahira - Part I

Es war einmal vor langer Zeit in einem Dorf am Meer, das hoch auf steinernen Klippen stand. Die Klippen ragten wie die Zähne einer Säge in den Ozean und zwangen die Wellen, sie zu liebkosen, die Steine geschmeidig zu berühren und abzuschleifen über Jahr um Jahr um Jahr.

In diesem Dorf lebte man von den Gaben des Meeres. Man fischte, sammelte edle Perlen, die das Wasser preisgab, war Freund mit Fisch und Krabbe. Alle Menschen des Dorfes waren glücklich, brachte ihnen erheblichen Reichtum um Vergleich zu anderen Dörfern, die die Gunst des Wassers nicht für sich verbuchen konnten.

In ihren braungebrannten Gesichten, dem goldenen Haar und dem Lachen auf ihren Wangen, sah man es, man hörte es aus dem kräftigen Klang ihrer Stimmen und dem Leuchten vom Genuss des herrlichen Lebens in ihren Augen.

Um die Gaben der See zu Geld zu machen und nicht nur vor der Natur, sondern auch vor anderen Menschen zu Ansehen und Reichtum zu kommen, sandte das Dorf in jedem Jahr um dieselbe Zeit nach Händlern ferner Länder aus, die ihre Perlen, den Fisch und andere Dinge, die im Dorf hergestellt wurden, in die weite Welt zu tragen. Jedes Jahr kamen viele Händler, denn die Waren waren begehrt, durch Schönheit sowie Nutzen. Jahr um Jahr hielten sie einige Kilometer an der flachen Küste, einige Meilen von der hohen Klippe, auf welcher das Dorf pragte, vor Anker und beluden mit Hilfe der Einwohner ihrer Schiffe, mit der regen Vorfreuden gute Geschäfte zu machen und die Einwohner halfen mit, denn auch sie taten guten Handel ihrerseits.

Jahr um Jahr fuhren auch junge Männer des Dorfes, die Abenteuer suchten und die Welt mit eigenen Augen sehen wollten, mit auf diesen Schiffen und verdingten sich dort als Schiffsjungen oder Matrosen. So auch Arvron, Sohn des Perlenfischers Savur. Sein Vorhaben war es, in der fremden Welt Seide und Bänder zu erwerben wie auch Geschichten und fremdartige Genüsse für das leibliche Wohl, neue Gesichter sehen und auch dem tosenden Wind zu folgen, der die Wellen trieb und in das Unbekannte zu verleiten wusste. Arvon hatte eine Braut. Ihr Name war Tahira.

Arvon hatte den Plan gefasst, nach seiner Reise, die wohl ein gutes Jahr dauern würde, das Mädchen zu heiraten und mit ihr glücklich bis zum Ende seiner Tage zu leben. Sie verabschiedeten sich am letzten Tag des Sommers von einander und das Mädchen schwor ihm aufs Herz:

"Jeden Tag werde ich an der Klippe stehen, wenn die Sonne ihr Blut ins Meer fließen lässt. Jeden Tag, bis die Segel deines Schiffs mich von Sorge und Kummer erlösen werden."

Sie küssten sich und er schwor ihr aufs Herz, dass er in einem Jahr am letzten Tag des Sommers zu ihr zurückkehren würde.

So verließ er sie und das Schiff stach in See; der Morgen ward noch jung und das Wasser wirkte rosa, wie die Wangen des jungen Mädchens mit den goldenen Haaren, das sehnsuchtsversunken den Segeln nachsah, die immer weiter fort von den Wellen getragen wurden.

Jeden Tag, wie sie es versprochen hatte, stand Tahira auf der Klippe, das Dorf im Rücken, zur Zeit, wenn die Sonne ihr Blut ins Meer fließen ließ und betete mit mit gefalteten Händen, dass die Zeit verging und dass ihr Liebster bald wiederkehrte. Zweimal am Tag kam sie. Ein ganzes Jahr hindurch. Während viele Schiffe kamen und gingen, wartete sie nur auf das eine und dieses kam nicht.

Der Winter kam und das Schiff blieb fern. Es folgte der Frühling, danach der Sommer, aber als der Sommer sich zum Ende neigte, kam das Schiff nicht. Der zweite Winter kam und nach ihm ein dritter, ein vierter, ein fünfter, bis der zehnte kam und Tahira, die voller Angst fast verrückt wurde und deren Liebe so heiß war, dass sie den ganzen Ozean zu verdampfen wohl imstande gewesen wäre, wartete weiterhin.

An einem kalten Morgen, anfang des elften Sommers, endlich, konnte sie jene Segel wieder am Horizont erkennen, nach denen sie so lange gespäht hatte. Voll Freude eilte sie sogleich zum Anleger und erwartete mit wild klopfendem Herzen, dass Er ihr zuwinkte, sie in die Arme schloss, küsste und all das Warten mit einem Sinn belohnte.

Das Schiff legte an. Es kamen viele Männer von Bord. Alle älter als vor der Zeit, stärker, gröber, kaum wieder zu erkennen. Aber der eine war nicht unter ihnen. Tahira lief zu einem hin, der früher der Sohn des Schmiedes gewesen war.

"Wo ist mein Arvon? Kam er nicht mit dir?"

Der Mann sah sie an und senkte den Blick, suchte nach Worten und schickte sie dann zum Kaptän. Verwirrt folgte Tahira der Weisung und eilte an Bord, suchte den Kapitän und fragte erneut:

"Wo ist mein Arvon? Kam er nicht mit dir?"

Und der Kapitän holte eine Kiste hervor und reichte sie dem Mädchen.

"Er fuhr mit uns zur See und machte sich keine Schande bei der Sache. Aber wir gerieten in einen Sturm; fast wäre es um die Fracht geschehen, so sandten wir ihn, denn er war der Jüngste unter uns und gut in der Takelage zugange - so sollte er's vorm Wegschwemmen bewahren, doch das Meer war unbarmherzig und riss ihn in die Tiefe. Am nächsten Tag fanden wir dann dies hier. Mehr war von ihm nicht geblieben, es trieb auf einem Stück Holz. Es war von ihm, denn nur er war der Verlust in jener Nacht."

Da öffnete das Mädchen verschreckt die Kiste und sah in dieser Herz ihres Liebsten liegen, rot und noch immer schlagend. Sie nahm es in die Hand und schrie auf.

"Das Meer nahm mir mein Liebstes, doch ihr halft nicht, wo ihr hättet handeln können. Was nützt Fracht und Gold und Perle, wenn es ein Leben kostet, das ihr dem Wasser so bereit geopfert?"

Tahira nahm das Herz und rannte mit diesem auf die Klippe. Sie drückte das letzte Stück ihren Liebsten, das schlug und rot und frisch ward, fest an das ihre, was in ihrer Brust dem Schlage antwortete. Der Himmel war rot geworden, die Sonne wollte vergehen, da rief das Mädchen aus:

"Oh Sonne! Oh Wind! Oh Meer! Ihr sahet sein Vergehen, ihr sahet das Verbrechen! Gewährt mir den Trost in meiner Not! Gebt mir Ihn zurück! Nimmer sonst werde ich meinen Frieden bekommen!"

Und sie stand an den Klippen, das Meer brauste auf, der Wind tobte stark und die Sonne funkelte heiß wie die Flammen der Hölle. Alle drei Mächte hatten gehört, hatten gesehen und erbarmten sich dem Geschöpf. Sie schlugen über ihr ein. Eine Nacht war das, wie sie keine zweite kannte. Die Leute im Dorf flohen in die Häuser und versteckten sich. Nur die mutigsten unter ihnen wagten sich durchs Fenster zu spähen und sehen, was geschah, doch erkennen konnten sie nichts. Es tobte die ganze Nacht und als der Tag erwachte, sie alle aus den Häusern schlichen, da stand an der Klippe zu Stein erstarrt, das Herz fest an sich gedrückt und die Augen geschlossen, Tahira. Man versuchte sie zu wecken, rüttelte sie, aber der Stein war wie alle Steine, kalt und fest. Jedoch als einer begann zu lauschen, ob noch Atem in ihr ward, da vernahm er das Schlagen zweier Herzen, die abwechselnd sich ein Ständchen schlugen, wieder und wieder.

Poch - Poch - Poch - Poch



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Shunya
2012-05-08T01:06:11+00:00 08.05.2012 03:06
Tolles Märchen. Auch wenn es ein bisschen traurig ist, da Ende war war etwas überraschend. Hat mir gut gefallen. Bin mal gespannt wie der zweite Part wird.^^


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