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Eternal Fantasy

von

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Cd-2-Ra-2

So… erstmal herzlichen Glückwunsch! Ihr habt euch also durch die ersten beiden Kapitel gekämpft. Sie fanden parallel statt und beschrieben, wie die Helden des 7.und des 8.Teiles ihre bizarre Reise antraten. Ich werde die beiden Handlungsstränge nun weiterstricken, und andere werden noch hinzukommen, also lasst euch überraschen. Und jetzt machen wir mit Clouds Truppe weiter. Achtet darauf, wo es sie hin verschlagen hat…
 


 

Nur ganz langsam kam Licht in ihre Welt. Allmählich schälten sich Konturen aus ihr heraus, als sie blinzelte. Etwas blendete sie, dann warf wieder ein anderer Gegenstand kühlen Schatten auf sie. Dieser Gegenstand… es war ein Kopf. Der Traum wurde deutlicher, und dann sah sie, dass dieser Kopf langes, wallendes Haar hatte. Tiefrote Augen blickten sie an, und nun erkannte sie ihn.

„Oh, Vincent…“, hauchte sie entzückt. Sie wollte diesen Traum nicht mehr loslassen, zu schön war er. Und so streckte sie die Hand nach seinem Gesicht aus, um ihn zu berühren. Dann traf sie eine schallende Ohrfeige-
 

„Bist du verrückt!?“ blaffte sie ihn an. Yuffie war nun schlagartig wach, im wahrsten Sinne des Wortes. Sie lag auf dem Boden. Vincent kniete bei ihr über sie gebeugt. Dann rieb sie ihre schmerzende Wange. Vincent zuckte nur mit den Schultern. „Hättest mich nicht so hauen brauchen…“, flüsterte sie beleidigt. „Ein Kuss wäre auch nicht schlecht gewesen“, fügte sie kichernd hinzu. Vincent seufzte nur und erhob sich. Gern ergriff sie seine Hand, als er ihr hoch half. Gerade wollte sie ihm noch weitere Anzüglichkeiten zuflüstern, als ihr die Kinnlade runter klappte.

„Ist sie jetzt wach“, fragte Cloud, der ein paar Schritte abseits stand. Neben ihm stand Barret, und die beiden unterhielten sich offenbar konzentriert über etwas. Yuffies Blick ging am teilnahmslosen Vincent vorbei und glitt am malerisch plätschernden Springbrunnen hoch, der mitten auf dem Platz stand. Dann musste sie ihre Hände gegen die pralle Sonne beschirmen, die auf den Platz herunterbrannte. Fassungslos wanderte ihr Blick weiter auf die Menschen um sie herum. Sie waren auf einem belebten Platz, an dem ein reges Kommen und Gehen herrschte. Die Leute trugen dem heißen Klima angemessene Kleidung. Frauen wie Männer hatten weite Pumphosen an und knappe Oberteile. Dann sah sie die ringsum aufragenden Gebäude. In Rot und Brauntönen gehalten, waren sie oft auch noch bunt verziert. Prächtige Banner hingen von so mancher Fassade herab. Sie kam nicht mehr aus dem Staunen.

„He, Leute…“, murmelte sie mit offenem Mund, „wo sind wir hier…?“

„Cloud versucht das gerade herauszufinden“, antwortete Vincent gelassen.
 

„He, Bürschchen“, rief Cloud einem vorbeilaufenden Jungen zu. Der Junge machte Halt und wandte sich ihm zu. „Diese Stadt… wie heißt sie?“

„Euch hat wohl die Sonne in der Dalmasca-Wüste nicht gut getan, werter Herr? Ihr seid natürlich in Rabanastre, der königlichen Hauptstadt von Dalmasca“, rief er lachend, um dann weg zu laufen. Cloud und Barret blickten ihm skeptisch hinterher.

„So ein Frechdachs. Rabanastre…“, wiederholte Cloud murmelnd. „Hast du das schon mal gehört, Barret?“ Sein dunkelhäutiger Freund schüttelte den Kopf.

„Nie im Leben. Ich sehe hier jedenfalls weder so einen Freak, wie du ihn beschrieben hast, noch Tifa.“ Knurrend nahm er seinen mechanischen Arm in die Hand. „Diese Schufte von Shinra… die haben uns wer weiß wohin geschickt! Grrr, wenn ich diesen Rufus in die Finger bekomme… dann drehe ich ihn durch die Mangel!“

„Immer mit der Ruhe, Leute“, kam Yuffie dazwischen. „Und wenn sie wirklich hier irgendwo ist? Wir müssen halt suchen, oder dachtet ihr, dass sie hier sitzt und wartet? Typisch Männer…“, schnaubte sie und schüttelte den Kopf.

„Yuffie hat Recht. Wir sind gerade erst angekommen, wo immer wir hier auch sind… Wir sollten mit der Suche beginnen“, meinte Cloud.

„Und wo?“ fragte Vincent. „Diese Stadt scheint groß zu sein…“

„Egal, wir durchkämmen sie komplett“, sagte Barret mit fester Stimme. „Sie kann nicht größer als Midgar sein. Und dort habe ich mich auch zurecht gefunden!“

Und so setzte sich die Gruppe in Bewegung. Cloud steuerte willkürlich eines der vier Tore an, die in den Platz mündete. Im Vorbeigehen blieb Yuffies Blick an einem Wesen hängen, das sich mit einem Menschen unterhielt.

„He, Leute! Was ist das?“

Die anderen wandten sich um und blickten in dieselbe Richtung. Das Wesen hatte einen hundeförmigen Kopf, grobe Klauen statt Hände, bewegte sich aber aufrecht. Es trug für diesen Ort normale Kleidung, bei der hinten ein Schweif heraushing. Barret schüttelte nur den Kopf.

„Eine verdammte Freakshow ist das hier, ich sage es euch…“

Cloud betrachtete das Wesen, das sich angeregt unterhielt, mit Erstaunen.

„Kupo!“

Cloud fuhr herum, sah aber nichts.

„Hä?“

„Kupopo! Hier unten!“

Er senkte seinen Blick, bis er das knapp einen Meter große Wesen erblickte. Es sah aus wie eine überdimensionale Maus in geschmacklosen Klamotten.

„Das wird ja immer schlimmer“, murmelte er. „Sprechende Mäuse…!“

„Wie? Was sagt ihr, Kupo?“

„Äh… nichts. Garnichts.“

Die anderen umkreisten das kleine ulkige Wesen und schauten misstrauisch auf es herab. Fröhlich und arglos erwiderte es ihre Blicke.

„Ihr seid neu in dieser Stadt, richtig?“

Cloud nickte langsam.

„So könnte man es sagen…“

„Dann habt ihr großes Glück, mich getroffen zu haben, Kupo!“

„Und warum das…?“ fragte Cloud argwöhnisch. Das Wesen sprang wie ein Gummiball auf und ab.

„Weil, Kupopo, ich die besten Karten überhaupt verkaufe!“

„Was soll immer das Kupo…“, flüsterte Yuffie Vincent zu. Dieser schüttelte nur seufzend den Kopf.

„Karten, so, so. Und was kosten die?“

„Eine Karte von Rabanastre kostet den kupomässigen Preis von 50 Gil!“

Alle vier erstarrten. Sie warfen sich vielsagende Blicke zu.

„Sagtest du… 50 Gil?“ fragte Cloud nach. Das Wesen schüttelte begeistert den Kopf, so dass sein Bommel hin und her sprang. Dann langte Cloud in seine Tasche.

„Gib mir vier Stück davon.“

Sie tauschten Geld gegen Karten, und das Wesen begann fröhlich zu tanzen.

„Da~danke sehr! Und diesen Kupotipp gibt es gratis dazu: Wenn ihr euch in der Stadt fortbewegen wollt, dann nutzt doch die Mog-Taxis! Sie sind schnell, bequem und völlig gratis! Meine Verwandten betreiben das, und ihr könnt es also nicht übersehen!“

Cloud reichte die Karten, die aus bunt bemalten, vergilbten Pergament bestand, an die anderen weiter.

„Mog-Taxis?“

„Ja, Teleport-Taxis, betrieben von Mogrys! Es gibt welche bei den Toren, die aus Rabanastre herausführen, sowie eines am Muzzur-Bazar. Einen kuposchönen Tag wünsche ich noch?“ trällerte das Wesen und stolzierte davon. Cloud blickte ihm stirnrunzelnd hinterher. Dann wandte er sich an Barret, der die Karte studierte.

„Hm… so groß ist diese Stadt nicht“, murmelte er mit zusammengekniffenen Augen.

„He, Leute. Die haben hier dieselbe Währung wie bei uns daheim?“ rief Yuffie in die Runde.

„Ist schon komisch…“, erwiderte Cloud. „Na ja… einfallslose Programmierer(*grins*)“

Yuffie schaute unschlüssig auf ihre Karte und trat von einem Bein aufs andere.

„Und jetzt? Wo fangen wir an?“

Cloud und Barret studierten konzentriert eine Karte. Vincent stand mit verschränkten Armen teilnahmslos daneben, als ob ihn das alles nichts anginge, wie so oft.

„Ich würde vorschlagen…“, begann Cloud gedehnt, „…wir teilen uns auf. Jeder marschiert mit seiner Karte los und fragt nach Tifa oder diesem Gilgamesch.“ Cloud blinzelte gen Himmel. „Es ist jetzt Mittag… ich würde sagen, wir treffen uns hier auf diesem Platz gegen Abend wieder, okay?“

Alle nickten, bis auf Yuffie.

„Uns… aufteilen? Ist das nicht unvorsichtig?“

Cloud sah sich um.

„Diese Gegend sieht ziemlich friedlich aus. Es gibt auch sowas wie Wachen“, sagte er und deutete auf die Gestalten, die an allen Zugängen standen und ehrfurchteinflößende Rüstungen trugen. Gelangweilt stützten sie sich auf ihre Lanzen. So sahen Wachen überall im Universum aus.

„Ja, aber… ich kleines Mädchen in einer großen, fremden Stadt?“ Cloud verschränkte die Arme und legte den Kopf schief. „Yuffie, die große Ninja-Meisterin aus Wutai, fürchtet sich also…“ Sie machte eine unbedarfte Miene und blinzelte hilflos. „Okay. Dann bilden wir eben Teams. Ich gehe mit Barret und du mit Vincent.“

Sofort besserte sich ihre Laune. Vincent tippte sich ungläubig an die Brust.

„Wieso ich… mit ihr?“

„Ihr beide versteht euch sicher prächtig. Ihr seid bestimmt ein gutes Team. Also, bis am Abend.“ Schon machten Cloud und Barret sich auf ihren Weg. Vincent sah ihnen fassungslos hinterher. Yuffie rieb sich die Hände und flüsterte:

„Danke, Cloud, hi, hi…“

„Was?“

„Äh… nichts“, erwiderte sie und legte die Hand vor den Mund. Vincent blickte seufzend auf den Plan.

„Nun… wo fangen wir jetzt an?“

„Vincent…“

Verdrossen ließ er die Karte sinken.

„Ja?“

„Es ist doch ziemlich heiß, ich meine nur…“ Sie blickte pfeifend in die Luft. „Deine Kleidung… ich meine, du könntest ja etwas- “

Er machte auf der Stelle kehrt und ging mit schnellen Schritten los.

„Am besten fangen wir dort an“, sagte er und deutete Richtung Horizont. Eilig folgte sie ihm.

„Warte doch auf mich, Vincent…!“
 

Barret und Cloud gingen durch eines der Tore. Dort kamen sie an den Rand der Stadt. Durch einen breiten Durchgang sahen sie, was sich außerhalb der Stadt befand: Wüste, so weit das Auge reichte. Gebannt blickten sie in die Ferne. Dann sprach Cloud einen vorbeigehenden Mann an.

„Guter Mann, sagen sie mir, ist diese Stadt denn komplett von Wüste umgeben?“

Er sah ihn an, als würde er an seinem Verstand zweifeln.

„Aber ja! Dalmasca ist ein Wüstenstaat, das müsstet ihr doch gemerkt haben!? Es sei denn, ihr habt den Flug mit dem Luftschiff komplett verschlafen…?“

Cloud und Barret blickten sich an. Dann nickte er eilig.

„Ja, äh… genauso ist es. Wir… sind von weit weg und haben keine Ahnung von diesem Land.“

Der Mann musterte die beiden von Kopf bis Fuß.

„So, so. Ich vermute, ihr beiden stammt aus Archadis, eurer Kleidung nach?“

Wieder nickte Cloud eilig.

„Archadis. Ganz genau.“

Kopfschüttelnd ging der Mann weiter. Im Weggehen murmelte er noch so etwas wie: immer diese Blödmänner aus Archadis…

„Tja, das wird uns wohl noch öfter passieren“, sagte Cloud und ging weiter. Barret knurrte nur kurz und folgte ihm. Plötzlich erstarrte er. Gleich neben dem Stadttor gab es ein Gatter- voller Chocobos. Neugierig kamen sie näher. Ein Mogry schien der Besitzer des Standes zu sein. Er hing an einem Luftballon- warum auch immer. Sofort bemerkte das Wesen ihr Interesse.

„Hallo, Reisende! Ich bin Gardy und vermiete Chocobos! Ihr braucht einen Chocobo? Ein Ausritt kostet nur 500 Gil!“

Verwundert starrten sie in das Gehege, in dem die gelben Laufvögel umher stolzierten. Cloud deutete mit dem Zeigefinger auf die Tiere.

„Es gibt hier… Chocobos?“

Der Mogry namens Gardy nickte mitleidig.

„Ja, die gibt es! Wir mögen hier nicht so modern sein wie bei euch in Archadis, aber Chocobos haben wir allemal, Kupo!“ fügte sie ärgerlich hinzu. Unter ihren misstrauischen Blicken entfernten sie sich von dem Gehege. Cloud schüttelte fassungslos den Kopf.

„Schon wieder ein Déjà-vu…“

Barret beschäftigte sich mit dieser Seltsamkeit nicht länger. Die nächste Person, die an ihnen vorbeiging, sprach er an.

„Hey, Narr- äh, ich meine, alter Mann! Hast du eine Frau namens Tifa gesehen?“

Der Angesprochene, ein Greis, der bereits am Stock ging, kam langsam näher.

„Hä? Wie sieht sie denn aus?“

Barret erklärte dem offenbar schon etwas senilen Mann Tifas Äußeres. Zahnlos grinsend nickte er.

„Ah, ich verstehe! Wo es solche Frauen gibt, weiß ich!“

Barret verzog das Gesicht.

„Aber wir suchen eine Tifa, verdammt…“

„Ja, ja, das weiß ich, hi, hi…“ Wieder folgte zahnloses Lachen. Dann wurde er schlagartig ernst. „Ich weiß, wo ihr sie findet“, flüsterte er geheimnisvoll. „In der Un-ter-stadt“, sagte er und betonte jede Silbe einzeln. Dann ging er heiser lachend weiter. Cloud, der das alles aus der Entfernung verfolgt hatte, hob eine Augenbraue.

„Der Alte war doch nicht ganz dicht…“

„Es ist zumindest eine Spur“, sagte Barret schulterzuckend. Cloud schüttelte seufzend den Kopf.

„Na ja, besser als gar nichts… wo ist diese ‚Unterstadt‘ überhaupt…“

Er sah im Plan nach. Dann hob er den Blick. Gleich neben ihnen fand sich ein großes, rundes Tor, das abwärts führte.
 

Yuffie und Vincent schlenderten durch die fremdartige Stadt. Mehrmals sprach Yuffie Passanten an und fragte nach einer Tifa, doch ohne jeden Erfolg. Nach einer Weile kamen sie in eine schmale Straße, die einen Bazar beherbergte. Dicht an dicht standen dort Verkaufsstände, deren Besitzer die unterschiedlichsten Waren lautstark anpriesen. Überall zischte oder brodelte es aus Garküchen. Es herrschte dichtes Gedränge von Menschen und den seltsamen hundeschnauzigen Wesen, die alle entweder Waren begutachteten oder bereits heftig mit den Händlern feilschten. Fasziniert sah Yuffie sich in dieser exotischen Umgebung um.

„Unglaublich, siehst du das alles? Wie interessant, das ist ja fast wie Urlaub“, sagte sie von all den fremdartigen Eindrücken in Erstaunen versetzt. Vincent ging hinter ihr her und zeigte nur mäßiges Interesse.

„Vergiss nicht, warum wir hier sind. Wir haben eine ernste Mission“, belehrte er sie. Sie verzog das Gesicht.

„Ja, ja, das weiß ich. Aber wenn wir schon mal hier sind…“

Schließlich landeten sie am Ende des Bazars, und Yuffie hatte sich tatsächlich eine laut Händler ‚unglaublich wertvolle‘ Halskette zum Spottpreis von 20 Gil andrehen lassen. Vergnügt hängte sie sie sich um.

„Na, wie gefalle ich dir damit“, fragte sie lachend.

„Wunderbar“, murmelte Vincent hinter seinem Stehkragen. Yuffie überhörte den Sarkasmus gezielt.

„Echt? Danke!!“ erwiderte sie und umarmte ihn ohne Vorwarnung. Mit leidender Miene ließ er dies über sich ergehen. Dann gingen sie weiter, Vincent mit einen unglücklichen Gesicht, und Yuffie verschlagen grinsend. Plötzlich blieb sie stehen.

„He? Schon wieder einer von der Sorte?“

An einer belebten Ecke stand ein Mogry vor einem auffälligen Mast, an dessen Spitze sich ein unübersehbares Leuchtsignal befand. Neugierig ging sie auf ihn zu.

„Hallo, Kleiner!“ begann Yuffie fröhlich, während Vincent mit verschränkten Armen schweigend hinter ihr stand. Die überdimensionale Ratte trug einen noch überdimensionaleren Hut, unter dem sie beinahe verschwand. Der Bommel schwang hin und her, als sie tanzend antwortete.

„Hallo! Ich gehöre zum Mog-Taxi-Unternehmen! Wo kann ich euch hinbringen?“

„Äh… nirgends, im Moment. Aber wir sind neu hier in der Stadt“, erklärte Yuffie etwas verlegen. „Eigentlich suchen wir jemanden. Ist dir vielleicht eine Frau begegnet, etwas älter als ich, namens Tifa?“

Der Mogry griff sich überlegend an seinen Mäusekopf. Dann schüttelte er traurig den Kopf.

„Gut… dann kennst du vielleicht eine böse, böse Kreatur namens Gilgamesch?“

Wieder Kopfschüttelnd.

„Nein, tut mir kupoleid! Bösen Leuten gehe ich lieber aus dem Weg“, erklärte er lachend. „Im Gegensatz zu dem Vetter des Schwagers des Bruders meiner Cousine zweiten Grades, Kupo, dem guten, alten Mont Blanc!“

Yuffie bedachte ihn mit einem argwöhnischen Blick.

„Aha, sehr interessant… was macht denn dieser Mont Blanc so?“

„Oh, er ist Anführer des Monsterjägerklans ‚Zenturio‘! Er kennt sich mit bösen Leuten aus, Kupo!“
 

War die Luft vorhin heiß und trocken gewesen, so war sie nun heiß, trocken und stickig. Langsam gewöhnten sich Clouds und Barrets Augen an das Halbdunkel, das in der Unterstadt von Rabanastre herrschte. Nur hie und da fiel durch Maueröffnungen Licht hier herunter.

Sie bahnten sich einen Weg durch das Gedränge, das in den schmalen Gängen stärker zur Geltung kam als an der Oberfläche der Stadt. Dicht an dicht fügten sich hier kleine Läden, Kebapstände(??) und winzige Buden aneinander, deren Chaos nur vermuten ließ, was sie denn eigentlich anboten. Es herrschte hier ein buntes Durcheinander von Menschen und anderen Wesen. Wachen wie an der Oberfläche gab es hier aber keine, wie ihnen bald auffiel. Barret rümpfte die Nase.

„Kommt mir bekannt vor…“, knurrte er. Cloud blickte ihn fragend an. „Der Gestank. Ist wie im Sektor 7 früher, nur heißer. Slums stinken wohl überall gleich im Universum…“

„Vielleicht haben wir dann hier mehr Glück“, erwiderte er und ließ den Blick über die Menge schweifen.

Aufmerksam schlenderten sie durch die verwinkelten Gänge des unterirdischen Stadtviertels. Schließlich kamen sie auf eine Art ‚Platz‘. Über einen etliche Meter breiten Schacht hing eine Plattform aus Gittern. Über ihr befand sich eine der wenigen Stellen, an der man den Himmel sehen konnte. Mehrere Zugänge führten auf den runden Platz, und trotz der düsteren Bodenlosigkeit darunter saßen und tratschten dort mehrere Generationen sorglos bei- und miteinander. Kinder spielten, Erwachsene debattierten eifrig, und alte Männer und Frauen saßen einfach da und verfolgten gelassen das Geschehen.

„Hm… hier können wir ein bisschen rumfragen“, meinte Cloud und ging auf den Platz zu. Im Gegensatz zur Oberfläche fand hier niemand ihre Erscheinung seltsam. Allerdings lief eine Gruppe Kinder zusammen, um Barrets mechanischen Arm zu bewundern.

„He, du“, rief eines der mutigeren Kinder. „Kannst den Handschuh mal ausziehen?“

Barrets finstere Miene hellte sich auf. Kinder schafften es stets, seine raue Schale aufzuweichen.

„Nein, leider nicht“, antwortete er lachend. Dann hob er eines der kleineren Kinder auf seinen Arm. Staunend besah es sich die Welt von dort oben. Bald war er umringt von Kindern, die in ihm einen großen Spielkameraden gefunden hatten.

Cloud mischte sich einstweilen unter eine Gruppe von Leuten, die die Mitte der Plattform für sich beanspruchten. Als er sich näherte, beäugten sie ihn skeptisch.

„Mahlzeit, alle miteinander“, begann Cloud locker. „Kann mir einer von euch sagen, wer hier der Bürgermeister ist?“

Die Menschen der Unterstadt sahen sich schmunzelnd an.

„Du bist in Dalmasca, und Königin Ashelia regiert hier, wenn du das meinst“, erwiderte ein junger Mann lachend. „Wer bist du und von wo, dass du solche Fragen stellst?“

„Ich heiße Cloud Strife, und das da“, er deutete auf Barret, der ausgelassen mit den Kindern spielte, „ist Barret Wallace. Wir suchen jemanden, der uns sehr am Herzen liegt.“

„So, so. Ich bin Samaru. Wobei du aber damit nicht gesagt hast, von wo ihr kommt. Doch nicht etwa aus Archadis?“

Wieder stießen sich die Leute lachend mit den Ellbögen an.

„Wäre das so schlecht?“ fragte Cloud mit hochgezogener Braue.

„Nun, es wäre ungewöhnlich. Normalerweise verirrt sich kein wohlhabender Tourist aus Archadis hier hinunter.“

„Wir sind von noch weiter weg, mehr kann ich im Moment nicht sagen.“ Und würdet ihr auch nicht glauben, fügte Cloud in Gedanken hinzu.

„In Ordnung, geheimnisvoller Fremder. Ich traue dir jedenfalls. Und weißt du auch warum?“

Cloud zuckte mit den Schultern.

„Dein Freund Barret, er versteht sich gut mit den Kindern. So jemand führt nichts Böses im Schilde. Um auf deine Frage zurückzukommen…“ Samaru, der im Schneidersitz dasaß, wie die meisten Anwesenden, lehnte sich bequem zurück und begann zu erklären.

„Die Obrigkeit kümmert sich nicht viel um das, was hier unten passiert. Für die existieren wir kaum! Auch wenn unsere verehrte Prinzessin versprochen hat, etwas für uns zu tun, so hat sich gar nichts gerührt!“ Zustimmendes Gemurre erklang von allen Seiten. „Als der Krieg mit Archadis vorbei war, sollte endlich was für uns geschehen! Den stinkenden Kanal wollten sie woanders hinleiten…“ Er deutete mit dem Kopf zur Seite, wo in der Tiefe fauliges Wasser vorbeiplätscherte. „…und was weiß ich noch alles. Passiert ist rein gar nichts. Wir sind uns hier unten selbst überlassen. Und unser Oberhaupt, wenn du so willst, ist am ehesten der alte Dalan.“

„Dalan…“, wiederholte Cloud. „Wo kann ich ihn finden?“

Samaru deutete wieder mit dem Kinn in eine Richtung. Für eine Bewegung der Hände war er wohl zu faul.

„Wenn ihr vorm Südtor steht, gleich links. Wen sucht ihr überhaupt?“

„Eine Frau namens Tifa“, erklärte Cloud. „Wir wurden hier runter geschickt von einem alten Mann, der sagte, sie könnte hier sein.“

Samaru runzelte die Stirn.

„Hier unten, eine fremde Frau? Vielleicht meinte er das Nuttenviertel im Norden“, rief Samaru, und alle stimmten in sein Gelächter ein. Cloud griff sich an die Stirn. Soviel zum Geschwafel alter, verkalkter Männer…

„Na ja… jedenfalls Danke für den Tipp“, seufzte Cloud und wandte sich von ihnen ab. Er ging zu Barret, der nun auf jeder Schulter ein Kind transportierte.

„Es gibt eine neue Spur. Gehen wir.“

Vorsichtig setzte er die Kinder ab. Wehmütig blickten sie ihm hinterher, als die beiden gingen.
 

Kurze Zeit später standen sie vor einer Fassade, die genauso verkommen wirkte wie alle anderen in der Unterstadt.

„Das muss es sein“, meinte Cloud und trat ein.

Durch einen niedrigen Durchgang kamen sie in eine winzige, längliche Wohnung. Auch hier spielten Kinder, und am Ende des Raums, vor einem Vorhang, saß ein Greis mit langem Bart und wirren Haaren. In der einen Hand hielt er eine qualmende Pfeife, mit der anderen kraulte er eine Katze, die auf seinem Schoß lag. Neugierig betrachteten seine wachen Augen die beiden Besucher. Cloud setzte sich zu ihm auf dem Boden, während Barret in geringem Abstand wartete.

„Seid ihr Dalan? Man sagt, ihr wärt das Oberhaupt dieser Gegend.“

„Oh, ich? Wer behauptet denn das, hi, hi…“

„Mein Name ist Cloud, und das da drüben ist Barret. Wir suchen jemanden- “

„Oh, ja, jeder sucht doch irgendwas heutzutage!“ unterbrach er ihn mit seiner schrillen Stimme. „So mancher sucht sein Glück, während andere schon mit einer warmen Mahlzeit zufrieden wären, hi, hi…“

Cloud verdrehte genervt die Augen.

„Wie auch immer… wir suchen eine Frau namens Tifa. Ihr habt nicht zufällig etwas von ihr gehört oder gesehen?“ Der alte Dalan kratzte sich mit der freien Hand am Kinn, was ein hörbares Geräusch verursachte. Dann schüttelte er den Kopf, so dass seine wirren Haare umherflogen. „Na gut… dann habt ihr vielleicht etwas von einem gewissen Gilgamesch gehört?“

Die Augen des Alten wurden groß. Sie funkelten heftig, und diesmal nickte er.

„Aber ja! Den kenne ich, hi, hi. Ich bin zwar nicht unbedingt weise, aber guuut informiert, hi, hi…“

Cloud rückte ein Stück näher.

„Ehrlich? Wo ist er?“

„Na, da, wo er meistens ist. Er ist doch mein Nachbar, hi, hi!“
 

Krachend flog die Tür der Wohnung nebenan auf, als Cloud dagegen trat. Mit forschen Schritten kam er in den einzigen Raum und zog Hexagon. Mit einem klirrenden Geräusch fuhren die Hälften der Klinge auseinander und zeigten auf einen dicklichen Mann, der völlig perplex von einer dampfenden Schüssel aufsah. Überraschung und Entsetzen zeichneten sich auf seinem von roten Pausbacken dominierten Gesicht ab. Seufzend ließ Cloud das Schwert sinken.

„Heißt du etwa Gilgamesch?“ Die roten Pausbacken bewegten sich auf und ab. „Tja, dann entschuldige ich mich für die Störung.“
 

„Wieder ein Griff ins Klo“, knurrte Barret. Missmutig schlenderten sie durch die belebten Gänge der Unterstadt.

„Vielleicht hatten ja Yuffie und Vincent mehr Glück“, murmelte Cloud. Ihr zielloser Weg führte sie in eine Seitengasse. Hier war niemand zu sehen, und so drehten sie sich um. Mit einem Male kam eine Gruppe junger Burschen auf sie zu.

„Ihr habt euch wohl verirrt“, begann einer von ihnen, wohl ihr Anführer. Genauso schmächtig wie seine Kumpels, doch durch ihre Anzahl fühlten sie sich wohl stark. „Als Fremder kann man sich sehr leicht hier verirren“, erklärte er mit gespieltem Mitgefühl. „Zum Glück habt ihr uns getroffen. Für ein paar Gil sagen wir euch, wie ihr hier wieder rauskommt.“

„Danke, aber wir finden den Weg auch so“, entgegnete Cloud und wollte gehen, doch sie versperrten ihnen den Weg. Barret begann zu knurren.

„Na, na, nicht so eilig! Das ist eine gefährliche Gegend, ich bezweifle, dass ihr auf unseren Schutz verzichten könnt, nicht wahr, Kameraden?“

Sie sahen sich einem Haufen grinsend nickender Halbstarker gegenüber. Dann reichte es Barret. Laut surrend entfaltete sich sein mechanischer Arm. Blitzend und zischend machte sich die Plasmakanone bereit. Von dem Schauspiel verschreckt, liefen die Halbstarken in alle Richtungen davon. Grimmig lächelnd hielt Barret die Kanone vor sich.

„Diese Rotzlöffel! Ich habe schon Ghettos kontrolliert, da haben die alle noch in ihre Windeln geschissen! Diese Narren…!“

Cloud klopfte ihm beruhigend auf die Schultern, dann setzten sie ihren Weg fort.
 

Die Sonne über diesem fremdartigen Land sank und tauchte alles in satte Rottöne. Cloud und Barret waren nun wieder am Platz, an dem sie in diese Welt gekommen waren. Cloud saß am Rande des Springbrunnens und starrte gedankenabwesend in das plätschernde Wasser. Barret lief mit verschränkten Armen auf und ab. Er wirkte nervös und knurrte vor sich hin. Vorbeigehende Passanten machten einen Bogen um ihn.

Hin und wieder hob Cloud den Blick und sah sich um. Die Sonne ging bereits unter, und von Yuffie und Vincent war noch immer nichts zu sehen. Wieder starrte in den lieblich plätschernden Brunnen.

Verdammt… keine Spur von Tifa. Und auch kein Schimmer, wie wir zurückkommen.

Er nahm das PHS aus der Tasche und betrachtete es nachdenklich.

PHS… erinnert mich an irgendwas… na ja, egal.

Es zeigte nichts an, der Bildschirm blieb leer. Schnaubend steckte er es wieder weg.

Ich hätte alleine gehen sollen… ich hätte die anderen nie hineinziehen dürfen-

„Hey, Leute! Da sind wir!“

Cloud blickte auf, und auch Barret drehte sich um. Yuffie kam heran gelaufen. Hinter ihr kam Vincent, der Mühe hatte, Schritt zu halten.

„Na endlich“, brummte Barret. „Ich dachte schon, wir müssten die zwei jetzt auch noch suchen.“

Fröhlich lachend baute sich Yuffie vor den beiden auf. Vincent stand hinter ihr und blickte unbeteiligt zur Seite.

„Na ihr schaut vielleicht grimmig drein. Ihr habt nichts gefunden, oder?“

„Nein, leider nicht“, antwortete Cloud ihr. „Und bei euch? Hattet ihr mehr Glück?“

Yuffie rollte lachend mit den Augen.

„Nun ja… es ist nicht direkt eine Spur… aber irgendwie schon!“

„Sprich bitte Klartext“, forderte Cloud sie seufzend auf.

„Also… wir haben einen Tipp bekommen, von so einem Mogry, ihr wisst schon, so einer, von dem wir die Karten gekauft haben. Er hat uns an einen ‚Klan Zenturio‘ verwiesen. Die kennen sich hier perfekt mit den örtlichen Monstern aus! Die wissen vielleicht auch, wo dieser Gilgamesch steckt.“

Cloud horchte auf.

„Das klingt interessant. Und wo finden wir diesen Klan?“
 

Gemeinsam gingen sie den nördlichen Stadtteil und folgten der Beschreibung des Mogrys. Schließlich standen sie vor einer Fassade, die sich nicht auffällig von den übrigen farbenprächtigen Gebäuden unterschied. Nur hier lungerten mehrere der hundeköpfigen Wesen vor dem Eingangsbereich herum.

„Das muss es sein“, murmelte Yuffie und blickte an der Fassade empor.

„Was sind das nur für Freaks“, brummte Barret, als den Haufen fremdartiger Wesen sah. Ein Passant, der gerade hinter ihm vorbeiging, mischte sich ein.

„Das sind Bangaas, noch nie so was gesehen? Kaum zu fassen…“, sagte er lachend und ging weiter. Verwundert blickte ihm Barret nach.

„Bangaas… aha.“

Cloud ging auf die Eingangstüre zu. In diesem Moment kam Leben in den Haufen. Die Bangaas erhoben sich und versperrten ihnen den Weg.

„Was wollt ihr hier? Glaubt ihr, hier kann jeder Lump rein?“ schnauzte sie einer von ihnen an. Dann kamen die anderen. Barret baute sich hinter Cloud auf und setzte seinen finstersten Blick auf. Unwillkürlich wichen die Bangaas ein Stück zurück.

„Finden wir hier den Klan Zenturio?“ fragte Cloud förmlich. Der Redeführer antwortete mit einer trotzigen Geste.

„Ja. Was wollt ihr von unserem Klan?“

„Wir wollen mit eurem Boss reden. Es geht um ein… spezielles Monster“, antwortete Cloud lapidar. Die Bangaas sahen sich an und tuschelten leise. Offenbar waren sie sich bei der Einschätzung dieser Fremdlinge nicht ganz sicher. Schließlich bildeten sie ein schmales Spalier.

„Na gut. Ihr dürft rein, aber macht bloß keinen Ärger“, drohte der Redeführer mit erhobenem Zeigefinger. Mit regungsloser Miene ging Cloud an ihnen vorbei. Seine Freunde folgten ihm und wurden von den feindseligen Blicken der Bangaas getroffen.
 

Im Inneren des Gebäudes herrschte reges Treiben. Bangaas, Menschen und schweineähnliche Kreaturen, wie sie sie schon in der Stadt gesehen hatten, liefen umher. Als sie versuchten, sich in dem Durcheinander zu orientieren, kam ein Bangaa auf sie zu. Ein kleiner Menschenjunge begleitete ihn und hielt sich an seinem Hosenbein fest.

„Ich darf euch willkommen heißen“, begann er freundlich und offen. „Ihr seid nun im Hauptquartier des Monsterjägerklans Zenturio. Wie kann ich euch helfen?“ fragte er und lächelte mit seiner seltsamen Schnauze, soweit dies möglich war. Clouds Truppe war erstaunt.

„Woha… sie sind wesentlich freundlicher als ihre Kollegen vor der Tür“, bemerkte Cloud stirnrunzelnd.

„Oh ja, unsere Türwächter. Sie sollen nur verhindern, dass ungebührliche Leute sich hier herein verirren. Wir sind schließlich der stärkste Monsterjägerklan auf Ivalice, und nur starke Kämpfer können in unseren Reihen dienen. Mein Name ist übrigens Monik.“

„Und ich bin Cloud. Das sind… Yuffie, Barret und Vincent. Äh…“

Cloud blickte auf den kleinen Jungen, der sich am Hosenbein Moniks festkrallte und die Gruppe mit großen Augen betrachtete. Der Bangaa merkte schließlich, was ihn erstaunte.

„Ah, der kleine Tomaj. Nun, er ist kein Monsterjäger, aber… seine Eltern waren es. Und jetzt… passe ich auf ihn auf. Das ist Ehrensache in unserem Klan.“

„Verstehe. Können wir mit eurem Boss reden? Er kennt sich doch sicher gut mit Monstern aus?“ fragte Cloud vorsichtig. Monik nickte eifrig.

„Ihr meint Mont Blanc? Aber sicher, er war einer der erfolgreichsten Monsterjäger der letzten Jahrzehnte, bevor er die Leitung unseres Klans übernommen hat. Ich kann euch zu ihm führen, wenn ihr wollt?“

„Ich bitte darum“, erwiderte Cloud, und so folgten sie ihm durch die Halle.

Ihr Weg führte sie zu einer großen, zweigeteilten Treppe, an deren Fuß ein Ringkampf zwischen einem Bangaa und einem ‚Seek‘, wie die schweineartigen Wesen hießen, wie sie erfuhren, stattfand. Rund um sie stand eine Menschenmenge und feuerte die beiden Kontrahenten an. Monik führte sie die Treppe hinauf.

„Dieser… ‚Mont Blanc‘ muss ja ein harter Knochen sein“, meinte Barret. „Großer Monsterjäger und so… ist sicher ein Riesenkerl, mit dem nicht gut Kirschen essen ist.“

Cloud nickte zustimmend, während Yuffie das Gesicht verzog.

„Äh, Leute… täuscht euch da nicht…“

Sie kamen nun zu einer Empore, von wo aus man den Saal gut überblicken konnte. Monik führte sie zum Geländer.

„Darf ich vorstellen? Unser verehrter Anführer, Mont Blanc!“

Mit einer würdevollen Geste wies er sie zum Geländer. Cloud und Barret hoben synchron eine Augenbraue.

„Ja, und? Wo ist er?“

Monik schüttelte verwirrt den Kopf.

„Aber… hier, direkt vor euren Augen!“

Cloud machte ein argwöhnisches Gesicht, während ihm Yuffie auf die Schulter tippte.

„Äh, Cloud… dieser Mont Blanc ist ein- “

„Ich sehe nur einen… Mogry?“

Ein zierlicher Mogry stand mit verschränkten Armen auf dem Geländer. Trotzdem reichte er ihnen gerade bis auf Augenhöhe. Er drehte sich zu ihnen um, so dass sein Bommel hin und her schwang.

„Ja? Was gibt es?“ fragte er in der für diese Rasse typischen Piepsstimme. Monik verneigte sich ehrfürchtig beim Sprechen.

„Diese Fremdlinge wollen mit euch reden, verehrter Mont Blanc.“

Monik stellte die Vier seinem Anführer vor, dann ließ er sie alleine. Skeptisch betrachtete Cloud den Mogry. Dieser blinzelte mit seinen Knopfaugen. Sein Mausgesicht lachte fröhlich.

„Nun, was führt euch zu mir, kupo? Wollt ihr unserem Klan etwa beitreten?“

Barret griff sich genervt ins Gesicht und murmelte: „Die mit ihrem bescheuerten ‚Kupo‘…“

„Also“, räusperte sich Cloud. „Wir suchen eine gute Freundin von uns. Sie heißt Tifa, ihr habt nicht zufällig…?“ Das dümmliche Gesicht des Mogrys sprach Bände. „Dachte ich mir. Ihr Verschwinden steht jedenfalls mit einem gewissen… Gilgamesch in Verbindung.“ Das Gesicht von Mont Blanc veränderte sich. Cloud wurde hellhörig. „Ihr kennt ihn?“

„Das ist seltsam… vor kurzem habe ich wieder Kunde erhalten… über Gilgamesch.“

„Wirklich? Wo ist er?“

Der Mogry begann piepsend zu lachen.

„Wenn ich das wüsste. Auf jeden Fall ist ein hohes Kopfgeld auf ihn ausgesetzt.“

„Wundert mich nicht. Wie können wir ihn finden?“

Wieder lachte Mont Blanc, und es begann Cloud zu nerven.

„Seit geraumer Zeit versuchen wir das herauszufinden, kupo! Eine bekannte Persönlichkeit hat das Kopfgeld ausgesetzt. Dieser Gilgamesch fordert Kämpfer in aller Welt heraus und stiehlt ihnen beim Kampf ihre Waffe. Für den besagten Herrn ist dies sehr peinlich, deshalb möchte er anonym bleiben, kupo.“

Cloud schüttelte fassungslos den Kopf.

„Mir ist es genau so ergangen! Aber Tifa, die dabei verschwunden ist, ist mir wesentlich wichtiger.“ Seufzend ließ er den Kopf hängen. „Ich muss ihn finden…“

„Hä, kupo? Diesen Auftrag hat der Klan Zenturio, und niemand wird ihn ihm wegschnappen.“

Cloud ging auf das Mauswesen zu und sprach beschwörend.

„Aber… es ist wirklich wichtig! Wir müssen diesen Kerl in die Finger bekommen, nur er weiß, wo Tifa ist!“

Mont Blanc schüttelte bedauernd den Kopf.

„Es tut mir ja wirklich leid für euch und eure Freundin, aber… wobei, eine Möglichkeit gäbe es.“

„Und die wäre?“ fragte Cloud hoffnungsvoll.

„Die Ehre des Klans steht über allem, unser Klan hat noch jeden Auftrag erfüllt… auch wenn wir bei Gilgamesch bisher erfolglos waren, kupo …“ Seufzend schüttelte der Mogry seinen Mäusekopf. „Vielleicht haben wir die falschen Jäger auf ihn angesetzt. Aber… wie wäre es mit euch? Vielleicht habt ihr mehr Glück, kupo?“

Die Vier sahen sich an.

„Was müssten wir tun?“ fragte Barret knurrend.

„Oh, natürlich müsstet ihr beweisen, dass ihr dem Klan und dieser Aufgabe würdig seid. Es stehen momentan einige gefährliche Mob-Hunts an, die nur für die stärksten Jäger geeignet sind.“

„Wir sollen für euch arbeiten?“ fragte Cloud argwöhnisch. „Und was um alles in der Welt sind Mob-Hunts?“

„Ihr wisst es nicht?“ fragte Mont Blanc kichernd. „Ihr müsst wirklich von weit weg sein! So nennen wir die Aufträge, die die Leute uns erteilen.“

„Hm… einen Moment.“
 

Die Vier standen in geringer Entfernung zu Mont Blanc beisammen und berieten sich.

„Wir sollen für den Knilch arbeiten und irgendwelche… Monster fangen? Das schmeckt mir nicht besonders“, meinte Barret.

„Warum nicht“, warf Yuffie ein. „Klingt interessant. Vielleicht finden wir sogar etwas Materia…“, sagte sie begierig grinsend.

„Du und deine Materia“, entgegnete Cloud kopfschüttelnd. „Andererseits… sehe ich keine andere Möglichkeit. Ich schlage vor, wir tun es. Was meinst du, Vincent?“

Vincent, der bis jetzt gar nichts gesagt hatte, hob nur die Schultern.

„Es ist besser, als ziellos durch diese Stadt zu irren.“

Cloud nickte langsam.

„In Ordnung. Ich würde sagen, wir steigen darauf ein.“

Er wartete noch auf ein Gegenargument seitens Barrets, doch dieser knurrte nur leise vor sich hin. Dann wandte er sich wieder an Mont Blanc.

„Wir sind dabei. Wann kann es losgehen?“

Der Mogry sprang vor Freude und klatschte in die Hände.

„Großartig, Kupo-po!! Der Klan heißt euch willkommen! Ihr könntet schon morgen die erste Mob-Hunt beginnen. Seid ihr einverstanden?“

„Klar“, antwortete Cloud. Dann spürte er seinen knurrenden Magen und die Müdigkeit, die er den ganzen Tag über schon verdrängt hatte. „Übrigens… könnt ihr uns eine gute Absteige empfehlen?“
 

Es kehrte Ruhe ein auf den Straßen von Rabanastre, als sie im Schein einer Straßenlaterne auf den Plan sahen.

„Die ‚Taverne zum Sandmeer‘… da vorne rechts, dann müssten wir schon davor stehen“ murmelte Cloud. Dann steckte er gähnend den Plan ein.

„Mir schmeckt das Ganze nicht“, bemerkte Barret. „Können wir diesem Knilch denn trauen?“

„Aber, Barret“, kicherte Yuffie und stieß ihn spaßeshalber an, „sei doch nicht immer so misstrauisch. Diese Mogrys sind doch süß. Genau wie Vincent“, fügte sie kaum hörbar hinzu. Vincent erschauderte.

„Wir sind da“, bemerkte er trocken, als sie vor einem Gebäude mit einer unmissverständlichen Aushängetafel standen. Während die anderen noch unschlüssig empor blickten, betrat Vincent schon die ‚Taverne zum Sandmeer‘.

„He, warte!“ rief Yuffie und folgte ihm. Und so traten sie alle ein.
 

Waren die Straßen zuvor beinahe leer gewesen, so war die Taverne weitgehend gefüllt. In dem bunten Treiben fielen die Vier nicht weiter auf. Vincent, der sonst eher zurückhaltend agierte, steuerte zielstrebig den Wirt an, der hinter seiner Theke stand und Krüge befüllte.

„Guter Mann, habt ihr Quartiere für vier Personen? Einzelräume, wenn möglich“, betonte er. Nun standen auch die anderen hinter ihm. Der Wirt beäugte sie beiläufig.

„Das lässt sich machen, Reisender. Ich kassiere aber im Voraus, wenn’s recht ist.“

Ohne zu zögern, griff Vincent unter seinen Umhang und holte das entsprechende Geld hervor. Der Wirt erklärte ihnen noch die Lage ihrer Quartiere, da war Vincent schon weg. Schulterzuckend blickten sie ihm hinterher. Die drei zogen es vor, im Gastraum eine Mahlzeit einzunehmen. Dabei sprachen sie kaum. Dieser Tag mit seinen vielen neuen Eindrücken und dazu die Ungewissheit, die auf ihnen allen lastete, lähmten ihre Gedanken. Nachdem sie sich satt gegessen hatten, suchten sie einer nach dem anderen ihre Zimmer auf.

Cloud saß schon auf dem weichen Bett in der winzigen, aber gemütlichen Kammer. Kunstvolle Teppiche lagen auf den bunten Fliesen des Bodens. Verschnörkelte Muster zierten alle Möbelstücke. Einen solchen Reichtum an Farben hatte er bisher nicht gekannt. Midgar war in erster Linie grau gewesen… so wie auch Edge City. Diese Welt wirkte, als hätte sie den umliegenden Universen alle Farbe entzogen und an sich gerissen. Sie war schön, aber auch fremd… Er war mit seinen Freunden hier, doch zugleich fühlte er sich unendlich einsam in diesem Moment.

Und wenn wir hier nie wieder wegkommen?

Tifa… wo bist du…?

Ein Schluchzen ging durch seine Brust. Mühevoll kämpfte er es nieder.

Ich kann mir keine Schwäche leisten. Nicht jetzt…

Und doch vermisste er sie nun mehr als je zuvor. Er ahnte, was ihm noch öfter bevorstehen würde. In den Momenten der Ruhe würden ihn die Angst und die Ungewissheit besonders quälen. Wenn seine Sinne und seine Kraft gefordert waren, lebte er im nur im Moment. Doch wenn seine Gedanken zur Ruhe kamen, sah er ihr Bild vor Augen. Und wurde sich bewusst, dass er sie vielleicht endgültig verloren hatte…

Reiß dich zusammen, Cloud Strife, ermahnte er sich selbst. Du bist nicht der einzige, dem das hier schwerfällt. Er durfte nun nicht die Bedürfnisse seiner Freunde vergessen, ohne die sein Vorhaben zum Scheitern verurteilt war. Was war eigentlich mit Vincent? , überlegte er. Dann stand er auf und beschloss, mit ihm zu reden.
 

Langsam öffnete sich die Tür, eine Weile, nachdem er angeklopft hatte. Vincents rote Augen blickten ihn durch den Türspalt an.

„Kann ich reinkommen?“

Vincent zögerte. Dann öffnete er die Tür weiter. Cloud trat ein und setzte sich auf sein Bett. Anerkennend befühlte er die Matratze.

„Ist schön weich. Ich hoffe, du kannst darauf schlafen.“

Vincent verschränkte die Arme.

„Das bezweifle ich. Andererseits… wenn ich den Wirt nach einem Sarg frage, könnte uns das in Schwierigkeiten bringen.“

Cloud musste über diesen Anflug von Ironie lachen, und selbst Vincent schien zu lächeln. Dann wurden sie wieder ernst.

„Alles in Ordnung, Vincent?“

Er blickte ihn über seinen Stehkragen fragend an.

„Wie soll ich das verstehen…?“

„Na ja… du bist so schnell verschwunden und verbarrikadierst dich in deinem Zimmer…“

„Es ist wegen Yuffie“, antwortete er schnell. „Sie schwärmt immer noch für mich.“

„Da ist doch nichts Schlimmes dran. Welches junge Mädchen schwärmt nicht für dich seit diesem komischen Film, Adventkranz oder so…(Hihi…)“

Doch erwartungsgemäß konnte auch dieser Scherz ihn nicht aufmuntern. Seufzend setzte er sich neben Cloud aufs Bett(nein, nicht was ihr denkt! Dies ist eine Slash-freie Zone).

„Das ist aber nicht alles. Wie du weißt, unter Menschenmassen fühle ich mich nicht so wohl…“

„Verstehe. Es tut mir leid, dass ich dich da reingezogen habe, aber- “

„Hör auf, dich zu entschuldigen“, unterbrach er ihn plötzlich. „Selbst Aeris hat dir verziehen. Da werde ich es auch noch schaffen. Außerdem bin ich aus freien Stücken hier… Tifa braucht uns, und sie würde nicht zögern, das für jeden von uns zu tun.“

Cloud nickte nachdenklich.

„Du hast wohl recht. Jetzt musst du nur noch mit Yuffie zurecht kommen.“

„Ja, Yuffie…“

„Aber was ist so schlimm an ihr? Okay, sie kann ganz schön nerven, aber das haben Frauen nun mal so an sich.“ Vincent blickte ihn verstört an. „Ja, ich weiß… Lucrezia wird immer einen Platz in deinem Herzen haben. Aber ich bin mir sicher, sie hätte gewollt, dass du eines Tages wieder glücklich wirst. Deshalb… was ich meine… vielleicht solltest du ihr eine Chance geben. Yuffie, meine ich.“

Etwas verlegen erhob er sich und ging zur Tür.

„Cloud, der Beziehungsexperte“, sagte Vincent in seinem charakteristischen, gedämpften Tonfall. Wobei auch eine gewisse Ironie mitschwang. Cloud drehte sich um.

„Experte, ts… na dann, gute Nacht.“

Er verließ das Zimmer. Vincent blickte eine Weile zur Tür. Dann legte er die Beine aufs Bett, senkte den Blick und versank wieder einmal in der Welt seiner melancholischen Gedanken…
 


 


 

Die Szene verdunkelt sich und entschwindet schließlich ganz. In der nächsten Einstellung schwenken wir an einen anderen Ort in der gleichen Welt...
 


 


 

Wind strich durch ihre Haare, und das Licht blendete sie. Verzweifelt drehte sie den Kopf hin und her, doch das Licht brannte weiter auf ihrem Gesicht. Dann spürte sie, wie etwas ihr Gesicht berührte. Etwas Weiches strich vorbei, dann war es wieder weg… eine Feder? Dann wieder, erneut spürte sie es. Doch diesmal war es anders. Es war… eine Umarmung. Starke Arme berührten sie am Rücken. Erleichterung durchströmte sie. Sie hatte ihn wieder und würde ihn nie mehr loslassen…
 

„Endlich, wo warst du die ganze Zeit…“, hauchte sie ihm ins Ohr. Sie drückte ihn fester an sich, doch… es war seltsam, fast als ob er sich dagegen wären würde.

„Squall… was hast du… wieso- “ Jetzt öffnete sie die Augen. Und schaute einen ebenso verwirrten Xell an. Um sie herum sah sie außerdem noch Irvine und Selphie. In ihren Blicken spiegelte sich Besorgnis wieder. „Was… wo bin ich hier?“

Xell schüttelte langsam den Kopf, während Irvine sich erhob. Meeresrauschen drang an ihr Ohr. Sie setzte sich mit Xells Hilfe auf.

„Du hast mich wohl verwechselt“, sagte er etwas verlegen. „Du hast gesprochen, während du bewusstlos warst.“

Immer noch wirr im Kopf befühlte sie den Steinboden unter sich. Der Stein war rau, und an einigen Stellen spross Gras aus Rissen hervor.

„Ich höre das Meer“, sagte sie langsam, während ihre Sinne sich allmählich wieder sammelten. „Sind wir… wieder in Balamb?“

Selphie schüttelte den Kopf und machte ein betrübtes Gesicht.

„Nein, sieht niiiicht danach aus.“

„Aber… wo sind wir dann? Ich höre doch das Meer rauschen.“ Sie versuchte aufzustehen, und Xell stützte sie. Etwas wackelig auf den Beinen, sah sie sich um. Sie waren umgeben von Steinhäusern mit einfachen Stroh- oder Tonziegeldächern. Allen war gemein, dass sie verfallen und ärmlich aussahen. Sie standen auf einer schmalen Straße, die sich zwischen den baufälligen Häusern wand. „Was ist das für eine Stadt?“

Ihr fragender Blick traf Selphie und Xell, doch sie erntete nur Schulterzucken. Eine Brise frischen Windes traf sie, und sie drehte sich um. Sie ging los und wand sich aus Xells Griff. Ihre Beine waren nun sicher genug. Sie ging in die Richtung, aus der sie zuvor das Meeresrauschen gehört hatte. Als sie um eine Hausecke bog, sah sie es.

Irvine stand da, mit dem Rücken zu ihr und verschränkten Armen. Der Wind blähte seinen offenen Mantel auf. Ihre Kinnlade sank herab. Langsam ging sie auf ihn zu und stand schließlich neben ihm. Der Anblick war atemberaubend.

Sie standen an einer Art Pier, unter der die Mauer ins Meer abfiel. Blaue, schimmernden Wogen bewegten sich sanft in der frischen Brise. Eine gewaltige Brücke spannte sich über das Meer, bestimmt einen halben Kilometer lang. Ihre kühnen Formen ahmten die der Wellen nach, die sich an ihren Stützpfeilern brachen. Und sie mündete schließlich in eine Stadt, wie sie sie erst ein Mal gesehen hatte.

Schlanke, tiefrote Wolkenkratzer berührten den Himmel. Es war eine Insel, zu der diese Brücke führte, und darauf stand eine Stadt so groß und herrlich wie Esthar.

„Was… das ist…“ fassungslos deutete sie mit dem Zeigefinger auf die majestätische Stadt. Irvine nickte seufzend.

„Riesig, nicht? Ist mindestens so groß wie Esthar. Kaum zu glauben.“

Jetzt fiel ihr Blick auf die Menschen, die auf dieser Brücke das Meer überquerten. Sie trugen farbenprächtige Kleidung, die offensichtlich an warmes Klima angepasst war. Manche wirkten teuer, andere eher schäbig. Notiz von ihnen nahm allerdings keiner der vorbeigehenden Leute.

„Was genau ist passiert“, fragte sie, als Xell und Selphie nun ebenfalls neben ihr standen.

„Na ja, wir gingen durch das Tor, und Schwupps!, schon waren wir hier“, erklärte Xell. „Mir war ganz schwindelig, als ich die Augen aufmachte. Irvine und Selphie ging’s ähnlich, nur du warst komplett ohnmächtig. Und dann hast du mich Squall genannt…“

„Ach, ja.“ Es fiel ihr wieder alles ein. „Ich dachte… ich spüre seine Nähe. Hm.“ Nachdenklich blickte sie zu Boden. Dann hob sie den Blick wieder und sah sich um. „Habt ihr schon rausgefunden, wo wir gelandet sind?“

„Jedenfalls sind wir weder in Galbadia, Esthar oder sonst einem Erdteil, der mir schon einmal unter die Cowboystiefel gekommen ist“, bemerkte Irvine und nahm seinen Hut ab. Ratlos kratzte er sich am Kopf.

„He, was ist daaas!“ rief Selphie und rannte los. Die anderen schauten ihr verdutzt hinterher.

Auf einer kleinen, erhöhten Fläche am Beginn der Brücke sahen sie acht seltsame Wesen, die eine Art Tanz vorführten. Die Wesen sahen aus wie überdimensionale Ratten, nur das sie Kleidung trugen. Auf dem Rücken hatten sie alle ein Paar winzige Flügel, und ein roter Bommel schwang an einer Art Antenne auf ihrem Kopf hin und her.

„Sind die niiiedlich“, sagte Selphie entzückt. Erstaunt beobachteten die Vier den vergnügten Tanz der acht Wesen und hörten den Gesang ihrer piepsigen Stimmen:

„~Solange Mogrys tanzen, die Herzen sind im Ganzen…~Ob Trauer, Schweißfuß oder Leid, mit Mogry-Power bist du gegen alles gefeit, lala…~“

„Hä? Mogrys…“, murmelte Irvine irritiert. „Sind aber wirklich niedlich. Und haben echt Rhythmusgefühl.“

Eine Weile noch beobachteten sie die ‚Mogrys‘ bei ihrem Tanz, dann rissen sie sich los und begannen, ihre fremdartige Umgebung zu erkunden.
 

Eine Weile gingen sie durch die armselige Gegend, die ausschließlich arme Menschen zu bewohnen schienen. Oft wurden sie mit mitleiderregenden Blicken angebettelt. Jene, die nicht die Energie dafür aufbrachten, saßen mit lethargischen Mienen auf den Straßen herum, als gäbe es in dieser Stadt keine Hoffnung auf ein besseres Leben. Schließlich kamen sie wieder zur Brücke zurück.

„Was für eine trauuurige Gegend“, seufzte Selphie bedrückt.

„Ja“, stimmte ihr Rinoa zu. „Die viele Armut… ich frage mich, ob es dort drüben auch so aussieht.“ Sie zeigte in Richtung der prachtvollen Hochhäuser, die in massiven Kontrast zu den verfallenen Gebäuden hier standen.

Irvine blickte sich unschlüssig um. Als ein kleiner Junge an ihnen vorbeilief, reagierte er schnell. Er hielt ihn an der Schulter fest und ging in die Hocke, um besser mit ihm reden zu können.

„He, Kleiner! Warte einen Moment!“ Trotzig blickte er ihn an und presste die Lippen aufeinander. „Ich will dich was fragen“, begann Irvine in einem verständnisvollen Tonfall. „Du bist doch ein schlauer Junge, richtig?“

Der Junge begann breit zu grinsen.

„Aber nur für ein paar Gil!“

Irvines freundliche Miene schlief ein.

„So klein und schon geldgierig, ts…“

Verwundert schüttelte er den Kopf. Rinoa, Xell und Selphie hingegen sanken die Kinnladen herab. Fassungslos tippten sie Irvine auf die Schulter.

„Ja, was ist denn?“ fragte er leicht genervt.

„Hast du denn das nicht gehört? Sagtest du Gil, Kleiner?“ fragte Rinoa erstaunt den kleinen Jungen. Dieser nickte eifrig. Nun kapierte es auch Irvine.

„Ihr… ihr habt Gil als Währung? Das ist erstaunlich… Wie heißt du, Kleiner?“

„Gasri“, antwortete er knapp.

„Nun gut, Gasri. Ich heiße Irvine und diese Münze gehört dir, wenn du mir ein bisschen was erzählst über diesen Ort hier…“, begann Irvine und hielt ihm eine Münze vor die Nase. Unterdessen unterhielten sich Rinoa und Selphie hinter seinem Rücken leise.

„Ist das nicht seltsam? Wir sind hier in einer anderen Welt, einer anderen Dimension, und die haben dieselbe Währung wie unsere Welt?“

„Ja, ist schooon komisch“, antwortete Selphie. „Ist wahrscheinlich, damit sich die Spieler bei den einzelnen Fortsetzungen besser zu Recht finden(Hihi…)“
 

Überglücklich über sein leicht verdientes Geld lief der Junge weg. Die Vier entschieden sich für den Weg über die lange Brücke. Während sie das kaum fassbar lange Gebilde überschritten, erklärte ihnen Irvine den Stand der Dinge.

„Also, diese Stadt heißt Archadis. Wobei sie zweigeteilt zu sein scheint. Die Gegend, in der wir gelandet sind, war das sogenannte Alt-Archadis. Es ist wohl das Armenviertel, wie es aussieht. Da drüben ist das eigentliche Archadis. Es ist nach seinen Worten eine sehr reiche Stadt.“

„So eine Gemeinheit!“ rief Xell und schlug sich mit der Faust auf die Handfläche. „Hier sitzen sie in der Gosse und müssen betteln, während drüben die reichen Säcke hausen!“

„Sie wollen wohl keine Armut in ihrer Stadt“, sagte Rinoa nachdenklich. „Deshalb wohl auch die Trennung durch diese Brücke.“

Sie brauchten eine Viertelstunde, um die Brücke zu überqueren, und derweil bot sich ihnen ein bezaubernder Ausblick auf das Meer. Die Sonne stand hoch am Himmel und ließ die Wellen glänzen. Manchmal sprangen sogar Meerestiere aus den Fluten, um dann wieder in ihnen zu verschwinden. Der Anblick lenkte sogar Rinoa von ihren Sorgen um Squall etwas ab…
 

Auf der anderen Seite der Brücke setzte sich das Armenviertel noch kurz fort, um schließlich in eine hochaufragende Mauer zu münden, die es von der restlichen Stadt trennte. Eine lange Treppe führte daran empor. Sie beobachteten, wie prächtig gekleidete Bürger unter den wachsamen Augen von Wachen in aufwändigen Rüstungen auf und ab gingen. Es waren dieselben Wachen, die auch hier an den meisten Ecken standen und das Geschehen durch ihre von außen undurchsichtigen Helme beobachteten. Es fiel ihnen auf, dass keiner der Bewohner des Armenviertels versuchte, hinauf zu gelangen. Genau das sollten wohl die aufmerksamen Wachen verhindern.

„Diese Stadt sieht faszinierend aus“, meinte Irvine und schaute zu den eindrucksvollen Hochhäusern empor. „Ich schlage vor, wir sehen uns diese Stadt näher an. Was meinst du, Rinoa?“

Sie seufzte und hob langsam die Schultern.

„Ich habe keine Ahnung, wo wir zu suchen beginnen sollen. Genauso gut können wir es da oben probieren.“

Und so machten sie sich daran, die Treppe zu erklimmen.
 

„Und wenn sie uuuns nicht durchlassen?“ gab Selphie zu bedenken. Xell winkte ab.

„Ach was, das werden sie schon. Und wenn nicht, dann haue ich denen eine aufs Maul!“

Rinoa schüttelte tadelnd den Kopf und warf ihm einen mahnenden Blick zu.

„Du wirst niemanden aufs Maul hauen, wenn es nicht wirklich ernst ist, hörst du? Herrje, du änderst dich wohl nie…“
 

„Stehengeblieben“, befahl eine der beiden Wachen, als sie versuchten, vorbeizugehen. Seine Stimme klang wie durch einen Blecheimer.

„Verzeihung, aber wir möchten gern nach Archadis“, sagte Rinoa ganz unschuldig. Die Wache begann blechern zu lachen.

„Das wollen viele der armen Penner hier. Und wir verhindern, dass solches Gesindel die Stadt betritt und ehrenwerte Bürger belästigt. Wenn ihr Bewohner von Archadis seid, dann habt ihr sicher eine Schwarzfeder. Weist sie vor, und ihr könnt passieren.“

Die Vier sahen sich verdutzt an.

„Äh… eine ‚Schwarzfeder‘?“

„Ja. Sagt bloß, ihr habt eure verloren? Nun, das ist wohl nicht vorstellbar. Kein Bürger unserer wunderbaren Stadt würde seine Schwarzfeder verlieren. Denn ohne sie gibt es kein Zurück mehr.“

Rinoa lächelte hilflos, dann machte sie mitsamt ihrer Truppe kehrt.
 

„Also, ich bin dafür, dass wir sie überrumpeln!“

Begeistert begann Xell mit seinem typischen Schattengeboxe. Die anderen verdrehten nur die Augen.

„Wir könnten versuchen, sie zu bestechen…“, meinte Irvine. Sie saßen nun in einer Gasse etwas abseits der Hauptstraße, die zur Treppe in die eigentliche Stadt führte. Hier waren sie ungestört und außerhalb der Hörweite der patrouillierenden Wachen.

„Das halte ich für keine so gute Idee“, erwiderte Rinoa. „Die wirken, als ob sie ihre Arbeit ziemlich ernst nehmen. Womöglich verhaften sie uns, wenn wir das versuchen.“

„Sie haaat wohl recht“, sagte Selphie. „Wenn wir aus Archadis wären, dann hätten wir so eine komische Schwarzfeder, was immer das ist. Uuuund wenn wir von hier unten sind, dann fragen sie wahrscheinlich, woher wir plötzlich das Geld haben, wenn doch hier alle so arm sind.“

„Eine verzwackte Situation“, murmelte Irvine und begann, auf und ab zu gehen. „Wenn wir nicht raufkönnen, wo gehen wir dann hin? Hier jedenfalls ist weder eine Spur von Squall noch von diesem seltsamen- “

Ein gequälter Aufschrei ließ sie aufhorchen. Sie blickten in die Richtung, aus der er kam. Einen Moment lang sahen sie sich an, dann setzten sie sich in Bewegung.

Zwei Straßen weiter, in einer besonders heruntergekommenen Gegend, sahen sie die Szene. Eine Gruppe von etwa einem Dutzend junger Burschen umzingelte einen älteren Mann, der auf dem Boden kniete. Als sie näher kamen, sahen sie dass der Mann im Gesicht blutete. Offenbar war er niedergeschlagen worden.

„Nun rück schon die Kohle raus, Alter. Wir bekommen sie sowieso!“ rief einer der Typen ihm provokant zu. Ein weiterer stimmte ein.

„Genau, oder willst du richtig verprügelt werden? Haha!“

Die anderen lachten mit, und der Mann kam mühsam auf die Beine. In seinem Gesicht zeichnete sich Furcht ab, als er mit dem Rücken zur Wand der Bande gegenüber stand.
 

„Darf ich jetzt jemanden eine aufs Maul hauen“, fragte Xell knurrend. Rinoa nickte.

„Wir müssen ihm helfen. Aber übertreib es nicht!“

Xell zeigte sein bekanntes Zahnpastalächeln und reckte den Daumen hoch.

„Aber klar!“
 

„Was ist jetzt? Rückst du sie raus oder müssen wir dir erst alle Knochen brechen!“

Der Mann sah sich den immer näher kommenden Burschen ausgeliefert. Verzweifelt blickte er sich nach einer Fluchtmöglichkeit um.

„I-ihr Gauner! Dafür wandert ihr alle in den Kerker!“

Die Halbstarken sahen sich an und lachten. Bis jemand einem von ihnen auf die Schulter tippte. Mit einem langgezogenen „Hä?“ drehte sich das Bandenmitglied um. Was er sah, war ein junger Mann in einer kurzen blauen Hose, auffällig frisierten blonden Haaren und einer Tätowierung auf der linken Gesichtshälfte.

„Ihr lasst den Mann gehen, kapiert?“

Der Punk machte ein ratloses Gesicht.

„He, schaut euch mal den Typen hier an. Ich glaub, der will ebenfalls verprügelt werden.“

Er winkte die anderen herbei, die nun ihre Aufmerksamkeit ihrem neuen Opfer zuwandten.
 

Rinoa, Irvine und Selphie beobachteten alles aus der Entfernung. Rinoa machte ein besorgtes Gesicht.

„Sollten wir ihm nicht doch helfen?“

Irvine winkte lässig ab.

„Ach was, du kennst ihn doch. Mit denen wird er locker fertig.“
 

Xell sah sich ruhig um und beobachtete, wie ihn etwa zwölf junge Männer mit feindseligen Mienen umzingelten.

„Du hältst dich wohl für einen verdammten Helden“, schnauzte ihn der Anführer an und spuckte demonstrativ vor ihm aus. Die anderen nickten zustimmend. Sie fühlten sich wohl in ihrer Übermacht. Umso besser, dachte Xell.

„Pass nur auf, du Wichtigtu- “

Das letzte, das der Anführer der Bande sah, bevor alle Lichter ausgingen, war ein ‚Ehrgeiz‘-Handschuh, der sich rasend schnell seiner Nasenwurzel näherte. Von der Wucht des Schlages erfasst, flog er nach hinten und riss zwei seiner Bandenmitglieder zu Boden. Dann ging es los. Von allen Seiten griffen sie ihn kopflos an, doch gegen den erfahrenen Kampfsportler hatten sie keine Chance. Einer nach dem anderen wurde durch seine schnellen Schläge und Fußtritte gefällt. Behände wie ein Affe wich er allen Attacken und Angriffen aus. Bald sah er sich von einem Haufen über den Platz verstreuten Punks umgeben. Ächzend und benommen krochen sie umher.

„Argh… Mieses Schwein!“

Einer von ihnen in Xells Rücken kam auf die Beine und zog eine kurze Klinge. Wie von Sinnen stürmte er mit der erhobenen Klinge auf Xell zu. Bis ihn ein Knall und eine Erschütterung die Klinge aus der Hand riss. Erschrocken wandte er sich um.

Irvine ließ seinen 45.er Colt um seinen Zeigefinger kreisen. In der anderen Hand hielt er Exeter lässig über die Schulter gelegt. Als der Junge einen Schritt tat, kam der Colt augenblicklich zu stehen. Ein weiterer Knall und aufwirbelnder Staub zu Füßen des Jungen ließen ihn erstarren. Geschockt blickte er in den rauchenden Lauf.

„Noch eine Bewegung, Punk, und ich verpass dir ein Entlüftungsloch.“

„Verdammt… Helft mir doch“, zischte der Junge. Seine Kumpanen, die einer nach dem anderen auf die Beine kamen, sahen sich verunsichert an. Wütend blickte er sie an. „Steht nicht so dumm rum! Tut was!“

Nach einigen unschlüssigen Momenten kam tatsächlich Bewegung in den Haufen. Bevor die Bande noch einen überlegten Schritt tun konnte, schnellte Irvine vor. Er wirbelte herum, und als er zum Stehen kam, ragte der Lauf seines Revolvers in ein Nasenloch des Anführers. Mit Exeter hielt er gleichzeitig die restliche Bande in Schach.

„Nur eine Bewegung, Punks… und es hagelt Blei.“

Wieder erstarrten die angriffslustigen Bandenmitglieder. Als dann Selphie ihren Dreisegmentstab hervorholte und Rinoa klirrend die Klingen ihres Shooting Stars herausgleiten ließ, packte sie die Panik. Halls über Kopf liefen sie weg. Nur der Anführer, in dessen Nasenloch nach wie vor der Revolver steckte, stand da wie eine Salzsäule. Mit schreckensgeweiteten Augen blickte er auf die Waffe in seinem Gesicht herab.

Langsam ließ Irvine Exeter sinken. Dann wandte er sich dem Anführer zu. Er blickte ihm tief in seine angsterfüllten Augen.

„Peng!“

Zu Tode erschrocken, stürzte der Junge zu Boden. Stolpernd kam er auf die Beine und gab Fersengeld. Zufrieden legte Irvine sein Gewehr über die Schulter und blickte dem flüchtenden Burschen nach.

„Ihr habt mich gerettet…“, hörten sie eine leise Stimme hinter sich. Als sie sich umdrehten, kam der Mann von vorhin auf sie zu, der das Opfer der Bande geworden war. Er hielt sich mit der rechten seinen immer noch leicht blutenden Kopf.

„Sie siiind ja verletzt!“ Selphie ging ihm entgegen und besah sich seine Kopfwunde. „Besser sie seeetzen sich hin. Ich werde sie heilen.“

Müde ließ er sich zu Boden sinken. Die anderen umringten ihn, während Selphie einen Heilungsspruch auf ihn anwandte.

„Ich muss euch danken. Ohne euch wäre ich zumindest ausgeraubt worden oder sogar schlimmeres…“

Irvine hob die Schultern.

„Das war doch selbstverständlich.“

Blaues Licht umfing ihn, dann war seine Wunde verschlossen. Erstaunt griff er sich an den Kopf.

„Vielen Dank, Fräulein…“

„Frau Kinneas“, betonte Selphie. „Selphie Kinneas.“

„Sehr erfreut. Mein Name ist Auguste Baldore.“

Selphie lächelte fröhlich zurück, dann stellte sie ihre Freunde vor. Der Mann nickte ihnen allen dankerfüllt zu.

„Ich danke euch wirklich von Herzen… ihr seid aber nicht von hier, vermute ich?“

„Äh… richtig“, antwortete Rinoa zögerlich. „Wir sind… auf der Durchreise, genau.“

„Ich habe schon vermutet, dass ihr nicht aus Archadis seid. Aus der alten Stadt seid ihr aber auch nicht? Sicherlich nicht, solch selbstlose Hilfe wäre von dem Gesindel hier nicht zu erwarten.“

Ärgerlich den Kopf schüttelnd, stand er mit Selphies Hilfe auf. Mit leichtem Befremden registrierten sie seine Ablehnung den Bewohnern hier gegenüber.

„Nun… ist nicht gerade ein ungefährliches Pflaster, die Altstadt“, bemerkte Xell etwas verlegen.

„Ja, ihr habt wohl recht. Ich habe mich zu sehr auf die Präsenz unserer Wache verlassen. Doch es sind keine in der Nähe. Der Schlendrian hat wohl auch in ihre Reihen eingezogen“, sagte er verärgert. „Es ist nicht ohne Risiko, die alte Stadt zu besuchen, aber trotzdem gönne ich mir gerne dieses Vergnügen, so wie viele meiner Mitbürger.“

„Trotz der Chance, überfallen zu werden?“ fragte Xell irritiert.

„Natürlich! Reichtum kann doch nur so richtig genossen werden, wenn man sich das Elend anderer vor Augen führt.“ Mit Befremden sahen sich die Vier an, während der Mann es ihnen erklärte. „Man fühlt sich einfach besser, nachdem man sich an der Armut dieser Penner geweidet hat. Dieses Vergnügen ist uns Archadianern das Risiko wert. Außerdem führt es uns vor Augen, wohin Faulheit und mangelnder Ehrgeiz hinführen. Und zwar genau in diese Elendsviertel.“ Dann begann er in seinen Taschen zu kramen. „Ihr müsst euch unbedingt unser Archadis anschauen. Hier, nehmt dies!“ Er reichte Rinoa eine kleine Feder, aus Metall nachgebildet, die in sattem Schwarz schimmerte. „Ihr braucht dies, um die Stadt zu betreten. Nicht auszudenken, hätten mir diese Halunken sie geraubt!“ Bei der bloßen Vorstellung erschauderte er. „Dann hätten diese Rabauken die Stadt damit betreten können. Aber ihr Vier, ihr seid doch starke Kämpfer, richtig? Lasst mich raten… ihr seid von Beruf Kopfgeldjäger und reist durchs Land auf der Suche nach Aufträgen?“

Alle blickten Rinoa an, die fieberhaft überlegte. Dann nickte sie eifrig.

„Äh… ja! Genau so ist es…“

„Hervorragend! Es war wirklich ein glücklicher Zufall, der uns zusammengeführt hat. Ich bin nämlich Mitglied des sogenannten Jagdrings. Wir sind eine kleine Gesellschaft wissenschaftlich interessierter Bürger. Die Monsterologie ist unser Steckenpferd. Wir möchten soviel wie möglich über exotische, seltene Monster erfahren. Natürlich braucht es für handfeste Erkenntnisse auch Männer und Frauen der Tat… denn am leichtesten lassen sich tote Monster erforschen, nicht wahr?“ Lachend klopfte er Xell auf die Schulter. „Schaut doch vorbei im Stadtzentrum, und zwar auf der Höhenterrasse! Das ist im Senobul-Bezirk. Dort halten wir immer unsere Treffen ab.“
 

Auguste Baldore begleitete sie noch bis zur Treppe, die in die eigentliche Stadt hinauf führte. Diesmal konnten sie die Wachen passieren und spürten selbst durch die undurchdringlichen Helme ihre verblüfften Blicke. Xell konnte es sich nicht verkneifen, ihnen im Vorbeigehen die lange Nase zu zeigen.

Durch ein hohes, schmales Tor kamen sie in die Stadt. Auguste Baldore verabschiedete sich fürs erste von ihnen, nicht ohne ihnen das Versprechen entlockt zu haben, seinem Jagdring einen Besuch abzustatten. Und so ließ er sie alleine in der riesigen Stadt.

Fassungslos blickte Xell an den Wolkenkratzern empor. Wie erstarrte Riesen ragten sie in den blauen Himmel. Und zwischen ihnen teilten sich zahllose Flugschiffe den beengten Luftraum. Vom Rand der Straße, auf der sie standen, konnten sie in die Tiefe blicken und erkannten unter sich noch einmal dieselbe Ausdehnung wie nach oben. Diese Stadt war größer und gewaltiger, als alles, was sie zuvor gesehen hatten. Mit Ausnahme von Esthar vielleicht.

„Ist das rieeesig…“, murmelte er mit in den Kopf gelegten Nacken. Irvine klopfte dem verblüfften Xell auf die Schulter.

„Jetzt krieg dich wieder ein. Nur weil es größer als Balamb ist, brauchst du nicht gleich auszuflippen“, sagte er mit spöttischem Unterton zu ihm. Dann ging er los, und die anderen folgten ihm. Xell blickte ihm leicht beleidigt hinterher, bevor er sich ihnen ebenfalls anschloss.
 

Die Straßen waren bevölkert von Leuten, denen man ihren Wohlstand ansehen konnte. Welch Kontrast war dies zu der ärmlichen Bevölkerung der Altstadt! Hier lebte man in Reichtum und Luxus, und das zeigte man auch. Fast kamen sich die Vier in ihren einfachen, jeglichen Prunk vermissen lassenden Kleidern deplatziert vor. Und sie ernteten den einen oder anderen naserümpfenden Blick im Laufe der Zeit. Arroganz und Hochnäsigkeit schienen Teil der Kultur dieses Volkes zu sein. Man konnte förmlich riechen, wie die sich miteinander unterhaltenden Menschen auf den Straßen, in den Läden und Schenken unablässig in einem eitlen Wettstreit über Ansehen und Eindruck lagen. Und hinter all den Fassaden, die die Bürger dieser Stadt eifrig pflegten, lauerte immer dahinter die Furcht, diesen Wettstreit zu verlieren.
 

„Wie sieht nun unser Plan aus? Hier gibt es jedenfalls weder von Squall noch von diesem Ungeheuer eine Spur“, meinte Xell, während sie eine belebte Straße entlang schlenderten.

„Ja, ich habe gehofft, es würde einfacher werden, seine Spur aufzunehmen“, erwiderte Rinoa nachdenklich. Dann besann sie sich wieder ihres strategischen Kalküls. „Dieser Jagdring… diese Gesellschaft zur Erforschung seltener Monster… die könnten etwas über dieses Wesen wissen. Wirklich gut, dass wir diesem Mann über den Weg gelaufen sind.“ Einen Moment verharrte ihr Gedankengang. Etwas Beunruhigendes streifte ihren Geist, etwas, das direkt vor ihren Augen lag und doch leicht übersehen werden konnte… Zweifel helfen weder uns geschweige denn Squall, tadelte sie sich selbst und vertrieb den warnenden Gedanken. „Wir werden sein Angebot annehmen. Es ist besser, als planlos in dieser Welt herum zu irren“, sagte sie mit Nachdruck. Die anderen stimmten ihr wortlos zu. Auch wenn Rinoa zur Verträumtheit neigte, so hatte sie ihre Führungsqualitäten schon oft genug unter Beweis gestellt. Niemand zweifelte an ihrer Entscheidung.

„In Ordnung. Mir knurrt übrigens der Magen“, warf Xell ein. Rinoa blickte ihn etwas erstaunt an. Bei all ihren Plänen hätte sie fast die unmittelbaren Bedürfnisse ihrer Freunde vergessen. Abschätzend blickte sie zum Himmel. Die Sonne war bereits im Sinken begriffen.

„Du hast recht. Heute richten wir nicht mehr viel aus. Wir suchen uns eine Unterkunft. Morgen dann suchen wir diesen Jagdring auf.“

Schnell war der Entschluss gefasst. Selphie sprach einen vorbeigehenden Passanten an, eine ältere Frau, die schwer mit Schmuck behangen war.

„Verzeeeiiihung, können sie uns eine Absteige empfehlen?“ fragte sie unschuldig. „Wir sind neu in der Stadt und möchten hier übernaaachten.“ Die ältere Frau musterte sie argwöhnisch, und antwortete dann betont höflich.

„Im Riana-Bezirk gibt es das Warenhaus der Gebrüder Grandsch. Soweit ich es weiß, vermieten sie auch Zimmer an, äh… Reisende.“ Das letzte Wort hatte einen eigenartigen Klang und ließ ahnen, für was sie die Gruppe hielt.

„Daaanke“, sagte Selphie und deutete einen ungeschickten Knicks an. Die ältere Dame nickte wohlwollend und ging eilig weiter.
 

Nach einigem Herumfragen schließlich kamen sie in den genannten Bezirk. Dort fanden sie bald das Warenhaus. In seinem Inneren herrschte ebenso reges Treiben wie auf den Straßen. Nur dass der Großteil der Kunden dieses Ladens nicht aus Bürgern dieser Stadt, sondern aus Menschen aus verschiedenen Ländern zu bestehen schien. Sie sahen Männer und Frauen in exotischer Kleidung ohne Prunk, sondern eher zweckmäßig. Sie glichen fast denen der Bewohner des Elendsviertels, nur dass diese Leute augenscheinlich keine Armut litten. Der Laden selbst war eine Ansammlung der unterschiedlichsten Güter. Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens gab es ebenso wie Waffen und Rüstungen. Nach kurzem Suchen fanden sie die Verkaufstheke, und dahinter einen jungen Mann, der offensichtlich einer der Betreiber war.

„Seid gegrüßt, meine Freunde! Was kann ich für euch tun?“

Mit einer offenen Geste empfing er sie, bevor Rinoa auch nur ein Wort sagen konnte. Sein ungekünsteltes Gebaren war eine Wohltat nach all dem heuchlerischen Auftreten, dass sie in der Stadt erlebt hatten.

„Ich brauche Unterkunft für mich und meine Freunde“, erwiderte Rinoa freundlich. Der Mann nickte verständnisvoll.

„Die kann ich euch anbieten. Ihr seid beruflich hier, vermute ich?“

Sie nickte vorsichtig.

„Ja, so ist es…“

„Dachte ich mir. Ich wusste gleich, dass ihr keine Archadianer seid. Wir, die Ganschbrüder, heißen euch jedenfalls willkommen. Mein Bruder wird euch gleich eure Kammern zuweisen.“
 

Die Kammern enthielten immer zwei Betten. Irvine und Selphie teilten sich eine, ebenso Xell und Rinoa. Auch wenn sie ihr Ziel den ganzen Tag über auf den Beinen gehalten hatte, so spürte sie jetzt doch die Müdigkeit. Matt ließ sie sich auf ihr Bett sinken, während Xell auf seinem saß und seinen Gedanken nachhängen zu schien.

„Schon komisch, wie freundlich die zu uns waren. Als ob sie uns erwartet hätten.“

Rinoa, die eben noch vor sich hin dämmerte, horchte auf.

„Was hast du eben gesagt?“

Er blickte sie unverwandt an.

„Ich? Na, dass das ganze komisch ist…“

„Hm… vergiss es.“

Xell tippte mit den Fingern auf seinen Oberschenkeln, um schließlich wieder aufzustehen.

„Ich schaue mal, was es hier zum Futtern gibt.“

Rinoa nickte ihm nur müde zu, während er den Raum verließ. Sie versuchte, zu schlafen, doch ohne Erfolg. Letztendlich verließ sie das Zimmer ebenfalls.
 

Es war nun Abend, und der Laden war geschlossen. Jetzt waren nur noch die zahlreichen Gäste anwesend und speisten zu Abend oder standen am Tresen des Gästebereichs, um sich bei einem Getränk zu unterhalten.

Die Vier saßen an einem Tisch und beobachteten nach einer Mahlzeit das exotische Treiben. Besonders auf fielen ihnen die Wesen, die dem Hören nach ‚Seeks‘ und ‚Bangaas‘ waren. Beide hatten wenig Ähnlichkeit mit der menschlichen Rasse. Die einen waren ausnahmslos dickleibig und hatten schweineartige Gesichter. Die andere Rasse hatte vorwiegend schlanke, austrainierte Körper, echsenartige Schnauzen und herabhängende Ohren. Die Menschen hier verkehrten ganz selbstverständlich mit ihnen, nur den Vier fiel es schwer, sich mit dem bizarren Anblick anzufreunden.

Einer von den Bangaas, der lässig am Tresen lehnte, fiel dies scheinbar auf. Eine Weile musterte er die Neuankömmlinge. Schließlich ging er zu ihrem Tisch und setzte sich ungefragt zu ihnen.

„Ihr seid neu hier, richtig?“ begann er mit seiner tiefen, schnarrenden Stimme.

„Das ist wahr“, erwiderte Rinoa. „Mit wem haben wir die Ehre?“

„Man nennt mich nur den ‚Colonel‘. Wenn ihr neu in diesem Geschäft seid, dann merkt euch das gut.“

Sein Tonfall ließ an Autorität nichts missen. Argwöhnisch blickten sich die Freunde an.

„Nun, ich bin Rinoa, und das sind meine Freunde Irvine, Selphie und Xell. Was meinen sie aber mit… Geschäft?“

Der Bangaa begann nun zu lachen, was eher wie ein Wiehern klang. Dann stoppte es abrupt.

„Nachdem ihr noch unerfahren seid, verzeihe ich euch diesen Scherz. Überlegt euch eure Späße aber gut in Zukunft, sonst werdet ihr als Kopfgeldjäger nicht alt. Für wen arbeitet ihr überhaupt?“

Rinoa ließ sich angesichts der Unverfrorenheit des Bangaas nichts anmerken, sondern antwortete nur gelassen.

„Wir arbeiten für den Jagdring“, sagte sie selbstbewusst. Der Colonel schüttelte missmutig den Kopf.

„Das ist mir schon klar, aber für welchen?“ fragte er ungeduldig. Die Vier warfen sich ratlose Blicke hinzu.

„Äh… für einen gewissen Auguste Baldore…?“ erwiderte Rinoa vorsichtig. Der Colonel nickte langsam.

„So, so. Für den alten Baldore. Man merkt, dass ihr ganz neu im Geschäft seid. Da wundert es mich, dass er gerade euch angeheuert hat? Wie auch immer… ich habe meinen eigenen Jagdring und muss mich nicht mehr herumkommandieren lassen. Ich kann mir meine Auftraggeber frei aussuchen.“

„Wie viele Jagdringe gibt es denn?“ fragte Xell arglos. Der Bangaa breitete die Arme aus.

„Soviele, wie es gelangweilte, reiche Leute in dieser Stadt gibt. Also VIELE! Hahaha!“ Er amüsierte sich köstlich über ihre Unwissenheit. Dann wurde er wieder ernst. „Es ist der Zeitvertreib der Elite dieser Stadt. Sie gründen Jagdringe und lassen sie seltene und vor allem gefährliche Monster erlegen. Es ist ein Wettstreit, versteht ihr? Je gefährlicher das erlegte Monster, umso besser. Damit steigern sie ihr Ansehen unter ihres gleichen. Wenn dabei ein paar Kopfgeldjäger draufgehen, egal. Hauptsache, sie können damit angeben.“ Voller Verachtung spuckte der Bangaa auf den Boden der Schenke.

„Und warum machen sie das dann?“ fragte Irvine stirnrunzelnd. Der Colonel schlug mit der Faust auf den Tisch.

„Weil ein wagemutiger Recke damit viel Geld verdienen kann, deshalb! Und wenn man dabei draufgeht… hat man ebenfalls keine Geldsorgen mehr! Haha!!“ Wieder klang sein Lachen durch die Schenke, und es hatte einen unüberhörbaren zynischen Unterton. „Wie auch immer, wir werden uns wieder über den Weg laufen, das weiß ich jetzt schon.“ Dann stand er auf und verließ ihren Tisch. Konsterniert blickten sie ihm nach.
 

„Wir sollen also so eine Art Gladiatoren spielen für reiche, eingebildete Säcke? Das schmeckt mir gar nicht“, warf Xell in den Raum und ballte die Faust. Er war nun mit Rinoa und den anderen in einem ihrer Zimmer. Gemeinsam besprachen sie die Lage. Rinoa hörte ihm geduldig zu.

„Mir gefällt es auuuch nicht so“, gab ihm Selphie recht. „Aber was sollten wir sonst machen? Wer könnte den sonst noch etwas wissen über gefäährliche Monster?“

„Ich verstehe eure Einwände“, erwiderte Rinoa langsam nickend. „Ich wünschte, wir hätten einen besseren Plan. Ich sehe aber keinen, und deshalb werden wir das tun.“

Der feste Klang ihrer Stimme überraschte sie selbst. Xell musterte sie argwöhnisch.

„Du bist ja ziemlich überzeugt von der Sache. Was macht dich eigentlich so sicher?“

Sie wollte etwas erwidern, doch aus ihrem offenen Mund drang zuerst kein Ton. Die Wahrheit war, sie wusste es selbst nicht genau.

„Ich… ich spüre einfach, dass es richtig ist. Bitte vertraut mir.“

Rinoa bemühte sich nichts anmerken zu lassen. In ihrem Inneren nagten sehr wohl Zweifel.

„Na gut“, erwiderte Xell seufzend. „Machen wir es so. Wird schon schiefgehen.“

Rinoa nickte erleichtert. Dann wandte sie sich an Selphie und Irvine.

„Seid ihr auch einverstanden?“

Irvine nickte lässig, und Selphie legte ihr freundschaftlich die Hand auf die Schulter.

„Wir ziehen das durch, gemeiiinsam! Bald werden wir ihn finden, und dann kehren wir zurüück!“

Ihr warmherziges Lächeln machte ihr Mut.

„Ich danke dir. Ich danke euch allen, dafür… dass ihr mich begleitet.“

„Ist doch klar“, sagte Irvine und griff sich an seinen Cowboyhut. „Wir lassen doch unseren Mr. „…nicht wirklich“ nicht im Stich, oder was dachtest du?“

Rinoa lächelte matt.

„Ich wusste immer, dass ich mich auf euch verlassen kann.“
 

Die beiden gingen in ihr Zimmer um sich hinzulegen. Xell schlief schnell ein und schnarchte leise. Das war aber nicht der Grund, warum sie lange Zeit wach lag und an die Decke starrte. Die Rolle der Anführerin war nichts Neues für sie. Schon damals, zu der Zeit als sie die Widerstandsgruppe von Timber leitete, war es ihr leicht gefallen, andere zu begeistern und zu motivieren. Und schwere Entscheidungen zu treffen, von denen Leben und Tod abhing. Es waren alle ihre Freunde gewesen, damals in Timber. Und doch hatte sie nie ein Problem gehabt, sie auf gefährliche Missionen zu schicken. Der Gedanke mit ihrem Wirken die Welt zu verbessern, hatte sie beflügelt und alle Risiken schrumpfen lassen. Doch letztendlich hatte sie die Welt nicht verbessert.

Sicher, der Hexenkrieg war zu Ende, und auch die galbadianische Führung hatte nun ein menschlicheres Gesicht. Doch nach wie vor gab es Krieg und Unterdrückung in ihrer Welt… Und Squall lebte davon. Es war sein Beruf, und der seiner Freunde im Garden. In einer vollkommen friedlichen Welt hätten Leute wie er keine Aufgabe mehr. Für sich selbst hatte sie die Erkenntnis gefunden, dass Kampf niemals dauerhaften Frieden hervorbringen kann. Eine Schlacht geht zu Ende, die nächste beginnt. Wer Gewalt sät… SEED, das Wort für ‚Saat‘ bedeutete letztendlich auch die Saat der Gewalt. Es war ihr zu viel geworden, und deshalb hatte sie ihn verlassen. Zu Beginn hatte sie gehofft, sie würde ihn ändern können. Doch letztendlich war er zu stark mit dem Garden und seinem erlernten Beruf verwurzelt gewesen.

Ruhelos wälzte sie sich hin und her. Sie wollte ihn retten, aber… wieso? Aus Liebe, die sie schon erkaltet geglaubt hatte? Aus Freundschaft und allem, was sie verband? War er nicht letztendlich Opfer seiner eigenen, immer die Konfrontation suchenden Lebensweise geworden? All das hatte sie hinter sich lassen wollen, und doch hatte es sie eingeholt. Und nun war sie hier, gestrandet in einer fremden Welt. Während sie langsam in einen unruhigen, von wirren Träumen erfüllten Schlaf hinüberdämmerte, stiegen all die Befürchtungen in ihr hoch, die sie sich tagsüber nicht erlauben konnte. Sie sah sich und ihre Freunde umzingelt von Feinden, in einer ausweglosen Situation. Flammen stoben empor als Sinnbild des Krieges, den sie entfacht hatten und der sie nun zu verschlingen drohte. Sie wehrten sich tapfer, doch schließlich fielen sie einer nach dem anderen, überrannt von Feinden, die dieselben Gesichter hatten… wie sie selbst. Mehrmals schreckte sie hoch, und erst in den frühen Morgenstunden fand sie wirkliche Ruhe.
 

„Nein… nein… lass mich… in Ruhe…“

Etwas zerrte an ihr. Verzweifelt wehrte sie sich, doch es ließ nicht ab von ihr. Kalte Hände packten sie. In einer schnellen Bewegung zog sie ihren Shooting Star hervor und ließ die Klingen heraus schnellen. Als sie endlich wach war und die Augen öffnete- sah sie Xell. Er stand über sie gebeugt und fühlte ihre Waffe am Hals. Erschrocken zog sie sie zurück.

„Du hast mich schon wieder verwechselt“, sagte er und machte ein unglückliches Gesicht.

„Bitte verzeih mir. Ich habe… schlecht geträumt.“

Verlegen dreinblickend setzte sie sich auf und strich sich das Haar aus dem Gesicht. Xell war schon angezogen. Die Sonne blinzelte zum Fenster herein.

„Ich dachte, du verpennst noch den ganzen Vormittag. Dieser komische Typ, wir wollen ihn doch nicht warten lassen, oder?“

Sie nickte zustimmend und stand eilig auf. Hektisch schlüpfte sie in ihre Sachen.
 

Im ganzen Haus herrschte Aufbruchsstimmung. Der Großteil der Kopfgeldjäger war schon abgereist, und die Verbliebenen waren gerade dabei im hauseigenen Laden ihre Vorräte aufzustocken. Dier Vier standen in dem Gewühl und sahen sich um. Rinoa ging zum Tresen des Ladens, um ihr Quartier zu bezahlen. Nach einigem Warten erwischte sie einen der Gandsch-brüder.

„Ist irgendwas Besonderes? Ich meine, weil alle abreisen?“

„Aber natürlich“, antwortete er fröhlich. „Heute beginnt die offizielle Jagdsaison, sagt bloß, ihr wusstet das nicht? Die Regenzeit ist zu Ende, und viele der Jagdgebiete sind nun erst wieder zugänglich.“

„Wirklich? Nun, wir sind nicht von hier, wissen sie…“

Der Wirt lachte auf.

„Das dachte ich mir schon! Sagt bloß, ihr kommt aus Dalmasca? Das würde einiges erklären“, erwiderte er schmunzelnd. Rinoa nickte schief lächelnd, um sich dann von ihm abzuwenden. Gemeinsam verließen sie den Laden.
 

Wieder umfing sie der Trubel der Großstadt Archadis. Nach einigem Herumfragen wurde ihnen schließlich der Weg in den Senobul-Bezirk gewiesen.

„Am besten nehmt ihr ein Taxi“, empfahl ihnen ein Mann mit aufgezwirbeltem Schnurbart, um dann kopfschüttelnd weiter zu gehen. Die Vier sahen sich fragend an, dann fiel ihr Blick in die Richtung, in die der Mann noch gewiesen hatte. Am Rand der Straße, die ins nichts abfiel, schwebte ein Gefährt, wie sie es schon am Vortag gesehen hatten. Frohlockend lief Selphie darauf zu.

„Juhuuu, ein Luftschiff! Ich liebe Luftschiffe!!“

Die anderen folgten ihr schulterzuckend. Der Innenraum des unförmigen Fluggefährts war auffallend komfortabel eingerichtet. Langsam setzte es sich in Bewegung und flog los.

Gerade hatten sie sich an die Annehmlichkeiten des Gefährts gewöhnt, das wie ein Salon eingerichtet war, als es schon wieder hielt. Pfauchend ging die Tür auf und sie traten ins Freie. Der Fahrer, ein Mann in einer phantasievollen Uniform, verneigte sich vor ihnen, als sie ausstiegen. Rinoa kramte nach Geld.

„Wie viel schulden wir ihnen…?“

„Für Bürger erster Klasse ist das Taxi selbstverständlich gratis. Einen schönen Tag wünsche ich den Herrschaften noch“, erwiderte er mit einem ungläubigen Unterton. Dann stieg er wieder in sein Gefährt und wartete auf die nächsten Fahrgäste.

Das Stadtzentrum war nicht zu übersehen. Es war ein riesiger Bau, der nur durch einen Lift erreicht werden konnte. Dieser führte sie in eine Halle, die zahllose Geschäfte beherbergte. Wieder beeindruckte sie die ausladende Architektur. Weder mit Platz noch mit sonst etwas wurde in dieser Stadt gespart. Ungläubig staunend wandelten sie durch die Hallen und Gänge, deren verschwenderische Bauweise sie zutiefst beeindruckte. Wieder einmal fühlten sie sich an Esthar, die ‚schweigende Stadt‘, erinnert.

Bald fanden sie die sogenannte ‚Höhenterrasse‘. Schnell begriffen sie den Grund dieses Namens. Es war tatsächlich eine Terrasse, von der man von diesem beinahe höchsten Gebäude Archadis‘ die ganze Stadt überblicken konnte. Das Panorama war atemberaubend. Staunend hingen sie am Geländer.

„Waaaaah, was für eine Aussicht“, wunderte sich Selphie. Rinoas Blick glitt über das Panorama auf die Terrasse selbst, die mehrere Gastbetriebe beherbergte. Unter den vielen Tischen mit trinkenden und sich unterhaltenden Leuten fiel ihr einer ins Auge. Eine Person kam ihr bekannt vor.

Als sie näher kamen, erkannte er sie ebenfalls und winkte sie zu sich. Erfreut begrüßte er sie.

„Ah, da seid ihr ja!“ rief Auguste Baldore und wies ihnen Plätze zu. An seinem Tisch saßen noch drei andere Männer von ähnlichem Alter und Erscheinung. Er stellte sie ihnen der Reihe nach vor, ohne dass sie sich die ähnlich klingenden Namen gemerkt hätten. „Ich freue mich, dass ihr mein Angebot annehmen möchtet. Seid versichert, es wird sich für euch auszahlen“, bekräftigte er geheimnisvoll lächelnd.

„Ja, daran zweifle ich nicht“, begann Rinoa zuversichtlich. „Eigentlich erhoffen wir uns von ihnen Informationen über ein ganz spezielles Monster.“

„Fragt nur“, erwiderte er mit ausgebreiteten Armen. „Unser kleiner Zirkel hat sich schon der Erforschung seltener Monster verschrieben, als es noch wenige Jagdringe gab.“

„Nun… kennen sie ein Monster mit dem Namen Gilgamesch?“

Schlagartig kehrte betretene Stille in die Runde ein. Die Mitglieder des Jagdringes warfen sich ernste Blicke zu. Dann beugte sich Auguste Baldore nach vorne und stützte sich auf seine Ellbögen.

„Gilgamesch? Soll das ein Scherz sein?“

Rinoa schüttelte den Kopf.

„Nein, das meine ich ernst. Todernst.“

Dann lehnte er sich wieder zurück.

„Natürlich wissen wir von Gilgamesch. Welcher Monsterforscher hat noch nicht von seiner Legende gehört.“

„Legende…?“ fragte Xell verwirrt.

„Unter den sagenumwobenen Monstern nimmt die Gestalt des Gilgamesch eine besondere Rolle ein. Manche sagen, er ist nur ein Mythos, eine Sage. Andere sind davon überzeugt, dass es ihn wirklich gibt und haben sogar schon ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. Es wäre die Krönung eines jeden Monsterforscherlebens, könnte er seine Erlegung für sich verbuchen.“

„Das heißt, ihr wisst nicht viel über diesen Typen?“ bemerkte Irvine. Auguste Baldore nickte.

„Nicht mehr, als dass er an weit voneinander entfernten Orten aufgetaucht ist und sich allen Versuchen, ihn zu erlegen, erfolgreich wiedersetzt hat. Noch nicht einmal seine Existenz ist zweifelsfrei bewiesen.“ Rinoa seufzte niedergeschlagen. Das waren keine guten Neuigkeiten. „Solltet ihr ihn besiegen können, dann hättet ihr auf jeden Fall ausgesorgt. Wir wären schon froh, wenn ihr uns ein anderes, weniger sagenumwobenes Monster erlegen würdet.“

„Und das wäre?“ fragte Irvine, der merkte, dass Rinoa mit ihren Gedanken abgedriftet war. Nachdenklich starrte sie auf die Tischplatte. Auguste Baldore zog ein Pergament hervor und rollte es aus.

„In unserer Sammlung fehlt unter anderem ein sogenannter Riesenfürst. Laut unseren Nachforschungen sollten im Sohen-Höhlenpalast welche zu finden sein. Andere Kopfgeldjäger in unserem Auftrag haben dort sogar welche gesichtet, flohen aber dann.“ Er schnaubte verächtlich. „Solche Feiglinge. Ich bin mir sicher, ihr seid aus anderem Holz geschnitzt.“

Irvine und Xell sahen sich an. Jemand der vor einer Jugendbande floh, maß sich nun ein Urteil über Monsterjäger an.

„He, das sieht aus wie ein Staaahlgigant“, krähte Selphie fröhlich. Auguste horchte auf.

„Ein Stahlgigant? Was ist das für eine Spezies?“ fragte er neugierig. Irvine fiel ihr ins Wort.

„Äh, das ist… gar nichts. Nur ihre Erfindung. Wie kommen wir nun zu diesem… Höhlenpalast?“

Die Mitglieder des Jagdrings sahen sich schmunzelnd an.

„Ihr seid erst seit kurzem auf diesem Kontinent, nicht wahr? Man erreicht ihn direkt durch die Gewölbe der Altstadt. Es ist ganz in der Nähe, und schon so manch vorwitziger Abenteurer hat ihn betreten, ohne wieder zurückzukehren. Bei euch habe ich diese Befürchtung aber nicht.“

Der hat leicht lachen, dachte Irvine leicht empört.

„In Ordnung. Wie steht’s mit unserer Belohnung?“

„Natürlich, die Belohnung. Unser Kopfgeld für dieses Monster beträgt 3000 Gil.“

Xell schnappte nach Luft. Das war ein ganzes Monatsgehalt für einen SEED.

„Und was sollen wir mit dem Vieh dann machen? Ich hoffe, sie erwarten nicht, dass wir ihn hierher schleppen.“

„Oh, nein, natürlich nicht. Es genügt, wenn ihr diese Materia hier bei euch tragt.“ Er reichte ihm eine weiß schimmernde Kugel. „Ihr braucht sie nur während des Kampfs bei euch zu tragen, und sie wird alle Informationen über das Ungeheuer speichern. Ist so eine Art Auto-Analyse.“

Irvine verstaute das Ding bei seinen Sachen. Rinoa legte ihren abwesenden Blick wieder ab und fand ins Hier und Jetzt zurück.

„Ich habe eine Frage.“

„Fragen sie nur, Fräulein Rinoa“, erwiderte er charmant.

„Wir sind nicht die ersten, die sie dorthin schicken, richtig?“

Seine gefällige Miene schwand.

„Allerdings. Wir haben diesen Auftrag schon anderen Kopfgeldjägern vor euch übertragen.“

„Und die sind nicht zurückgekehrt…“

„In diesem Geschäft überleben nur die Starken. Das muss ich ihnen wohl nicht erklären“, erwiderte er kühl. Rinoa nickte langsam, dann erhob sie sich.

„Tja, dann wollen wir keine Zeit mehr verlieren. Wir sehen uns, wenn wir erfolgreich waren.“
 

Festen Schrittes gingen sie durch die Stadt. Ihr Ziel war die Treppe hinunter in das alte Archadis. Rinoa spürte mit einem Male eine Zielstrebigkeit, die sie in diesem Moment ganz erfüllte. All die Zweifel, die die letzte Nacht an ihr genagt hatten, sie waren wie weggefegt. Die anderen hatten Mühe, mit ihr Schritt zu halten, jetzt, wo sie ein konkretes Ziel hatte. Selphie beschleunigte, um zu ihr aufzuschließen.

„Saaag mal, Rinoa! Wie geht’s eigentlich weiter?“

Sie warf ihr einen fragenden Blick zu.

„Du hast ihn doch gehört. Wir suchen dieses Monstrum und erledigen es.“

„Ja, das weiß ich schooon, aber… wir sind doch nicht hierher gekommen, um auf Kopfgeldjagd umzusatteln, sondern- “

Rinoa stoppte abrupt und blickte sie ernst an.

„Das weiß ich, Selphie, glaub mir. Aber eines ist klar: dieser Gilgamesch ist ein gefährliches Monster, und andere suchen ihn ebenfalls. Wir steigen in die Kopfgeldjagd dieser skrupellosen Leute ein, und früher oder später wird er uns über den Weg laufen. Wenn ihn jemand anderer vor uns erwischt… dann werden wir nie erfahren, was mit Squall geschehen ist.“

Auch Irvine und Xell standen jetzt um sie rum und hörten ihr gefasst zu. Selphie nickte langsam.

„Du hast recht. Ich war mir nuuur nicht sicher, ob… na ja…“

„Ob ich mich von meinen Gefühlen zu sehr leiten lasse? Meinst du das?“ Sie stützte die Hände in die Hüften. „Sicher nicht. Glaub mir das.“ Selphie machte einen unbehaglichen Eindruck. Irvine stand mit verschränkten Armen neben ihr.

„Sie wollte dir sicher nicht das Vertrauen absprechen, Rinoa. Wir vertrauen dir, und das weißt du. Aber wir SEEDs sind es gewohnt, im Team zu arbeiten. Wenn kein Kontakt zu einer Befehlsstelle möglich ist, werden Entscheidungen demokratisch getroffen. So steht’s im Handbuch, und so machen wir es.“

Einen Moment lang blickten sie sich ernst an. Fast mutete es wie eine Kraftprobe an, bis Rinoa den Blick abwandte.

„Na gut. Ist wer dagegen?“

Irvines Blick ging zu Xell, und dieser wandte sich an Selphie. Diese machte ein unschuldiges Gesicht.

„Wir sind dafür“, begann Irvine. „Dein Plan ist bis jetzt brauchbar. Andere Alternativen haben wir im Moment eh nicht.“

Sie nickte noch einmal, dann setzte sie ihren Weg fort. Schon kamen sie zu der Treppe. Die Metallstufen schepperten unter ihren Schritten.

Immer dieses Getue, dachte sie verärgert. Squall ist in wer weiß welcher Not, und die reden von demokratischen Entscheidungen? Sie schluckte ihren Ärger über das SEED-Gehabe runter. Den sollte ich mir diesen Gilgamesch aufheben, dachte sie grimmig.
 

Schließlich erreichten sie in einem hinteren Winkel von Alt-Archadis ein steinernes Tor, das offenbar noch älter war als die restliche Bausubstanz. Hoch ragte es über ihnen auf und wirkte abweisend, fast bedrohlich. Ringsum sie beobachteten sie die Einwohner des Armenviertels. Sie sahen nicht, wie sich so manch ältere Frau bekreuzigte, als sie durch das Tor traten.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2008-11-03T15:28:05+00:00 03.11.2008 16:28
Hi ^^

So, hab Kapitel drei heute doch noch geschafft ^^ Ganz schön viel zu lesen, aber umso besser. Ich kann wirklich gar nicht mehr aufhören deine Geschichte zu lesen. Sie ist spannend, witzig, gefühlvoll und ziemlich interessant ^^
Interessant, dass Rinoa und Co. woanders gelandet sind als die Gruppe um Cloud. Bin ja mal gespannt, ob die beiden Gruppen aufeinander treffen und wo sich Tifa und Squall aufhalten. Von denen hat man ja bisher noch gar nix gehört seit sie verschwunden sind.
Gut beschrieben fand ich wieder die Gefühle von Cloud, dem langsam aber sicher klar wird, wie viel Tifa ihm bedeutet. Und auch das Gefühlschaos von Rinoa war gut beschrieben. Bin ja mal gespannt, ob das mit ihr und Squall noch was wird. Außerdem bin ich neugierig zu erfahren, ob sie über das Kopfgeldjägergeschäft wirklich zu Gilgamesch und somit zu Tifa und Squall finden.
Gestört haben mich wieder drei Stellen, die meiner Meinung nach einfach nicht in deine FF passen, leider.
[...]„Ist schon komisch…“, erwiderte Cloud. „Na ja… einfallslose Programmierer(*grins*)“[...]
[...]„Da ist doch nichts Schlimmes dran. Welches junge Mädchen schwärmt nicht für dich seit diesem komischen Film, Adventkranz oder so…(Hihi…)“ [...]
[...]„Ja, ist schooon komisch“, antwortete Selphie. „Ist wahrscheinlich, damit sich die Spieler bei den einzelnen Fortsetzungen besser zu Recht finden(Hihi…)“[...]
Das waren die drei Stellen, dir mich wieder ein wenig gestört haben, aber da deine FF so gut ist und es nur Kleinigkeiten sind, sehe ich darüber hinweg und werde sie auch in Zukunft weiter verfolgen ^^
Bin ja schon mal gespannt, wie es weiter geht ^^

LG, Phoenix



Von:  fahnm
2008-04-16T21:05:55+00:00 16.04.2008 23:05
Schon Komisch, Cloud und sein Team sind in Dalmasca gelandet während Rinoa und ihr Team in Archadis an gekommen sind. Ich bin schon gespannt wann sich
beide Gruppen über denn weg laufen, und ob sie sich zusammentun um Gilgamesch zu finden. Sag bescheid wenn es weiter geht und danke für die ENS.

mfg
fahnm


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