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Eternal Fantasy

von

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TS1-RR1-CS1

Es wird euch wohl interessieren, was eigentlich mit Squall und Tifa passiert ist. Nun, hier erfahrt ihr es...
 


 

„Aaaargh“

Der Sog wurde zu stark, er muss loslassen. Alles um ihn herum gerann zu einem Chaos aus Licht und Wind, der an ihm zerrte. Das Monster hatte seinen Spezialangriff ohne Reaktion weggesteckt, und nun drohte es ihn zu verschlingen. Seine Finger lösten sich von dem Möbelstück. Er stürzte auf das Wesen zu. Im Flug drehte er sich herum und richtete seine Waffe auf das Wesen. Schreiend raste er auf das Ungeheuer zu.

Wenn du mich schon fertig machst… dann nehme ich dich mit!

Kurz vor dem Aufprall drückte er ab, und der Schuss hallte durch seinen Gehörgang. Dann wurde das Gleißen unerträglich. Der Orkan schien nun mitten durch seinen Verstand zu wehen. All seine Gedanken verschwammen zu einem sturmumtosten Flackern.

Wenn ich… nur das… Löwenherz-

Die Kraft zerrte nun an seiner Gunblade. Verzweifelt hielt er sie fest, doch schließlich öffnete eine unwiderstehliche Macht seine Finger, und sie entglitt ihm. Sie verschwand im Mahlstrom aus brennendem Feuer und tosenden Rauschen. Nur noch bruchstückhaft konnte er denken und erwartete, ebenfalls von dem Sog zerrissen zu werden. Als der Schmerz schon beinahe seinen Geist vollständig lähmte-
 

Die darauffolgende Stille war fast noch schlimmer. Eisige Kälte umfing ihn, und der Wind wehte nur noch schwach. Mühsam öffnete er die Augen. Längst spürte er keinen Boden mehr unter den Füßen. Verschwommen sah er, wie er hinab sank. Undeutlich erkannte er einen trüben Himmel voller grauer Wolken. Säulen aus blassem Marmor zogen an seinem Blickfeld vorbei. Ein leises Dröhnen drang an seine Ohren, und irgendwie spürte er, dass dies der Atem der Zeit selbst war. Gänsehaut bedeckte seinen ganzen Körper, als ihn eine unfassbare Macht streifte. Er fühlte die Anwesenheit eines Bewusstseins. Unbändiges Schaudern ergriff ihn, und er wusste nun, wie sich eine Fliege in Gegenwart eines Giganten fühlen musste. Fast hatte er Angst, eingeatmet zu werden. Dann öffnet er die Augen-

Es war einfach nur gigantisch. Aus demselben Marmor wie die Säulen, sah er es nun vor sich. Die Statue musste hunderte Meter groß sein, als er vor ihr in die Tiefe sank. In einer nachdenklichen Pose saß sie auf einem breiten, abgebrochenen Säulenkapitel. Ob sie männlicher oder weiblicher Natur war, verrieten die ebenmäßigen Züge nicht. Eine marmorne Toga bedeckte den größten Teil des Körpers. Der Kopf war zur Seite gedreht, der Blick in eine unbestimmte Ferne gerichtet. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was dies war- nur das eine kaum fassbare Gefahr davon ausging. Dieser Eindruck durchflutete ihn bis in seine Haarspitzen. Immer weiter sank er in dieser unwirklichen Umgebung in die Tiefe, bis er schließlich beinahe den Fuß der Statue erreicht hatte. Unfähig, sich zu bewegen, starrte er zu ihr hinauf. Dann bewegte sich der marmorne Kopf in seine Richtung. Die vorhin noch blinden Augen öffneten sich, und kaltes Gleißen loderte in ihnen. Eine Stimme drang durch seinen Kopf, und die Endgültigkeit, die sie verhieß, ließ ihn bis ins Innerste erzittern.

„Ich warte auf euch…!“
 

„Was ist denn mir dir?“

„Bleib mir vom Leibe, du Monster“, stammelte Squall und hielt sich die Hand vor Augen. Das Tageslicht brannte ihn förmlich auf der Netzhaut. Langsam öffnete er sie. Was er sah, war- eine Frau, die ein kleines Kind an der Hand hielt.

„Was erlauben sie sich“, schimpfte sie empört, „meinen Sohn ein Monster zu nennen! Unerhört!“

Mit einem verärgerten Gesichtsausdruck wandte sie sich ab. Ihr Sohn an ihrer Hand starrte ihn immer noch fasziniert an, als sie ihn wegzerrte. Fassungslos schaute er ihnen nach. Ächzend kam er auf die Beine und putzte sich etwas verlegen seine SEED-Uniform ab. Die Leute ringsum starrten ihn verwundert an. Unbehaglich blickte er sich um.

„Habt ihr beiden etwa schon um die Tageszeit zu viel von unserem köstlichen Bhujerba-Wein erwischt?“ fragte sie ein Mann lachend, der am Geländer lehnte. Squall blickte ihn ratlos an.

„Was…? Welcher Wein und… was meinen sie mit ihr beide?“

Der Mann deutete neben ihn.

„Na, du und deine Freundin. Warum kriecht ihr dann auf dem Boden herum?“

Squall drehte sich um. Gleich hinter ihm kam gerade eine Frau auf wackelige Beine. Sie hatte lange, schwarze Haare, eine schwarze knielange Hose und einen Oberteil von derselben Farbe an. Eine rote Schleife war um ihren linken Oberarm gebunden, wie ihm auffiel. Sie blickte sich ebenso verwirrt um wie er. Dann fiel ihm seine Umgebung auf.
 

Sie standen auf einer Brücke, die zu einer Stadt führte. Sie überspannte aber nicht etwa Wasser, sondern- Wolken. Wie riesenhafte Wattebäusche zogen sie an der Stadt vorbei. Er lief zu dem Geländer der Brücke und starrte in die Tiefe. Hin und wieder gaben die vorbeiziehenden Wolken den Blick frei auf ein glänzendes Meer und eine grüne Küste.

„Das ist- schweben wir etwa?“ fragte er den Mann fassungslos. Dieser bedachte ihn mit einem mitleidigen Blick.

„Es ist doch immer dasselbe mit euch Archadianern. Ihr kommt hierher, spielt euch als was Besseres auf und betrinkt euch dann, bis ihr nicht mehr wisst, wo ihr seid. Ts…“ Kopfschüttelnd wandte er sich ab und ging weg. Squall schaute ihm verwirrt nach.

„Wo… bin ich hier?“ hörte er die Stimme einer jungen Frau hinter sich. Squall hob die Schultern.

„Woher soll ich das wissen“, murmelte er verärgert. Dann zog sein Löwenherz. „Ich will wissen, wo dieser Dreckskerl hin ist!“ schrie er nun fast. Die Leute um sie herum wichen zurück. Die junge Frau vor ihm blickte ihn irritiert an, als schaue sie durch ihn hindurch.

„Welcher… Dreckskerl?“ fragte sie abwesend.

„Na, der mit den vielen Armen und Schwertern! Wenn ich den erwische, dann- “ Squall fuchtelte mit seiner Waffe wutentbrannt herum.

„Der Typ mit den vielen Armen und Schwertern… meinst du etwa Gilgamesch?“

„Ist mir scheißegal, wie er hei- “ Squall erstarrte. Langsam drehte er sich um und blickte der Frau ins Gesicht. „Du… hast ihn ebenfalls gesehen?“

Die Frau nickte.

„Ja. Er hat unser Lokal überfallen. Cloud und ich haben gegen ihn gekämpft, aber… dann war da ein Lichtsog, und dann war ich hier…“

Squall steckte seine Waffe weg und ergriff die Frau bei den Schultern.

„Wenn du ihn auch gesehen hast… wer ist er? Was weißt du über ihn?“

Langsam erwachte sie aus ihrer Starre. Ihr nun plötzlich giftiger Blick traf seine Hände an ihren Schultern. Vorsichtig ließ er sie los.

„Wer bist du überhaupt?“

„Ich? Ich bin Squall Leonhart, Vizedirektor des Balamb-Garden. Und du?“

„Tifa Lockheart, Direktorin des ‚7.Himmels‘. Sehr erfreut“, antwortete sie säuerlich. „Wie sind wir hierhergekommen?“

Er schüttelte ratlos den Kopf.

„Ich habe nicht die geringste Ahnung.“

Kaum hatte er das gesagt, wandte er sich schon um und ging.

„He… warte!“ Er stoppte abrupt. „Wo willst du überhaupt hin?“ Er wandte ihr immer noch den Rücken zu und schüttelte den Kopf.

„Ich… ich weiß es nicht. Aber irgendwas muss ich tun.“

Tifa holte ihn ein und stand nun neben ihm.

„Zuerst sollten wir mal unseren Wissenstand vergleichen. Du sagst, du wurdest ebenfalls von diesem Wesen angegriffen?“

Jetzt erst merkte er, wie sehr ihn seine Wut benebelt hatte. Er lief herum wie ein kopfloses Huhn, und diese Frau hatte vollkommen recht. Geräuschvoll atmete er aus und verzog das Gesicht. Du bist ein SEED, verdammt, sagte er innerlich zu sich selbst.

„Also gut. Es kam so…“
 

Gemeinsam spazierten sie durch diese fremdartige Stadt. Jeder erzählte, wie es zu dem Aufeinandertreffen mit dem mysteriösen Wesen gekommen war.

„Balamb. Schumi. Das habe ich noch nie gehört. Wo soll das sein?“ fragte Tifa kopfschüttelnd.

„Wo das ist? Na, auf der Erde, wo sonst.“

Sie sah ihn schief an.

„Was glaubst du, von wo ich komme“, entgegnete sie scharf. „Oder wo wir hier sind…“ Sie deutete auf die altertümlichen Häuser aus rotem Backstein und die Menschen, deren Kleidung ihnen völlig fremd vor kam.

„Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, wo dieses Midgar sein soll. Auf meiner Welt jedenfalls nicht…“ Tifa blieb plötzlich stehen. Squall wandte sich zu ihr um.

„Dieses Ding… es muss uns irgendwie in eine andere Welt versetzt haben!“ sagte sie mit bedeutungsvoller Miene. Squall winkte ab.

„So ein Quatsch. Andere Welten, pah…“

„Welche Erklärung hättest denn du?“ begann sie vorwurfsvoll. „Wir sind demselben Wesen begegnet, und nun sind wir hier! Wir beide kennen diese Welt nicht, also… muss sie irgendwo anders sein, wo immer das ist…“ Squall atmete tief durch. Allmählich klang der Schock ab, und er besann sich wieder der Eigenschaften, die einen SEED ausmachten. „Also gut: als erstes sammeln wir Informationen. He, sie!“ rief er einer vorbeigehenden älteren Frau nach. Diese wandte sich um, musterte ihn skeptisch, um dann mit erhobener Nase weiterzugehen. Squall runzelte die Stirn. Tifa schüttelte langsam den Kopf.

„So wird das nichts.“

Sie blickte sich um, bis ihr Augenmerk auf einen Mann mittleren Alters fiel. Sie ging auf ihn zu und lächelte ihn an. Schnell entspannte sich ein Gespräch zwischen den beiden. Squall beobachtete das Geschehen argwöhnisch. Nach einer Weile lehnte er sich an eine Mauer, verschränkte die Arme und setzte eine gelangweilte Miene auf.

Schließlich kam Tifa wieder zurück. Sie strahlte übers ganze Gesicht.

„So, jetzt sind wir klüger.“ Squall machte ein erwartungsvolles Gesicht. „Diese Stadt heißt Bhujerba. Irgendeine seltsame Macht hält sie in der Schwebe, hat er mir erklärt. Sie ist bei Reisenden sehr beliebt, deshalb werden wir wohl nicht weiter auffallen.“

Er hörte ihr geduldig zu, seine Miene hellte sich aber nicht auf.

„Toll. Das hilft uns auch nicht wirklich weiter. Wer ist überhaupt der Zampano hier?“ Tifa verzog leicht das Gesicht angesichts seiner mürrischen Reaktion. Dann sprach sie betont gleichmütig weiter.

„Ja, das hat er auch erwähnt. Der Name ist etwas kompliziert, warte… Marquis Halim Ondore, der vierte! Genau, das war sein Name…“ Squall machte ein nachdenkliches Gesicht, während er die neuen Informationen verarbeitete. „Tja, man muss eben nur etwas freundlich sein zu den Leuten, dann erfährt man so einiges.“

Sie gingen weiter, und Squall kratzte sich am Hinterkopf.

„Das hat Rinoa auch immer gesagt…“, murmelte er.

„Rinoa? Wer ist das? Deine Freundin?“ fragte sie, während sie auf einen freien Platz kamen, von dem aus man in mehrere Richtungen das Wolkenmeer überblicken konnte.

„Ach…“, entgegnete er betrübt. „Nicht wirklich…“

„Nicht wirklich? Ist sie es nun oder nicht?“ hakte sie nach.

„Na ja, früher war sie es… das geht dich aber eigentlich gar nichts an“, entgegnete er rüde.

„Tut mir leid“, erwiderte sie säuerlich. Mann, was für ein Sauertopf, dachte sie seufzend. Fast wie Cloud zu seinen besten Zeiten…

Der Platz, auf dem sie nun standen, war voller Leben. Terrassenförmig erhoben sich Stufen zu drei Seiten, auf denen Leute saßen und tratschen, auf denen Kinder spielten und Liebespaare Zärtlichkeiten austauschten. Ein Frieden lag über der ganzen Szene, der Tifa das Chaos der letzten Nacht beinahe vergessen ließ. Und inmitten all der Fröhlichkeit stand ihr mysteriöser Begleiter mit verschränkten Armen und schaute griesgrämig in die Gegend. Dann fiel ihr Blick auf etwas sonderbares, und sie lief los.

„Hm? He, wo willst du hin?“

Squall blickte ihr nach, dann folgte er ihr seufzend.
 

„Nur ein Luftikus wagt sich ohne gescheite Equipage hinaus in die weite Welt! Tretet näher und kauft ein!“

Erstaunt starrte Tifa das Wesen an, das an dem Platz Waren feilbot. Es stand auf den Hinterbeinen und gestikulierte lebhaft mit seinen kräftigen Armen. Ansonsten hatte es aber starke Ähnlichkeit mit einer sprechenden Echse, deren Ohren herabhingen. Es bemerkte ihr Interesse und deutete es prompt falsch.

„Na, junge Dame? Braucht ihr was oder habt ihr schon? Wie wär’s zum Beispiel mit einem Set Phönix-Federn? Zehn Stück um nur 2000 Gil, hihi…“

Die anderen Leute um den Stand herum begutachteten seine Waren mit gedämpftem Interesse. Tifa hob die Achseln.

„Danke, aber- wartet: sagtet ihr… 2000 Gil?“

Er erwiderte ihren alarmierten Gesichtsausdruck mit einer entschuldigenden Geste.

„Ja, aber ich bitte euch! Das ist ein hervorragendes Angebot, seid dessen versichert!“

Nun stand auch Squall neben ihr und musterte das fremdartige Wesen misstrauisch.

„Habe ich gerade richtig gehört…?“

Der Kaufmann warf die Arme mit gespielter Verzweiflung in die Luft.

„Ihr möchtet mich in den Ruin treiben? Noch weiter runtergehen kann ich beim besten Willen nicht, nein, nein!“

Squall und Tifa blickten sich an, dann wandten sie sich zum gehen. Der Kaufmann rief ihnen fast flehend nach.

„A-aber vielleicht ein Schildkrötenkollier für die Dame? Damit wird euch ihr Herz sicher sein, seid dessen versichert! Kostet die Kleinigkeit von neuntausend…“
 

„Gil. Wie in unserer Welt. Ist das zu fassen?“

Tifa schüttelte den Kopf. Squall wollte dies ebenso tun, verharrte dann aber.

„Ihr habt… Gil als Währung?“

„Klar“, erwiderte sie schulterzuckend. „Ihr etwa… auch?“

„Hm…“ Nachdenklich verschränkte er die Arme. „Das wird immer seltsamer…“

Tifa schüttelte den mysteriösen Gedanken ab.

„Wie auch immer. Gehen wir weiter.“ Sie lief los, merkte aber, dass Squall ihr nicht folgte. Dann drehte sie sich um. „Was ist? Willst du da Wurzeln schlagen?“

Seine Züge spannten sich an, dann gewann er wieder Oberhand über seine Miene und setzte seinen üblichen, irgendwie teilnahmslosen Blick auf.

„Ja. Wir sollten uns nicht mit solchen Kleinigkeiten aufhalten. Gehen wir.“

Festen Schrittes ging er an ihr vorbei, und sie blickte ihm bedauernd nach.

Was für ein Sturschädel…
 

„Wir brauchen einen Plan. Wir müssen unser Vorgehen festlegen und klare Ziele defini- was ist denn jetzt schon wieder?“

Tifa lief weg, und er verfolgte sie genervt. Offenbar hatte sie Mühe, sich länger auf etwas zu konzentrieren, eine Eigenschaft, die bei Frauen verbreitet schien, dachte er.

„Oh, bist du süüß!“

Sie ging in die Hocke und sah dem Wesen ins Gesicht. Es wirkte wie ein überdimensionales Nagetier mit einem Hang zu schriller Kleidung. Ein roter Bommel hing an seinem Schweif und tanzte hin und her.

„Ich und süß? Danke für das Kompliment, kupo!“

Squall hatte sie nun eingeholt. Dann merkte er das Wesen. Seufzend griff er sich an den Kopf.

„Sprechende Mäuse? Was kommt als nächstes…“

Das Wesen blickte ihn giftig mit seinen schwarzen Kulleraugen an. Auch Tifa warf ihm einen tadelnden Blick zu.

„Ich bin keine Maus, kupo! Ich bin ein Mogry vom stolzen Volk der Mog, kupokapiert?“

„Ja, ja, ist schon recht…“, murmelte Squall.

„Ein Mogry bist du, sagst du? Wie interessant…“

Tifa unterhielt sich mit dem knuffigen Wesen angeregt, während Squall nur daneben stand und finster in die Gegend schaute.
 

„Kommunikation scheint ja nicht deine Stärke zu sein“, sagte Tifa lachend, während sie ihren Rundgang fortsetzten. Squall zuckte mit den Achseln.

„Nicht wirklich. Ist das denn so schlimm?“

„Nein, nein“, erwiderte sie versöhnlich. „Ich kenne jemanden, dem geht es ähnlich…“ Ihre Gedanken wanderten zu Cloud. Mit einem Male wurde ihr bewusst, dass ihr sein Schicksal unbekannt war. Nach dem Lichtblitz… was war geschehen? Hatte das Wesen weiter gegen ihn gekämpft, ihn womöglich… besiegt? Nein, sagte sie zu sich selbst. Nicht Cloud. Den haut nichts so leicht um, versicherte sie sich selbst.

„Alles in Ordnung?“

Aus den Gedanken gerissen, blickte sie ihn Squalls blaue Augen.

„Ja, es ist… ich habe an einen guten Freund gedacht.“

„Der, der ebenso unkommunikativ ist wie ich?“

Nun musste sie lächeln.

„Ja, genau der.“

„Hm. Geht mich ja nichts an.“

Er ging weiter, und sie folgte ihm eilig.

„Warte… ich kann es dir gerne erzählen.“

„Und warum“, entgegnete er. „Es ist dein Leben, nicht meines.“

„Aber… jetzt warte mal!“ Widerwillig blieb er stehen. Tifa blickte ihn ernst an. „Was ist eigentlich mit dir? Ich meine, wir sind hier beide in einer fremden Welt gestrandet, und da können wir uns ruhig besser kennenlernen. Ich verstehe nicht, warum du so abweisend bist“, fügte sie kleinlaut hinzu. Seine tiefgründigen, dunkelblauen Augen ruhten einen Moment auf ihr, dann drehte er sich um. Seufzend verschränkte er die Arme.

„Ich weiß… ich bin so. Wahrscheinlich hat sie mich deshalb verlassen“, flüsterte er mehr zu sich selbst. Sein Blick hob sich zum Himmel. „Es wird allmählich spät. Wir sollten uns um eine Unterkunft umsehen“, sagte er nun wieder mit fester Stimme. „Unser Geld nehmen die ja, also… suchen wir uns eine.“
 

Die untergehende Sonne färbte das Wolkenmeer um die schwebende Stadt in alle Rot- und Orangetöne, die man sich ausmalen konnte. Tifa war ganz hingerissen von dem Anblick, selbst Squall hielt einen Moment Inne, bevor sie ihre Suche nach einem Quartier fortsetzten. Schließlich standen sie vor einem Gebäude, bei dessen Eingang eine Tafel mit den Gerichten des Tages aushing. Über der Tür stand ‚Zur schwebenden Wolke‘.

„Das klingt gut, gehen wir rein“, sagte Tifa fröhlich, bevor Squall noch etwas sagen konnte. Leise seufzend folgte er ihr.

Das Innere des Gasthauses war so farbenprächtig und exotisch eingerichtet, wie man es in einem fernen Land erwarten konnte. Die zahlreichen Gäste unterhielten sich vorzüglich, und einige Gesellen mit Gleichgewichtsproblemen verrieten, dass hier gerne ein guter Schluck getrunken wurde. Von dem Trubel beeindruckt, gingen sie zur Theke. Eine junge Frau in der üblichen Landestracht hatte beide Hände voll zu tun, die Gläser nachzufüllen. Trotzdem kümmerte sie sich bald um die beiden.

„Seid gegrüßt, Reisende! Ich bin Melissa, Wirtin dieses Hauses. Wie kann ich euch dienlich sein?“

„Wir brauchen eine Unterkunft“, sagte Squall eilig. Tifa merkte, dass er sich in dieser ausgelassenen Umgebung nicht allzu wohl fühlte.

„Aber gerne. Einen Moment, Magu wird sie euch zeigen. Maaguu!! Steh auf, verdammt!“

Ihr Ruf galt einer fetten Kreatur, die in einer Ecke des Gasthauses lag. Im Vorbeigehen hatten sie ihn für einen betrunkenen Gast gehalten. Langsam kam das Wesen, das einem aufrechtgehenden Schwein ähnelte, auf seine unbeholfenen Füße.

„Was gibs, Chefin“, lallte er, während er sie mit unsicheren Schritten ansteuerte. Melissa machte ein unglückliches Gesicht.

„Was für eine Schande. Du trinkst mehr, als du den Gästen bringst, weißt du das, Magu?“

Magu machte ein betroffenes Gesicht, soweit dies seine fremdartige Erscheinung erlaubte.

„Aaaber Melissa, werte Chefin*hicks*… ich koste doch nur unseren berüühmten Wein, ob er*hicks*… auch gut genug ist…“

Sie bedachte ihn mit einem tadelnden Blick und schüttelte den Kopf.

„Es ist furchtbar mit dir, Magu… und jetzt zeig unseren Gästen ein Quartier für die Nacht, hörst du? Marsch!!“

Auf das letzte, drohende Wort hin kam plötzlich Eifer in seine Bewegungen. Tifa und Squall hatten Mühe, mit dem beschwipsten Seek Schritt zu halten.
 

„Da-das ist es*hicks*… hoffe, es gefäällt…“

Bevor noch Squall etwas erwidern konnte, taumelte der Seek schon wieder davon. Ratlos blickte er ihm hinterher. Tifa betrat den kleinen, aber liebevoll eingerichteten Raum.

„Ist doch hübsch hier drin.“

Vergnügt ließ sie sich auf das breite Bett in der Mitte des Raumes fallen und breitete die Arme aus. Squall beobachtete sie stirnrunzelnd.

„Aber… das ist ja ein Doppelbett!“

Seufzend setzte sie sich wieder auf.

„Tja, die halten uns wahrscheinlich für ein Paar in den Flitterwochen. Aber keine Angst, ich beiße nicht“, fügte sie kichernd hinzu. Wortlos und mit finsterer Miene setzte er sich an die äußerste Kante des Betts. „Sag bloß, du hast Angst vor Mädchen“, zog sie ihn auf.

„…nicht wirklich“, antwortete er mit hängenden Schultern. „Ich bin es nur gewohnt, alleine zu schlafen.“

Tifa legte den Kopf schief.

„Aber du sagtest etwas von einer Rinoa… deine Freundin?“

„Sie war meine Freundin“, betonte er.

„Aber du hast du doch schon mal mit ihr geschlafen, oder?“ hakte sie neugierig nach. Er wandte sich um und schaute sie entrüstet an.

„Also ich weiß wirklich nicht, was dich diese Details angehen- “

„Schon gut, war wirklich etwas… indiskret. Musst es mir ja nicht erzählen.“

„Und bei dir? Hast du einen Freund?“ fragte er in erster Linie, um von seinem wunden Punkt abzulenken. Sie stützte sich auf ihre Knie und atmete seufzend aus.

„Ja… irgendwie schon.“

Nun musste er lächeln.

„Was nun? Ja oder nein?“

Sie schüttelte lachend den Kopf.

„Jetzt hast du mich ebenfalls ertappt. Nun ja; das ist nicht so einfach. Er ist ein sehr guter Freund. Wir haben eine Menge miteinander durchgemacht. Aber ob wir ein Paar sind…“

Sie wurde nachdenklich. Die letzte Zeit hatte sie sich gar nicht mehr mit dieser Frage beschäftigt. Zu selbstverständlich waren der Tagesablauf und das tägliche Miteinander mit Cloud geworden. Sie empfand wohl wie eine Schwester für ihn; doch war da nicht mal mehr gewesen? Hatte sie sich nicht mehr gewünscht?

„Er heißt Cloud. Cloud Strife. Wir kennen uns schon seit unserer Kindheit. Ich habe früher für ihn geschwärmt, doch irgendwie… wurde da nicht mehr als Freundschaft draus. Na ja, zwischenzeitlich war da noch eine andere Frau, aber die lebt nicht mehr. Und seither… Du erinnerst mich übrigens ziemlich an ihn, weißt du das? Squall?“ Der Angesprochene saß da mit hängenden Schultern und reagierte nicht. „Hörst du mir überhaupt zu, Squall?“

„Hm? Ja, klar. Äh… was sagtest du?“ Er drehte sich zu ihr um, und einen Moment erschrak sie innerlich. Seine dunkelblauen Augen schienen einen Moment einen eisigen Glanz anzunehmen, und fast… sah sie Clouds Gesicht in seinem. „Alles in Ordnung?“

Sie schüttelte verwirrt den Kopf.

„Ja… ich habe nur… es ist nichts.“

„Wirklich? Du schaust drein, als hättest du einen Geist gesehen.“

Verwirrt schaute sie zu Boden, dann fing sie sich wieder.

„Und diese Rinoa? Wie ist sie so? Erzähl mal.“

Seufzend stand er auf.

„Na ja, was soll ich sagen… sie ist sehr lebhaft, hat ständig alle möglichen Ideen. Also eigentlich… ist sie dir sehr ähnlich. Soweit ich dich bis jetzt kenne.“

Ein zartes Lächeln huschte über ihr Gesicht.

„Das fasse ich als Kompliment auf.“

Seine Züge hellten sich einen Moment auf, bevor er sich dann wieder abwandte. Geräuschvoll ausatmend ging er durchs Zimmer.

„Ich weiß nicht wie es dir geht, aber ich bin hundemüde.“ Dann begann er seine SEED-Uniform abzustreifen. Tifa musste bei dieser Erwähnung gähnen.

„Du hast wohl recht. Das war ein bisschen viel heute.“

Sie fing ebenfalls an, sich für die Nachtruhe herzurichten. Squall, ganz Gentleman, drehte ihr den Rücken zu, während sie sich auszog. Nur einmal horchte er auf, als er ein metallisches Klappern hörte.

„Es geht mich ja nichts an, aber… war das deine Waffe?“

„Na ja, gewissermaßen“, sagte sie kichernd. „Nein, im Ernst, ich trage keine Waffe. Ich kämpfe mit den Fäusten.“

„Aha.“

„Das war mein Bustier.“

Obwohl er ihr den Rücken zuwandte, konnte sie förmlich spüren, wie seine Augen groß wurden.

„Du trägst ein Bustier aus… Metall?“

„Ja. Ist praktisch im Kampf. Schützt alle empfindlichen Teile.“

„Ich verstehe“, räusperte er sich. „Bist du jetzt fertig?“

„Ja.“

Er drehte sich um. Sie saß im Bett mit der Decke bis unters Kinn und lächelte schelmisch.

„Ich kann auch auf dem Boden schlafen, falls dir das lieber ist…?“

„Nun komm schon“, entgegnete sie mit verdrehten Augen. „Stell dich nicht so an.“

Mit trotziger Miene schlüpfte er unter die Decke. Sofort drehte er sich zur Seite und wandte ihr seinen Rücken zu.
 

„Squall?“

„Hm…“

„Ich kann nicht schlafen.“

Seufzend drehte er sich auf den Rücken.

„Und was soll ich da tun?“

„Keine Ahnung… erzähl mir irgendwas.“

Er atmete geräuschvoll aus.

„Ich weiß, dass ich kein begnadeter Erzähler bin, aber so langweilig bin ich auch wieder nicht, dass du dann unweigerlich einschläfst.“

Er hörte ihr Lachen durch das dunkle Zimmer.

„Dein Humor ist großartig, wirklich. Erzähl mir was von dir. Was machst du so? Ich meine, in deiner Welt, wo du herkommst.“

Sie hörte einen langgezogenen Seufzer in der Finsternis.

„Tja… ich bin stellvertretender Direktor des Balamb-Garden. Das ist eine Einrichtung, die Söldner ausbildet und beschäftigt. Die SEEDs kämpfen gegen Hexen… zumindest war das ihre ursprüngliche Aufgabe. Heute machen wir alles Mögliche. Attentate, Staatsstreiche, Revolten niederschlagen… alles, wofür wir bezahlt werden.“

„Puuh…“

Tifas Stirnrunzeln war praktisch hörbar.

„Und du? Was ist dein Job?“ fragte er unüberhörbar gelangweilt.

„Ich? Ich führe eine Bar. Das habe ich schon früher gemacht, aber sie wurde zerstört. Jetzt habe ich eine neue. Ja, ich mache es gerne, wenngleich… Squall? Squall, hörst du zu?“

„Hm?“

„Sag es ruhig, wenn du schlafen willst, dann höre ich sofort auf“, sagte sie in einem beleidigten Tonfall.

„Okay. Bitte erzähl weiter“, antwortete er beschwichtigend. So viel wusste er schon über Frauen.

„Na ja, wie soll ich sagen… ich und Cloud, und ein paar gute Freunde, wir haben ziemlich verrückte Sachen durchgemacht die letzten Jahre. Es mag verrückt klingen, aber… wir haben die Welt gerettet. Also unsere Welt. Kannst du dir das vorstellen?“

„Klar“, erwiderte er und starrte hilflos an die Decke. Wenn Frauen mal anfangen zu reden… , dachte er seufzend.

„Du nimmst mich nicht ernst.“

„Sicher tu ich das. Wen habt ihr besiegt?“

„Wie meinst du das…?“

„Also, wenn man die Welt rettet, dann muss man dafür einen übermächtigen und durch und durch bösen Gegner besiegen, der… wer weiß was anstellt, wenn man ihn nicht aufhält.“

Tifa blickte verdutzt in die Dunkelheit.

„Ja, so ähnlich war es… er hießt Sephirot. Er wollte den Planeten zerstören.“

Sie hörte ein amüsiertes Schnauben.

„Sephirot. Was für ein bescheuerter Name…“

„Ja, jedenfalls… du kennst dich mit sowas aus?“

„Wir hatten einen ähnlichen Fall. Artemisia, eine Hexe aus der Zukunft, wollte unsere Welt einer Zeitkompression unterziehen. Das mussten wir verhindern.“

„Eine… Zeitkompression? Was bitte ist denn das?“

„Ein schlechter Einfall von Kazushige Nojima.“

Beide mussten kichern.

„Jedenfalls… was ich sagen wollte, war dass ich das Gefühl habe… etwas besseres verdient zu haben“, sprach Tifa weiter. „Ich meine, ohne uns würde es ziemlich schlecht aussehen in unserer Welt… und trotzdem stehe ich nach wie vor hinter einer Theke und schenke Bier aus. Das ist irgendwie ungerecht.“

„Ich dachte, du machst es gerne?“ erwiderte Squall, und zum ersten Male war ehrliches Interesse in seiner Stimme hörbar.

„Ja, schon, aber… ich werde das Gefühl nicht los, was verpasst zu haben.“

„Du bist doch noch jung. Du hast dein Leben noch vor dir.“

Sie warf einen ungläubigen Blick zu ihm rüber.

„Du redest ja, als ob du selber schon uralt wärst. Ich schätze, wir sind im selben Alter.“

Squall drehte sich um und vergrub seinen Kopf im Kissen.

„Niemand ist in meinem Alter“, murmelte er, „aber das habe ich ja schon mal gesagt…“

„Hm? Wie alt bist du überhaupt?“

„Neunzehn.“

„Neunzehn und schon Vizedirektor von einem… äh, was auch immer. He, warte mal! Ich bin zweiundzwanzig! Wenn, dann sollte ich altklug daherreden von uns beiden!“

„Ja, ja…“, stöhnte Squall in sein Kopfkissen hinein. „Wenn du schon nicht schlafen kannst, lässt du mich wenigstens?“

Tifa seufzte nachsichtig.

„Ja… du hast ja recht. Also, gute Nacht.“
 

Exakt eine Minute vor dem ersten Hahnenschrei erwachte Squall. Er setzte sich auf und blickte sich verwirrt um. Seine Umgebung… dann fiel es ihm wieder ein.

Ich bin nicht mehr im Balamb-Garden, sagte er sich innerlich vor. Ich bin in einer fremden Welt, und das Ziel lautet, zurückzukehren.

Nachdem er hiermit sein Motto für den Tag festgelegt hatte, stand er zügig auf. Mit eingespielten Bewegungen schlüpfte er in seine vom Vortag feinsäuberlich aufgehängte Uniform. Das hätte er auch in völliger Finsternis gekonnt, und schließlich stand er da wie aus dem Ei gepellt. Er tat einen Schritt, um dann in der Bewegung zu erstarren. Nein, in mein Büro kann ich heute nicht, dachte er und schüttelte über sich selbst den Kopf. Dann fiel sein Blick auf das Bett, in dem eine junge Frau auf der Seite eingerollt lag und schlief. Squall, der es gewohnt war, immer früh aufzustehen, rümpfte die Nase.

Vorsichtig trat er an sie heran und schaute ihr ins Gesicht. Ihre Lippen zitterten, als träumte sie etwas. Aus ihrem Mundwinkel hing ein dünner Speichelfaden. Er betrachtete sie kopfschüttelnd, dann fiel sein Blick auf ihre Kleidung, die in einer Ecke auf einem Haufen lag. Argwöhnisch betrachtete er den Haufen. Schließlich hob er ihren Oberteil auf. Als er mit den Knöcheln gegen die verstärkte Vorderseite klopfte, tönte es metallisch. Ein plötzliches Grunzen ließ ihn herumfahren. Jetzt schien Tifa etwas im Schlaf zu murmeln. Erneut trat er an sie heran. Diesmal packte er sie an der Schulter, um sie wachzurütteln. Es folgte ein undeutliches „Hau ab“. Mit einer Hand schob sie ihn weg. Doch er ließ sich nicht entmutigen.

„Aufstehen!!“ schrie er ihr ins Ohr, und sie schreckte hoch. Die Haare wirr übers Gesicht hängend, starrte sie ihn an.

„Bist du… wahnsinnig!?“

Squall hob die Schultern und verschränkte die Arme.

„Du hättest sehen sollen, was ich früher immer mit faulen Kadetten angestellt habe. Zu dir war ich gnädig.“

„Ich bin keiner deiner… Kadetten“, knurrte sie ihn an und kroch aus dem Bett. Schlaftrunken sammelte sie ihre Kleider ein und zog sie über.

„Wir sind hier nicht auf Urlaub, falls du das schon vergessen hast. Du bist kein Morgenmensch, was?“ fügte er milder hinzu.

Tifa schüttelte den Kopf, während sie den Weg in ihre Kleider suchte.

„In meinem Lokal sperre ich selten vor drei Uhr morgens zu. Ich bin es gewohnt, lange zu schlafen.“
 

Zu dieser Zeit war wenig los im Gasthaus ‚Zur schwebenden Wolke‘. Tifa und Squall saßen an einem Tisch und frühstückten. Während Tifa hängenden Auges in ihrer Tasse rührte und sich Mühe gab, das Essen runter zu würgen, beobachtete Squall, der es gewohnt war in drei Minuten zu frühstücken, wie Melissa den faulen Magu herumtrieb. Der Seek war immer noch benommen vom Vortag und hatte alle Mühe, die Anweisungen seiner Chefin zu befolgen. Mit ungelenken Bewegungen versuchte er, den Boden aufzuwischen. Schließlich stieß er mit den eigenen Füßen den Eimer mit dem Dreckwasser um, was eine weitere Schimpftirade Melissas nach sich zog. Schmunzelnd schüttelte Squall den Kopf, dann fiel sein Blick wieder auf Tifa, die lustlos vor sich hin kaute. Ihr langes, schwarzes Haar war zwar durcheinander, aber trotzdem erinnerte es ihn an… Rinoa. Der Gedanke schmerzte, und er wandte sich ab. So viel hätte er ihr sagen wollen, und jetzt… würde er vielleicht nie mehr Gelegenheit mehr dazubekommen. Seltsamerweise dachte er erst an zweiter Stelle an die Lücke, die er im Garden hinterlassen würde. Sie war ihm wichtiger, dass musste er sich eingestehen. Ich liebe sie immer noch, durchfuhr es ihn schmerzhaft. Die Erkenntnis kommt spät… hätte ich es ihr doch nur ins Gesicht gesagt…

Geräuschvoll ließ sie den Löffel fallen und gähnte noch einmal herzhaft.

„Uaaah… und was machen wir jetzt, Captain Squall?“ fragte sie mit einem spöttischen Unterton. Aus seinen Gedanken gerissen, blickte er sie an.

„Ich bin kein Captain. Aber du kannst mich mit Vizedirektor anreden.“

Beide mussten lächeln. Dann wurde er wieder ernst.

„Um ehrlich zu sein, ich weiß es nicht. Zuerst müssen wir mehr über diese Stadt herausfinden. Und dann…“ Hilflos seufzte er. „Keine Ahnung. Irgendwas wird sich ergeben.“

„Na gut“, sagte sie und erhob sich schwunghaft. Nun endlich schien sie wirklich wach zu sein. Fröhlich schlenderte sie auf die Tür und zu und drehte sich um.

„Was ist los? Wir sind hier nicht auf Urlaub, hast du das schon vergessen?“ sagte sie lachend und zwinkerte ihn an.
 

Sie setzten ihren Stadtrundgang vom Vortag fort. Nun kamen sie in einen Stadtteil, hinter dem sich eine niedrige Bergkette aufzutürmen schien. Dichte Wälder waren in der Ferne erkennbar, und schließlich standen sie vor einem hohen Eingang, der direkt in den Berg führte. Förderanlagen führten in sein Inneres. Interessiert betrachteten sie die Anlage. Auf dem Platz vor dem Eingang befanden sich einige Straßenhändler. Einen von ihnen sprach Squall an.

„Was ist das für eine Höhle da vorne?“

Der Händler, ein fetter Seek, schenkte ihm einen mitleidigen Blick.

„Und da heißt es, ihr Archadianer wäret so gebildet… ich bin zwar kein Fremdenführer, aber lasst es euch gesagt sein: das sind die Lhusu-Minen. Dort drinnen werden Maginite gefördert, das wichtigste Exportgut unseres kleinen Staates. Die schuften richtig hart da drin, da werde ich schon müde, wenn ich nur dran denke…“ Gähnend lehnte er sich zurück und blinzelte in die Sonne. Squall bedachte ihn noch mit einem Kopfschütteln, dann gingen sie weiter, um sich den gewaltigen und kunstvoll verzierten Stolleneingang näher anzusehen.

Breite Treppen führten hinab und in die Dunkelheit der Minen. An einem Brunnen vor der Treppe lehnten einige Arbeiter und unterhielten sich. Offenbar machten sie Pause, während andere wiederum die Treppen hinabgingen, um ihre Schicht zu beginnen. Der Stolleneingang wurde flankiert von aufmerksamen Wachen in dem warmen Klima angepassten Rüstungen. Eine Weile verfolgten sie das Geschehen, bis etwas geschah. Zuerst kamen mehrere Arbeiter aus der Mine und liefen zu den Wachen. Sie waren von Panik erfüllt, und Momente später liefen die Wachen mit ihnen in die Mine hinein.

„Schau mal… irgendwas passiert da“, sagte Tifa und deutete in Richtung Mineneingang. Dann hörten sie Schreie. Jetzt horchten auch alle umstehenden Arbeiter auf und legten ihre Arbeit nieder. Gespannt blickten alle zum Mineneingang. Weitere Schreie erklangen, und allmählich kam Unruhe in die Menge. Verwirrt blickten sich die Menschen auf dem Platz vor der Mine an. Dann rannten die ersten Arbeiter aus der Mine heraus. Sie schrien etwas unverständliches, doch daraufhin flohen auch alle anderen Leute von dem Platz. Unsicher blickten sich die beiden um. Dann ertönte ein tiefes, röhrendes Gebrüll. Beide wussten, dass es von keinem Menschen stammen konnte. Sie sahen sich an. Dann zog Squall sein Löwenherz hervor und klappte die Trommel auf. Er schielte in die Kammer und fand sechs Patronen vor, die sich immer wieder auf wundersame Weise erneuerten. Geräuschvoll ließ er sie wieder zu schnappen. Tifas Blick ruhte auf seinem.

„Denkst du, was ich denke…?“ fragte sie gedehnt, während um sie herum Chaos ausbrach. Er nickte nur, und sie streifte ihre schwarzen Handschuhe über. Dann setzten sie sich in Bewegung und gingen ungerührt an all den ihnen entgegen rennenden Menschen vorbei.
 

Die in die Enge getriebenen Minenarbeiter drückten sich in der Nische angsterfüllt aneinander. Sie wussten, dass sie ihnen keinen Schutz vor dem Ungeheuer bieten würde. Ihre einzige Hoffnung waren die herbeigerufenen Wachen, die es hoffentlich bezwingen würden-
 

„Aaaargh!!!“

Der Soldat schrie aus voller Kehle, als ihn der Ameisenlöwe mühelos mit einer seiner Klauen emporhob. Die anderen Soldaten attackierten das Ungeheuer mit ihren Schwertern von allen Seiten, doch die Angriffe verpufften an seinem Panzer. Immer höher hob er sein Opfer. Verzweifelt verfolgten die Wachen, wie ihr Kamerad direkt über den Schlund des Monsters gehoben wurde. Pure Panik stand in seinen Augen geschrieben, und schließlich ließ das Ungeheuer los. Kreischend stürzte er in den Rachen des Untieres. Geräuschvoll verspeiste er sein Opfer. In diesem Moment verließ die restlichen Wachen aller Mut, und sie rannten hinaus. Squall und Tifa wurden beinahe umgerannt von ihnen. Squall packte einen von ihnen gewaltsam an der Schulter.

„Was ist hier los, zum Diabolos?“ herrschte er ihn an. Der Mann, in dessen Gesicht nackte Angst Panik zu sehen war, stammelte:

„D-der Ameisenlöwe, e-er ist wieder da! Mein Gott, er hat ihn gefressen… einfach gefressen…“ Er verfiel in haltloses Gejammer, und Squall stieß ihn von sich. Dann wandte er sich dem Ungeheuer zu, das mitten im Gang stand.

Der Ameisenlöwe, ein insektenartiges Monster, ragte weit über ihnen auf. Er glich eher einer Heuschrecke, und seine Vorderbeine besaßen scherenartige Klauen, die er wie Greifhände benützte. Als sie vor ihm standen, gab er einen Rülpslaut von sich. Dabei spuckte er einen Helm aus, der davon rollte und bei Squalls Stiefeln liegen blieb.

Angewidert betrachtete er den schleimüberzogenen Helm, dann hob er den Blick. Er legte den Kopf in den Nacken, um das Untier, das hoch über ihnen aufragte, anzusehen. Es schüttelte seinen missgestalteten Kopf und röhrte abermals. Tifa und Squall sahen sich an- dann sprang jeder von ihnen auf die andere Seite, als das Monster mit seinen langen Kiefern auf sie herabfuhr. Verärgert blickte es nach links und rechts, wo jeder der beiden eine kampfbereite Pose eingenommen hatte. Dann stampfte es los- auf Squall zu.
 

Dieser sah sich einem tonnenschweren Ungetüm gegenüber, das mit Volldampf auf ihn zuraste. Er wartete ab- um dann im letzten Moment zur Seite zu hechten. Nicht ohne im Flug anzulegen und abzudrücken. Krachend ging das Löwenherz los. Vom Treffer erschüttert, kam das Untier zum Stehen. Noch wütender brüllend, wandte es sich wieder ihm zu. Diesmal beschleunigte es die Schritte seiner vielen Beine noch schneller, und Zweifel wuchsen in Squall, ob er wieder rechtzeitig würde ausweichen können-

Wie ein Blitz und kaum erkennbar rauschte sie heran. Schon stand sie hinter dem Monster, und Schläge aus dem Nichts schienen es zu treffen. Unwillig röhrend stoppte es und wandte sich um. Der Blick seiner ausdruckslosen Augen fiel auf eine Frau, die ihm mutig die Fäuste entgegenhielt. Fast schien er sie nicht als Bedrohung wahrzunehmen, bis sie ihn vom Gegenteil überzeugte. Leuchtende Auren umgaben ihre Fäuste und Füße, als sie eine Angriffsfolge auf ihn herabregnen ließ. Von den Treffern durchgeschüttelt, brüllte er auf. In einem Akt der Verzweiflung startete er einen Gegenangriff, der Tifa fast von den Beinen hob. Ihre Augen beschirmend, stand sie ihm gegenüber, während eine Energiewelle über sie hinweg rollte. Sie blinzelte zwischen zwei Fingern hindurch- und sah, wie Squall hinter dem Monster in die Luft stieg.

Der Ameisenlöwe breitete seine Klauen aus und ließ seinem Rachen einen Schwall glühender Energie entweichen. Tifa lehnte sich gegen die Angriffswelle, wie Squall sah. Die Zeit schien sich zu verlangsamen, als er hinter dem Monster hochsprang. Das Löwenherz in beiden Händen, stürzte er auf den Ameisenlöwen zu. Schon fühlte er die Energie im Griff pulsieren. Das blaue Glühen, das diese Waffe immer umgab, wurde stärker. Schließlich holte er aus und schlug zu. Wie von zähem Wasser gebremst, kostete es ihn alle Kraft, den Streich zu führen. Mehrere Meter trennten ihn von dem Ungeheuer. Dann sauste seine Klinge durch die Luft, ohne das Monster zu berühren.
 

Ein Lichtblitz blendete Tifa. Eine Linie, gezogen aus grellem Licht, ging quer durch den Kopf des Monsters. Alles um sie herum schien zu erstarren- dann, Momente später, kam wieder Bewegung in ihre Wahrnehmung. Fein säuberlich durchtrennt, fiel eine Hälfte des monströsen Schädels ihr vor die Füße.
 

„Tatatata- tata- tatata!“

Verwirrt blickten sie sich um. Tifa kratzte sich am Kopf.

„Woher kommt nur immer diese Melodie nach einem Kampf…“ Squall erwiderte ihren Blick schulterzuckend, dann sah er wieder auf den besiegten Ameisenlöwen und legte seine Waffe über die Schulter. Tifa stützte die Hände in die Hüften. „Nicht schlecht. Wir sind ein gutes Team, nicht wahr?“

Er nickte langsam.

„Ja, kann man sagen. Danke für das vorhin.“

„Gern geschehen. Ich dachte schon, er würde dich als Dessert verspeisen.“

Dann sahen sie die Minenarbeiter, die sich vorsichtig dem verendeten Ameisenlöwen näherten.

„Ihr- ihr habt uns gerettet! Als nächstes hätte es sicher uns gefressen!“ sagte einer von ihnen erleichtert. Freudestrahlend umringten sie die beiden Kämpfer und drückten ihnen ihren Dank für die Rettung aus. Nun kamen auch weitere Wachen in die Mine und bestaunten die zwei Helden…

Ein wahrer Jubelkordon begleitete die beiden aus der Mine hinaus. Von allen Seiten wurden sie mit Dank und Gratulationen überschüttet. Fast war es ihnen unangenehm. Schließlich merkten sie, dass sie in eine bestimmte Richtung geführt wurden.

„Wo bringt ihr uns eigentlich hin?“ fragte Squall eine der sie flankierenden Wachen.

„Zu unserem Marquis Ondore natürlich! Ihr habt uns einen großen Dienst erwiesen, wisst ihr das nicht? Dieser schreckliche Ameisenlöwe hat die Arbeiter der Mine schon seit Wochen terrorisiert. Wir haben ihn sogar als Mob ausgeschrieben, doch keiner der Abenteurer war ihm gewachsen.“

Nun kamen sie zu einer Straße, an der sie schon am Tag zuvor vorbeigekommen waren. Soldaten flankierten den Zugang und gaben ihn nach kurzer Unterredung ihren Kameraden und den beiden frei. Und so betraten sie das Anwesen des Marquis von Bhujerba.
 

Ehe sie es sich versahen, brachte man sie in ein geräumiges Arbeitszimmer innerhalb des Anwesens. Breite Bücherregale säumten die Wände. Hinter einem Schreibtisch saß ein Mann fortgeschrittenen Alters. Sein gänzlich graues Haar stand in einer auffälligen Frisur gen Himmel. Der ernste Blick des Mannes haftete auf den Papieren vor ihm. Neben seinem Stuhl stand ein Gehstock bereit, wie ihnen auffiel. Eine der sie begleitenden Wachen näherte sich ihm respektsvoll und flüsterte ihm etwas zu. Sein Gesicht hellte sich auf während er ihm zuhörte. Auf ein Zeichen hin verließen die Wachen den Raum, und er wandte sich ihnen zu.

„Welch frohe Kunde!“ begann er mit einem breiten Akzent. „Der Ameisenlöwe, der schon so viel Angst und Schrecken unter den Minenarbeitern verbreitet hat, ist besiegt!“ Mit der Handfläche wies er ihnen Platz zu nehmen. Freundlich nickend taten sie das. „Nun, ich bin Halim Ondore, der Vierte, Marquis von Bhujerba. Nennt mir eure Namen, tapfere Kämpfer!“

Tifa war angesichts der ganzen Förmlichkeit etwas unwohl zumute. Mit Adeligen und Staatssachen hatte sie keinerlei Erfahrung. Zu ihrer Erleichterung nahm Squall die Sache in die Hand.

„Mein Name ist Squall Leonhart. Und meine Begleiterin ist Tifa Lockhart, ehrenwerter Marquis.“

An seinem Tonfall merkte man, dass er es gewohnt war mit wichtigen Personen zu sprechen.

„Lockhart und Leonhart… welch illustre Kombination? Jedenfalls schätze ich mich glücklich, dass ein so talentiertes Kopfgeldjägerpärchen unseren ansonsten so friedlichen Staat aufgesucht hat. Sagt, auf welche Weise habt ihr von dieser Mobjagd erfahren?“

Die beiden sahen sich unsicher an.

„Um ehrlich zu sein…“, begann Squall überlegend, „ …waren wir rein zufällig am Schauplatz. Wir wussten nichts von diesem Ameisenlöwen.“

Der Marquis hob erstaunt die Augenbrauen.

„Tatsächlich? Was für eine glückliche Fügung. Jedenfalls werdet ihr den Preis für diese Jagd bekommen. Einer meiner Mitarbeiter wird euch die 5000 Gil gerne auszahlen.“

„Fünftausend!!“ platzte es aus Tifa heraus. Soviel warf der 7.Himmel in einem ganzen Monat nicht ab. Von ihrer plötzlichen Regung erstaunt, blickte sie Ondore überrascht an. Eilig bedeckte sie ihren Mund mit der Hand. „Äh… ich meine, vielen Dank für… das, äh… Geld. Ähem.“

„Ihr habt es euch redlich verdient, Fräulein Lockhart“, sagte er charmant lächelnd. „Euer Liebreiz wird vielleicht noch durch euren Mut übertroffen, lasst euch das versichert sein.“

Tifa kämpfte gegen das Erröten an, und Squall verdrehte die Augen.

„Wir bedanken uns beide herzlich, Marquis Ondore. Ihr spracht von Aufträgen für die Jagd auf Monster… erlaubt ihr, wenn ich ein paar Fragen stelle?“

„Nur zu“, antwortete er mit einer offenen Geste. „Ich freue mich, euch helfen zu können, auch wenn mein Wissenstand nicht allzu groß ist darüber.“

„Wir sind nämlich wegen einem anderen Monster hier in… eurem Staat. Vielleicht könnt ihr uns helfen. Es trägt den Namen Gilgamesch.“

Squall, in Verhandlungssachen nicht unerfahren, wartete die Reaktion des Marquis ab. Tatsächlich bemerkte er eine subtile Änderung seiner Miene.

„Lasst mich überlegen… ja, wir hatten in der Tat ein Problem mit einer Person oder was auch immer es genau war, die unter diesem Namen bekannt ist…“

Er merkte sofort, dass dies ein dem Marquis unangenehmes Thema war. Vorsichtig überlegte Squall den nächsten Schritt-

„Wirklich?“ rief Tifa. „Sie wissen was über diesen Typ?“

Squall verdrehte die Augen. Sie macht alles kaputt, dachte er verärgert.

„Wie soll ich sagen… wir haben generell ein Monsterproblem in unseren Maginitminen“, erklärte der Marquis zurückhaltend. „Die Arbeit in den Minen ist gefährlich, und die Monstermutationen, bedingt durch die Strahlung, stellen eine ständige Bedrohung für den Abbau dar. Ich muss euch wohl nicht erklären, wie wichtig der Maginitabbau für unseren kleinen Staat ist.“

Tifa blickte den Marquis ratlos an, offenbar verstand sie nur Bahnhof. Hoffentlich hält sie ab jetzt den Mund, dachte Squall, der um ihre Informationsquelle fürchtete.

„Tja, wenn er ein Problem für euch darstellt, wir kümmern uns gerne darum. So diskret wie möglich, natürlich.“

„Ich weiß euer Angebot zu schätzen, aber… in dieser Angelegenheit könnt ihr uns nicht helfen, zumindest nicht momentan. Sollte sich das ändern, so wende ich mich gerne an sie beide. Wie gesagt, einer meiner Mitarbeiter wird euch nun die Belohnung überreichen. Wenn ihr mich nun entschuldigt, sicher versteht ihr, dass noch andere wichtige Angelegenheiten auch mich warten.“

Ondore erhob sich und begleitete sie betont höflich zur Tür.
 

„Die Sache stinkt“, sagte Squall nachdenklich. Mit den Händen schob er seinen Krug hin und her. Tifa hatte sich schon den zweiten geholt. Begeistert wischte sie sich den Schaum vom Mund nach einem tiefen Schluck.

„Aaah! Das ist köstlich, fast so gut wie in Edge-City. Kaum zu glauben, wir sind erst den zweiten Tag hier und schon reich!“

Erfreut klopfte sie sich auf die Tasche, in denen sie das Geld aufbewahrte. Squall blickte sie finster an.

„Hörst du mir nicht zu? Wir müssen mehr über diesen Gilgamesch herausfinden, das zählt momentan.“

Tifa machte ein schuldbewusstes Gesicht.

„Du hast ja recht.“

Im Gasthaus zur schwebenden Wolke war mittlerweile einiges los. Einheimische, aber auch viele Reisende waren dabei, hier zu Mittag zu speisen. Gleich einen Tisch weiter saß ein auffälliges Pärchen. Ihre Kleidung unterschied sich deutlich von der der Einheimischen und auch der meisten Auswärtigen. Als Squalls Blick auf die Frau fiel, klappte seine Kinnlade einen Moment runter. Tifa bemerkte es und drehte sich um. Auch sie bekam große Augen.

Die Frau war nur spärlich bekleidet. Ihre ‚Bekleidung‘ bestand aus schwarzem Leder und enthüllte mehr als sie bedeckte. Unmöglich hohe Absätze unterstrichen ihre aufreizende Ausstrahlung zusätzlich. Das Verwirrendste aber waren ihre Ohren- sie trug ‚Hasenohren‘, als käme sie direkt von Hugh Hefners Playboyvilla.

Der Mann neben ihr war weniger durch seine Erscheinung als durch sein Verhalten auffällig. Er redete unablässig, und das, während die Frau die meiste Zeit schwieg und nur hie und da etwas erwiderte. Sein selbstbewusstes Auftreten kam Tifa sofort bekannt vor. Oft genug hatte sie es bei geschichtenerzählenden Prahlhänsen in ihrem Lokal erlebt. Das Interesse der beiden blieb ihm nicht verborgen. Zwinkernd erwiderte er Tifas interessierten Blick.

„Mahlzeit, hübsches Fräulein! Auch auf der Durchreise?“ begann er in einem säuselnden Tonfall. Tifa hob eine Augenbraue.

„So kann man es nennen.“

„Ich bin übrigens Balthier Bunansa, selbstständiger Transportunternehmer. Mit wem habe ich das Vergnügen?“

„Ich heiße Tifa Lockhart.“

Er nickte und lächelte dabei schelmisch.

„Sehr erfreut. Was dagegen, wenn wir uns zu euch gesellen?“

Noch bevor sie etwas erwidern konnte, saßen die beiden bereits an ihrem Tisch. Mit ausladenden Gesten machte er sie mit seiner Begleiterin bekannt.

„Das ist meine verehrte Copilotin, Fran vom Volk der Viera.“

Squalls Blick löste sich nur schwer von ihren unendlich langen Beinen und ihrem tiefen Ausschnitt. Ihr Gesicht, umrahmt von langem, schlohweißem Haar, blieb ernst und unbewegt.

„Ich bin Squall Leonhart…“, sagte er langsam und, äh, abgelenkt. Die Frau namens Fran nickte nur.

„Und nun, nachdem wir uns alle kennen: wie hat es denn euch hierher verschlagen? Ihr seid keine Touristen, nicht wahr?“

Von soviel unverhohlener Neugier überrascht, warfen sich Tifa und Squall vielsagende Blicke zu. Schließlich antwortete Squall.

„Wir sind… Kopfgeldjäger, genau. Wir sind beruflich hier.“

Der Mann namens Balthier pfiff durch die Zähne.

„Kopfgeldjäger, was? Ein aufregender Beruf, fast so aufregend wie Luftpirat, nicht wahr, Fran?“ rief er lachend. Die Viera neben ihm veränderte ihren Gesichtsausdruck nicht.

„Stimmt“, erwiderte sie mit ihrer auffallend rauen Stimme knapp.

„Ja, ja, als Kopfgeldjäger kommt man viel herum“, begann Balthier und lehnte sich auf seine Ellbögen. „Genau das schätze ich auch an meinem Beruf so sehr… die Freiheit, hinzugehen, wo man will. Ihr braucht nicht zufällig eine Transportgelegenheit?“

„Das könnte leicht möglich sein“, erwiderte Squall mit zu Schlitzen verengten Augen. „Sie kennen sich ja gut aus, nicht wahr? Immer auf Achse, da bekommt man einiges mit, stimmt’s?“

Balthier hob verlegen die Hände.

„Nun ja… das ist schon richtig. Gut informiert zu sein ist überlebensnotwendig in unserem Job, stimmt‘s, Fran?“

Wieder nickte die Frau mit steinerner Miene.

„Ja, wir brauchen eine Mitfahrgelegenheit“, gab Squall zu.

„Sehr gut“, antwortete Balthier und hob eine Augenbraue schelmisch. „Nur ihr beide? Und wo soll es hingehen?“

„Genau. Wo wollen wir denn hin?“ fragte Tifa und sah Squall an.

„Das steht noch nicht fest. Noch haben wir hier etwas zu erledigen. Sicher können sie uns auch etwas über die hiesige Monsterwelt sagen?“

Der selbstbewusst auftretende Mann musterte ihn skeptisch.

„Nur, dass ich sie mir lieber vom Leibe halte. Was möchten sie denn wissen?“

„Es geht um ein ganz bestimmtes Wesen… es nennt sich Gilgamesch.“

Balthier begann abfällig zu lachen.

„Ach, Gilgamesch…“

„Sie wissen etwas über ihn!?“ riefen Squall und Tifa synchron. Aufgeregt blickten sie ihn an. Er hob nur die Schultern.

„Nicht allzu viel. Nur, dass er dem Marquis auf der Nase herumtanzt. Die Maginitminen sind sein ein und alles, was sag ich, für ganz Bhujerba! Wären seine Exporte nicht so wichtig für die umliegenden Staaten, dann wäre dieser Zwergstaat nicht mehr als ein beliebter Ausflugsort.“

„Können sie das genauer erklären?“ fragte Tifa besorgt. „Was wissen sie über diesen… Gilgamesch?“

Balthier nickte langsam und lächelte geheimnisvoll.

„Ich dachte, ihr wärt die Kopfgeldjäger? Recht gut seid ihr ja nicht informiert.“ Er warf seiner Begleiterin einen belustigten Blick zu, doch die Frau mit den Hasenohren verzog keine Miene.

„Es ist wichtig“, betonte Squall mit Nachdruck. „Wir beide sind in eine ziemlich problematische Situation geraten durch diesen Gilgamesch. Wir müssen ihn finden.“

Mit einer unbedarften Geste überkreuzte er die Beine und lehnte sich gelassen zurück.

„Nun… außer dass dieser Scherzbold die Lhusu-Mienen unsicher macht und schon etlichen eurer Zunft entwischt ist, weiß ich rein gar nichts über diese Person.“ Er warf der Viera einen amüsierten Blick zu, die diesen mit einem schlichten Kopfnicken erwiderte. „Und dass diese… Person sich selbst in die geheimsten Bereiche der Mienen Zutritt verschafft, sehr zum Missfallen des guten Marquis Ondore.“

„Geheim? Was ist so geheim an diesen Mienen?“ fragte Tifa mit hochgezogener Augenbraue. Balthier blickte nach links und rechts, als befürchtete er belauscht zu werden. Dann beugte er sich vor und sah Tifa tief in die Augen.

„Ich habe nicht die ge-rin-gste Ahnung“, flüsterte er ihr zu. „Ich sagte ja, es ist geheim.“ Überlegen lächelnd lehnte er sich wieder zurück. Tifa blickte ihn finster an. Ihre Abneigung diesem Mann gegenüber wuchs.

„In Ordnung“, sagte Squall gereizt. „Sie möchten uns also nicht helfen. Wie sie wollen.“

Balthier hob die Hände.

„Ich kann euch jederzeit an jeden Ort von Ivalice bringen. Die ‚Strahl‘, mein Schiff, steht im Lufthafen bereit. Aber alles andere…“ Er lächelte sie an, aber es hatte etwas Kaltes, Abgebrühtes an sich. „Hören sie mir mal gut zu, Mister Kopfgeldjäger. Ich mische mich in ihren Kram nicht ein, und sie nicht in meinen. Wofür ich ihnen beiden enorm dankbar bin.“ fügte er mit blasierter Höflichkeit hinzu. „Also, wir sehen uns. Hoffentlich.“ Er erhob sich von seinem Platz, und die Viera tat es ihm gleich. „Komm, Fran. Ich glaube, die ‚Strahl‘ braucht eine kleine Überholung. Sie soll ja schließlich ‚jederzeit‘ einsatzbereit sein, nicht wahr?“ Er zählte ein paar Münzen aus einer Börse und warf sie lässig auf seinen Tisch. „Und ihnen beiden wünsche ich viel Erfolg bei eurer ‚Jagd‘.“ Er zwinkerte noch Tifa anzüglich zu, dann verließen die beiden das Gasthaus. Die beiden blickten ihnen finster nach.
 

„Was für ein Schleimscheißer“, murmelte Tifa, nachdem die beiden bei der Tür hinaus waren. Squall blickte sie überrascht an. „Ist doch wahr! Ich kenne solche Typen. Die glauben immer, sie könnten mit ihren Sprüchen und Gehabe Eindruck schinden. Die hab ich fast jeden Tag in meiner Kneipe. Ts…“, schnaubte sie verächtlich.

„Mag sein… wir werden ihn vielleicht noch brauchen. Immerhin eine Spur.“

„Hm?“ Aus ihrem Ärger gerissen, blickte sie ihn blinzelnd an.

„Das mit den Minen“, erwiderte Squall. „Ich dachte mir gleich, dass uns dieser Ondore etwas verheimlicht. Er mit seinem ‚Monsterproblem‘…“

„Und was machen wir nun?“

Er nickte bedächtig und warf ihr einen ernsten Blick zu.

„Wir werden seiner Mine noch einen Besuch abstatten. Aber diesmal einen gründlicheren.“
 


 


 

Wir unterbrechen hier nun für einen weiteren Handlungsstrang. Was ist die Steigerung von Dick und Doof? Richtig, Reno und Rude. Ich finde, die beiden haben sich einen eigenen Handlungsstrang verdient. Jetzt könnt ihr verfolgen, wie die beiden in dieses Epos hineingezogen werden. Dies beginnt, nachdem Cloud und seine Truppe das Tor durchschritten haben...
 


 


 

„Wir haben unseren Teil der Abmachung erfüllt. Jetzt… müssen wir nur noch auf eine Antwort warten.“

Zufrieden wandte sich Rufus Shinra von dem erlöschenden Tor ab. In die umstehenden Techniker kam wieder Ruhe, und alles ging in seinem gewohnten Lauf weiter. Auch Professor Salvatori wollte sich wieder seinem üblichen Tagwerk widmen. Er zuckte zusammen, als ihn Rufus von der Seite ansprach.

„Ach, Professor. Kommen sie nachher in mein Büro, wir haben noch etwas zu besprechen.“

Rufus Shinra, der wie immer einen weißen Leinenanzug trug, verließ mit federnden Schritten das Labor. Salvatori blickte ihm nervös hinterher.

„Natürlich, Herr Shinra. Natürlich…“
 

Die Klimaanlage kühlte Rufus‘ Büro auf eine fast schon unangenehm niedrige Temperatur hinab. Nichtsdestotrotz schwitzte Salvatori. Mit fahrigen Bewegungen holte er ein Stofftaschentuch hervor und betupfte sich die Stirn. Rufus betrachtete den Bildschirm vor sich auf seinem riesigen Schreibtisch. Seinem Gesicht war Skepsis abzulesen.

„… die Protokolle der letzten Übermittlungen sind alles andere als eindeutig. Oder wollen sie das bestreiten?“

Sein durchdringender Blick traf ihn. Sein spitzbübisch wirkendes, von hellrotem Haar umrahmtes Gesicht ließ manchmal vergessen, dass man es mit einem durchtriebenen Konzernchef zu tun hatte, dessen Ehrgeiz einst selbst sein eigener Vater zum Opfer gefallen war.

„Nein, nein, Herr Shinra, keineswegs…“, erwiderte Salvatori eilig. „Wir haben aber allen Grund anzunehmen, dass ich und mein Team die Übertragung korrekt entschlüsselt haben. Mit größter Sicherheit“, fügte er nervös hinzu. Rufus nickte langsam und blickte ihn dabei gelassen an.

„Erfreulich zu hören. Denn sollte es nicht so sein, dann tragen selbstverständlich sie die Konsequenzen. Und auch ihr Team, versteht sich.“

„Natürlich, die… die Verantwortung. Derer bin ich mir bewusst“, sagte er und blickte zu Boden. Sein Gesicht spiegelte sich in dem frisch gebohnerten Marmorfliesen des riesigen Büros. Er kannte das alte Führungsbüro der früheren Konzernzentrale in Midgar nur von Fotos, aber das Neue glich dem Alten fast aufs Haar. Und sein Gesicht… es machte keinen glücklichen Eindruck.

„Das ist ausgezeichnet“, sagte Rufus und lächelte sogar dabei. Salvatori hob den Blick wieder und rang sich ein gequältes Lächeln ab. „Dann will ich ihre kostbare Zeit nicht länger in Anspruch nehmen, jetzt, wo das geklärt wird. Sie können gehen.“

Der Professor erhob sich erleichtert, deutete eine Verneigung an und drehte sich um. Fast spürte er den gelangweilten Blick Rufus‘ in seinem Rücken, der ihm sagte Du bist ersetzbar. Als sich die automatische Türe hinter ihm schloss, atmete er tief aus.

Eine Weile ruhte Rufus‘ Blick auf dem Bildschirm. Seine Miene war unergründlich, und schließlich tippte er auf die Gegensprechanlage.
 

„Mann, ist das krank!“

Reno machte ein dummes Gesicht, was bei ihm einiges hieß. Rude knöpfte sich wieder die Hose zu, und ein breites Grinsen huschte über sein ansonsten ausdruckloses Gesicht.

„Wie findest du’s“, fragte er knapp. Reno schüttelte nur den Kopf.

„Also schön langsam übertreibst du es mit deinen Piercings, im Ernst, alter.“ Plötzlich wurde sein Blick magnetisch in eine andere Richtung gezogen. In diesem Moment betrat noch jemand anderes den Umkleideraum der Turks, und es war ein Neuzugang, der Reno schon vor Tagen aufgefallen war. Dieser Neuzugang trug einen schwarzen, förmlichen Anzug, wie alle anderen Turks auch. Nur dieser Turk hatte langes, blondes Haar, zu einem dichten Pferdeschwanz zusammengebunden. Die Frau, sie hieß Melva oder so ähnlich, öffnete ihren Spind. Reno aktivierte seinen oberlässigen Schlenderschritt und ging auf sie zu.

Als sie die Spindtür wieder schloss, kam dahinter Reno und sein breitestes Grinsen zum Vorschein. Lässig lehnte er an der Spindwand und hob eine Augenbraue.

„Hallo Melva. Wie war dein Tag?“

Sie blickte ihn mit einer Mischung aus Ungeduld und Mitleid an.

„Nicht halb so hart wie eurer. Und ich heiße Malvi“, antwortete sie seufzend. Dann wandte sie sich zu gehen. Eilig folgte ihr Reno.

„He, warte mal, Malvi! Ich meine- also, du bist ja erst seit kurzem bei den Turks, und, na ja- “

Sie machte plötzlich kehrt und schaute ihn direkt an. Reno wich unwillkürlich einen Schritt zurück.

„Und was?“

„Na ja, wir könnten, also, wir sollten uns besser kennenlernen! Wegen dem Zusammenhalt im Team und so, du weißt schon.“

Die Frau stützte die Hände in die Hüften und legte den Kopf schief.

„So ist das also. Ich verstehe…“

„Ja, cool, oder? Wir könnten ja was trinken gehen oder sowas, oder mach halt `nen Vorschlag!“

Malvi verschränkte die Arme und musterte ihn amüsiert.

„Ich weiß nicht recht… zum Schluss wird er eifersüchtig.“

Sie deutete mit dem Kinn auf Rude, der mit unbewegter Miene die Szene verfolgte. Renos ungläubiger Blick folgte dem ihren. Lachend deutete er auf Rude.

„Wie? Also- das ist ein Scherz, oder? Oder was meinst du- “

„Na ja, zumindest lässt er schon die Hosen vor dir runter“, sagte sie lächelnd und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Renos fassungsloses Gesicht sprach Bände.

„A-aber, das war nicht, ich meine, er hat mir nur sein neuestes Piercing gezeigt, sonst nichts!“

„Na dann, bis morgen…“, sagte Malvi und ging. Reno wollte noch einen Spruch anbringen, doch die Tür fiel schon hinter ihr zu. Rude trat näher und stand nun neben ihm. Sein wie immer grimmiger Blick war auf die Tür gerichtet. Reno schüttelte langsam den Kopf.

„Soll ich dir was sagen, Rude? Die machen sich lustig über uns! Über uns, kannst du dir das vorstellen?“ sagte er verächtlich schnaubend. „Über die beiden legendären Turks, die den Shinra-Konzern schon gegen Gefahren verteidigt haben, als die noch zur Grundschu- “ Er zuckte zusammen, und Rude blickte zur Decke. Aus den Lautsprechern erklang blechern eine Durchsage:

„Reno und Rude, sofort in die Forschungsabteilung kommen, ich wiederhole SOFORT!“

Reno ließ den Kopf hängen und pfiff durch die Zähne.

„Wie’s aussieht, wird das heute ein längerer Tag. Wäre sowieso nichts mit Bräute anbaggern geworden. Gehen wir, Kumpel…“

Reno stapfte in seiner unnachahmlich ungelenken Art los, und Rude folgte ihm mit steifen Bewegungen.
 

„Wenn der doofe Aufruf nicht gekommen wäre, ich hätt‘ sicher bei der Alten gelandet, todsicher!“

Rude nickte und antwortete in seiner abgehackten Art.

„Bestimmt. Die hattest du schon in der Pfanne.“

„Klar, Kumpel. Gegen meinen patentierten Reno-Charme sind die Bräute einfach machtlos!“

Lachend und seinem Partner auf die Schulter klopfend, betraten sie die Forschungsabteilung der W.R.O.

Schon von weitem sahen sie ihren direkten Vorgesetzten. Er trug denselben schwarzen Anzug wie sie. Langes, schwarzes Haar fiel über seine Schultern, und sein ernster Blick haftete auf einem Klemmbrett, dass er konzentriert betrachtete.

„Yo, Boss. Da wären wir“, rief Reno lässig und salutierte mit zwei Fingern.

„Wo wart ihr solange“, antwortete er leise, ohne von seinem Klemmbrett aufzusehen. Rude stellte sich mit verschränkten Händen vor ihn hin, während Reno herum hampelte und sich schließlich den Nacken nach einer weiblichen Wissenschaftlerin verdrehte.

„Gibt es einen Auftrag, Tseng?“ fragte Rude ernst. Tseng hob den Blick und sah Reno, der eine Wissenschaftlerin anflirtete. Die Frau verdrehte empört die Augen, und Reno hob die Schultern.

„Wenn ich nun euer beider Aufmerksamkeit bekomme…?“, begann Tseng in einem gereizten Tonfall. Reno drehte sich eilig um und rieb sich verlegen den Nacken.

„Äh… klar, Boss. Bin schon ganz Ohr.“

„Es geht um folgendes: ihr wisst ja von dem Dimensionstorprogramm und wie wichtig es für die W.R.O. ist. Wir haben eine heikle Mission für euch. Es hängt eine Menge davon ab HÖRST DU ZU RENO!?“

Sein Kopf fuhr herum. Erschrocken blickte er seinen Chef an, der ihn giftig ansah.

„Ähem, klar… wird nicht wieder vorkommen“, räusperte er sich.

„Dessen bin ich mir sicher“, knurrte Tseng. Dann sprach er normal weiter, wenngleich der Ernst in seiner Stimme ahnen ließ, wie wichtig die Sache war. „Es gibt ein technisches Problem, was die Torsteuerung betrifft. Jemand wird durch das Tor gehen und diesen“, er zeigte ein kleines Gerät vor und reichte es dann Rude, „Transmitter mit sich führen. Durch ihn wird das Koordinatensystem auf einen neueren Stand gebracht.“

„Bin schon gespannt, wer diesen miesen Job machen muss“, flüsterte Reno zu Rude und stieß ihn mit dem Ellbogen grinsend an. Erstaunt blickte Rude seinen Kollegen an. Dass Reno nicht der Hellste war, wusste er, aber das… ?

„Das werdet ihr beide sein.“

Das Grinsen auf Renos Gesicht erstarb langsam. Seine Augen wurden groß.

„Wir beide…? Durch das Tor?“ Tseng nickte, und Reno schluckte einen Kloss hinunter. „Und wie kommen wir wieder zurück?“ fragte er unsicher.

„Macht euch keine Sorgen. Nach kurzer Zeit werden wir ein Tor in die andere Richtung öffnen, sobald die Messungen abgeschlossen sind.“

„Na, wenn das so ist…“ Reno nickte eifrig und schaute mit gespielter Selbstsicherheit Rude an. „Ist doch kein Problem… das machen wir glatt. Ähem.“

Tseng nickte zufrieden.

„Also gut. Spätestens morgen werdet ihr wieder hier sein, und die Überstunden zählen doppelt, denkt daran.“

Renos Gesicht hellte sich wieder auf.

„Na wenn das so ist!? Komm, Rude, altes Haus! Die coolen Turks greifen ein!“

Zu ihrer charakteristischen Musik(vorstellen oder aufdrehen!) stolzierte er auf das bereits laufende Tor zu. Lässige Gesten nach links und rechts austeilend, durchschritt er den Ereignishorizont. Rude blieb noch kurz stehen, richtete sich Krawatte und Sonnenbrille im Spiegelbild auf der Oberfläche des Dimensionstores, und trat dann ebenfalls durch.
 

Als sich der Strudel aus Licht und Schall wieder geschlossen hatte, trat Rufus Shinra neben Tseng. Der Chef der Turks runzelte die Stirn, während Rufus zufrieden lächelte.

„Es läuft alles nach Plan. Manchmal… muss man eben ein paar Bauern opfern.“

Tseng antwortete nicht. Rufus klopfte ihm anerkennend auf die Schulter, dann wandte er sich zu gehen. Tseng blieb noch eine Weile stehen und betrachtete das leere Tor. Und zum ersten Male seit dem Beginn seiner Karriere bei den Turks fühlte er so etwas wie Schuld.
 

„Uäaaah…“

Benommen betrachtete Reno sein Mittagessen, das auf dem Wasser dahintrieb. Dann richtete er sich wieder auf und wischte sich den Mund mit dem Ärmel ab. Die Sonne blendete ihn, als er aufs Meer hinausblickte. Dann richtete er den trüben Blick zu Rude, der neben ihm am Rande des Piers saß.

„Das will ich auch hoffen, dass die Überstunden doppelt zählen… wo zum Teufel sind wir überhaupt?“

In Rudes Sonnenbrille spiegelte sich die hochstehende Sonne. Langsam schüttelte er den Kopf.

„Ich weiß es nicht“, erwiderte er knapp und holte pflichtbewusst das Gerät hervor. Ratlos betrachtete er die leere Anzeige. Reno winkte schnaubend ab und erhob sich.
 

Reno war schon ein paar Mal in Junon gewesen, und das hier erinnerte ihn daran. Es war eine Hafenstadt, das war gewiss. Sie befanden sich in einer Arkade, von der man aus das Meer gut überblicken konnte. Zu ihrer Rechten führte ein Steg zu einem hohen Turm, der die Stadt überragte. Am gesamten Pier hingen Schiffe vertäut.

Die Arkade, die offenbar in das Stadtinnere führte, war ziemlich belebt. Menschen und fremdartige Wesen gingen auf und ab. Sie alle trugen Kleidung, die an das heiße Klima angepasst war, und tatsächlich wurde Reno bald heiß in seinem schwarzen Anzug. Ächzend machte er sich sein Hemd noch weiter auf.

„Die Gegend ist sicher nicht schlecht für ´nen Urlaub, was meinst du, Rude… Rude?“ Sein Kompagnon saß nach wie vor am steinernen Rand des Piers und versuchte, aus dem Apparat schlau zu werden. „Was ist? Schauen wir uns die Gegend ein bisschen an?“

„Wir haben einen Auftrag“, murmelte Rude in seinen dünnen Bart hinein. „Wir müssen… irgendwas messen…“

„Ach, vergiss das dumme Ding“, seufzte er. „Das wird schon von allein funktionieren! Glaubst du, die schicken uns mit kom-pli-zier-ter Technik los?“ fragte er spöttisch lachend und tippte sich mit dem Zeigefinger an die Schläfe. Rude sah das ein und steckte das Gerät in die Innentasche seines Jacketts. „Die halten uns doch schließlich nicht für- “ Reno stoppte mitten im Satz und verzog das Gesicht. „ –für… blöd? Hm, egal, schauen wir, was diese Stadt zu bieten hat.“
 

Staunend schlenderten sie die Hafenpromenade entlang. Sie sahen echsenartige Wesen, die ‚Bangaas‘ genannt wurden und Kisten schleppten. Und fette, schweineartige Kreaturen, die Handel in den Straßen trieben und ‚Seeks‘ genannt wurden. Öfters begegneten ihnen Seemänner auf Landgang, die ganz dem Klischee des gängigen Piraten entsprachen. An den Gürteln, die ihre weiten Pluderhosen hielten, hingen lange Messer oder auch Pistolen. Ihre Gesichter waren von Sonne und Wetter gegerbt, und auf ihren polierten Glatzen spiegelte sich die Sonne.

„He, kuck dir das an!“ kicherte Reno und deutete auf einen der Seefahrer. „Der hat dieselbe Frisur wie du! Wahrscheinlich, damit die Vogelkacke besser abläuft, he, he…“

Reno amüsierte sich köstlich auf Kosten des raubeinigen Seemannes. Bald zog er die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich und sah sich von mehreren finsteren Gesellen umringt, die seine Sprüche gar nicht komisch fanden.

„Hör besser auf“, flüsterte Rude seinem spöttisch lachenden Kameraden zu. „Du bringst uns in Schwierigkeiten.“

„Ach was“, winkte Reno kichernd ab, „vergiss nicht, wir sind Turks, die Leute fürchten sich vor uns, hi, hi…“

Der erste der Männer zog ein blitzendes Messer. Seine Miene ließ keinen Zweifel an seiner feindseligen Absicht.

„Ihr vermaledei´n Fischköppe… euch in Streif´n schnei´n, das werd´n wir jetzt dun!“

Langsam wurde auch Reno der Ernst der Lage bewusst. Sein Lachen schlief ein. Rücken an Rücken stand er mit Rude nun inmitten eines halben Dutzend Piraten.

„Ich glaube, die haben noch nie was von den Turks gehört…“, murmelte Rude.

„Dann wollen wir das ändern“, knurrte Reno. Mit einer flüssigen Handbewegung holte er seinen Viehstab hervor. Sirrend glitten die Teile auseinander. Elektrische Entladungen umspielten knisternd seine Spitze. Fast synchron tat Rude es ihm gleich. Dann stürzten sich die Piraten auf sie.
 

Geschmeidig tauchte Reno unter dem Hieb des Entermessers hindurch. Während einer schnellen Drehung zog er ihm den Viehstab über seinen haarlosen Kopf. Ächzend ging der Pirat zu Boden, während er sich bereits dem Nächsten widmete. Funken sprühten, als Reno die Hiebe des kurzen Säbels parierte. Mit gefletschten Zähnen attackierte ihn der wütende Seemann erneut, bis Reno eine Lücke in seiner Deckung fand. Mit einer Hand fing er die Schwerthand seines Angreifers ab, mit der anderen drückte er ihm den Viehstab in die Nierengegend. Reno lachte hämisch, während der Seemann das Gesicht vom Schmerz gepeinigt verzog. Als er abließ, stürzte der Pirat zu Boden und zuckte immer noch unter dem Stromschlag. Die letzten beiden Angreifer gingen vorsichtiger vor. Abwartend umkreisten sie ihn mit gezückten Haumessern.

„Das fängt an, Spaß zu machen“, knurrte Reno und ließ seinen Viehstab von einer Hand in die andere tanzen. Die Piraten beobachteten das ihnen völlig unbekannte Ding unsicher. Fies lachend schwenkte er es ihnen vor dem Gesicht hin und her. Auf Knopfdruck ließ er die elektrische Ladung darin knistern, und die Piraten zuckten erschrocken zusammen. Diesen Moment der Verwirrung nutzend, holte er schreiend aus. Die Finte wirkte, und Reno traf die beiden nebeneinanderstehenden Piraten nacheinander mit einem Links-Rechts-Kung-Fu-Tritt an den Schläfen. Stöhnend gingen sie zu Boden.

Eilig drehte er sich um, doch Rude war ebenfalls schon fertig mit seinen Widersachern. Von seinem elektrisch geladenen Viehstab an empfindlichen Stellen getroffen, lagen sie auf dem Boden verstreut und wanden sich vor Schmerzen. Reno reckte den Daumen triumphierend hoch. Rude nickte als Antwort. Dann stellten sie sich nebeneinander auf. Rude verschränkte die Arme, und Reno legte sich lässig den Viehstab über die Schulter.

„Darf ich vorstellen…“, begann er höhnisch grinsend, „Wir sind die Turks!“

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Zufrieden überblickte er die Menge an geschlagenen Gegnern, die sich mit verzerrten Gesichtern schmerzende Körperteile hielten. Langsam kamen die ersten wieder auf die Beine.

„Hm… jetzt aber schnell weg, bevor die wieder aufstehen.“

Eiligen Schrittes verließ er die Seitengasse. Rude folgte ihm, nicht ohne noch einem gerade aufstehenden Piraten einen Tritt zu verpassen.
 

Die Möwen kreisten am blauen Himmel über der Hafenstadt, und frische, salzige Meeresluft füllte ihre Lungen. Reno streckte tief atmend seine Arme aus.

„He, dieser Auftrag ist ja der reinste Urlaub. Hier könnte man´s aushalten.“

„Nicht schlecht, die Gegend“, brummte Rude, was bei ihm mit begeisterter Zustimmung gleichzusetzen war. Schließlich kamen sie zu einem großen Platz, der das belebte Zentrum der Uferpromenade bildete. Von weitem sahen sie eine Taverne, vor der Leute im Freien saßen und das schöne Wetter genossen. Reno stieß seinen Kollegen mit dem Ellbogen an.

„Weißt du was, Rude? Vom Prügeln bin ich durstig geworden! Jetzt gehen wir erst mal einen heben.“

„Wir sind aber im Dienst“, entgegnete dieser trocken.

„Ach was. Unser Boss ist weit weg, die merken nichts davon. Ich lade dich auch ein!“

So hatte er ihn überzeugt, und gemeinsam betraten sie die Taverne mit dem Namen ‚zum weißen Strand‘.
 

Die Gäste dieser Kneipe waren hauptsächlich Seeleute, aber auch andere Menschen, die ihr Leben eher an Land verbrachten. Durch großzügige Fenster sah man auf das Meer hinaus, dessen Anblick hier genauso prachtvoll war. Zielstrebig steuerten sie einen freien Tisch an. Rude setzte sich etwas steif hin und legte die Hände in den Schoss, während sich Reno linkisch auf seinen Stuhl fallen ließ. Lässig hängte er einen Arm über die Lehne und sondierte die Umgebung nach Bedienpersonal. Schnell wurde er fündig.

„He, Thekenschwester! Bring uns doch zwei Bier!“ rief er einer herum sausenden, jungen Frau zu. Sie registrierte die Bestellung nickend. Dann fiel Renos Blick auf eine Frau, die sich an den Tisch neben ihnen setzte. Ihre Aufmachung war sehr freizügig und enthüllte mehr als sie verbarg. Das Auffallendste waren aber ihre Hasenohren. Renos Kinnlade landete eine Etage tiefer.

„Hey, Bunny! Ich darf dich doch so nennen, oder?“ fragte er frech. „Schließlich siehst du ja auch so aus!“

Reno verwickelte die Viera in ein anzügliches Gespräch, und nur die Weltfremdheit dieser Rasse erklärte, dass sie ihn nicht nach kurzer Zeit ohrfeigte. Währenddessen wanderte Rudes Blick durch den Raum. Und blieb schließlich an der Eingangstür hängen, wo sich eine Gruppe schlechtgelaunter Seemänner sammelte. Einige unter ihnen kamen ihm bekannt vor. Besonders die mit den blauen Flecken…

„Und dort, wo du herkommst… Dieses Kaff Eruyt oder so… die sehen wirklich alle so aus wie du“, gluckste Reno lüstern. Die Viera nickte ernst.

„Ja. Ich trage unsere überlieferte Stammestracht. Ist das so ungewöhnlich in deinen Augen…?“

„Na ja, ungewöhnlich vielleicht nicht, viele Frauen ziehen sich so an, um meine Aufmerksamkeit zu erregen, he, he…“ Rude tippte ihm auf die Schulter, was dieser völlig ignorierte. „Und es leben wirklich keine Männer bei euch? Ich glaube, ich weiß, wo ich meinen nächsten Urlaub verbringe, he, he WAS IST DENN RUDE? Siehst du nicht, dass ich hier wichtige Nachforschu- “ Rude ergriff seinen Nacken und drehte sein Gesicht in Richtung der Tür. Die Gruppe wütender Männer hatte sie entdeckt. Einer von ihnen deutete mit dem Zeigefinger auf sie, worauf sich die ganze Gruppe in Bewegung setzte. Reno schluckte.

„Dat sin se! Jetz mach´ma die enen Kopp kürzer!“

Zielstrebig marschierte die aufgebrachte Menge auf sie zu. Diesmal waren es zu viele, dass war ihnen augenblicklich klar. Hektisch sahen sie sich nach einem Fluchtweg um. Plötzlich stellte sich die Kellnerin der Menge in den Weg.

„He, Leute! Ihr könnt doch nicht den Laden kaputtschlagen!“

„Ne, ne, Kindchen. Wir mach´n nur die zwe Knallköppe alle, dann gehen ma´ wieder“, erklärte der Anführer verständnisvoll. Die Kellnerin dachte kurz nach, dann gab sie den Weg frei.

„In Ordnung. Aber macht halt keine Möbel kaputt.“

Mit großen Augen verfolgten die beiden, wie die Gruppe rachsüchtiger Männer sie einkreiste und alle möglichen Waffen zog. Der Weg zur Tür war versperrt.

„Ob es weit runter geht unter den Fenstern?“ fragte Rude mit einem bangen Unterton in seiner sonst so beherrschten Stimme. Reno sprang auf.

„Das werden wir gleich herausfinden! Lauf, Rude!!“ Beide stürmten in panischer Angst los in Richtung der Fenster. Doch dann kam Reno noch einmal ins Bild und zwinkerte der Viera zu. „Ich besuch dich mal in deinem Dorf, versprochen“, säuselte er ihr schmeichlerisch vor. Dann setzte er die kopflose Flucht fort.

Glücklicherweise gab es einen Kai gleich unter den Fenstern. So blieb ihnen der Sturz ins Meer erspart. Nachdem sie sich aufgerappelt hatten, blickten sie nach oben. Etliche wütend funkelnde Augenpaare blitzten sie an. Reno zog triumphierend eine Grimasse, wurde aber im nächsten Moment von Rude fortgezogen, als die ersten ihrer Verfolger begannen, aus den Fenstern zu klettern.

Die Leute auf der Hafenpromenade blickten den beiden Männern finster nach, die bei ihrer Flucht alles anrempelten, was nicht rechtzeitig auswich. Wenige Momente später kamen ihre Verfolger nach, und denen wurde schon allein wegen ihrer Zahl ausgewichen.

Mit quietschenden Schuhsohlen kamen sie zum Stehen. Vor ihnen endete die Pier ins Meer. Sie konnten nicht weiter, und hinter ihnen kam bereits die Menge der Verfolger näher. Hektisch wandten sie sich um.

„Verdammt! Was jetzt…“ Fieberhaft überlegend blickte Reno sich um. Dann fiel ihm eines der Schiffe auf, das im Begriff war abzulegen. „Das ist es! Komm, schnell!“ rief er und packte Rude am Ärmel.
 

Ratlos schauten sich die Seemänner um. Die Pier war hier zu Ende, von den beiden war jedoch keine Spur. Sie blickten noch nach allen Richtungen ins Wasser, doch auch dort schwamm niemand. Nach einer Weile gaben sie die Suche auf und kehrten um.
 

„Sieh dir diese Deppen an“, gluckste Reno, während sie sich durch eine Luke den sich entfernenden Hafen ansahen. „Solche Schwachköpfe. Die wären wir los.“ Zufrieden streifte er sich die Hände ab. Dann drehten sie sich um- und sahen sich mit der Mannschaft dieses Schiffs konfrontiert.

„Ei, ei, was ha´m wir denn hier? Ein paar blinde Passagiere?“ sagte einer von ihnen. Rude und Reno hoben dümmlich dreinschauend die Schultern. „Ich globe, ich we´ß, wer die nächsten Tage Kartoffeln schälen wird, ha, ha, ha…“

Die restliche Mannschaft stimmte ins Gelächter ein, und den beiden schwante ihr Schicksal.
 


 

Was ist eigentlich mit Cid und Shera passiert, die ja mit Denzel und Marlene in Edge-City zurückgeblieben sind? Lest weiter und erfahrt es...
 


 

„Ich hab ein mieses Gefühl bei der Sache“, sagte Cid und wollte sich eine Zigarette anstecken. Shera, die hinter dem Tresen des 7.Himmels stand und den Geschirrspüler einräumte, hob den Zeigefinger.

„Wenn du rauchen willst, dann geh bitte nach draußen, ja?“

Cid hielt das Feuerzeug schon in der Hand und starrte sie überrascht an.

„Und warum zur Hölle soll ich nach draußen gehen?“

Seine Frau schüttelte den Kopf und deutete mit dem Kinn in Richtung der beiden Kinder, die im Gastraum spielten. Cid verdrehte die Augen und erhob sich ächzend. An der offenen Tür stehend, zündete er sich schließlich seinen Sargnagel an und machte einen tiefen, genussvollen Zug.

„Aaah. Das macht die Lunge so wunderbar frei. Wie ich sagte, ich habe ein mieses Gefühl. Diese Arschlöcher von der- “

„CID!!“ zischte sie ihn an und ließ einen Topf geräuschvoll fallen. Verwundert hob er als Reaktion die Schultern. „Schimpf doch nicht so vor den Kindern!“

Marlene und Denzel blickten erschrocken von ihrem Spiel auf. Cid verdrehte die Augen und machte dann ein gespielt betroffenes Gesicht.

„Liebe Kinder, vergesst, was der gute Onkel Cid so alles sagt, ja?“

Die beiden sahen sich arglos an, dann wandten sie sich wieder ihrem Spiel zu. Als Shera mit dem Einräumen des Geschirrspülers fertig war und er sich rumpelnd in Bewegung setzte, ging sie zur offenen Tür, wo ihr Mann in aller Ruhe qualmte.

„Musst du immer so fluchen?“ flüsterte sie verärgert. Er blickte sie ratlos an.

„Ja. Wieso fragst du? Ich bin schließlich Cid Highwind. Ein richtiger Mann flucht eben.“

Sie schüttelte nachsichtig den Kopf.

„Manchmal denke ich, ich hätte dich mitsamt deiner Erfindung abstürzen lassen sollen.“

„Aber das hast du nicht“, erwiderte er grinsend. „Weil du eben einen richtigen Mann zu schätzen weißt“, sagte er selbstzufrieden und machte einen tiefen Zug an seinem Glimmstängel.

„Richtiger Mann oder nicht, die zwei lernen diese Wörter noch früh genug. Du musst sie ihnen nicht jetzt schon beibringen.“

Cid blinzelte in die Abendsonne, die über Edge-City versank.

„Bei mir lernen sie eben was fürs Leben.“ Dann wurde er wieder ernst. „Ich hoffe, dass sie heil zurückkehren.“ Shera horchte auf. In diesen Worten glaubte sie etwas herausgehört zu haben, was bei diesem Mann echten Seltenheitswert hatte: Mitgefühl und echte Anteilnahme.

„Ja, das hoffe ich auch…“, erwiderte sie betrübt.

„Sonst haben wir nämlich die beiden Bälger am Nacken, auch wenn sie ja ganz- “

„CID! Was fällt dir ein!?“ Zornig fiel sie ihm ins Wort. Mit einer derartigen Insensibilität hätte sie eigentlich rechnen können.

„Was ist jetzt schon wieder?!“ schnauzte er sie an. Sie funkelten sich gegenseitig wütend an, bevor die Anspannung wieder aus der Situation wich. Brummend wandte er sich ab und holte eine neue Zigarette hervor. Shera blickte schmollend zu Boden. Sie wusste genau, er würde nicht den ersten Schritt machen und sich entschuldigen.

„Ich will auch, dass sie heil zurückkehren“, begann sie versöhnlich, nachdem sie tief durch geatmet hatte. „Aber sollte… sollte etwas Schlimmes geschehen, dann kümmern wir uns um die beiden. Das sind wir Barret und den anderen schuldig.“

Cid wandte ihr den Rücken zu. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, was er in diesem Moment dachte. Geräuschvoll atmend drehte er den Kopf hin und her, was bei ihm bereits die Andeutung eines Entgegenkommens war.

„Sie werden zurückkehren. Bestimmt. Ich trete ihnen sonst in ihre verdammten Ärsche.“

„Das hoffe ich ja auch, aber- “

„Kein Aber, Weib. Die kommen zurück, oder ich schleife sie persönlich am Kragen hierher. Und außerdem ist mein Schiff kein Kindergarten.“

Erneut fühlte Shera die Hitze der Wut in sich hochsteigen, doch sie hatte bereits Übung darin, sie zurück zu kämpfen. Das hatte sie in den Jahren mit ihm gelernt.

„Dein Schiff? Du vergisst, wer einen guten Teil davon zusammengeschraubt hat“, tadelte sie ihn und blieb trotzdem beherrscht. Er drehte sich nun wieder zu ihr um.

„Na gut, es ist unser Schiff“, gab er knurrend zu. „Aber wir brauchen darüber gar nicht zu palavern, denn Cloud wird zurückkehren. Ansonsten reiße ich diesen Typen von der gottverdammten W.R.O. die Ärsche auf. Darauf kannst du einen lassen, verflucht.“ Im hohen Bogen spuckte er den abgebrannten Zigarettenstummel in die Gosse und holte eine neue Kippe hervor. Sheras Wut über seine unüberlegten, verletzenden Bemerkungen schwand, als sie sein spitzbübisches Lächeln sah. In das hatte sie sich damals verliebt, als sie noch seine technische Assistentin gewesen war, damals, als sie für Shinra ein Raumfahrzeug entwickeln sollten. Und dieses Lächeln war es auch, das sie immer wieder über seine Torheiten hinwegsehen hatte lassen.

„Ach, Cid… du alter Holzkopf“, sagte sie und umarmte ihn. Er tätschelte ihr den Rücken und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Ohne die Zigarette aus dem Mundwinkel zu nehmen, versteht sich. Irritiert roch sie den Zigarettenqualm in ihrem Gesicht. Langsam schüttelte sie den Kopf. „Du wirst dich wohl nie än- “

Beide stoben auseinander, als ein Knall die Luft zerriss. Mit den Händen bedeckten sie ihre Augen. Als sie sie sinken ließen- sahen sie sich von Ungeheuern umringt. Vierbeinige Raubtiere, deren Körper mit Schuppen und Stacheln bedeckt waren. Zischend und geifernd näherten sie sich den beiden. Cid und Sheras Augen wurden riesig.

„Verflucht nochmal, was sind das für- “ Bevor er noch den Satz vollenden konnte, sprang das erste Ungeheuer auf sie zu. Es visierte genau Shera an- „Neeiin!!“ Cids Gesicht verzerrte sich vor Anstrengung, als er innerhalb von Sekundenbruchteilen seine Lanze, den ‚Venusgesang‘, hervorzog und Shera zur Seite stieß. Das geifernde Maul voller spitzer Zähne bewegte sich- für sein Gefühl- in Zeitlupe auf ihn zu. Mit beiden Händen riss er die Lanze hoch. Das Wesen stürzte mit dem Kopf voran auf die Spitze der Lanze, und sie trat knirschend an seinem Hinterkopf aus. Kaum war dies geschehen, zerfiel das Wesen zu schwarzem Staub. Fassungslos stand er da und betrachtete seine Lanze. Dann wandte er sich an Shera, die langsam auf die Beine kam.

„Schnell, geh rein zu Denzel und Marlene!“ schrie er. Sie nickte nur kurz und rannte dann an ihm vorbei. Dann drehte Cid sich um und sah, wie die Wesen ihn einkreisten. Sie kamen ihm sofort bekannt vor. Es waren dieselben wie damals, als-
 

„Kommt, ihr beiden!“

Die Waisenkinder sahen sie ratlos an, als Shera sie an den Händen nahm. Ihre Gedanken liefen heiß.

Was war das…?

Monster, hier in der Stadt?

Cid, er braucht vielleicht meine Hilfe-

„Was ist los, Tante Shera“, fragte Marlene leise, die ihre Angst offenbar spürte. Verwirrt sah sie die beiden Kinder an.

„Ich weiß es nicht, wir müssen jetzt- “

Alle drei erschraken zutiefst, als ein schwerer Gegenstand gegen die geschlossene Tür krachte.
 

„Elendes Scheißding!!“ fluchte Cid, nachdem er das Untier aufgespießt und gegen die Fassade des 7.Himmels geknallt hatte. Wieder zerfiel es zu Staub. Als er sich umwandte, erschrak er. Dies war noch nicht oft in seinem Leben vorgekommen, doch jetzt hatte er allen Grund dazu. Kaum, dass er die ihm einkreisenden Monster besiegt hatte, kamen neue- und zwar aus Öffnungen im Raum, die sich aus dem Nichts auftaten und Untiere ausspuckten. Es wurden immer mehr. Wütend spuckte er die Zigarette aus. Von allen Seiten von fauchenden, angriffslustigen Bestien umgeben, ging er langsam rückwärts. Bis er mit dem Rücken die Eingangstür der Kneipe berührte. Ohne den Blick von der immer größer werdenden Monsterschar zu nehmen, klopfte er mit der freien Hand gegen die Tür. „Lasst mich rein, verflucht!!“
 

Shera öffnete die Tür vorsichtig, und Cid schlüpfte hindurch. Sofort begannen die beiden, alle Tische im Raum vor die versperrte Tür zu schieben. Angsterfüllt schauten ihnen die beiden Kinder zu.

„Was ist das da draußen, Onkel Cid?“ fragte Denzel verängstigt, während er sich an Marlenes Hand festhielt.

„Nichts, wovor ihr euch fürchten müsst“, antwortete Cid wenig glaubwürdig, während er mit Shera weiterhin Möbel vor die Tür verfrachtete. Schließlich war der Eingang vollkommen verrammelt. Das schrille Gebrüll der Ungeheuer drang von draußen herein. Nervös betrachteten sie die Barriere.

„Woher sind diese Viecher nur gekommen!?“ fragte Shera aufgelöst. Cid schüttelte langsam den Kopf und zündete sich eine neue Zigarette an. „Ich habe keine Ahnung, verflucht. Es sind jedenfalls dieselben wie damals…“

Fassungslos blickte sie ihn an.

„Was meinst du damit?“

„Du weißt schon, als dieser Punk, Kadatsch oder wie er hieß… er hat dieselben Viecher herbeigerufen.“

Shera wandte sich den Kindern zu, die zu weinen begonnen. Sie versuchte, sie zu trösten, mit wenig Erfolg.

„Aber… er wurde doch besiegt, oder kann es sein- “

„Ausgeschlossen“, knurrte Cid und nahm seine Lanze wieder zur Hand, die er weggelehnt hatte. Die Tür erzitterte unter den Angriffen der Ungeheuer, und die Barrikade davor schien das Unvermeidliche kaum aufzuhalten. „Wir müssen hier weg. Diese verfluchten Monster kommen bald durch. Hinauf in den ersten Stock!“
 

Links und rechts hielt sie eines der Kinder an der Hand und stürmte die Treppe hinauf. Cid folgte ihnen, und kaum hatten sie den ersten Stock erreicht, hörten sie auch schon, wie die Barrikade durchbrochen wurde. Entsetzt wandte Cid sich um und sah, wie die Untiere durch die Kneipe strömten und auf den Treppenaufgang zurasten.

„Lauft aufs Dach, verdammt! Ich komme nach!“

„Aber was wirst du- “

„Lauf und stell keine Fragen, verflucht nochmal!!“ schrie er sie an, und sie setzte sich in Bewegung.
 

Marlene und Denzel weinten bitterlich, als Shera mit ihnen die Treppe aufs Dach hinauf lief. Oben angekommen, sah sie sich um. Die Ruhe, die über Edge-City hing, war geradezu bedrückend und stand so völlig im Gegensatz zu dem Terror, der sie so plötzlich ereilt hatte. Ängstlich lauschte sie in den Treppenabgang hinab. Das Kreischen der Monster und Kampflaute waren zu hören. Sie wagte nicht daran zu denken-

Langsam näherte sie sich dem Rand des Daches. Die Kinder drückten ihre Augen zu und schluchzten. Als sie in die Tiefe blickte, sah sie, wie sich ‚Durchgänge‘ aus schwarzem Licht öffneten- um das Gebäude herum, aber… Ihre Augen wurden groß. Eine verzweifelte Träne lief ihr über die Wange, und ihre Brille beschlug sich. Kalter Schweiß trat ihr an die Stirn.
 

Nicht nur um ihr Gebäude- nein, in der ganzen Stadt geschah es. Von der Ferne hörte sie verzweifelte Schreie. Autoreifen quietschten. Glas splitterte. Menschen flohen. Ordnungskräfte und Soldaten brüllten überrumpelt durcheinander. Vereinzelte Schüsse ertönten. Selbst am Himmel sammelten sich dunkle Wolken und verdichteten sich zu Toren, die Höllengestalten ausspien.

Das Ende der Welt brach an.
 

„Nimm das, Scheißungeheuer!!“

Kreischend verendete das Monster, als Cid ihm seine Lanze in den Leib stieß. Er war ein Meister mit dieser Waffe- doch die Gegnerschar nahm kein Ende. Zähneknirschend trat er den Rückzug an, während die Biester aus der Hölle den Flur füllten.

Atemlos stürzte er aus der Tür. Er warf sie hinter sich zu und versperrte sie, auch wenn er wusste, dass es zwecklos war. Shera stand mit den Kindern am Rande des Flachdachs und beobachtete fassungslos, wie die Stadt im Chaos versank. Cid stellte sich neben sie hin und stützte sich auf seine Lanze. Fast fiel ihm die Zigarette aus dem Mundwinkel.

„Heilige Scheiße… !!!“

Monster, gleich jenen, die sie überfallen hatten, füllten die Straßen. Menschen flohen in Panik vor den aus dem Nichts auftauchenden Kreaturen. Der Straßenverkehr kam zum Erliegen. Aus allen Richtungen drangen die Schreie fliehender Menschen. Dann holte sie ein anderes Geräusch in die Wirklichkeit zurück. Und diese war grauenhaft.

Krachend flog die Tür aus den Angeln, und die Ungeheuer strömten auf das Flachdach. Marlene und Denzel drückten sich an Shera und wimmerten leise. Die Frau warf einen flehenden Blick zu Cid, der mit zu Schlitzen verengten Augen die feindliche Übermacht betrachtete. Dann holte er aus seiner Jacke ein Gerät hervor. Seelenruhig drückte er ein paar Knöpfe.

„Cid… was machen wir jetzt…“

Er überhörte ihre verängstigte Stimme und blickte zum Himmel. Dann reckte er einen Arm empor. Die Sonne verdunkelte sich, doch diesmal nicht von den plötzlich aufziehenden Wolken.
 

Die ‚Shera‘ schwebte über dem Gebäude. Das Dröhnen ihrer Aggregate übertönte das Knurren und Zischen der Ungeheuer auf dem Dach. Cid hielt weiterhin seine Hand in die Luft, als würde er das Schiff beschwören. Zischend lösten sich Raketen aus dem Rumpf des Schiffes, beschrieben wirre Kreisbahnen- und schlugen schließlich direkt vor ihnen auf dem Dach ein!

Die Vier hielten sich die Arme vors Gesicht, als sie die Druckwelle der Detonation überrollte. Als sich der Rauch verzog, sahen sie den Treppenaufgang in Trümmer liegen. Alle Ungeheuer waren vernichtet. Immer noch klammerten sich die beiden Kinder wimmernd an Shera, als sich das Schiff langsam herabsenkte. Cid steckte die Fernbedienung wieder ein und rannte auf die Rampe zu, die aus dem Bauch des Schiffes herausglitt. Als sie das Dach berührte, blieb er bei ihr stehen und winkte ihnen zu.

„Kommt schon, verdammt! Wir müssen weg!“
 

In Windeseile besetzte Cid die Steuerzentrale des Schiffes, während Shera die Kinder in ihren Räumlichkeiten unterbrachte. Nachdem sie sich überzeugt hatte, dass sie wohlauf waren und sich einigermaßen beruhigt hatten, ging sie zu Cid in den Kontrollraum.

Er stand ernst am Steuerrad und horchte den Funkverkehr ab. Auf allen Kanälen herrschte Aufruhr. Notrufe und Alarme überlagerten sich ständig, und es war kaum möglich, sinnvolle Information herauszufiltern. Außer, dass Edge-City im Chaos versank. Fassungslos trat Shera an die Sichtfenster des Kontrollraums. Die Straßen waren mittlerweile fast menschenleer. Kolonnen von verlassenen Fahrzeugen blockierten die Straßen, in denen nun die aus dem Nichts herbei geströmten Ungeheuer herrschten. An manchen Stellen erblickte sie Ordnungskräfte, die sich verzweifelte Gefechte mit den Monstern lieferten.

„Was geht hier vor…“, murmelte sie verstört. „Cid, was passiert mit dieser Stadt? Was ist hier los?“

Er schüttelte nur den Kopf und konzentrierte sich weiterhin auf den Funkverkehr. „Ich habe keine Ahnung, verflucht“, flüsterte er. Seine Zigarette war mittlerweile runter gebrannt, nur noch der Filter hing schlaff in seinem Mundwinkel, als schien dies die letzte Konstante in einer zusammenbrechenden Welt zu sein…

Shera wandte sich wieder ab von ihm und sah auf die Stadt hinab. Das Schiff schwebte langsam über die Häuserblocks dahin, scheinbar ohne Ziel.

„Cid, wo fliegen wir eigentlich hin? Cid, rede mit mir!“

„Hä?“ Er horchte auf. Dann schaltete er das Funkgerät ab. „Ist sowieso zwecklos… wohin? Ich habe keine gottverdammte Ahnung! Diese Mistviecher… sie scheinen überall in der Stadt zu sein.“

So furchtbar es klang, Shera konnte ihm in Gedanken nur zustimmen. Dann fiel ihr Blick auf etwas.

„Da! Da unten! Siehst du das?“

„Hm?“ brummte er, und zog das Steuerrad herum.

„Da, auf dem Dach da unten!“
 

Sie warf die Tür hinter sich zu und presste sich atemlos dagegen. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Allmählich zog Schwärze vor ihren Augen auf, und sie kämpfte mit aller Macht dagegen an. Vor fünf Minuten war sie noch bei ihrer Arbeit gesessen, und jetzt waren alle ihre Kollegen tot. Aus dem Nichts waren sie aufgetaucht und hatten das Gebäude gestürmt. Sie wähnte sich in einem Alptraum, als das erste Monster seine Klauen in die Brust eines ihrer Kollegen geschlagen hatte. Fast unwirklich war es ihr erschienen, als sein hellrotes Blut an die Wand gespritzt war. Der Schrecken hatte sie erstarren lassen. Hätte sie nicht ein anderer Kollege von ihrem Stuhl gestoßen, sie wäre nun auch tot. Die Angst hatte ihre Beine mit Bleigewichten versehen, trotzdem hatte sie es geschafft, sich in das oberste Stockwerk zu retten. Keinen Moment hatte sie es gewagt, sich umzudrehen. Sie hatte nur das Trampeln der Ungeheuer gehört und die Tür hinter sich zugeschlagen. Und nun lehnte sie an ihr und versuchte, zu Atem zu kommen.

Eine heftige Erschütterung warf sie beinahe zu Boden. Kreischend wich sie von der Tür zurück, die sich an mehreren Stellen nach ihnen wölbte. Mit schreckensgeweiteten Augen begriff sie, dass die Untiere jeden Moment durch die Tür brechen würden. Hellwach vor Panik und Todesangst blickte sie sich um. Schließlich fiel ihr gehetzter Blick auf eine Leiter, die zu einer Falltür führte.

Mit unsicheren Schritten taumelte sie über das Flachdach. Sie zitterte am ganzen Körper, wie ihr nun auffiel. Das Pochen ihres Herzes wurde nur übertönt von den Schüssen und Sirenen, die durch die Stadt hallten. Ihr Blick glitt über Straßen, aus denen Rauchsäulen aufstiegen, über ganze Herden von Monstern, die nun über Edge-City herrschten.

„Nein…“, stammelte sie tränenerstickt. „Das… kann nicht wahr sein…“ Ein dumpfes Knirschen riss sie aus ihrer Lethargie. Die Falltür flog in hohem Bogen durch die Luft. Eines der Monster zwängte sich durch die Luke, und bald war es hindurch. Die anderen folgten ihm und bewegten sich geifernd und zischend auf sie zu. Verzweifelt rang sie nach Luft. Hier konnte sie nicht mehr fliehen, höchstens sich vom Dach stürzen und so einen leichteren Tod finden. Ihre Lungen weigerten sich, weitere Luft aufzunehmen, und sie schloss die Augen. Sie hörte noch das Klacken der Klauen auf dem Betonboden- dann warf sie eine Druckwelle zu Boden.

Hustend rang sie nach Luft. Als sich der Rauch legte, sah sie die zu Staub zerfallenden Leiber der Ungeheuer. Und dann schwebte ein Luftschiff auf sie herab. Mit einem Arm schirmte sie ihre Augen gegen den aufgewirbelten Staub ab, als das Schiff auf dem Dach landete.
 

Shera wickelte die geschockte junge Frau in eine Decke ein. Marlene und Denzel beobachteten sie neugierig. Dann reichte sie ihr eine Tasse Earl Grey, Cids Lieblingsteesorte. Mit zitternden Händen nahm sie die Tasse und flüsterte ein schwaches ‚Danke‘. Shera musterte sie aufmerksam, ob sie auch wirklich unverletzt war.

„Wie heißt du, mein Kind“, fragte Shera sie in einem fürsorglichen, ja mütterlichen Tonfall, obwohl der Altersunterschied zwischen ihnen vielleicht zehn Jahre betragen mochte.

„Ich bin Anne. Anne Almasy. Kann ich mich… irgendwo hinlegen?“ fragte vorsichtig.

„Sicher, Anne. Ich bin übrigens Shera Highwind. Komm mit“, erwiderte Shera und führte sie in ein freies Quartier.
 

Die Frau setzte sich dort aufs Bett. Die Decke, die Shera ihr gegeben hatte, hielt sie fest als würde sie frieren. Ihr leerer Blick haftete an der gegenüberliegenden Wand.

„Brauchst du sonst noch irgendwas?“ fragte Shera freundlich, doch Anne schüttelte nur langsam den Kopf. „Gut. Ich sehe dann wieder nach dir. Am besten, du ruhst dich jetzt aus.“

Sie wandte sich schon zu gehen, als Anne noch etwas sagte.

„Ich… ich habe mich noch gar nicht bedankt. Für die Rettung und so.“

Sie erwiderte den unsicheren Blick der jungen Frau wohlwollend.

„Ist schon in Ordnung. Es wird alles wieder gut, und jetzt versuch zu schlafen.“
 

Leise schloss sie die Tür hinter sich. Ihre eigenen Worte gingen ihr nochmal durch den Kopf, als sie in Richtung der Brücke ging.

Es wird alles wieder gut… das kann ich ja selbst nicht glauben. Aber vielleicht zumindest sie…
 

„Ist die Kleine in Ordnung?“ fragte Cid mit einem leisen Anflug von Sorge. Shera nickte.

„Ja, es geht ihr den Umständen entsprechend gut.“ Dann ging sie wieder zu den Sichtfenstern. Unter ihnen wütete immer noch das Chaos, das Edge-City verschlungen hatte. „Das ist schrecklich… Können wir denn nichts tun? Vielleicht können wir noch mehr dieser Kreaturen vernichten!“

Cid schüttelte brummend den Kopf.

„Schön wär’s. Wir haben nicht genügend Raketen, um alle diese Biester zu erwischen.“ Dann nahm er die Zigarette aus dem Mund, was seine Aussprache gleich deutlicher werden ließ. „Darum muss sich schon das verfluchte Militär kümmern. Nur eine Armee kann die Stadt zurückerobern.“

„Schrecklich…“, murmelte Shera.

„Verflucht! Was ist das!?“

Sie wandte sich zu Cid um. Dieser starrte nun fassungslos den Radarschirm an.

„Was ist denn jetzt wieder?“ fragte sie und ahnte das Schlimmste. Cids geweitete Augen glitten vom Radarschirm zum großen Sichtfenster des Kontrollraums. Shera folgte seinem Blick. Dann sah sie es ebenfalls.
 

Ein geflügeltes Monster hielt direkt auf sie zu. Es war von derselben schwarzen, geschuppten Erscheinung wie die kleineren, nur eben… größer. VIEL Größer. Stacheln bedeckten einen großen Teil seines monströsen Leibes, und gezackte Schwingen ließen es behände durch den Luftraum über Edge-City gleiten. Und es ging auf Kollisionskurs mit der ‚Shera‘…
 

Hektisch riss Cid das Steuerrad herum. Shera musste sich festhalten, als das Schiff in Schräglage ging. Enge Bögen beschreibend, flog das Schiff eine Schleife. Doch das fliegende Untier verfolgte sie problemlos. Verzweifelt klammerte sich Shera an einer Reling an.

„Greif es mit den Raketen an, Cid!“

„Geht nicht“, knurrte er genervt. „Die Bordraketen treffen nur unbewegliche Ziele. Wir müssen ausweichen!“
 

Elegante Ausweichmanöver fliegend, glitt die ‚Shera‘ über die Stadt dahin. Doch der geflügelte Angreifer hielt locker mit. Das Ungeheuer war beinahe so groß wie das Schiff selbst. Es beschleunigte, bis es auf derselben Höhe war. Das Stahlskelett des Schiffes ächzte, als ein Prankenhieb des Monsters die Hülle traf.
 

Cid wurde durch die Erschütterung fast von den Beinen gefegt. Mit letzter Kraft hielt er sich am Steuerrad fest. Shera hing an der Reling und kreischte, als das Schiff bedrohlich schlingerte. Allen Ausweichmanövern zum Trotz wurde es immer wieder von Attacken getroffen. Fluchend griff Cid mit der freien Hand zu einer Konsole und öffnete einen Schutzdeckel. Darunter befand sich ein roter Schalter. Einen kurzen Moment zögerte er, dann legte er den Schalter um.
 

Eine blauglühende Aura umgab die Aggregate der ‚Shera‘. Es verstärkte sich und wurde schließlich gleißend weiß. Dann ging ein Ruck durch das Schiff, der es auseinander zu reißen drohte. Eine in die Länge gezogene Silhouette des Schiffes blieb zurück und verblasste langsam am Himmel über Edge-City.
 

Langsam kam Shera auf die Beine. Ihr Kopf fühlte sich an, als hätte ihn jemand an die Wand geschleudert. Leise Worte drangen an ihre schmerzenden Ohren.

„Hoffentlich ist ihr nichts passiert…“

Die Stimme klang verzagt, fast weinerlich. Das Seltsamste aber: sie gehörte Cid, dem sonst kaum eine Gefühlsregung entkam.

„Ich bin in Ordnung, so weit ich das bis jetzt sehe- “

Sie wandte sich um und sah Cid, dessen Miene sich aufhellte. Zufrieden checkte er die Anzeigen.

„Das Schiff ist in Ordnung, Gott sei Dank“, rief er erleichtert. „Ich habe den Beschleuniger nie wirklich getestet. Aber die Maschinen haben es gut überstanden.“ Fast zärtlich tätschelte er die Armaturen. Shera hob eine Augenbraue.

„Aha“, erwiderte sie verdrießlich. „Ja, und mir geht es auch gut, falls dich das interessiert.“

„Hm? Dir geht es gut? Schön zu hören. Mal sehen, wo wir sind.“

Kopfschüttelnd wandte sie sich ab und warf einen Blick aus den Sichtfenstern. Sie waren nicht mehr über Edge-City, das sah sie sofort. Die Umgebung hatte sich drastisch verändert. Rote Sandsteinberge füllten nun das Panorama. Es kam ihr gleich bekannt vor.

„Das Tal des fallenden Sterns… Da können wir ja Nanaki einen Besuch abstatten. Ich muss sowieso die Maschinen zur Sicherheit nochmal überprüfen.“

Mit seinem bekannten fliegerischem Geschick landete er die ‚Shera‘ auf dem großen Platz vor der Siedlung in Cosmo Canyon. Sie hatten das ‚Tal des fallenden Sterns‘, wie Cosmo Canyon auch genannt wurde, schon mehrmals besucht. Die Behausungen, die auf fantasievolle Weise in den schroffen Sandstein gehauen waren, wirkten immer wieder aufs Neue beeindruckend. Kühne Leitern und steile Treppen verbanden die einzelnen Häuser miteinander, die sich wie Wespennester an den rötlichen Sandstein schmiegten. Dies war die Heimat von Nanaki und seinem Volk, das diesen Ort seit Zeitaltern beschützt hatte. Doch sein Volk war ausgestorben, und er der letzte Vertreter, auch wenn der Älteste dieses Ortes, der ehrwürdige Bugenhagen, einmal eine anders lautende Andeutung gemacht hatte. Doch auch er war mittlerweile zum Lebensstrom zurückgekehrt, und so blieb es ein Rätsel.
 

Die Bewohner des Canyons kamen aus ihren Häusern und sammelten sich am Hauptplatz, wo zu bestimmten Anlässen immer ein großes Feuer brannte. Wie auch damals, als die Truppe um Cloud mit den verbliebenen Mitgliedern von Avalanche den Sieg über Sephirot und die Rettung des Planeten gefeiert hatte. Jetzt wirbelte die Asche auf, als das Schiff sanft aufsetzte. Verwundert betrachteten die Menschen das Schiff. Aber gleichzeitig taten sie dies so gelassen und mit einer Ruhe, als könnten plötzliche Ereignisse gar nicht stattfinden an diesem friedlichen Ort mit seiner beinahe meditativen Atmosphäre.

Langsam surrte die Rampe heraus. Shera ging sie hinab und hielt dabei Marlene und Denzel an den Händen. Anne folgte ihnen vorsichtig und blickte sich misstrauisch um. Zu sehr stand sie noch unter dem Schock ihrer Erlebnisse. Als letzter verließ Cid das Schiff. Er überholte sie locker ausschreitend und klopfte ihr ihm Vorbeigehen auf die Schulter. Die junge Frau erschrak dabei und stürzte ob der Wucht dieser kameradschaftlichen Geste fast vornüber. Cid stützte sie und murmelte dabei ein unverständliches ‚t‘schuldiung‘. Sie erwiderte es mit einem verzogenem Gesicht. Cid nickte ihr zu und nahm die Zigarette aus dem Mundwinkel.

„Hier sind wir in Sicherheit. Diese Leute sind etwas abgedreht, aber in Ordnung.“

Ein leises Lächeln hellte ihre immer noch verschreckten Züge auf.

„Das ist… gut. Oh, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich heiße Anne Almasy.“

Cid streckte ihr seine Hand entgegen, die immer noch in einem öligen, langen Handschuh steckte. Zaghaft ergriff die junge Frau sie.

„Sehr erfreut. Cid Highwind, Pilot und Erfinder.“

Der Zigarettenstummel hüpfte in seinem Mundwinkel auf und ab, und Anne ächzte leise unter dem Druck seiner starken Hand.

„Ich… möchte mich bedanken. Für meine Rettung.“ Stirnrunzelnd betrachtete sie ihre angeschwärzte Hand. Cid bemerkte dies und kramte in seiner Schenkeltasche nach einem Lappen.

„Ach, verflucht… jetzt habe ich dich ganz dreckig gemacht. Hier, wisch dich ab.“

Sie betrachtete argwöhnisch den vor Öl triefenden Lappen und schüttelte verlegen den Kopf.

„Danke, aber… ist nicht so schlimm. Ich wasche mich später.“
 

Als die Fünf den Platz betraten, teilte sich die Menschenmenge. Ein älterer, bereits ergrauter Mann kam auf sie zu.

„Ich heiße euch willkommen in unserem Tal. Wenngleich uns euer Besuch überrascht, so heißen wir euch auf jeden Fall willkommen, geehrte Retter des Planeten…“

Ältester Hargo, der nach dem Ableben Bugenhagens sein Amt übernommen hatte, hieß sie herzlich willkommen. Shera lauschte seiner umfangreichen Begrüßung geduldig, während Cid hinter ihr stand und dabei Grimassen zog, die Hargos umständliche Sprechweise nachäfften.

„Auch wir freuen uns, diesen heiligen Ort besuchen zu können und danken euch für eure Gastfreundschaft. Der Grund unseres Auftauchens… ihr habt noch nichts von Edge-City gehört? Von dem Angriff…?“

Bei dem Wort Angriff kam Unruhe in die Menschenmenge. Hargo blickte sie fragend an.

„Es dauert immer etwas, bis uns Nachrichten vom Rest der Welt erreichen…“ Er blickte sich vorsichtig um. „Am besten, wir besprechen dies in Ruhe. Seid solange meine Gäste“, fügte er lächelnd hinzu. Dann führte er sie die Treppen empor, die zum Observatorium führten, das über dem Cosmo Canyon thronte.
 

Die Behausung direkt unter der Sternwarte hatte sich seit damals kaum verändert. Vieles hier erinnerte an den weisen, gütigen Bugenhagen, dem der Planet mehr als alles andere bedeutete und dem er sein Leben gewidmet hatte.

Zusammen mit Hargo saßen sie an dem Küchentisch, der in irgendeiner Küche dieser Welt hätte stehen können, so normal wirkte alles. Ergriffen lauschte er Sheras Ausführungen, während Cid mit gelangweilter Miene daneben saß und ihr das Reden überließ. Immer wieder war er erstaunt, wie sie mehrere Sätze hinter einander aussprechen konnte, ohne ein einziges Mal zu fluchen. Marlene und Denzel saßen brav nebeneinander und schlürften den angebotenen Kakao. Anne saß neben Cid und starrte auf die Tischplatte. Selbst das bloße Anhören der Ereignisse bedrückte sie.

„Das ist schrecklich…“, flüsterte Hargo erschüttert. „Edge-City in der Macht von Monstern… Wie konnte das passieren?“ fragte er mit einem verzweifelten Gesichtsausdruck.

„Wir wissen es nicht. Wir haben keine Ahnung…“

„Aber… was ist mit Cloud und den anderen? Sie sind nicht bei euch, wie ich sehe, aber ich hoffe, sie sind wohlauf!?“

Sheras Blick ging zu den Kindern. Sie überlegte, ob sie es noch komplizierter machen sollte.

„Es geht ihnen gut. Sie haben schon vor einer Weile die Stadt verlassen, aber… sie sind in Ordnung, seid versichert.“

„Das ist gut zu hören“, sagte er aufatmend. „Auch wenn wir nichts für Edge-City tun können außer zu beten, so nehmt doch unsere Gastfreundschaft solange in Anspruch, bis diese schlimme Sache vorüber ist.“

Gerade als Shera etwas erwidern wollte, bemerkte sie etwas. Leise Pfoten, die einen doch schweren Körper trugen, näherten sich ihnen. Erfreut wandten sich die Kinder um, und sogar Cid nahm seinen öligen Finger aus dem Ohr, das er gerade andächtig geputzt hatte. Anne hingegen erstarrte beim Anblick eines Löwen/Hundeverschnitts, der den Raum betrat. Sein Fell schimmerte dunkelrot, und sein rechtes Auge war vernarbt. Auf den linken Flanken prangten Tätowierungen, und das Ende seines Schweifes loderte in Flammen. Am auffälligsten war aber die Brosche, die er in seinem schwarzen Kopfhaar trug. Das Schmuckstück glänzte und schimmerte und bildete einen Kontrast zu seiner ansonsten eher düsteren Erscheinung.

„Wen haben wir denn hier…“, begann das Wesen mit seiner sonoren Stimme. Marlene und Denzel sprangen auf und umarmten es stürmisch, was es mit erstaunlicher Ruhe über sich ergehen ließ. Sie hatten keinerlei Angst vor dem gefährlich wirkenden Geschöpf. Anne schauderte es bei seinem Anblick.

„Nanaki… wie geht’s, altes Haus“, brummte Cid und nahm die Zigarette aus dem Mund. Auch Shera nickte ihm freundlich zu. Während ihn die Kinder eifrig streichelten, sprang er auf einen Stuhl und machte dort ‚Platz‘. Kichernd folgten sie ihm. Nanaki blickte in die Runde, bis sein Blick auf die entgeisterte Anne fiel.

„Ihr habt noch einen Gast mitgebracht? Mit wem habe ich die Ehre?“

„Oh, wie unaufmerksam von uns“, sagte Shera und machte ein verlegenes Gesicht. „Das ist Anne Almasy. Anne, das ist Nanaki, Setos Sohn.“

„Setos stolzer Sohn“, fügte Nanaki hinzu und deutete eine Verneigung an. Immer noch bearbeiteten die beiden Kinder sein Fell mit ihren Streicheleinheiten und machten sich schließlich an seiner Brosche zu schaffen. „Ach, bitte, Kinder. Lasst doch meinen ‚begrenzten Mond‘, wo er ist. Danke.“

„Er ist`n alter Kumpel von uns“, erklärte Cid. „Wir haben viel Scheiße zusammen durchgemacht, ihm kannst du ruhig trauen.“

„Cid!“ zischte Shera. „Die Kinder…“ Arglos zuckte er mit den Schultern.

„Übrigens… Wäre besser, wenn du den Leuten nicht zu viel davon erzählst. Du weißt schon, sie machen sich nur unnötige Sorgen.“

Hargo blickte Cid mit großen Augen an. Dann nickte er eifrig.

„Ja, natürlich… ihr habt vollkommen recht. Und außerdem… ist Edge-City ja weit weg. Uns droht also kaum Gefahr.“

Und wir haben den Planeten ja nicht zerstört, schien er gedanklich hinzuzufügen. Und das habt ihr nun davon, schien er ebenfalls sagen zu wollen. Cid nickte schief lächelnd zurück und wusste dabei genau, dass für diese Bedrohung räumliche Entfernung kein Hindernis war.

„Und außerdem… wir müssen etwas mit Nanaki besprechen“, fügte Shera hinzu. „Vielleicht beruhigt ihr derweil eure Mitbürger…?“

Nach einer Gedenksekunde schnallte Hargo den Zaunpfahlwink.

„Ja, das sollte ich wohl tun. Bevor noch Panik entsteht. Dann… lasse ich euch mal alleine.“

Ältester Hargo nickte ihnen noch freundlich zu, dann verließ er den Raum.
 

Sie hatten gar nicht bemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war. Das Sternenzelt, das sich über den Cosmo Canyon spannte, war atemberaubend und viel strahlender als über Edge-City, wo der Smog einen derartigen Anblick verhinderte.

Die beiden Kinder hingen am Geländer und blickten staunend zu den Sternbildern hinauf. Cid und Shera erklärten Nanaki all das, was sie Hargo verschwiegen hatten, also den Angriff des seltsamen Wesens auf Tifa und die Rettungsaktion, zu der Cloud und die anderen aufgebrochen waren. Im rätselhaften Gesicht Nanakis zeichnete sich aufkeimende Bestürzung ab.

„Das ist… entsetzlich. Was mag diese Kreatur mit Tifa angestellt haben?“

Anne stand etwas abseits und horchte unauffällig zu. Allmählich dämmerte ihr die erschreckende Erkenntnis, dass das Projekt, an dem sie im Auftrag der W.R.O. mitgewirkt hatte, damit in Verbindung stand. Sie wusste keine Details von dem Tor-Projekt, doch genug, um die Zusammenhänge zu erkennen. Und dann die Nacht, in der Tifa verschwand… Sie selbst hatte die Daten aufgezeichnet und dann zur W.R.O. weitergeleitet. Ein unbestimmtes Gefühl der Schuld begann sie niederzudrücken, obwohl sie nicht einmal genau wusste, weshalb. Sie beschloss, fürs erste nichts davon zu sagen.

„Zuerst dieses verdammte Ungetüm, und dann die Riesenscheiße in Edge-City“, stöhnte Cid auf. Wütend warf er eine abgebrannte Kippe übers Geländer in die Tiefe.

„Was wollt ihr jetzt tun?“ fragte Nanaki, und sein schwer deutbarer Blick ruhte auf ihnen. Shera seufzte tief.

„Wir können nichts für Cloud und die anderen tun, aber… auch wenn wir der Monsterplage nicht beikommen, so müssen wir zumindest versuchen, den Leuten in der Stadt zu helfen.“

„Darauf kannst du einen lassen“, sagte Cid, während ein Streichholz aufflammte. Er führte es zum Gesicht und entzündete eine neue Zigarette. Genussvoll blies er den Rauch in Nanakis Richtung, und dieser verdrehte sein verbliebenes Auge.

„Die Dinger gehen dir wohl nie aus“, hustete er. „Ich bin dabei. Das sind wir den Menschen schuldig. Auch wenn…“ Er warf einen Blick in die Tiefe. Vom Balkon des Observatoriums konnte man den Platz gut überblicken. Die Bewohner des Tals hatten sich dort versammelt und lauschten Hargos Erklärung. „…auch wenn nicht alle hier so denken.“

„Ich kann verstehen, wenn Hargo und auch andere Menschen hier Vorbehalte gegen die W.R.O., Edge-City und überhaupt alles aus der Hauptstadt haben, aber… wir müssen einfach etwas unternehmen“, fügte Shera in einem sorgenvollen Ton hinzu. Nanaki nickte.

„Du hast recht. Sie werden es vielleicht nicht verstehen, wenn ich mit euch gehe… aber ich werde es tun.“

So etwas wie ein Lächeln umspielte seine Raubtierschnauze. Cid nahm die Zigarette aus dem Mund und blies einen Rauchkringel in die klare Nachtluft.

„Na dann, treten wir diesen Mistviechern in den Arsch.“

@

Am nächsten Morgen standen sie früh auf, und niemand außer Hargo verabschiedete sie. Langsam und mit gedrosselten Aggregaten hob die ‚Shera‘ ab, um möglichst niemanden zu wecken. Mit unverhohlenem Bedauern blickte der Älteste des Cosmo Canyon dem Schiff nach, wie es sich langsam entfernte und immer kleiner wurde.

Cid stand am Steuerrad und blickte durch die großen Glasfenster in die Ferne. Wie immer hatte er eine Zigarette im Mund, die wie durch ein Wunder immer hinter seinem Ohr erschienen. Sein Gesicht hatte etwas Abwesendes, und er merkte es nicht, dass Anne die Brücke betrat. Verlegen trat sie zu ihm hin.

„Äh, Herr Highwind… fliegen wir wirklich zurück nach Edge-City?“

Noch einige Momente länger stierte er in Richtung Horizont, dann erschrak er. Fast wäre ihm die Zigarette aus dem Mundwinkel gefallen.

„Ach, du bist’s. Nicht so förmlich, nenn mich einfach Cid.“

Spitzbübisch zwinkerte er ihr zu, und beinahe errötete sie angesichts seines herben Charmes.

„Gut, Cid… ist das eine gute Idee… ich meine, in die Stadt zurückzukehren?“

„Klar“, brummte er und nahm die Zigarette aus dem Mund. „Glaub mir, Kleines, ich kann mir auch was Lustigeres vorstellen. Aber irgendjemand muss diese Mistviecher vertreiben.“ Es herrschte mehrere Augenblicke lang Stille, bis Cid heftig mit der Faust auf das Steuerrad schlug. Anne zuckte zusammen. „Diese elenden Scheißbiester!! Haben glatt versucht, meine Shera aufzufressen! Schon allein deshalb muss ich was tun, verstehst du? Auch wenn ich noch nicht genau weiß, wa- “

Plötzlich blieb sein Blick am Radarschirm hängen. Sein Gesichtsausdruck wandelte sich von erstaunt über bestürzt und wurde schließlich zu einem finsteren fuchsteufelswild.

„Ist etwas passiert?“ fragte Anne schüchtern.

„Verfluchtes verdammtes Scheißungetüm!! Es lässt nicht locker…“ Er knirschte einen Moment mit den Zähnen, dann griff er zum Bordmikrophon. „Okay, alles, was kämpfen kann bewegt seinen Arsch aufs Aussichtsdeck, und das wären…“ Ein hilfloses Lachen überflog seine Züge. „… Nanaki und ich, so wie’s aussieht. Es sei denn, du kannst mit einer Waffe umgehen?“ Sein forschender Blick traf die eingeschüchterte junge Frau. Bange schüttelte sie den Kopf. „Dacht‘ ich mir.“ Mit einem Knopfdruck aktivierte er den Autopiloten und ging dann zur Tür.

„Was geschieht jetzt?“ fragte sie ängstlich. Cid holte seine Lanze hervor und bedachte sah sie mit zu Schlitzen verengten Augen an.

„Diesmal laufen wir nicht weg. Das Vieh will einen Tanz, und den kann es haben!“ Dann warf er die Lanze von einer Hand in die andere und verließ die Brücke.
 

Der in dieser Höhe heftige Wind zerrte an ihm, als er ins Freie trat. Auch Nanaki war schon dort. Shera und Anne beobachteten durch ein Fenster hindurch das Aussichtsdeck, wie die beiden Aufstellung bezogen.

„Was tun die beiden jetzt?“

„Sie werden kämpfen.“

Anne machte ein bestürztes Gesicht.

„Was, während des Flugs!?“

Shera nickte seufzend.

„Ja. Ist nichts Neues für die beiden.“
 

„Na los, komm schon, verfluchtes Scheißding“, knurrte Cid, während er sich nach allen Seiten umblickte.

„Nur Geduld“, erwiderte Nanaki, dessen einzelnes Auge aufmerksam die Umgebung beobachtete. „Es wird schon auftau- “

Dann geschah es. Die Sturmbö riss die beiden fast von den Füßen, als das drachenähnliche Wesen über den Rand des Schiffes emporschoss. Einen Sturmwind entfachend, schlug es mit den Flügeln und brüllte auf.

Anne stürzte an die Scheibe und blickte mit schreckensgeweiteten Augen hinaus.

„Mein Gott!! Was sollen wir jetzt tun!?“

„Zusehen, wie die beiden es fertig machen“, erwiderte Shera ungerührt.
 

„Wie in alten Zeiten…“ sagte Nanaki im Angesicht des gigantischen Gegners.

„Ja, wie in den verfluchten alten Zeiten“, murmelte Cid als Antwort und machte sich zum Angriff bereit. Das riesenhafte Ungetüm schwebte vor ihnen und gab röhrende Laute von sich. Nanaki duckte sich, dann schoss er empor. Eine Spur aus grünem Licht in der Luft hinterlassend, traf das Ungetüm, das schmerzerfüllt aufbrüllte. Zornig schlug es mit den Flügeln, als Nanaki bereits wieder neben ihm stand.

„Jetzt bist du dran“, rief er beiläufig zu Cid, der sich wie er gegen den Wind stemmte. Seine Zigarette brannte aber immer noch, und so zog er aus seiner bodenlosen Schenkeltasche eine Stange Dynamit heraus. Die Lunte begann zischend zu brennen, als er sie an die glühende Zigarette hielt. Dann holte er aus und warf. Die Stange Sprengstoff flog taumelnd auf das schwebende Wesen zu und detonierte beim Aufprall. Die Explosion erschütterte das Wesen heftig. Es begann am ganzen Körper zu zucken. Cid grinste schon triumphierend, als es zum Gegenangriff ansetzte. Es flatterte heran, und durch seine schiere Größe tauchte es das gesamte Aussichtsdeck in Schatten. Es holte mit seiner riesigen Pranke aus und fegte über das Deck. Die beiden versuchten noch, zur Seite zu springen, doch die Krallen streiften sie trotzdem.

Langsam kamen sie auf die Beine. Cid rieb sich schmerzende Stellen und fluchte leise. Nanaki schüttelte sein Fell aus machte sich wieder kampfbereit.

„Du elendes… verdammtes… verfluchtes SCHEISSDING!!“

Glühend vor Wut warf er die Zigarette weg und schrie aus Leibeskräften. Lichtstrahlen schossen aus dem Boden zu seinen Füßen. Dann sprang er.

Gebannt beobachteten Anne und Shera, wie Cid durch die Luft segelte. Mit der Lanze voraus landete er auf dem Kopf des fliegenden Monsters und rammte sie mit aller Kraft in seinen unförmigen Schädel. Das Ungeheuer tobte und versuchte ihn abzuwerfen. Doch Cid war hartnäckig und drückte die Lanze mit aller Kraft in die Wunde. Schon begann blaues Licht aus der Verletzung auszutreten. Verzweifelt versuchte die Kreatur ihn mit einer Klaue zu treffen, doch es war zu keiner koordinierten Bewegung mehr fähig. Ein letztes Mal zuckte es, dann erschlaffte es. Ein triumphierendes Grinsen zeichnete sich auf Cids Gesicht ab, das schnell zu einer Maske des Entsetzens wurde, als er merkte, dass er mitsamt dem Monster in die Tiefe stürzte. Im letzten Moment sprang er ab und rollte sich akrobatisch auf dem Aussichtsdeck ab. Alle anderen liefen zu ihm hin. Er wehrte allerdings sämtliche Versuche ab, ihm aufzuhelfen.

„Lasst das, verdammt! Bin doch kein alter Mann, verflucht…“ Schnaufend putzte er sich die Hose ab. „Das Mistding hätten wir erledigt.“ Geistesabwesend betrachtete er seine Lanze, als ihn Shera an der Schulter packte. Dann folgte er ihrem Blick. „Heilige Scheiße, was denn noch…!!!“

Fassungslos blickten sie in Richtung einer Öffnung im Raum, aus der schwarzes Licht herausströmte. Sie hatte sich direkt vor dem Schiff geöffnet und sog es nun mit aller Macht ein. Von Panik ergriffen rannten sie los. Doch kaum hatten sie die Tür zum Deck hinter sich geschlossen, verschlang die Öffnung auch schon das Schiff. Schockiert verfolgten sie von der Brücke aus, wie das Schiff unkontrollierbar durch einen Tunnel aus Schwärze und blitzenden Entladungen flog…



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2008-11-05T10:45:46+00:00 05.11.2008 11:45
Hallo!

So, hab mir Kapitel vier auch gleich vorgenommen und ich bin nicht weniger begeistert als bei den vorherigen. Ein paar Stellen gabs wieder, die nicht in die FF gepasst haben, aber ich spar mir das Aufzählen dieses mal. Du weißt ja eh, was gemeint ist ;-) Ansonsten ist mir persönlich nichts aufgefallen, dass es zu kritisieren gäbe.
Endlich hat man erfahren, was mit Tifa und Squall passiert ist. Ich habe schon befürchtet, sie würden in irgendeinem Kerker sitzen, eingesperrt von Gilgamesch oder so etwas in der Art. Aber schön, dass es nicht so ist. Und auch sie laufen planlos in der Stadt herum um etwas heraus zu finden. Ich fand es irgendwie lustig, dass Tifa so neugierig war und Squall, wie immer, ziemlich wenig gesprächig war. Ich fands irgendwie auch ganz passend, dass sie auf Fran und Balthier getroffen sind. Bin ja gespannt, ob sie sein Angebot noch annehmen, wie es bei den Beiden weiter geht und was es in den Mienen spannendes zu entdecken gibt.
Der Teil mit Reno und Rude gefiel mir auch sehr gut und war vor allem lustig. Die zwei sind wirklich total blöd und man kann immer wieder über sie lachen. Mir sind sie irgendwie sympatisch, vor allem Reno mit seiner vorlauten Klappe. Er schafft es immer wieder, die beiden in Schwierigkeiten zu bringen. Bin ja mal gespannt, was sie da messen sollen, wenn überhaupt. Sind ja auch von Rufus reingelegt worden.
In Edge gehts ja ziemlich zu und nun sind auch Cid und Co. durch so ein Tor geraten. Und auch Nanaki (einer meiner Lieblinge) ist dabei. Bin ja mal gespannt, wo die wieder landen. Ich hab mir beim Lesen von Kapitel eins schon gedacht, dass diese Anne Almasy noch eine Rolle spielen wird und ich hatte recht. Schon ziemlich spannend, das Ganze.
So, freu mich schon auf Kapitel fünf, wo es anscheinend wieder mit Cloud's und Rinoa's Truppen weiter geht. Schön langsam sagen mir die Titel der Kapitel was ^^''

Bis zum nächsten Kapitel.

LG, Phoenix
Von:  fahnm
2008-04-17T21:24:08+00:00 17.04.2008 23:24
Das gibts nicht Squall und Tifa haben sich zusammen getan um einen weg
zurück zufinden und wollen diese Mine genauer anschauen. Und dann hat Rufus
die beiden Deppen Reno und Rude durch einen Trick das Tor geschickt um es zuerforschen, und jetzt geraten Cid, Nanaki und die Anderen durch einen Diminsonsriss warhscheinlich auch noch nach Invalice. Treffen sich eigentlich die Teams von Cloud und Rinoa irgenwann machen dan gemeinsam auf die suche nach ihren Freunden ? Danke für die ENS und sag bescheid wenn es
weiter geht.

mfg
fahnm



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