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Eternal Fantasy

von

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Cd3-Ra3

Ich grüsse alle Leser! Nun geht es weiter mit Clouds Truppe...
 


 

Als Cloud am nächsten Morgen erwachte, starrte er verwirrt an die Decke. Fremdartige Gerüche und andere Eindrücke drängten sich in seine Wahrnehmung. Irritiert blickte er sich in dem kleinen Raum um. Bis es ihm wieder einfiel.

„Ach so, die Tifa-retten-Geschichte…“, murmelte er, während er den Weg in seine Klamotten suchte.

Als sie zusammen in der Wirtsstube des ‚Sandmeeres‘ saßen, beobachtete Cloud seine Freunde. Aus seiner Zeit beim Militär wusste er, wie wichtig es war, auf die Verfassung seiner Mitstreiter zu achten. Barret saß da und schob die fremdartigen Speisen dieses Landes in sich hinein und kaute so energisch, als gelte es, auf diese Weise einen Feind niederzuringen. Hie und da warf er einem der anderen Gäste einen skeptischen Blick zu, wandte sich aber dann wieder dem Schlachtfeld in seiner Schüssel zu.

Yuffie wirkte gut gelaunt, so wie meistens. Scheinbar erfreute sie die Aussicht auf noch unbekannte Materia, die sie in diesem Land womöglich finden würden. Immer wieder zwinkerte sie Vincent zu, der die schelmischen Blicke aber selten erwiderte. Ja, Vincent…

Er wirkte abwesend und in sich gekehrt wie meistens, aber da war noch etwas. Vielleicht war es ihr Gespräch vom Vortag, aber vielleicht… hatte er auch eine Vorahnung. Die genetischen Veränderungen, die ihm einst Professor Hojo angetan hatte, hatten nicht nur seine Physis beeinflusst, sondern auch seine Wahrnehmung und seinen Instinkt. Sollten große Gefahren auf sie lauern, dann würde er es womöglich spüren. Bei Gelegenheit musst ich mit ihm reden, dachte Cloud. Vincents Gesicht wirkte enigmatisch wie eh und je. Hätte er eine bedrohliche Vorahnung, dann würde er sich schon rühren, aber andererseits… Cloud verscheuchte die beunruhigenden Gedanken. Das ist die unbekannte Situation, in die wir geraten sind, dachte er. Wir sind alle nervös, also lass dich nicht verrückt machen, tadelte er sich selbst.

Cloud bezahlte noch ihr Quartier, dann machten sie sich schon auf den Weg zum Klan Zenturio, der im Moment ihre heißeste Spur war. Diesmal machten die Bangaas beim Eingang freiwillig Platz, als sie eintraten.
 

„Aaah, da seid ihr ja, meine neuen Klanmitglieder, kupo!“ begrüßte sie Mont Blanc freudig, so dass sein Bommel hin- und her schwang. „Sicher seid ihr schon darauf gespannt, wie euer erster Kupoauftrag aussieht, richtig?“

Barret verdrehte knurrend die Augen und verschränkte die Arme. Cloud nickte.

„Wenn es uns Gilgamesch näher bringt, ist uns alles recht.“

Der Mogry schüttelte heftig den Kopf und klatschte in seine kleinen Hände.

„Aber, aber! Nicht so voreilig, kupo! Klanmitglieder reisen durchs ganze Land um ihn aufzustöbern. Erweist euch als würdig, und ihr bekommt eine Chance, kupo!“

„In Ordnung. Was sollen wir tun?“

„Jawohl, kommen wir zum Geschäft, kupo! Diese Mobhunt geschieht im Auftrag der Händler dieser Stadt. Eine wichtige Handelsroute verläuft zwischen Rozarria und Rabanastre, und zwar genau durch die Dalmasca-Westwüste, kupo! Und genau dort treibt ein Untier sein, äh… Unwesen eben! Aus Furcht vor diesem Geschöpf traut sich kaum noch eine Karawane in die Westwüste, und für den Handel in dieser Stadt ist das gaaanz schlimm, kupo…“

Barret schüttelte schnaubend den Kopf.

„Hat der keinen Schnellvorlauf? Er nervt, verdammt“, flüsterte er den anderen zu, und Yuffie musste kichern.

„…es wird Dexter genannt, dieses Kupountier. So sieht es aus.“

Der Mogry holte aus einer unsichtbaren Tasche ein abgegriffenes Pergament hervor, das eine dilettantische Zeichnung trug. Es zeigte eine wolfsähnliche Kreatur, deren Fell aus bunten Vielecken bestand.

„Aha… sieht wie ein Wolf aus. Und das Vieh ist so gefährlich?“ fragte Cloud argwöhnisch.

„Oh ja!“ bestätigte Mont Blanc aufgeregt. „Sehr kupogefährlich, seid dessen versichert! Und? Fühlt ihr euch diesem Auftrag gewachsen?“

Cloud wandte sich seinen Freunden zu, die ihn gleichgültig ansahen. Dann drehte er sich wieder zum Mogry um.

„Wir sind dabei.“

„Kuuupohervoooragend!!“ rief das Wesen und machte einen Luftsprung auf dem Geländer.
 

„Also ich bin nach wie vor dafür, dass wir den Knilch in die Mangel nehmen“, sagte Barret, während sie in Richtung des Westtores gingen. Er machte ein finsteres Gesicht und hielt sich einen Waffenarm.

„Aaach, Barret!“ ermahnte ihn Yuffie. „Man kann doch nicht immer alles mit Gewalt erreichen! Außerdem finde ich diese Mogrys echt süß. Findest du nicht auch, Vincent?“

Der Angesprochene zuckte mit den Schultern.

„Na ja, gebraten schmecken sie sicher nicht schlecht, aber ob sie süß schmecken…“

Die anderen lachten. Yuffie stieß Vincent tadelnd an und bedachte ihn mit einem ärgerlichen Blick.

„Du kannst dir ja einen mitnehmen“, warf Cloud ein und grinste breit. Yuffies Gesicht hellte sich auf. Im selben Moment ärgerte Cloud sich über sich selbst.

Jetzt habe ich sie wieder auf eine Idee gebracht…

Dann wandte sie sich wieder Vincent zu und schenkte ihm einen erstaunten Blick.

„He… das war ja ein Scherz! Was ist denn mit dir los, Vincent?“

Er erwiderte ihren Blick ausweichend.

„Ist das so ungewöhnlich…? Nur weil ich dreißig Jahre in einem Sarg verbracht habe, heißt das nicht, dass ich jeglichen Sinn für Humor dort gelassen habe.“

Ihr Lächeln veränderte sich, und Vincent wurde unwohl zumute.

„Ich mag Männer mit Humor“, flüsterte sie ihm zu. Vincent blickte sich räuspernd zu Boden.

„Und außerdem war das ernst gemeint“, sagte er so leise, dass niemand ihn verstand.
 

Bald erreichten sie das Stadttor Richtung Westen und passierten es. Die Wachen in ihren aufwändigen Rüstungen warfen ihnen noch gelangweilte Blicke nach, und schließlich fanden sie sich außerhalb der Stadtmauern wieder. Ockerfarbene Sanddünen zogen sich bis an den Horizont dahin. Die Wüstenei wurde nur begrenzt von Sandsteinbergen, die sich in der Ferne abzeichneten. Die Sonne brannte unbarmherzig vom wolkenlosen Himmel, und bald spürten sie feine Sandkörner in den meisten ihrer Körperöffnungen.

„Und wie sollen wir dieses verdammte Vieh jetzt finden“, schimpfte Barret und beschirmte seine Augen gegen die Sonne. Missmutig stapfte er hinter den anderen durch den Sand. Durch sein hohes Körpergewicht sank er bei jedem Schritt ein.

„Komm schon, ist doch schön hier“, flötete Yuffie vergnügt. „Und Sonnenbrand kannst du eh keinen bekommen, also warum beschwerst du dich, hi, hi…“

Yuffie kicherte, Barret fand das aber gar nicht komisch.

„Ich verbitte mir Witze über meine Rasse, kapiert?“

„Beruhigt euch, ihr beiden“, ging Cloud dazwischen. „Streitereien bringen uns nicht weiter. Yuffie, du machst dich nicht mehr lustig über unseren…“ Ein Grinsen huschte über sein Gesicht. „…unseren ‚Bruder‘ hier, ähem, und du, Barret, beklagst dich nicht mehr über was, das eh nicht zu ändern ist.“ Der schwarze Riese warf ihm einen missbilligenden Blick zu und verschränkte dann murrend die Arme. „Und was dieses Vieh angeht, das machen wir so wie immer: wir laufen wie die Bekloppten im Kreis, in der Hoffnung, dass beim nächsten Zufallskampf der richtige Gegner auftaucht. Genialer Plan, nicht?“

Cloud nickte stolz, bis ihm Yuffie auf die Schulter tippte.

„Äh, Cloud… das hier ist kein Videospiel oder sowas. Glaubst du denn, das funktioniert?“

Bevor er noch etwas erwidern konnte, ertönte Wolfsgeheul aus allen Richtungen.
 

Alarmiert blickten sie sich um. Aus der vor Hitze wabernden Luft erschienen vierbeinige Gestalten aus allen Richtungen. Ihr langsamer, schleppender Gang ließ vermuten, dass selbst sie unter der Hitze litten. Squall nahm sein Schwert langsam vom Rücken.

„Sieht aus, als ob wir Besuch bekommen.“

Ohne Vorwarnung beschleunigten die Wölfe ihren Lauf, und innerhalb weniger Momente sahen sich die vier von einem knurrenden Wolfsrudel eingekreist. Barret ballte seine mechanische Faust, bevor sie sich zischend zur Makokanone entfaltete. Yuffie schwang ihren fünfzackigen ‚Conformer‘ im Kreis und Vincent streifte seinen Mantel mit einer schwungvollen Bewegung zurück, um seinen dreiläufigen Revolver freizulegen. Einen Moment lang sahen sich die nur mit geringer Intelligenz ausgestatteten Wölfe gegenseitig an, dann attackierten sie.

„Lästige Viecher“, murmelte Cloud, als sich der letzte besiegte Gegner auflöste. Surrend schlossen sich die Hälften seiner Waffe. Barret hielt seine dampfende Makokanone hoch.

„Wo wir dieses Dexter-Vieh finden, wissen wir immer noch nicht“, brummte er. „Verdammte Einöde…“

Yuffies Augen wurden groß. Ohne ihren Blick abzuwenden, packte sie den neben ihr stehenden Vincent am Umhang und zog daran. Er riss ihn ihr aus der Hand.

„Hör auf damit, du weißt doch, dass ich das nicht ausstehen- “ Dann sah er es ebenfalls. „Meine Güte…!“

„Was ist denn?“ Cloud erstarrte. „Verflucht, das muss es sein!“ Auch Barrets Blick traf nun das Ungetüm, das sich langsam auf sie zubewegte. Sie wunderten sich, wie dieses riesenhafte, auffällig gemusterte Geschöpf sich unbemerkt an sie heranschleichen hatte können. Es war mindestens viermal so groß wie einer der normalen Wölfe und überragte sie alle bei weitem. Musste wohl am langsamen Bildaufbau liegen(grins). Tatsächlich hatte es große Ähnlichkeit mit der Zeichnung, die ihnen Mont Blanc gezeigt hatte.

Schnaufende Geräusche von sich gebend, umkreiste es gemächlich die Gruppe, als wüsste es nicht so recht, was es mit dieser Ansammlung von Menschlein tun sollte.

„Das ist das Vieh. Holen wir es uns!“ rief Barret und eröffnete das Feuer. Hämmernd ging seine Makokanone los. Die Salven schienen das Untier jedoch kaum zu verwunden. Barret hörte auf zu schießen und starrte verwundert auf seine Waffe. Im selben Moment schwirrte Yuffies Conformer sirrend durch die Luft und streifte das Ungeheuer. Diesmal gab es ein wütendes Brüllen von sich und sträubte das Fell. Alle spürten die Zusammenballung magischer Energie in der Luft, und schon sahen sie sich von empor züngelnden Flammen umgeben.

Nachdem der Feuerzauber abgeklungen war, legte Vincent auf das Untier an und schoss. Wieder zuckte es verwundet zusammen. Cloud stürmte vor und versetzte ihm einen kraftvollen Hieb mit seinem mehrteiligen Schwert. Ein letztes Mal röhrte das Ungeheuer gequält auf, dann brach es zusammen. Zufrieden betrachtete Cloud den sich auflösenden Körper und hängte Hexagon auf die Schulter.

„Das wäre geschafft. Schauen wir, dass wir aus dieser Wüste kommen, bevor uns die Sonne noch das Gehirn aufweicht.“

Er wandte sich bereits zum Gehen, dann erstarrte er aber. Ebenso Yuffie und Barret. Sie schienen mitten in der Bewegung zu Salzsäulen erstarrt zu sein. Vincent starrte sie ungläubig an. Er trat näher an seine Freunde heran, doch sie gaben kein Lebenszeichen von sich. Verwundert berührte er sie, und sie fühlten sich an wie Statuen aus kaltem Stein.

„Versteinert? Wie ist das möglich?“ Er blickte sich um, doch es war kein Feind in Sichtweite. Eilig kramte er in seinen Taschen. „Schnell eine Goldnadel, sonst stehen wir alle vier hier bis uns jemand- “

„Das brauchst du nicht.“

Sein Mantel flatterte wie ein Fledermausflügel, als er blitzartig herumfuhr und mit seiner Waffe in die Richtung zielte. Doch da war niemand.

„Zeig dich… damit ich dir ein Loch im Pelz verpassen kann!“

Nichts regte sich außer dem Wabern der heißen Luft.

„Ich bin keine Bedrohung“, tönte die Stimme aus einer nicht feststellbaren Richtung.

„Ach ja? Was hast du dann mit ihnen gemacht?“

Langsam schwenkte er die Todesstrafe den Horizont entlang, doch nichts Lebendiges war im Visier zu sehen.

„Sie dort nach, wo ihr euren Gegner besiegt habt. Dort ist es.“

Vincents Laune wurde immer schlechter. Wenn es etwas gab, das er mehr hasste als unsichtbare Gegner, dann waren es Spielchen. Trotzdem schielte er in Richtung der Stelle, an der der Dexter zusammengebrochen war. Tatsächlich stand dort ein Gegenstand im Sand. Ohne die Waffe zu senken, näherte er sich vorsichtig der Stelle.

„Ich bin keine Bedrohung“, wiederholte die Stimme. „Ihr müsst eure Schutzgeister finden. Sonst habt ihr nicht genügend Macht.“

„Deine Besorgnis rührt mich“, murmelte Vincent voller Sarkasmus, während er sich dem Gegenstand näherte. „Sag bloß, du hast unsere Materia geklaut.“ Immer noch die Waffe angriffsbereit erhoben, ging er langsam in die Knie. Es sah aus wie eine… Wunderlampe? Verblüfft hob er sie auf.

„Es ist für dich bestimmt. Nur für dich, deshalb das mit deinen Freunden.“

„Was hast du mit ihnen angestellt“, knurrte Vincent.

„Sie sind wohlauf“, antwortete die Stimme, von der er beim besten Willen nicht sagen konnte, was für einer Art Wesen sie gehörte. „Ich habe nur die Zeit für sie angehalten. Wie auch für den Rest dieser Welt. Wie ich sagte, es ist nur für dich bestimmt.“

„Was soll das heißen? Antworte, Mistkerl!“ rief Vincent in die Wüste hinaus. Doch es kam keine Antwort mehr. Immer noch standen seine Freunde in der Bewegung erstarrt und völlig reglos in der Gegend herum. Seufzend betrachtete er die Öllampe aus glänzendem Messing. „Soll ich etwa dran reiben, damit ein guter Geist erscheint? Pah…“ Verächtlich schnaubend schüttelte er den Kopf. Dann steckte er den Revolver weg und begann mit dem Ärmel am Metall zu reiben. „Was für ein Schwachsinn- he?“

Rauch schoss aus der Öffnung der Lampe, und er warf sie weg. Der Strom schwarzen Qualms wurde immer stärker. Wie von einem Wirbelsturm angefacht begannen ihn die Schwaden einzukreisen. Verwirrt sah er sich um. Schließlich verfinsterte der Strudel aus dunklem Rauch sogar die Sonne.

Seine Umgebung hatte sich völlig verändert. Nicht nur der Himmel hing bedrohlich über ihm in ein Unheil verheißendes Grau getaucht, auch das Land selbst wirkte, als wäre alle Farbe daraus fortgewaschen. Dann hörte er es.

Aus allen Richtungen flatterten tiefschwarze Fledermäuse zusammen. Sie ballten sich zusammen und bildeten eine dunkle, stetig anschwellende Kugel aus purer Schwärze, die jegliches Licht zu verschlucken schien. Schließlich hing eine makellose Kugel aus verdichteter Dunkelheit über ihm am Himmel.

Dann tauchten aus der Unterseite der Kugel Krallen auf. Sie senkten sich aus der Kugel, und ihnen folgten rote, sehnige Beine. Bald war der gesamte Körper sichtbar. Vincents Augen wurden groß, und das war ziemlich lange nicht mehr passiert.
 

Die Gestalt schwebte vor ihm in der Luft, und über ihr immer noch die Zusammenballung dunkler Energie, aus der sie heraus gesunken war. Die Gestalt… sie war zu Teilen schwarz und rot. Ihre Vorderseite verbarg sie hinter einem Paar zusammengefalteter Flügel. Sie wirkte wie eine Mischung zwischen einer Fledermaus und einem… Teufel. Ruckartig schnellten die gezackten Schwingen auseinander. Fledermäuse flatterten nach allen Richtungen davon. Das Wesen reckte sich, als hätte es Ewigkeiten geschlafen. Langsam senkte es seinen knöchernen Kopf, von dessen Kinn ebenso wie der Oberseite lange Stacheln abstanden.

„Wer hat mich gerufen…“, sagte es gedehnt. Es klang, als spräche eine ferne Stimme durch ein staubiges Metallrohr, so hohl und alt dröhnte sie in Vincents Ohren.

„Ich, Vincent Valentine. Und wer zum Teufel bist du?“

Das Wesen begann zu lachen, und es klang wie rollende Blechfässer. Dann blitzten seine schwarzen Augen auf.

„Rrrichtig!“ zischte es. „Ich bin der Bote der Dunkelheit. Ich bin Diablos.“

Vincent seufzte und zog seine Waffe.

„Was willst du von mir?“

„Ich?“ Das Wesen tippte sich mit einer seiner bizarren Klauen an die breite, leuchtend rote Brust. „Es ist eher die Frage, was du von mir willst.“ Vincent machte ein fragendes Gesicht. „Na gut, ich helfe dir. Wenn du mich besiegst, dann verleihe ich dir meine Macht. Dann werde ich ein Teil von dir.“

Vincent blinzelte und blickte zu der unheimlichen Teufelsgestalt hinauf.

„Und du hast gar keine Angst vor mir?“

Nun lachte das Wesen schallend, und fast schien es, als würden dadurch die Wolken etwas auseinander getrieben.

„Du Narr!! Für was hältst du dich!? Alle lebenden Wesen fürchten mich! Und nun beginnen wir!!!“
 

Diablos hob seine Klaue, und der Ball aus Dunkelheit begann zu rotieren. Ein Summen ging damit einher, und mit zunehmender Geschwindigkeit wurde es immer höher, bis es Vincent in den Ohren schmerzte. Entladungen umzuckten die Kugel und Diablos Hand, als verbänden sich die beiden in diesem Moment. Dann warf Diablos die Kugel auf ihn hinab. Als versuchte sie an ihrem Platz festzuhalten, zog sie sich in die Länge, bis sie schließlich wie von einer Schleuder abgeschossen auf ihn herab raste.

Die Kugel schlug auf Vincent ein und begrub ihn völlig unter sich. Rotierend und mahlend bohrte sie sich in die Erde, auf der er eben noch gestanden hatte. Kryptische Symbole glühten auf ihrer Oberfläche auf, als sie im Erdboden versank. Ein dumpfes Dröhnen hallte durch das in Finsternis getauchte Land, als die Kugel den Erdboden mit purer Schwerkraft erfüllte.
 

Diablos hing über der Szene und lachte leise. Die Kugel war in der Erde versunken, und übriggeblieben war nur eine Schwade aus Dunkelheit. Dann erhob sich etwas aus der Dunkelheit, und Diablos verstummte augenblicklich. Ungläubig betrachteten seine schwarzfunkelnden Augen das sich erhebende Wesen. Es hatte kaum Ähnlichkeit mit dem Menschen, den er gerade mit der Kraft der Gravitation zerschmettert hatte.

„Wie ist das möglich…?“

Langsam richtete es sich. Zerfetzte Flügel standen von seinem Rücken ab, und es trug eine Maske mit langen roten Stacheln. Gelbe Augen leuchteten hinter der Maske hervor. Sein Herz schien blau zu glühen in seiner Brust. In der Hand hielt es eine lange, mehrläufige Waffe. Geräuschvoll sog es Luft ein, dann erhob es sich, bis es noch etwas höher als Diablos schwebte. Dann richtete es die Waffe auf ihn.

„Du magst der Teufel sein…“, raunte das Wesen, und die scharrende Stimme schien an der Oberfläche der Realität zu kratzen wie ein Metalldorn auf Glas. „Aber ich bin das Chaos!!!“

Dann feuerte es und schleuderte dem Teufel das Feuer der Hölle entgegen. Von glühenden Energiewellen getroffen, zuckte und krampfte Diablos hin und her.

„Nee…eeeiii…iiiiin!!“

Von all seiner Energie verlassen, sank Diablos zu Boden. Rasselnd ging sein Atem, während er auf den Knien lag. Chaos schwebte herab, und als er den Boden berührte, verwandelte er sich wieder zurück. Vor dem besiegten Wesen stand nun wieder der Mann von zuvor. Sichtlich erschöpft steckte Vincent seine Waffe weg. Erschüttert hob Diablos den Kopf.

„Wenn ich das gewusst hätte… was bist du?“

Vincent hob die Schultern.

„Nur ein fehlgeschlagenes Experiment. Was geschieht jetzt?“

Mit letzter Kraft erhob sich Diablos. Er hob die Hände zum in Dunkelheit getauchten Himmel.

„Seit Jahrtausenden ruhe ich in dieser Lampe. Jenem, der mich zu besiegen vermag, verleihe ich meine Kräfte.“

Leuchtende Partikel stiegen von seinem Körper auf und tauchten die Umgebung in ein warmes Licht. Überirdisches Klingen ertönte, und das Wesen zerfiel in pures Licht. Strahlen aus dichter Energie schlängelten sich leuchtenden Schlangen gleich durch den Raum und erreichten schließlich Vincent. Es traf ihn wie ein Schlag aus Hitze und Licht. Sein Körper krampfte sich zusammen, als sich Diablos Lebensenergie mit der seinigen vereinigte. Er wollte schreien, zu übermächtig war das Eindringen der fremden Macht in seine Seele, doch er brachte den Mund nicht auf. Schließlich sank er ächzend auf die Knie und atmete schwer.

Endlose Momente vergingen. Schließlich kam er wieder auf die Beine. Seine Umgebung war wieder die alte. Er stand nun wieder in der Wüste, und die Sonne brannte herab. Seine Freunde standen immer noch erstarrt da, doch er fühlte, wie sie langsam der Sog seiner Zeit erfasste.

Er hob die Hand und betrachtete seine Handfläche. Einen Moment bildete er sich ein, eine geflügelte Gestalt und einen Ball aus purer Schwerkraft in ihr zu erkennen.

„Was ist los, Vincent?“ fragte ihn Cloud. Vincent blinzelte verwirrt.

„Äh… nichts. Gehen wir.“

Cloud nickte ihm zu, und dann gingen die Vier zurück in Richtung Rabanastre. Drei von ihnen blieben aber wieder abrupt stehen, als sie Vincent der Länge nach in den Sand fallen sahen.
 

Zuerst nahm er seine Umgebung nur verschwommen war, doch eine kräftige Ohrfeige brachte ihn jäh und plötzlich wieder zurück in die Welt der Lebenden. Vincent setzte sich auf und warf Yuffie einen vorwurfsvollen Blick zu.

„Was sollte denn das?“

„Na ja, sonst hättest du noch länger geschlafen. Außerdem wollte ich mich revanchieren“, fügte sie lachend hinzu. Vincent schüttelte den Kopf und wollte aufstehen, als Cloud ihn plötzlich an den Schultern packte und wieder zu Boden drückte.

„Was soll das? Ich bin Okay.“

„Nein, bist du nicht“, sagte Cloud streng und sah ihn dabei ernst an. „Du hattest nur mehr einen einzigen Trefferpunkt! Kannst du uns das erklären? Das waren doch nicht diese Wölfe!?“

Vincent wich seinem forschenden Blick aus und sah Barret, der mit verschränkten Armen hinter Cloud stand und einen breiten Schatten auf sie warf. Dann fiel sein Blick auf Yuffie, die neben ihm kniete und ihn besorgt anschaute.

„Wir wollen nur wissen, was dich so schlimm verletzt hat“, fragte sie in einem versöhnlicheren Tonfall. Vincent seufzte lang gezogen, dann begann er zu erklären.
 

Cloud hatte sich alles ohne eine Miene zu verziehen angehört. Barret hatte ein wütendes Gesicht gemacht, seine Makokanone entfaltet und die Umgebung abgesucht, ohne Ergebnis natürlich. Yuffie wirkte schockiert und legte ihm mitfühlend die Hand auf die Schulter, was selbst Vincent in diesem Moment nicht störte. Nachdem er geendet hatte, ließ sich Cloud immer noch nichts anmerken. Seine blauschimmernden Augen fixierten Vincent ernst, aber ansonsten ausdruckslos.

„Dich hat also ein mächtiges Wesen attackiert, während wir alle ‚eingefroren‘ waren. Und dann hat es sich mit dir… vereint?“ Vincent, der immer noch im Sand saß, nickte langsam. „Und warum in alles in der Welt hast du nichts davon gesagt? Wenn du nicht fast tot umkippst, merken wir nichts davon!“

Vincent stand auf und putzte sich den Sand von seinem purpurfarbenen Umhang.

„Es ging nur mich etwas an“, erwiderte er knapp. „Wie die Stimme gesagt hat.“

„Es geht eben nicht nur dich was an!“ fuhr ihn Cloud an, und beinahe berührten sich dabei ihre Nasenspitzen. Vincents blutrote Augen hielten seinem aufgebrachten Blick stand. Langsam verengten sie sich zu Schlitzen.

„Du bist hier nicht bei SOLDAT. Du gibst hier keine Befehle“, entgegnete Vincent leise, aber nicht ohne Schärfe. Bevor sich die beiden noch niederstarren konnten, ging Yuffie dazwischen.

„Jetzt hörst schon auf, ihr beiden!“ sagte sie und drängte sich zwischen die Streithähne. „Ihr benehmt euch wie Schuljungs, wisst ihr das!?“ Vincents kalter Blick ging etwas zur Seite. Cloud schnaubte trotzig. „Du benimmst dich nicht mehr wie ein Feldwebel, verstanden, Cloud Strife? Und du, Vincent Valentine…“ Sie wandte sich an ihren heimlichen Schwarm und musste fast lächeln. Sie beherrschte sich aber und blieb ernst. „…du sagst beim nächsten Mal etwas, wenn es dir schlecht geht, kapiert?“ Vincents Blick pendelte einen Moment lang zwischen Cloud und ihr. Dann nickte er seufzend. Yuffie grinste breit, dann wandte sie sich an Cloud. „Und du, Cloud? Hm?“ Der Angesprochene hielt die Arme verschränkt und blickte trotzig in die Ferne. „Komm schon, Stachelkopf!“

„Okay“, antwortete er gedehnt.

„Na prima. Vertragt ihr euch jetzt wieder?“ Beide lösten ihre angespannten Mienen auf und bejahten. „Hervorragend!“ rief Yuffie. „Wir sind ein Team, oder? Und nur gemeinsam sind wir stark!“

„Ist der Spruch von den verdammten Power-Rangern oder was“, höhnte Barret, der von seinem Rundgang zurückkam. Yuffie warf ihm einen empörten Blick zu. Bevor sie noch etwas erwidern konnte, sprach Cloud weiter.

„Sie hat aber recht. Ich gebe zu, ich habe überreagiert. Aber es ist wichtig, Vincent, dass wir wissen, was mit den anderen los ist. Du bringst sonst nicht nur dich in Gefahr.“

„Ja, ich hätte etwas sagen sollen… verzeiht mir.“

„Ach, ist doch halb so schlimm“, krähte Yuffie, noch bevor Cloud etwas erwidern konnte. Dieser verdrehte einen Moment lang die Augen.

„Wie auch immer… was immer mit dir passiert ist, es hat dir offenbar soweit nicht geschadet. Sollte irgendeine Veränderung auftreten, dann rühr dich sofort.“

Vincent nickte.

„Das werde ich tun.“

„Gut…“ Clouds Blick ging in die Runde. „Dann… sehen wir zu, dass wir zurück in die Stadt kommen.“
 

Als ihre Gruppe das Hauptquartier des Zenturio-Klans betrat, trafen sie einige Blicke, die ihr Erstaunen nur schwer verbergen konnten. Offenbar hatten nicht wenige nicht damit gerechnet, dass diese völlig unbekannten ‚Greenhorns‘ von ihrem ersten Auftrag zurückkehren.

Mont Blanc, der Anführer des Klans, begrüßte sie ebenso überschwänglich wie er sie verabschiedet hatte. Er überhäufte sie geradezu mit Gratulationen und prophezeite ihnen eine aufstrebende Karriere in seinem Klan. Es war fast schon verdächtig, wie begeistert er war. Cloud ließ all das über sich ergehen. Von dem ‚Zwischenfall‘ erwähnte er nichts, und irgendwie war Vincent froh darüber.

Während Cloud mit Mont Blanc sprach und auch ihre Bezahlung entgegen nahm, stand Vincent hinter den anderen und blickte gedankenabwesend zu Boden. Das tat er auch sonst oft, doch jetzt… war es anders. Seit seinem ‚Tod‘ und der dreißig Jahre später erfolgenden Auferstehung hätte er nicht gedacht, dass ihn noch etwas aus der Fassung bringen könnte. Und doch war es geschehen. Dieses Wesen, was immer es gewesen war… es mochte eine Art Aufrufmateria sein, was auch immer… doch Materias rüstete man aus und legte man wieder weg, wie normale Ausrüstungsgegenstände. Doch heute war etwas anderes geschehen. Es war nun in ihm, und er konnte es nicht mehr rückgängig machen. Seine Freunde verstanden nicht, was passiert war, und er noch weniger. Aber er fühlte die Anwesenheit von etwas in seinem Inneren. Es war ähnlich wie mit Chaos, nur fremdartiger. Fast musste er lächeln. Ich habe schon einen Teufel im Leib… da kommt es auf einen weiteren auch nicht mehr an, dachte er kopfschüttelnd.
 

Vincent bekam gar nicht mehr mit, wie Cloud bereits einen neuen Auftrag empfing. Er entschied, ihn auf den nächsten Tag zu verschieben. Zwar hatte er die Aussicht, die entscheidende Jagd auf die Kreatur Gilgamesch übertragen zu bekommen, und sie durften sich diese Gelegenheit auf keinen Fall wegschnappen lassen. Doch er wusste, dass er Rücksicht auf Vincent nehmen sollte. Ihr Ziel war wichtig, sehr wichtig sogar… doch es ging nicht nur um Tifa. Er musste sie alle heil zurückbringen.
 

Der Tag verging, und es wurde Abend. Vincent hatte sich sogleich in sein Quartier zurückgezogen, und auch Yuffie war schnell verschwunden. Und so saßen Cloud und Barret an einem Tisch im ‚Sandmeer‘ vor einem Krug von dem Zeug, das die Leute hier tranken. Und Barret tat das, was alle Männer in seinem Alter taten, wenn nichts anderes zu tun war. Er wärmte Geschichten aus der guten alten Zeit auf. Cloud saß da und hörte nur mit einem Ohr zu. In Gedanken war er bei Tifa und während er seinen halbvollen Krug hin und her schob, fragte er sich, was er wirklich für sie empfand…

„Ich sag’s dir, Bruder, dieser Zug hat verdammt noch mal keine Bremsen, und wir fahren sooo lang mit ihm, bis wir bei der Haltestelle sind, ich sag’s dir, Mann…“

„Hm?“

Cloud hob den Blick. Barret runzelte die Stirn.

„Hörst du zu, verdammt? Oder rede ich hier mit meinem Krug?“

„Tut mir leid, Barret. Ich habe an Tifa gedacht… wo sie wohl ist…“

„Ah, Tifa. Ich versteh schon. Ein ganz schöner Mist ist das. Aber wir regeln das, vertrau mir, Spikey! Ich lass Tifa nicht im Stich, komme, was wolle. Schon damals, verdammt, das waren Zeiten, ich und Tifa bei Avalanche…“

Barret gestikulierte überschwänglich und in seinen Augen leuchtete der Glanz der alten Zeiten auf. Cloud saß ihm gegenüber, stützte das Kinn auf eine Hand und sah ihn an. Seine Stimme wurde in seiner Wahrnehmung aber immer leiser, und wieder tasteten seine Gedanken weit weg, dorthin, wo Tifa sein mochte…
 

Vincent saß mit angezogenen Beinen auf dem Bett. Seine Augen fixierten die gegenüberliegende Wand, doch sie waren auf einen viel weiter entfernten Punkt gerichtet. Das Klopfen an der Tür brauchte eine Weile, bis es zu ihm durchdrang. Er wollte es ignorieren, doch ein Teil von ihm wollte etwas anderes. Es erstaunte ihn beinahe selbst, als er „Herein“ sagte.

Langsam öffnete sich die Tür. Yuffie schob vorsichtig den Kopf durch den Türspalt. Ihr Gesicht war ungewöhnlich ernst.

„Darf ich reinkommen?“ fragte sie trotz seiner unmissverständlichen Aufforderung. Vincent sah sie an und nickte. Behutsam schloss sie die Tür und setzte sich an den Rand des Betts. „Ich wollte schauen, wie es dir geht. Bist du sicher, dass du in Ordnung bist?“

Ihr Gesicht drückte aufrichtige Anteilnahme aus und auch eine Herzenswärme, vor der selbst er sich kaum verschließen konnte.

„Nein. Bin ich nicht.“ Sie erschrak, was ihn veranlasste, das Gesagte abzuschwächen. „Es ist nicht so, dass ich gleich tot umfalle oder sowas. Aber irgendwas ist passiert mit mir, da draußen…“

Ihre Miene drückte tiefe Besorgnis aus.

„Vielleicht sollten wir zu einem Heiler oder so gehen…“

Vincent winkte seufzend ab.

„Und dem dann meine Geschichte auftischen? Der empfiehlt mich höchstens einer Klapsmühle. Nein, ich bezweifle, dass das eine Bedrohung für mich ist. Das Wesen… wie soll ich sagen… es war mir nicht feindlich gesinnt. Es war eher so… als ob es gewartet hätte. Und froh war, dass es jemand gefunden hat. Vielleicht wird es uns sogar nützen eines Tages.“

Yuffie nickte langsam und sah ihn dabei an. Nur schwerlich konnte er den Blick von ihr abwenden.

„Gut. Solange es dir nicht schadet.“

„Ich hab schon ganz andere Sachen überstanden. Sephirot, den Meteor, Tifas Kochkünste…“

Nun mussten beide lachen.

„Aber Bier ausschenken kann sie gut“, sagte Yuffie mit dem Brustton der Überzeugung. Vincent nickte eifrig, und es kam einer der seltenen Momente, in denen er lächelte. Von dem Moment beflügelt, berührte sie seine Hand. Er zog seine schnell weg, und das Lächeln erstarb.

„Vielleicht gehst du besser“, sagte er und wich ihrem Blick aus.

„Es tut mir leid, wenn ich- “

„Dir braucht nichts leid zu tun“, unterbrach er sie. „Das hat es mir lange genug“, fügte er flüsternd hinzu. Dann blickte er sie wieder an. Und in seinen Augen war etwas zutiefst verletzliches. „Meine ‚Sünde‘… noch kann ich sie nicht loslassen. Aber irgendwann…“

Yuffie stand auf und tat so, als würde sie sich ihre Weste abputzen.

„Ich verstehe. Ist okay, wirklich.“ Eine leise Melodie summend schlenderte sie zur Tür. Bevor sie sie hinter sich schloss, warf sie ihm noch einen Blick zu. „Du warst ziemlich lang allein. Und ich verstehe, warum. Aber wenn du es nicht mehr sein willst… na ja… gute Nacht, Vincent.“

„Gute Nacht, Yuffie.“

Dann schloss sie die Tür geräuschlos hinter sich. Vincent war wieder allein. Und wieder umfing ihn die düstere Welt seiner schwermütigen Gedanken.

Alleine…

Würdest du es gutheißen, Lucrezia…?
 

Das Gasthaus ‚zum Sandmeer‘ war bereits mit Leben gefüllt, als sie ihr Frühstück zu sich nahmen. Wegen der Ereignisse des Vortages hatten sie es sich erlaubt, etwas länger zu schlafen.

„Und, wie geht’s dir heute, Vincent?“ fragte Cloud als eines der ersten Dinge. Vincent, der Mühe hatte, das Frühstück über den hohen Kragen hineinzulöffeln, brummte als Antwort.

„Hervorragend. Die zwei Teufel in meiner Seele vertragen sich ausgezeichnet miteinander. Das ist aber auch ein unpraktisches Kostüm…“ Genervt öffnete er die Schnallen seines Umhanges, die sich bis zu seiner Nasenspitze hinaufzogen. Die anderen lachten leise.

„Ja, ich frage mich auch manchmal, was sich die Programmierer bei unseren Outfits gedacht haben“, meinte Cloud. „Fühlst du dich jedenfalls bereit für einen weiteren Auftrag? Ich weiß noch nichts Näheres darüber, aber laut dem Mogry soll es ‚etwas‘ gefährlicher werden als beim ersten Mal.“

Klappernd ließ Vincent seinen Löffel auf den Tisch fallen.

„Ich bin bereit, allem was sich uns in den Weg stellt, ein Loch im Pelz zu verpassen. Zufrieden?“

Cloud nickte lachend.

„So gefällst du mir schon besser. Euch beide brauche ich ja nicht zu fragen, oder?“ sagte er zu Yuffie und Barret. Der schwarze Riese zeigte sein grimmigstes Lächeln und wog seinen mechanischen Arm in der anderen Hand. Yuffie zog ihren Conformer hervor, warf ihn in die Luft und fing ihn wieder auf, zum Entsetzen der um sie herum sitzenden Gäste. Dann erhoben sie sich alle gleichzeitig und ließen vier wackelnde Stühle zurück.

Vincents Umhang bauschte sich effektvoll auf, als die Vier mit entschlossenen Mienen und nebeneinander gehend das Gasthaus verließen. Unbedarfte Bürger wichen eingeschüchtert zurück, als die ‚Helden von Midgar‘ durch die Straßen schritten.
 

„Da seid ihr ja, kupo! Ich habe euch schon erwartet!“

Honigsüß wie immer und auf dem schmalen Geländer herum hüpfend empfing sie Mont Blanc im Hauptquartier des Klans Zenturio.

„Mann, das Ding nervt. Hat der nichts anderes zu tun, als auf dem Geländer herumzustolzieren“, brummte Barret leise. Einstweilen nahm Cloud den Auftrag entgegen.

„…eure Belohnung wird nicht klein sein, von eurem Renommee innerhalb des Klans ganz zu schweigen, kupo. Aber für die Einzelheiten müsst ihr die Frau selbst aufsuchen. Sie heißt Mirha und wohnt in der Unterstadt. Wendet euch an sie und erweist dem Klan Ehre! Kupo!“

Cloud nickte seufzend.

„Wir kümmern uns darum. Es gibt nicht zufällig schon etwas Neues über… Gilgamesch?“

Der Mogry grinste spitzbübisch, soweit dies sein Mausgesicht zuließ.

„Ihr seid ja sehr zielgerichtet, kupo, das muss ich schon sagen! Übt euch in Geduld. Je höher euer Rang im Klan steigt, desto höher sind eure Chancen auf Spe-zial-auf-träge.“ Das letzte Wort betonte er besonders. „Um aber eure Neugier fürs Erste zu stillen… es gibt einige Hinweise auf Gilgamesch, aber noch nichts Konkretes. Erfüllt einfach weiter eure Aufträge, kupo. Seid versichert, ihr werde an euch denken, wenn es soweit ist!“
 

Als sie die Unterstadt von Rabanastre betraten, kam ihnen die muffige Luft mit Abwasseraroma fast frisch vor gegen die sengende Hitze in der Oberstadt. Cloud und Barret gingen vorn und fragten Passanten nach einer Mirha. Yuffie und Vincent gingen hinter ihnen. Vincent trug nun seinen Umhang offen, es war selbst ihm zu heiß geworden.

„Sieht doch gleich viel besser aus“, bemerkte Yuffie. Vincent schaute sie argwöhnisch an.

„Findest du?“

„Klar!“

„Die Hitze ist aber auch wirklich drückend. Vor allem in dem Lederfummel.“ Er deutete auf seine ausgefallene Kleidung.

„Ach ja, wegen gestern…“, begann Yuffie zögernd.

„Was ist damit?“

„Ich, äh… wie gesagt, du kannst jederzeit- “

Sie stoppten abrupt. Offenbar hatten sie ihre Auftraggeberin ausfindig gemacht. Sie umringten die Frau, die sichtlich erleichtert über ihr Auftauchen war. Yuffie war aus dem Konzept, als alle ihre Aufmerksamkeit der verängstigten Frau schenkten. Wenngleich sie sowieso nicht genau wusste, was sie eigentlich sagen wollte…
 

„Bitte noch einmal, aber diesmal langsamer und schön der Reihe nach“, sprach Cloud beruhigend auf die aufgelöste Frau ein. Ein Kind klammerte sich an sie und starrte sie mit großen Augen an.

„Was soll ich sagen, es ist so furchtbar, er hatte solche Angst, nicht wahr?“ Besorgt blickte sie zu dem Kind hinab und streichelte es am Kopf. Dann wandte sie sich wieder Cloud zu. „Der kleine Digg hat nur noch geweint, einen halben Tag habe ich gebraucht, um ihn einigermaßen zu trösten. Werdet ihr den Auftrag annehmen?“ Flehend blickten sie die vier an.

„Natürlich. Also, noch mal von vorn: das Ding soll ein ‚Todesabt‘ sein? Was ist das?“

„Etwas ganz, gaaanz schreckliches! Ein Geist, geformt aus den schlechten Gewissen der Toten! Jener Toten, die beim Bau der Kanalisation umkamen und nun immer ihre Kinder vor Augen haben, die sie zurückgelassen haben!“

Cloud und Barret sahen sich an. Es war nicht zu übersehen, dass sie am Geisteszustand dieser Frau zweifelten, aber Auftrag war Auftrag.

„Okay…“, erwiderte Cloud gedehnt. „Und wo finden wir diesen… ‚Geist‘?“

„In der Garamscythe-Kanalisation. Gleich da vorn durchs Tor, in dem Hinterhof! Dort findet ihr eine Tür, die in sie hinab führt.“
 

Schnell fanden sie die Tür. Sie führte sie über eine lange Treppe hinab. Doch statt der erwarteten Dunkelheit fanden sie sich in einem helleren Licht wieder als in der Unterstadt.

„Wooow“, murmelte Yuffie, und auch die anderen waren beeindruckt. Hier unten, tief unter der Stadt, gab es nicht einfach eine Kanalisation. Es waren vielmehr hell erleuchtete Hallen und Korridore, deren aufwändige Verzierungen einen starken Kontrast bildeten zu der ärmlichen Unterstadt, die sie soeben verlassen hatten. Schmiedeeiserne Tore wiesen den Weg in die anderen Bereiche der Kanalisation, und beinahe wirkten die hohen Räume wie ein unterirdischer Palast.

„Ganz schöner Aufwand für das Wegspülen von Kacke“, knurrte Barret und legte den Kopf in den Nacken. „Typisch für diese reichen, monarchistischen Säcke. Das Volk hungert, aber Hauptsache die Kanalisation ist prächtig. Ts…“, schnaubte er verächtlich.

Langsam gingen sie in der Halle umher. An einem Ende kamen einem Wasserfall gleich die Abwässer von einer Mauer runter, teilten sich auf mehrere Ströme auf und verschwanden schließlich hinter geschmiedeten und kunstvoll verschnörkelten Gittern. Cloud lauschte dem gleichmäßigen Plätschern, das in diesen hohen Räumen gespenstisch wiederhallte.

„Na gut. Hier wären wir also. Ob es hier Zufallsgegner gibt?“ Er wandte sich zu Yuffie um, die ihn ratlos anschaute. „Vielleicht taucht das Ding ja ähnlich schnell- “ Plötzlich entglitten Yuffie ihre Gesichtszüge. Fassungslos starrte sie Cloud an. Vincent und Barret waren mittlerweile am anderen Ende der Halle und bekamen nichts davon mit. „Was ist, Yuffie? Warum siehst du mich so entgeistert an?“ Yuffie deutete mit dem Zeigefinger auf ihn und öffnete den Mund. Vor Schreck kam jedoch nichts heraus. Cloud tippte sich auf die Brust. „Was ist mit mir? Ist es meine Frisur? Tut mir leid, aber die bekomm ich nicht mehr weg. Vor allem wegen diesem dämlichen Toaster bei uns im 7.Himmel, der jedesmal- “

„Ich meine nicht deine verdammte Frisur!“ brach es plötzlich aus Yuffie hervor. „Ich meine den verdammten Geist hinter dir!!“

Clouds Gesicht schlief ein. Langsam drehte er sich um. Tatsächlich schwebte hinter ihm eine mehrere Meter hohe, teilweise durchsichtige Erscheinung in der Luft.

Sie war länglich wie eine Kerze, und an den Enden schien Rauch auszutreten. Zwei Arme mit langen, durchsichtigen Klauen tanzten auf und ab, und in der Mitte trug es ein einzelnes, bösartiges Auge.

„Heilige Scheiße“, murmelte Cloud und riss sein Schwert vom Rücken. Sofort ging er in Angriffsposition. Dann attackierte er das Wesen, doch das Schwert ging durch den Geist hindurch, als wäre es gar nicht da. Ein schrilles, bösartiges Lachen erklang. Wütend betrachtete Cloud sein in diesem Falle nutzloses Schwert, bevor er laut rief:

„Hey, Leute, ich könnte eure Hilfe gebrauchen!“
 

In Windeseile kamen die anderen herbeigelaufen und nahmen die Aufstellung ein. Barret reagierte als erster.

„Mal sehen, wie dem Freak das schmeckt!“

Er streckte seinen Arm empor, und schon sammelte sich magische Energie um ihn. Das Feld verdichtete sich, und als der Spruch einsatzbereit war, schleuderte er ihn dem Wesen wie eine Bowlingkugel entgegen. Blitze umzuckten das Geisterwesen, als der Blitzra-Spruch es traf. Das Wesen schüttelte sich und kreischte auf. Momente später sauste der Conformer durch die Luft und das Wesen, ohne Schaden anzurichten. Yuffie schaute verdutzt.

„Ich sagte doch, Waffen können es nicht treffen“, schimpfte Cloud nach hinten. Yuffie hob die Schultern und streckte ihm trotzig die Zunge heraus. Dann war Vincent an der Reihe. Er konzentrierte sich und sammelte die notwendige Energie in seiner rechten Hand. Als er bereit war, streckte er sie aus und bewegte geräuschlos die Lippen. Er hielt kurz inne, als er sah, wie das Wesen seine durchsichtigen Klauen peitschengleich verwendete und damit Barret und Cloud attackierte. Dann fletschte er die Zähne und sprach den Spruch fertig.

Das Wesen schien seine Gegner zu verhöhnen, als es schrille Laute ausstieß und mit seinen durchscheinenden Klauen umher fuchtelte. Als es den aufziehenden Wind spürte, verstummte sein boshaftes Gekreische. Ängstlich blickte es sich um, als der Sturm es einhüllte. Aus dem Sturm wurde schließlich ein tosender Orkan, der seinen geisterhaften Körper einer Wolke gleich beinahe zerriss. Dann wurde es wirklich wütend.

Wie von Sinne prügelte es auf die ihm am nächsten Kämpfer ein. Peitschengleich knallten seine Klauen auf Barret und Cloud herab. Schmerzerfüllt duckten sie sich unter den Attacken. Yuffie sah das mit an und fasste einen Entschluss.

„Wenn nicht jetzt, wann dann…“, flüsterte sie zu sich selbst. Dann schloss sie die Augen und begann uralte Worte zu murmeln. Vincent legte versuchsweise auf das Wesen an, doch sein Projektil schlug auf der dahinterliegenden Wand ein, ohne das Wesen zu verwunden. Yuffie öffnete ihre Augen wieder und sprach etwas lauter weiter. In ihren ausgebreiteten Händen sammelte sich gleißende Energie. Golden leuchtenden Partikel rasten aus allen Richtungen auf sie zu und konzentrierten sich zwischen ihren Handflächen. Aufkommender Wind wirbelte ihr Haar auf und das ihrer Freunde um sie herum. Ein Tosen hallte nun durch die Halle, dessen Ausgangspunkt Yuffie selbst zu sein schien. Ihre Lippen bewegten sich schneller und die Worte wurden lauter. Doch man hörte kaum etwas von der arkanen Formel, als das Rauschen des Soges stärker wurde und das Licht in ihren Händen die anderen fast blendete. Ihre Stimme schwoll an und das letzte Wort mochte ‚Flare‘ gewesen sein…
 

Die Energiekonzentration zwischen ihren Händen verschwand augenblicklich und tauchte dort auf, wo das Wesen war. Grelle Strahlen schossen in alle Richtungen, so dass die Vier ihre Augen bedeckten mussten. Ohrenbetäubendes Grollen dröhnte durch ihre Gehörgänge, als sich die Energieansammlung in einer feurigen Explosion entlud. Die Erde unter ihren Füßen erzitterte, und kleine Brocken fielen von der Decke der Halle.
 

Als Barret die Hand vor Augen wegnahm, stürmte er sofort los. Wütend brüllend rannte er auf das Wesen zu und holte mit seiner glühenden Makokanone aus. Doch zu spät merkte er, dass das Wesen bereits besiegt war. Fast geriet er ins Straucheln, als er durch das sich auflösende Wesen hindurch rannte. Und dann stolperte er doch. Fluchend sprang er auf. Ein Stein lag in seinem Weg, über den er gestolpert war. Eigentlich etwas völlig nebensächliches, aber aus irgendeinem Grund zog dieser simple Stein seine Aufmerksamkeit auf sich. Er trat näher und hob den Stein auf. Seine Oberfläche war die eines gewöhnlichen Kiesels, und doch konnte er kaum den Blick von ihm abwenden.

„Es ist für dich bestimmt. Nur für dich.“

Barret ließ in einer Bewegung den Stein fallen, schwenkte herum und zielte mit der Makokanone in die Richtung, in der er die Stimme vermutete. Doch da war nichts.

„Hä!?“ Dann verfinsterte sich seine Umgebung. Alles war mit einem Schlag in pure Dunkelheit getaucht. Erschrocken zielte er mit seiner Armkanone in alle Richtungen. „Was soll das, verflucht!“ schimpfte er. Allmählich fühlte er Panik in sich aufsteigen, was ihm schon eine Weile nicht mehr passiert war. Langsam gewöhnten sich seine Augen an die Dunkelheit, und er erkannte grob behauene Steinfliesen unter seinen Stiefeln. Dann sah er Wände aus demselben, verwitterten Material. Wo immer er war, es war nicht mehr die Kanalisation.

Ringsum herrschte vollkommene Stille. Wie in einem Grab, dachte er schaudernd. Dann sah er eine Erhebung vor ihm in der Finsternis. Aus schmalen Spalten in der Decke fiel schwaches Licht auf so etwas wie einen steinernen Tisch. Vorsichtig kam er näher. Seine Hand strich über die Steinplatte, auf der sich zentimeterdick der Staub abgelagert hatte.

„Cloud!! Yuffie!! Vincent!!“ rief er währenddessen in die Finsternis, doch außer dem Echo antwortete niemand. Dann bemerkte er, was es war, das er da berührte. Es war kein Tisch. Es war ein Sarg.

„Verdammt!“ fluchte er und wich zurück. Ein großer, marmorner Sarkophag bildete den Mittelpunkt des finsteren Raums, der in der Tat ein Grab war. Barret, der immer schon etwas abergläubisch war, blickte sich nervös um. „Wo zum Teufel bin ich hier gela- “ Erschrocken fuhr er herum, vom Geräusch berstenden Felsens alarmiert. Zur linken des Sarges brach etwas aus dem Boden heraus. Zuerst konnte er es im aufgewirbelten Staub nicht klar erkennen, doch dann legte sich der Staub- und ein aufrecht gehender, blauer Stier kam zum Vorschein. Die Gestalt war etwas kleiner als Barret selbst. Es trug einen Brustharnisch und hielt einen Hammer(oder sowas XD) in der Hand. Mit einem Huf versuchte er hustend die Staubschwaden zu vertreiben. Dann fiel sein Blick auf Barret, der ihn ungläubig anstarrte.

„Aha, wir haben Besuch?“

„Du verdammter Freak kannst ja sprechen…“, murmelte Barret fassungslos.

„Das mit dem Freak will ich überhört haben“, erwiderte das gehörnte Wesen und putzte sich mit seinen Hufen ungeschickt den Staub vom Harnisch. „Mein Name ist übrigens Secreto.“

„Secreto, verstehe. Ich bin Barret und erstens was ist das hier für eine verdammte Freakshow zweitens was meinst du mit WIR? Gibt es hier noch mehr so ‚Narren‘ wie dich?“ schnauzte ihn ein schlechtgelaunter Barret an. Das Wesen namens Secreto richtete seinen stiergleichen Kopf auf ihn und blitzte ihn mit tiefliegenden Augen an.

„Die dicke Lippe wird dir noch vergehen. Und das war jetzt keine Anspielung auf deine afro-amerikanische Abstammung. Erstens ist das hier das Grab des unbekannten Königs. Und zweitens… Brüderchen?“ Das letzte Wort flötete er, soweit es seine kuhähnlichen Sprechwerkzeuge möglich machten. Bevor noch Barret etwas erwidern konnte, brach auf der anderen Seite des Sarges ein ähnliches Wesen aus dem Boden. Doch dieses war wesentlich größer. Prustend schüttelte es Steine und Staub von sich, dann wandte es sich an das erste Wesen.

„Was gibt’s, Secreto? Wer hat uns geweckt?“

„Dieser kleine Mensch hier, Brüderchen“, erwiderte der Angesprochene und deutete mit seinem Hammer auf Barret. Brüderchen wirkte komisch, schon alleine weil das ‚Brüderchen‘ mehr als doppelt so groß war wie er selbst. „Es wurde auch Zeit, dass uns jemand weckt, findest du nicht auch, Minotaur?“

Minotaur, der einen seiner Größe angepassten Hammer trug, schüttelte unwillig den Kopf.

„Wenn’s denn sein muss. Ich glaube aber, dass wir ihn problemlos zerquetschen“, brummte er.

„Sei dir da nicht so sicher“, sagte Secreto lachend. „Kannst du dich an den einen Typen erinnern… wie hieß er gleich… genau: ‚Mister T‘! Der sah auch so aus, und mit dem war nicht gut Kirschen essen!“

Minotaur holte röhrend mit seinem Hammer aus und schlug auf den Boden, so dass durch die Erschütterung kleine Teile von der Decke fielen.

„Schluss mit dem Geschwafel! Jetzt geht’s zur Sache!!“

Nun begannen beide ihre Waffen in einer abgestimmten Choreografie zu schwingen. Schließlich rissen sie sie gleichzeitig empor, und wie durch einen Sog flogen vor ihnen Staub und Steine in die Luft.

„WIR SIND DIE BRÜDER!!!“ brüllten sie im Chor, dass es Barret in den Ohren schmerzte. Mit zusammengebissenen Zähnen entfaltete er seine Makokanone, während Secreto und Minotaur ihn finster lachend einkreisten…
 


 


 

Wir blenden weg und schauen, wie es mit Rinoa und ihrer Truppe weitergeht...
 


 


 

Ihre Schritte hallten von den hohen Wänden wieder, die den schmalen Korridor säumten. Fast war im Halbdunkel die Decke des Gangs nicht erkennbar. Die nahen Wände, die nicht zwei Personen nebeneinander erlaubten, sorgten zusätzlich für klaustrophobische Gefühle. Am Ende des Gangs erwartete sie eine glatte Wand. Bevor noch jemand etwas äußern konnte, glitt sie dumpf grollend und wie von Geisterhand hinauf. Dahinter erwartete sie ein runder Raum, der von gelblichen Kristallen in ein fahles Licht getaucht wurde. In der Mitte fanden sie eine Plattform vor, in dessen Zentrum ein mysteriöser Apparat stand. Zwischen dem Boden und der Plattform entdeckten sie einen Spalt, durch den Luft hindurch zog. Irvine beugte sich hinab und spähte durch den Spalt in die Tiefe.

„Da geht’s ganz schön runter. Scheint ein Aufzug oder sowas zu sein.“

Seufzend erhob er sich und schob sich seinen Hut über die Stirn. Währenddessen begutachteten die anderen den Apparat auf der Plattform. An seiner Oberseite glühte eine Kugel in bläulichem Licht.

„Xell, was sagst du dazu?“ fragte Rinoa mit gerunzelter Stirn. Xell Dincht spuckte in die Hände und schlug sie zusammen. Das Geräusch hallte aus der Tiefe zurück, als befände sich ein großer Hohlraum unter ihnen.

„Lasst mich nur machen“, sagte er und fingerte an der Vorrichtung herum.
 

Rinoa und Irvine sahen ihm mit verschränkten Armen zu. Xell hing als Zeichen seiner Konzentration die Zunge aus dem Mundwinkel, während er sich an dem Apparat zu schaffen machte. Selphie stand etwas abseits und nahm einen großen, gelb leuchtenden Kristall in Augenschein, der am Rande der Plattform stand. Ihr Gesicht spiegelte sich in seinen Facetten und warf es vielfach zurück. Gedankenversunken betrachtete sie ihr Spiegelbild, das auf seltsame Weise verzerrt war.

„Du, Irviiine…“

„Was gibt’s“, fragte er, während er Xell beobachtete, der sich Mühe gab, seine Planlosigkeit zu verbergen.

„Dieser Stein hier ist komiiisch…“

„Ich weiß“, seufzte Irvine. „Vieles in dieser Welt ist komisch.“

„Ja“, erwiderte sie genervt, „das hier ist aber anders. Ich haaabe das Gefühl, dass dieser Stein… meine Erinnerung haben will!“

Irvine blickte auf und verzog das Gesicht.

„Was meinst du damit?“

„Na ja, ich weiß nicht wiiie ich es beschrei- “

Plötzlich machte die Plattform einen Ruck und setzte sich in Bewegung. Xell, der fast noch mehr überrascht war als die anderen, fiel auf seinen Hintern. Selphie sprang eilig auf die Plattform, die nun in die Tiefe sank. Schulterzuckend blickte sie Irvine an. Dieser nickte nur, während Xell stolz die Arme verschränkte.

„Na, hab ich das nicht wieder gut hingekriegt? Gut, dass ich einige Zeit in der Werkstatt in Balamb gearbeitet habe.“

Irvine blickte empor, wo das runde Loch, das zuvor noch die Plattform ausgefüllt hatte, langsam in der Dunkelheit verschwand.

„Ja… jetzt fahren wir womöglich direkt zur Hölle“, murmelte er kaum hörbar.
 

Nach Momenten, in denen sie dem gleichmäßigen Rollen des archaischen Apparates gelauscht hatten, stoppte er schließlich. Er saß nun auf einer Erhebung, um die sich ein kreisförmiger Gang in die Tiefe wand. Vorsichtig und auf alle Anzeichen von Gefahren achtend, folgten sie ihm in die Tiefe hinab.

Die Wände schienen aus dem rohen Gestein herausgearbeitet zu sein. Erst an der tiefsten Stelle des Gangs fanden sie wieder Merkmale menschlicher Baukunst. Ein Portal, verziert mit altertümlichen Symbolen, wies den Weg in einen hohen Saal. Staunend betraten sie ihn und erkannten, welch Pracht diese Gemäuer vor Zeitaltern geschmückt hatte. Nun war dies nur noch zu erahnen. Die einst wohl leuchtenden Farben der Wandgemälde und Fresken waren jetzt alle in ein einheitliches Grau getaucht, das der unerbittliche Zahn der Zeit hinterlassen hatte. Unter ihren Füßen sahen sie zerbrochene Marmorfliesen, die vor langer Zeit lebhaft gemusterte Mosaike gebildet haben mussten. Jetzt lagen die meisten zerbrochen und ihrer wertvollsten Bestandteile geplündert da.

„Waaahnsinn, ein unterirdischer Palast!“ ächzte Selphie.

„Ich frage mich, wie groß die Anlage wohl noch ist“, sagte Irvine angesichts der Ausdehnung dieser Halle. Rinoa kniff die Augen zusammen und spähte in das Halbdunkel, das ein Erkennen des nächsten Raums fast unmöglich machte.

„Es scheint hier nur einen Weg zu geben“, murmelte sie, während sie langsam auf das weiterführende Portal zuging. Jeder ihrer Schritte warf ein Echo von den Wänden zurück, und es klang beinahe anklagend. So, als zürne dieser unterirdische Palast jedem, der es wagte, ihn zu betreten.

Plötzlich stoppte Rinoa und hob die Hand. Auch Irvine bemerkte etwas. Xell wollte schon fragen: „Was ist de- “, als ihm Irvine die Hand auf den Mund legte. Als Irvine seine Hand wieder wegzog, kam sein verdutztes Gesicht zum Vorschein. Seine Mimik fragte Was sollte das eben? Irvine legte den Zeigefinger an die Lippen. Dann deutete er in die Richtung, in die sie gehen wollten.

Hoch und bedrohlich ragte das Portal vor ihnen auf. Es erreichte fast die Decke, die bereits von Dunkelheit verborgen wurde. So sehr sie ihre Augen anstrengten, was dort auf sie wartete, blieb ungewiss. Dann hörte auch Xell das Geräusch. Sein Gesicht änderte sich von verdutzt über alarmiert zu finster grinsend. Geräuschvoll ließ er die Knöchel in seinen Schlangenlederhandschuhen knacken. Rinoa drehte sich um und flüsterte:

„Ich glaube, da vorne ist was.“

Nun wurde das Zischen lauter, und auch das Geräusch, das sie als ‚Flattern‘ bezeichnet hätten, verstärkte sich. Klirrend sprangen die Klingen von Rinoas Waffe heraus, und auch die anderen holten ihr ‚Werkzeug‘ hervor. Und tatsächlich tauchte eine Gestalt in dem Portal auf. Es schien ein Kobold zu sein, der mit seinen kunstvoll geformten Flügeln langsam durch die Gegend flatterte und dabei zischende Laute von sich gab.

Fast etwas enttäuscht ließen sie ihre Waffen sinken. Dieses Wesen wirkte nicht sonderlich bedrohend.

„Na ja… wer will ihn übernehmen“, fragte Irvine beiläufig. Mit einem Schlag verstärkte sich das Zischen. Hinter dem einzelnen Wesen tauchten nun dutzende dieser Spezies auf!

„Ich glaube, die haaaben hier ein Familientreffen“, bemerkte Selphie. Und dann stürzten sie sich auch schon in die Schlacht.
 

Die Wesen waren schwach, höchstens lästig, aber eben verdammt viele. Jeder von ihnen war beschäftigt, sie sich vom Leibe zu halten. Rinoa benutzte ihren Shooting Star als Schild, um die Attacken der Kobolde abzuwehren. Dann und wann öffnete sie ihre Deckung, um mit gezielten Hieben eines der Wesen auseinander zu hacken. Kreischend fielen die besiegten Monster zu Boden, doch schon drängten neue nach.

Irvine stand konzentriert da und feuerte mit seinem sechsschüssigen S.A.A. Revolver auf die heranstürmenden Kreaturen. Einer nach dem anderen fiel, denn bei ihm war jeder Schuss ein Treffer. Doch der Ansturm wollte nicht abreißen, und allmählich bekam er Probleme mit dem Nachladen. Immer mehr in die Ecke gedrängt, sah er sich zu drastischeren Maßnahmen gezwungen.

„Na gut, ihr habt es so gewollt“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Sein Mantel wallte hoch, und hervor kam seine linke Hand, in der er nun den Exeter hielt. Lichtstrahlen brachen aus dem Boden unter seinen Füßen hervor. Die Schar der Monster, die ihn nun eingekreist hatte, erstarrte. Die beiden bewaffneten Hände vor dem Gesicht überkreuzt haltend, rief er: „Dann zeige ich euch mal, was ich dazu gelernt habe!“

Dann sprang er hoch und drehte sich um, so dass er mit dem Kopf nach unten auf seine Gegner hinabblickte. Wie ein Wirbelwind begann er im selben Moment zu rotieren. Aus seinen beiden Waffen sprühte ein stählernes Gewitter auf seine hilflosen Feinde hinab. Als er nach dem Kopfüber-Salto wieder landete und hinter ihm etliche der Kobolde in ihre Bestandteile zerfielen, richtete er sich auf und hielt die Waffen vor der Brust überkreuzt. Lautstark lachte er, als er so in zwei Richtungen gleichzeitig feuerte. Dann zielte er mit dem Revolver nach vor und dem Exeter nach hinten. Wieder drang das Hämmern seiner unnatürlich schnell schießenden Waffen durch die antike Halle.

Von allen Seiten drängten nun die Kobolde auf ihn ein, doch ohne genau hinzusehen, mähte er sie innerhalb kürzester Zeit nieder. Rinoa, Selphie und Xell blieb nichts anderes übrig, als das Spektakel aus Projektilen und Feuer gebannt zu beobachten. Schließlich verstummte das maschinengewehrgleiche Bombardement. Ringsum zerfielen getroffene Feinde.

Irvine hob den Exeter hoch und pustete den Qualm aus dem noch immer glühenden Lauf. Die anderen umringten ihn ungläubig staunend.

„Nicht schlecht, was? Hat mir mein Kumpel Dante gezeigt.“ Zufrieden grinsend ließ er den Revolver auf dem Zeigefinger rotieren, um ihn dann in seinem Holster verschwinden zu lassen.
 

Das unterirdische Bauwerk begann sich nun in kleinere Räume aufzugabeln. Räume in derselben archaischen Architektur hatten nun teilweise vier Türen, die zu weiteren Räumen führte. Bei jeder Gabelung verharrten sie, um sich ihren bisherigen Weg einzuprägen. Von unbestimmten, hohlen Geräuschen abgesehen, die aus den Tiefen dieses Labyrinths zu kommen schienen, war es hier ruhig.

Während Rinoa und Selphie an der Spitze gingen, folgten ihnen Irvine und Xell.

„Du hast mir ja kaum welche übriggelassen“, klagte er. Irvine, der sein Gewehr über die Schulter gelegt trug, schob sich lachend den Cowboyhut über die Stirn.

„Tja, manchmal schieße ich schneller als mein Schatten. Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich mich natürlich zurückgehalten“, witzelte er. Rinoa warf ihnen einen tadelnden Blick zu.

„Reißt euch zusammen! Es werden noch genügend Gegner auftauchen, so dass ihr euch nicht mehr streiten müsst“, schimpfte sie leise. Irvine und Xell sahen sich verdutzt an.

„Was hat sie denn“, flüsterte Xell schulterzuckend. Irvine schüttelte nur den Kopf.
 

Wieder standen sie an einer Tür, und Selphie schob sie vorsichtig einen Spalt auf. Mit angehaltenem Atem spähte sie durch den Spalt. Ihre Augen wurden groß, und sie schloss die Tür wieder. Hinter ihr standen ihre Freunde mit gezogenen Waffen.

„Was war da? Noch mehr Kobolde?“ fragte Rinoa, die ihr am nächsten stand. Selphie schüttelte den Kopf.

„Keine Kooobolde. Bangaas!“

Sie sahen sich an. Offenbar waren sie nicht die einzigen Kopfgeldjäger hier unten.
 

„Und was jetzt?“ flüsterte Xell. „Also ich bin dafür, dass wir rein stürmen und denen was auf die Nuss geben!“ sagte er leise und schlug sich mit der Faust auf die Handfläche.

„Nicht so voreilig, du Hitzkopf“, bremste ihn Irvine ein. „Vielleicht lassen die ja mit sich reden…?“

„Wohl kaum“, bemerkte Rinoa ernst. „Sie sind wegen des Geldes hier und nicht um zu diskutieren. Denen ist alles zuzutrauen.“ Den leisen Seitenhieb auf den Beruf der SEEDs ignorierten die drei angesichts der angespannten Lage nachsichtig. Rinoa warf wieder einen Blick zur Tür und atmete tief durch. „Wir gehen rein. Womöglich suchen die dasselbe Monster wie wir. Wir dürfen es uns nicht wegschnappen lassen. Wenn es sein muss… mit Gewalt. Die würden es nicht anders mit uns machen, da bin ich mir sicher.“

Rinoas entschlossene Miene erstaunte die anderen doch etwas. Sie war bereit, alles zu wagen, daran hatten sie nun keinen Zweifel mehr. Damals, als sie Squall und den Garden verlassen hatte, hatte sie zerbrechlich und zaghaft gewirkt. Doch das war Vergangenheit. Sie hielt den Griff ihrer auf dem Unterarm festgeschnallten Waffe so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. Die Klingen des Shooting Stars blitzten im Halbdunkel. Dann stieß sie die Tür auf.
 

Die Gruppe von Bangaas, es waren drei, drehten sich wie ein Mann um. Sie hatten Lanzen als Waffen und schienen sich in diesem Moment über den weiteren Weg beratschlagt zu haben. Ihr Anführer kam ihnen gleich bekannt vor.

„So sieht man sich also wieder“, begann der Bangaa mit seiner schnarrenden Stimme, der sich in dem Gasthaus damals als ‚Colonel‘ vorgestellt hatte. Rinoa und die SEEDs bauten sich vor ihnen auf. Die Waffen hielten sie gesenkt, aber gleichzeitig einsatzbereit. Der Colonel kam selbstbewusst auf sie zu und fürchtete scheinbar keinen Angriff. „Ich hoffe, ihr findet hier wieder alleine raus. Wir hätten nämlich keine Zeit, euch den Weg zu weisen“, sagte er abfällig lachend, und seine Kameraden stimmten in sein spöttisches Gelächter ein.

„Mit Sicherheit“, erwiderte Rinoa knapp, die ihm genau gegenüber stand. Ihr Blick war hart wie Beton.

„Na dann…“, sagte der Colonel und breitete die Arme aus, „passt auf euch auf, wenn ihr heimgeht. Hier lauert nämlich so manche Gefahr auf… unerfahrene Kopfgeldjäger“, fügte er grinsend hinzu. Rinoa verschränkte die Arme vor der Brust, als könne ihre Waffe ihr Auftreten unterstreichen.

„Wir haben nicht vor zu gehen“, sagte sie mit fester Stimme. Der Bangaa, der offenbar etwas anderes erwartet hatte, blitzte sie wütend an.

„Was soll das heißen?? Wir waren zuerst hier! Wir haben das Recht, hier zu jagen, so lautet der Codex!!“

Rinoa begann, mit der Fußspitze auf den Boden zu tippen.

„Uns interessiert euer Codex nicht. Für uns ist es WICHTIG. Für euch geht es ja nur ums Geld, also geht uns aus dem Weg.“

Mit einer Mischung aus Faszination und Anspannung verfolgten die SEEDs wie auch die beiden anderen Bangaas das Kräftemessen der beiden. Der Colonel schien nicht mit solchem Widerstand gerechnet zu haben.

„JEDER Kopfgeldjäger hält sich an den Codex, er ist heilig, verdammt!!“ schrie das Wesen fast und gestikulierte wütend. Rinoa hielt dem stand.

„Wir sind keine Kopfgeldjäger. Und jetzt verschwindet endlich“, sagte Rinoa leise, aber mit zunehmender Schärfe.

„Was? Keine Kopfgeldjäger?“ fragte der Bangaa und klang dabei fast gelangweilt. „Ihr seid bloß… Glücksritter und Abenteurer?“ Er sah seine Kameraden an, die pflichtschuldig mit ihm mit lachten, auch wenn sie nicht ganz so überzeugt wirkten. „Wenn das so ist… was spricht dann dagegen, dass wir euch einfach die Kehlen durchschneiden und hier liegen lassen?“ fragte er voller boshafter Erheiterung. Eine Sekunde später hatte er Rinoas Armklingen am Hals.

„Das hier“, zischte sie ihm zu. Seine Kameraden stürzten vor und drohten mit ihren Lanzen. Irvine zog seine Waffen und zielte auf beide gleichzeitig.
 

Rinoa blickte sich ganz langsam um. Von links und rechts ragten scharf aussehende Lanzenklingen in ihr Gesicht. In einem konnte sie sogar ihr vages Spiegelbild erkennen. Hinter ihr erahnte sie Irvine, der mit dem Exeter und dem Revolver die beiden Bangaas ins Visier nahm. Kann er sie erledigen, bevor die mich in Streifen schneiden?, fragte sie sich, während ein Schweißtropfen auf ihrer Stirn entstand.

Der Colonel, der angesichts der überdimensionalen Rasierklingen an seiner schuppigen Kehle bisher wie erstarrt da stand, rührte sich keinen Mucks. Nach endlosen Momenten schließlich begann er leise zu lachen. Rinoa blickte ihn verstört an.

„Hör auf damit, verdammt!“ schrie sie und drückte ihm die Klingen fester gegen seine reptilienartige Haut. Für einen Moment kamen die Klingen vor ihren Augen in Bewegung, bis sie eine Handbewegung des Bangaas stoppte.

„Tut nichts“, sagte er langsam. Seine Kameraden atmeten hörbar tief durch. „Tja, kleine Lady… was machen wir jetzt?“ Ihre Blicke ruhten ineinander. Jeder versuchte zu ergründen, was der andere dachte…

„Es gibt zwei Möglichkeiten“, flüsterte Rinoa, „die erste wäre ein Blutbad, das wir beide sicher nicht überleben. Die zweite lautet: ihr verschwindet.“

Wieder lachte der Colonel auf, doch er verstummte bald wieder. Sein nervöser Blick pendelte zwischen Irvine, der die zwei Schusswaffen ruhig wie eine Statue auf seine Begleiter gerichtet hielt, und Rinoa, in deren eiskaltem Blick er las. Noch einen Moment lang schaute er ihr in die Augen.

„Nehmt die Waffen runter“, sagte er gefasst. „Wir verziehen uns.“ Seine Kameraden schienen ihren Ohren nicht zu trauen. Ungläubig starrten sie ihren Anführer an. „Ihr habt schon richtig gehört. Wir ziehen uns zurück.“ Die beiden senken tatsächlich ihre Waffen, und so tat es auch Rinoa. Der Colonel machte einen Schritt zurück und rümpfte seine Echsenschnauze. Dann ging er an den Vier vorbei, und seine Kameraden folgten ihm. Irvine hielt seine Waffen leicht gesenkt, bis die drei den Raum verlassen hatten. Dann atmeten alle erleichtert auf.
 

„Boss, das versteh ich nicht“, begann einer der beiden Bangaas. „Wieso haben wir- “

„Fang nicht mehr an davon“, schnauzte er ihn an, während sie den Weg aus dem Sohen-Höhlenpalast hinaus antraten. Wütend schüttelte er den Kopf. Lange genug war er in diesem Geschäft, um die Augen von jemand zu erkennen, der nichts zu verlieren hat…
 

„Da haben wir ja noooch mal Schwein gehabt“, seufzte Selphie, nach dem die Tür mit einem steinernen Hallen zugefallen war. Irvine blickte über seine Schulter hinweg zur Tür. Seine Waffen hielt er immer noch in der Hand. Xell begann in der Luft herum zu boxen.

„Hättest du gleich gesagt, dass wir die Typen in die Pfanne hauen, dann hätte ich gleich- “

Irvine ging an ihm vorbei auf Rinoa zu, und etwas in seinem Auftreten ließ Xell verstummen. Die junge Frau atmete tief durch. Jetzt erst merkte man ihr die Anspannung an, die sie bei der Konfrontation mit den Kopfgeldjägern um jeden Preis hatte verbergen müssen.

„Danke, dass ihr richtig reagiert habt. Ich wollte denen eine Chance geben, heil aus der Sache rauszukommen“, sagte sie in Richtung Xell, aber eigentlich mehr zu sich selbst. Irvine steckte seine Waffen weg und fixierte sie kalt.

„Ja, wir haben richtig reagiert. Hätten wir das nicht, dann wäre ein Teil unseres Trupps wahrscheinlich tot.“

Sein Blick war ihr unangenehm, sie fühlte sich angegriffen.

„Ja… was willst du mir damit sagen?“ erwiderte sie mit leicht zittriger Stimme. Selphie und Xell bemerkten die Anspannung zwischen den beiden und tauschten vielsagende Blicke.

„Ich will dir damit sagen, dass dein Verhalten unprofessionell war. Du stürmst hier rein und markierst die große Amazone! Sowas spricht man mit seinen Kameraden vorher ab.“

Rinoa wollte etwas erwidern, doch irgendwie gehorchte ihr ihre Zunge nicht. Die Auseinandersetzung eben hatte sie so sehr angestrengt, dass sie keine Kraft in sich für eine weitere fühlte.

„Na und?“ erwiderte sie schließlich lauter als beabsichtigt. „Was für einen Plan hattet ihr denn?“ fügte sie hinzu. Sie klang nun beinahe wie ein trotziges Kind vor einem Wutausbruch. Im selben Moment schämte sie sich für ihre Worte.

„Ich hatte keinen Plan in dem Moment“, sagte er leise und mit schmalen Augen zu ihr. „Du hattest einen, und wir haben ihn ohne nachzudenken umgesetzt. Es ist gut gegangen, nicht zuletzt wegen dir“, fügte er hinzu, doch die Schärfe in seiner Stimme machte klar, dass es kein Lob war. „Und jetzt sind diese Leute unsere Todfeinde. Und alle anderen aus ihrer Zunft ebenfalls. Die haben offenbar einen Ehrenkodex, und du weißt scheinbar nicht, was es bedeutet, einen zu brechen.“ Voller Unwillen hörte sie sich seine Predigt an. Innerlich fühlte sie Zorn hochkochen. „Geordnete Systeme haben einen Ehrenkodex. Wer dagegen verstößt, wird zum Feind aller. Diese Kopfgeldjäger haben einen- “

„So wie auch ihr SEEDs?“ unterbrach sie ihn und klang provokanter als beabsichtigt.

„Ja, genau“, zischte Irvine, und die Konfrontation spitzte sich zu. Kopfschüttelnd ging Xell auf sie zu. Sie hatten lange genug zugesehen. „Aber das kannst du wohl nicht verstehen…“, fügte er leise und mit einem Hauch Enttäuschung hinzu. Xell stand nun bei den beiden und legte Irvine die Hand an die Brust. Er verzog das Gesicht, ein deutliches Zeichen, wie sehr ihm diese Auseinandersetzung zwischen seinen Freunden missfiel. Gleichzeitig wusste er, dass dieser Konflikt beigelegt werden musste, und durch diesen Zwiespalt zögerte er noch, die beiden zu trennen.

„Weil ich kein SEED bin, richtig?“ erwiderte Rinoa, deren Augen feucht wurden. „Weil ich nicht so… klar und militärisch denken kann wie ihr, richtig?“

„Nun kommt schon, Leute…“, meldete sich Xell nun, und er klang etwas hilflos. „Wir hatten alle ziemlichen Stress. Jetzt beruhigt euch wieder, in Ordnung?“

Irvines kalter Blick traf Xell, der ihn immer noch mit einer Hand zurückhielt, und traf dann wieder Rinoa.

„In Ordnung“, sagte er in einem beinahe schon beiläufigen Ton. „Du hast von uns allen das naheste Verhältnis zu Squall. Zumindest war es einmal so.“ Als Zeichen der Deeskalation machte er einen Schritt zurück, und Xell ließ seine Hand sinken. „Du führst uns an, denn du kennst ihn wahrscheinlich am besten von uns. Aber keine Alleingänge mehr. Wir sind ein Team. Und als solches gehen wir auch vor.“

Rinoa wollte etwas sagen, doch Irvine hatte sich schon abgewandt. Mit der linken kratzte er sich am Hinterkopf, während Rinoa ihn mit tränennassen, wütenden Augen anblickte. Xell legte ihr kameradschaftlich die Hand auf die Schulter.

„Was ist los mit dir, Rinoa“, flüsterte er ihr in einem verletzt klingenden Tonfall zu. „Wir haben doch alle dasselbe Ziel, oder?“

Sie blickte ihn trotzig und kalt an, doch der mühsam aufrecht gehaltene Widerstand schmolz. Schließlich fiel sie ihm zu seiner Verwunderung um den Hals.

„Ich habe Angst um ihn“, schluchzte sie in seine Schulter hinein. Tröstend tätschelte er ihr den Rücken. „Ich will ihn nicht verlieren…“

Dann löste sie sich von seinem Hals. Unendliche Traurigkeit stand in ihren Augen.

„Das wollen wir auch nicht“, sprach Xell leise und sanft zu ihr wie ein Vater, der ein Kind tröstet. „Wir müssen zusammenhalten, dann finden wir ihn, bestimmt.“ Er lächelte sie aufmunternd an. Sie wischte sich die Tränen ab und ließ sich von seiner Miene anstecken.

„Also gut… es tut mir leid, Irvine“, sagte sie in seine Richtung. Er stand immer noch mit dem Rücken zu ihr. Selphie stand etwas betreten neben ihn, als er sich umdrehte. „Ich habe über eure Köpfe hinweg entschieden. Das wird nicht mehr vorkommen.“

Irvines Miene lockerte sich auf.

„Und ich… ich wollte dich damit nicht verletzten.“

„Du hattest schon recht“, erwiderte sie und ging auf ihn zu. „Ich habe ein bisschen einen Dickkopf, und, na ja… es schadet manchmal nicht, wenn… wenn mir jemand die Meinung geigt.“

„Also, vertragt ihr euch wieder?“ rief Selphie und lief herbei. Ihr erwartungsvoller Blick sprang zwischen den beiden hin und her. Rinoa und Irvine nickten seufzend, worauf Selphie einen Luftsprung machte. „Na eeendlich! Wenn wir nicht fest zusammenhalten… sind wir verloren“, fügte sie geknickt hinzu. Dann lächelte sie wieder, und die anderen konnten nicht anders, als es ihr gleich zu tun.
 

Nachdem alles geregelt war, entschlossen sie sich, weiter zu gehen. Wenngleich nun erhöhte Vorsicht vonnöten war, denn eines war klar: sie hatten sich einen neuen Feind gemacht.

Wieder veränderte sich die Umgebung. Das kunstvoll verzierte Mauerwerk wich immer mehr natürlichen Höhlenwänden, in die dies alles einmal gebaut worden war. Auch wurde die Umgebung feuchter, wie sie an der Luft merkten. Von weitem hörten sie sogar Wasser plätschern, das sich seinen Weg durch finstere Schächte bahnte. Farblose Schlingpflanzen, die offenbar ohne das Licht der Sonne wuchsen, hingen tropfenden Vorhängen gleich an den grob behauenen Wänden.

Nun übernahm Xell die Spitze. Gleich hinter ihm folgte Selphie, die ihren Dreisegmentstab zusammengelegt in der rechten hielt. Irvine und Rinoa bildeten das Schlusslicht. Sie hatte das Gefühl, noch etwas sagen zu müssen.

„Irvine… wegen vorhin, da- “

Er winkte nur ab.

„Ist schon okay. Wir sind alle ziemlich angespannt. Da kann sowas passieren. Ich habe mich auch etwas daneben benommen.“

Rinoa nickte seufzend.

„Ja… beim nächsten Mal finden wir gemeinsam eine Lösung. Dann werde ich nicht einfach meinen Dickkopf durchsetzen- “

Sie stoppte abrupt, als sie sah, wie Xell die Hand hob. Das Rauschen des Wassers wurde lauter, und sie kamen nun in einen Bereich, in dem die unterirdischen Ströme das Gestein so weit ausgehöhlt hatten, das der Fels kleinen Brücken gleich die Wasserläufe überspannte. Ihr Weg führte seit kurzem stetig bergan, und hinter einer kleinen Aufwölbung fiel der Fels steil nach unten, wo im Dunkeln ein schmales Rinnsal plätscherte.

Xell ging in die Knie und legte sich schließlich in den Schutz des aufgewölbten Felsens. Die anderen taten es ihm gleich, und schließlich lagen sie nebeneinander in Deckung und beobachteten seine Entdeckung.

„Sieht aus wie ein Stahlgigaaant“, flüsterte Selphie.

„Das muss das Ding sein, von dem dieser Baldore gesprochen hat“, meinte Irvine. „Ist kleiner als die Stahlgiganten unserer Welt. Sollte nicht so ein Problem sein.“

„Wir müssen trotzdem aufpassen“, warnte Rinoa. „Wer weiß, was der drauf hat.“

Das Wesen hatte tatsächlich Ähnlichkeit mit den Stahlgiganten. Sein grobschlächtiger Körper hatte ebenso keinen Kopf, sondern nur eine bedrohlich wirkende, blutrote Zeichnung, die wohl ein Auge imitieren sollte. Verkrüppelte Flügel standen Hörner gleich von seinem Rücken ab. Und in der gepanzerten Hand hielt es eine mit Stacheln übersäte Keule, an der noch Blut zu kleben schien…

„Das Ding ist sicher faustdick gepanzert. Ich schlage folgendes vor: einer zieht seine Aufmerksamkeit auf sich, und die anderen attackieren es von der Rückseite. Das sollte uns einen schnellen Sieg ermöglichen“, meinte Irvine.

„Und wer soll sich dem Ding in den Weg stellen?“ fragte Xell erheitert. Alle sahen ihn wortlos an. Er verdrehte die Augen. „Okay, okay. Der, der fragt, ich weiß schon…“
 

Das Wesen schlich mit erstaunlich leisen Schritten durch die lichtlose Höhle. Seine massiven Füße machten kaum Geräusche, nur hie und da fuhr es herum, als fühlte es sich von unsichtbaren Feinden gehetzt. Die verfluchte Seele, die diese kopflose Kreatur mit teuflischen Leben erfüllte, war voller Angst und Hass. Niemals versiegende Energien, die es wohl bis in alle Ewigkeit durch die finsteren Gänge des Höhlenpalastes treiben würden… tauchte da nicht ein blonder, vorwitziger Faustkämpfer vor seiner nichtexistenten Nase auf.

Xell kam geradewegs auf den Riesenfürsten zu und nahm sogleich die Haltung eines Boxers ein. Das Wesen erstarrte und gab ein unmenschliches Geräusch von sich, das sich mit Worten kaum wiedergeben ließ. Auf jeden Fall drückte es einerseits Erstaunen aus, dass es jemand direkt herausforderte, und andererseits Wut, die diese Kreatur wohl allem Lebenden gegenüber empfand.

Geräuschvoll schnaufend legte Xell los. Er malträtierte einen unsichtbaren Gegner mit Jabs, Geraden und Aufwärtshaken. Fassungslos stand der Riesenfürst vor ihm. Wie Cassius Clay zu seinen besten Zeiten tänzelte Xell nach links und rechts, vor und zurück.

„Yeah, ich flatter wie ein Schmetterling und steche wie eine Biene, hast du gehört, du hässliches- Woha!!“

Nur seiner blitzschnellen Beinarbeit war es zu verdanken, dass er der herab sausenden Keule entgehen konnte. Sofort setzte das Wesen nach und rannte ihm erstaunlich flink nach.

Rinoa und die anderen sahen mit einer gewissen Belustigung, wie die unheimliche Höllenkreatur Xell hin und her jagte. Sie sahen, wie die beiden sämtliche Gänge und Pfade dieses einem Labyrinth ähnlichen Teils dahin rasten. Meistens rannte das Wesen Xell nach, manchmal war es umgekehrt, und einige Male schienen sie überhaupt die Orientierung verloren zu haben. Als Xell sich wiedermal ihrer Position im Schweinsgalopp näherte und das Wesen mit erhobener Keule ihm folgte und dabei keinerlei Ermüdungserscheinungen zeigte, gingen sie in Kampfposition.

„Ich glaube, Xell hat jetzt genug Spaß gehabt. Angriff!!“
 

Auf Irvines Kommando ging es los. Sie standen dem Wesen genau im Rücken. Bevor es noch reagieren konnte, landeten sie ihre Attacken. Selphie holte einem Wirbelsturm gleich mit ihrem Dreisegmentstab aus und ließ ihn schnalzend auf die Kreatur herab sausen. Rinoa bohrte dem Wesen ihre Armklingen in den metallähnlichen Körper, und Irvine feuerte aus allen Rohren. Xell, der immer noch im Stand lief, während die Angriffe seiner Freunde auf den Riesenfürsten niederprasselten, wagte es kaum sich umzudrehen. Schließlich warf er während seines auf-der-Stelle-laufens einen Blick über seine Schulter und sah, dass das Monster fast besiegt war.

„He, lasst mir auch was übrig!“ rief er und machte auf der Stelle kehrt. Er ballte beide Fäuste, und gelbes Licht schoss aus dem Boden um ihn herum. Dann rannte er, eine Staubwolke hinterlassend, auf das bereits wankende Wesen zu. Kurz davor sprang er in die Luft und holte im Flug mit der Faust aus. Der Sog eines Tornados schien von seiner Faust auszugehen, und als er ins Leere schlug, schien sich die ganze Luft um ihn zu entzünden. Mehrere Meter schwebte er so über dem Wesen und sammelte in einer gleißenden Aura um seine Faust Energie, bis die Schwerkraft wieder die Herrschaft über ihn errang. Hinter dem Wesen landete er auf den Füßen. Die Wucht drückte ihn in Richtung Boden, als seine Faust den festen Felsen unter ihm traf. Die Energiekonzentration hatte sich nun auf den Riesenfürsten übertragen und detonierte effektvoll. Das Monster verglühte inmitten eines Feuerballs, als er sich aufrichtete, den Daumen emporreckte und sein unwiderstehliches Zahnpastalächeln zeigte.

„Viel Spaß mit dem ‚Meteor Bullet‘“, sagte er breit grinsend, während das Wesen hinter ihm sich kreischend in eine Wolke aus auseinanderstobender Energie verflüchtigte.
 

„Das war ja nicht so schwierig“, meinte Rinoa und betrachtete die seltsame Materia, die ihnen Auguste Baldore mitgegeben hatte. Sie glühte kurz auf, und zwar genau in dem Moment, als sich das letzte Stäubchen des Ungeheuers verflüchtigt hatte. Xell kam mit stolzgeschwellter Brust auf sie zu.

„Na, was sagt ihr zu meinem Spezialangriff?“

Irvine legte sich seufzend das Gewehr über die Schulter.

„Abgesehen davon, dass das Ding sowieso schon so gut wie besiegt war… nicht übel.“

„Nicht übel?? Das war Spitzenklasse. Ihr hättet es ja nur mich machen lassen brauchen“, sagte er mit in die Hüften gestützten Händen.

„Und warum bist du dann weggelaufen?“ fragte Selphie kichernd. Xells selbstbewusste Miene schwand, und er wurde sogar etwas rot.

„Warum ich- äh, aber, das war doch der Plan… oder?“

Nun mussten alle lachen. Nur Xell kratzte sich verlegen dreinschauend am Hinterkopf.
 

Selphie stiegen beim Lachen die Tränen in die Augen. Als sie sie wieder öffnete, hatte sich etwas verändert. Ihre Freunde bewegten sich nicht mehr, sondern standen starr da wie Statuen. Verwundert ging sie auf sie zu- um nach wenigen Schritten an einer unsichtbaren Wand abzuprallen. Stöhnend hielt sie sich ihre schmerzende Nase.

„Was ist denn das jetzt?“ fragte sie sich näselnd. Fassungslos betastete sie die die glatte und warme Oberfläche, die ihren Weg abschnitt. Mit den Händen verfolgte sie die durchsichtige Barriere, bis sie wieder im Kreis angelangt war. Sie war gefangen.

„Irviiine!! Rinoooa!! Xeeell!!“

Alles nützte nichts. Ihre Freunde standen regungslos da und reagierten auch nicht auf ihre Zurufe. Sie fand keinen Ausweg aus ihrem unsichtbaren Gefängnis, und auch Hieben ihrer Waffe hielt die Oberfläche stand. Schließlich sackte sie verzweifelt zu Boden.

„Was mach ich jetzt… denk nach, Selphie…“, flüsterte sie sich selbst zu. Dann fiel ihr ein Gegenstand auf dem Boden auf. Etwas glänzte auf dem sonst mattgrauen Felsboden. Sie ging zu der Stelle und fand zu ihrer Überraschung einen Anhänger mit einem leuchtend roten Stein. Er war in eine kunstvolle Goldfassung gefasst und hing an einer ebenfalls goldenen Kette. Sie ließ das Schmuckstück vor ihrem Gesicht baumeln. Der Glanz des roten Steins fesselte sie und lenkte sie sogar von ihrer misslichen Lage ab. Immer tiefer versank ihr Blick in den spiegelnden Facetten des Rubins…

Plötzlich fuhr sie herum. Ein Geräusch, als ob sich jemand an die Oberfläche graben würde, alarmierte sie. Und tatsächlich tat sich ein Loch hinter ihr im Boden auf. Sie hielt immer noch in der linken das Schmuckstück, während sie mit der rechten ihre Waffe zog.

Dann hielt ein seltsames Wesen seine Schnauze vorsichtig aus dem Loch. Es war von schreiend türkisener Farbe und hatte zwei dunkle Glubschaugen. Lange Ohren standen von seinem Kopf ab, und auf der Stirn trug es einen… leuchtend roten Stein, wie auf dem Schmuckstück. Verwirrt betrachtete Selphie das Juwel in ihrer Hand- das in diesem Moment zu Staub zerfiel. Nahezu gleichzeitig sprang das Wesen aus dem Loch und schwebte vor ihr in der Luft. In der Tat sah es aus wie ein Kaninchen, das jemand in einen türkisenen Farbtopf getaucht und mit einem Rubin an der Stirn versehen hatte.

„Es ist für dich bestimmt. Nur für dich.“

Die Stimme schien von überall und nirgendwo gleichzeitig zu kommen. Jedenfalls nicht von dem putzigen Wesen. Verunsichert sah sie sich um. Dann wandte sie sich dem Wesen zu.

„He, du! Du bist doch…“ Sie überlegte. Es kam ihr bekannt vor, ohne Zweifel. Die türkisene Farbe, der rote Rubin auf der Stirn… sie kannte dieses Wesen. Es war wohl kein Feind, aber was dann? „Selphie… erinnere dich gefälligst!“ tadelte sie sich selbst, aber es schien, als würde eine schwere Hand ihre Erinnerung bedecken, als wäre dieser Teil ihrer Vergangenheit verschüttet. Es gab Gerüchte, wonach die Verwendung der ‚Guardian Forces‘ das Gedächtnis nachhaltig beeinträchtigte, und das war auch der Grund gewesen, warum Selphie und ihre späteren SEED-Kameraden lange Zeit keine Erinnerung an ihre gemeinsame Vergangenheit in Edeas Waisenhaus hatten. Aber das hier… es war wie verflixt. Die Erinnerung schien nur einen Millimeter entfernt, und doch unerreichbar fern… „Was bist du?“ fragte sie leise und ging auf das niedliche Wesen zu. Es schwebte vor ihr und schaute sie mit ausdruckslos mit seinem niedlichen Gesicht an. Vorsichtig streckte sie die Hand danach aus.

„Ich kenne dich doch… Aua!!“ Wie vom Blitz betroffen, fiel sie auf den Hintern. Das Wesen zischte nun bösartig. Kleine Blitze schienen von ihm auszugehen. Der Stein auf seiner Stirn funkelte, während es begann, Selphie zu umkreisen. „Was soll das…“, murmelte sie, während sie sich schmerzende Stellen rieb. Sie nahm ihre Waffe zur Hand und nahm eine Verteidigungsposition ein, konnte aber kaum glauben, mit diesem eben noch so putzigen Wesen kämpfen zu müssen. „Was wiiillst du von mir?“ rief es, aber es kam keine verständliche Antwort. Stattdessen zuckte ein weiterer Blitz auf ihre Position zu. Sie sprang rechtzeitig zur Seite, und der Blitz schlug auf leerem Boden ein. Erschrocken blickte sie an die Stelle. Dann verdüsterte sich ihre sonst immer fröhliche Miene. „Na gut… wenn es sein muuuss…“

In Erwartung einer weiteren Attacke tänzelte sie umher, ohne den Blick von dem sie langsam umkreisenden Wesen zu nehmen. Sie wartete den richtigen Zeitpunkt ab, dann schwang sie ihren Dreisegmentstab. Ihre Augen wurden groß, als sie mit ansah, wie die Waffe wirkungslos durch das Wesen hindurch schlug.

„In Ordnung… nimm das!!“

Sie ballte ihre Fäuste, die die Waffe umklammert hielten, und konzentrierte sich auf ihr Ziel. Es brauchte nur wenige Momente, dann war der Zauber gesprochen. Die Dunkelheit des Raumes begann das Wesen anzuziehen und zu verschlucken. Es wurde in Selphies Augen immer kleiner, als es durch eine Öffnung in die Weiten des Universums gezogen wurde. Kampfbereit beobachtete sie die Wirkung des Meteorzaubers, der sein Opfer in den Außenbereich des Sonnensystems versetzte, um es dort einem Schauer von steinigen Geschossen aus den Tiefen der Galaxie auszusetzen. Es war einer der stärksten Zauber überhaupt, und Selphie hatte keine Zweifel, dass er das Wesen zerschmettern würde.

Immer tiefer versank die Kreatur in dem Raumriss, durch den die Sterne auf die Höhle, in der sie waren, hinableuchteten. Doch dann- glühte der Rubin auf der Stirn des rätselhaften Wesens auf. Der Vorgang stoppte. Selphies Gesicht wurde zu einem großen Fragezeichen. Dann verschwand die kalte Finsternis des Raums um das Wesen- und begann sie selbst einzuhüllen!

„Was? Was ist daaas?? Doch nicht etwa… Reflek…!!“

Ihre Worte verloren den Klang, als sie die beißende Kälte des luftleeren Raums um sich spürte. Nur mehr durch eine kleine Öffnung sah sie auf die Höhle hinab, in der sie eben noch gestanden hatte. Jetzt hatte sie keinen Boden mehr unter ihren Füßen, nur noch die Leere des Weltraums. Um sie herum funkelten tausende Sterne, doch dafür hatte sie keinen Blick- sie spürte bereits das Heranrauschen eines kosmischen Bombardements. Eines Geschoßhagels aus Fels und Eis, den sie selbst entfesselt hatte. Die ersten Meteore rasten an ihr vorbei, und sie spürte den Sog aus Sternenstaub und Eispartikel, der sie dabei streifte.

„Es ist nicht echt, es ist nicht echt…“, murmelte sie leise und hektisch in sich hinein. Sie wusste, dieser Zauberspruch war nur eine Illusion. Er machte seinem Ziel glauben, wirklich im Weltall zu sein und das Opfer eines Meteorhagels zu werden. Und diese Illusion war so echt, dass die Opfer wahrhaftig daran starben. Und das durfte ihr nicht passieren…

„Neeeiin!!“

Der erste Meteor traf sie voll, und die Schmerzen waren sehr real. Verzweifelt duckte sie sich auf den Boden und hielt die Arme über den Kopf. Das Dröhnen des Meteorhagels wurde unerträglich in ihren Ohren. Sie schrie auf, als sie die nächsten trafen. Schlag um Schlag prasselte auf sie ein, und bald verlor sie das Bewusstsein…

Ächzend kroch sie auf den Knien herum. Der Boden unter ihren Händen und Füßen fühlte sich beruhigend echt an, soweit sie überhaupt etwas spüren konnte. Ihr Kopf fühlte sich an wie in Stücke geschlagen. Sie versuchte aufzustehen, doch ihr aus dem Lot geratener Gleichgewichtssinn machte es denkbar schwer. Langsam kam sie auf wacklige Beine. Ihr war klar, dass sie fast umgekommen war. Der Meteorzauber ihrer Stärke hätte selbst starke Monster ausgelöscht, und nur ihrer herausragenden Widerstandskraft hatte sie zu verdanken, dass sie noch am Leben war. Noch. Denn sie fühlte ihre Lebensenergie entweichen. Wenn sie nicht bald einen Heilungszauber erfahren würde, dann wäre ihr Leben verwirkt…

„Du… kleines… Miiiststück!“

Wütend blickte sie aus glasigen Augen das kleine Wesen an, das immer noch über ihr schwebte und sie ausdrucklos ansah. Wieder sammelten sich Blitze um seine Konturen, und sie ahnte, dass sie einen Treffer nicht überleben würde. Dem Angriff auszuweichen versuchen war auch keine Option mehr. Sie hatte alle Mühe, sich auf ihren Beinen zu halten. Gerade, als das Wesen mit einer Geste eine neuerliche Blitzattacke ankündigte, fasste sie einen blitzschnellen Entschluss. Sie setzte alles auf eine Karte… und sprach Ultima gegen sich selbst.
 

Kaum hatte ihre Handbewegung geendet, erstrahlte sie bereits von Innen. Ultima war der stärkste Zauberspruch überhaupt; es hieß, nichts könne diesen Angriff überleben. Schon einige Male hatte sie diesen Spruch verwendet. Immer in Zeiten höchster Not, den Ultima, die Kraft aus den Atomkernen, war für die SEEDs von größter Bedeutung. Es war weniger ein Kampfmittel, sondern mehr Quelle ehrfurchtgebietender Energie. Jeder Elite-SEED besaß Ultimazauber, die seine Fähigkeiten an die Grenze des Möglichen trieben. Doch diese Fähigkeiten würde sie nicht mehr brauchen, wenn sie tot war…

Das Licht wurde heller und schließlich gleißend. Es erhellte nun die ganze Höhle, deren gespenstische Ausdehnung nun erst sichtbar wurde. Damit einher ging eine Hitze, die vom Schmelzen der Atomkerne und der darauffolgenden Kernfusion herrührte. Panik stieg in Selphie hoch, als sie realisierte, dass sie im Zentrum einer Nuklearexplosion stand. Zweifel an ihrer Entscheidung vermischten sich mit aufkeimender Todesangst in ihrem von Grauen durchfluteten Verstand. Verzweifelt presste sie die Augenlider aufeinander, als sie das nukleare Feuer zu verschlingen drohte-
 

-und dann abrupt stoppte! Schlagartig erlosch das alles versengende Höllenfeuer aus den Tiefen zerfallender Atomkerne, um dann einen Moment später auf ihrem Gegner aufzuleuchten. Angst, ihre Verletzungen und der Schrecken dieses unerwarteten Kampfes lähmten ihren Geist, doch ein kleiner Teil von ihr empfand Erleichterung. Sie sank auf die Knie und ließ den Kopf Richtung Boden sinken, als die Ultimadetonation erfolgte.
 

Die Schockwelle erschütterte den gesamten Sohen-Höhlenpalast. In allen Teilen fielen Trümmer von der Decke. Monster rannten verwirrt und aufgeschreckt umher.
 

Ein Lichtblitz, heller als tausend Sonnen, brannte die Konturen des Wesens an die Wand. Eine Flammenkorona entfaltete sich auf majestätische Weise und wogte nach allen Richtungen davon wie eine Flutwelle aus flüssigem Feuer. Die darauffolgende Finsternis wirkte nach diesem Inferno aus Licht, Glut und einer nuklearen Feuersbrunst umso bedrückender.
 

Regungslos lag sie auf der Seite. Ihr Dreisegmentstab lag wie achtlos weggeworfen neben ihr. Es herrschte Stille und Dunkelheit. Das Wesen war weg, zumindest seine physische Form. Ihre Freunde standen immer noch da, unfähig zu jeglicher Bewegung. Und über ihr schwebte der Geist von Karbunkel, dessen Körper in seine atomaren Bestandteile zerrissen worden war.

Doch das spielte keine Rolle. Die Schutzmächte kommen aus einer anderen Welt, die sich so sehr von der unseren unterscheidet, dass jeder Versuch einer Beschreibung scheitern muss. Und manchmal kommen sie in unsere Welt. Zeitweise freiwillig, doch meistens, wenn sie gerufen werden. Wobei es für sie keine Rolle spielt, wer sie ruft und zu welchem Zweck. Sie kommen in diese Welt, und wenn ihre Lebensenergie verbraucht oder ihre Körper zerschmettert sind, kehren sie wieder zurück. Doch nicht so dieses Wesen hier. Es fühlte keinen Schmerz mehr, und es hatte auch keinen Körper mehr, der so etwas empfinden konnte. Doch es hatte eine Aufgabe, die es in dieser Welt erfüllen musste, das fühlte es genau. Und diese Aufgabe war untrennbar mit diesem Mädchen in dem gelben Kleid verbunden. Und so sank die Seele Karbunkels auf ihren geschwächten, aber immer noch lebensfähigen Körper hinab. In einem warmen Licht glühten die beiden auf, als sie eins wurden…
 

Leise und dumpf klangen die Rufe ihrer Freunde in ihrem benebelten Bewusstsein. Undeutlich spürte sie durch ihre tauben Gliedmaßen Berührungen. Jemand hob sie hoch, jemand anders berührte ihr Gesicht. Einmal glaubte sie aus dem Augenwinkel ein Gesicht wahrzunehmen. Das Gesicht eines Freundes. Ein Gesicht, das Besorgnis und auch Angst ausdrückte. Dann, das wärmende Gefühl eines Heilzaubers. Mit ihm kam eine Ahnung von Geborgenheit in ihren dahindämmernden Verstand.

Der Boden schwankte unter ihr. Verschwommene Bilder zogen an ihr vorbei, als würde sie sich bewegen. Und manchmal hörte sie eine leise, vertraute Stimme, die ihr sanft und beinahe flehend ins Ohr flüsterte…
 

„Verlass mich nicht. Halte durch“, flüsterte Irvine der bewusstlosen Selphie zu, als er sie auf den Armen trug. Er versuchte den Schock zu verdrängen, doch es war nicht leicht. Eben noch hatten sie ihren Sieg über das Ungeheuer gefeiert, und dann, nur Augenblicke später fanden sie die junge Frau ohnmächtig und mit schweren Verbrennungen am Boden liegend. Xell hatte die nähere Umgebung abgesucht, während er und Rinoa sie in die Welt der Lebenden zurückgeholt hatten. In der Eile hatte er nichts entdeckt, und so flohen sie nun so schnell wie möglich aus dem Höhlenpalast.

Xell lief vor ihm, und Rinoa bildete die Nachhut. So schnell er konnte, lief er mit ihr auf seinen Armen. Immer wieder sprach er leise zu ihr, in der Hoffnung, sie würde antworten oder zumindest aufwachen. Mit aller Macht kämpfte er die aufkeimende Angst in sich nieder. Ihr Beruf war gefährlich, das war ihm von Anfang an klar gewesen. Auch bestand immer die Möglichkeit, dass auf einem gemeinsamen Einsatz einen von ihnen etwas zustoßen konnte. Doch das hier… war etwas völlig anderes gewesen. Aus heiterem Himmel und ohne die geringste Vorwarnung war sie attackiert worden. Wer immer das getan hatte, er hatte keine Spur hinterlassen. Die Plötzlichkeit dieses verstörenden Ereignisses machte ihm schlagartig klar, wie leicht er einen seiner Freunde verlieren konnte. Oder auch die Frau, die er liebte. Tränen liefen über sein Gesicht, als er die Augenlider zudrückte. Sie waren fast draußen, fast in Sicherheit. Und endlich sahen sie wieder Tageslicht…
 

Zurück in der Altstadt von Archadis, verlangsamten sich ihre Schritte und auch ihre Herzschläge. Betroffen blickten Rinoa und Xell auf Selphie, die immer noch nicht bei Bewusstsein war. Irvine starrte abwesend zu Boden, während er flankiert von seinen Freunden den Weg ging.

Mehrere umstehende Personen sahen ihre Rückkehr aus dem Sohen-Höhlenpalast mit leichtem Erstaunen. Man sah den Vier an, dass sie Schlimmes hinter sich hatten. Und so spürten sie in den Blicken der Leute auch eine gewisse Genugtuung. Ihr habt euer Glück gesucht, schienen die hämischen Blicke zu flüstern. Und gefunden habt ihr das Grauen, wie schon so viele vor euch, schienen sie sagen zu wollen.
 

Zurück im Gasthaus der Brüder Gandsch, legte Irvine die junge Frau auf ihr Bett. Noch einmal prüften sie genau, ob sie auch wirklich alle Verletzungen geheilt hatten. Und plötzlich schlug sie die Augen auf.

„Da seid ihr ja… warum habt… ihr nicht…“, hauchte sie schwach. Irvine legte den Zeigefinger an seine Lippen.

„Sag nichts… spar deine Kraft… später kannst du… alles er… erzählen…“

Rinoa hörte das unterdrückte Schluchzen in seiner Brust und deutete Xell, mit ihr den Raum zu verlassen. Wortlos gingen sie und ließen die beiden allein.
 

Rinoa saß eine Weile in ihrem Zimmer. Xell war sich „die Füße vertreten“, wie er sagte. Bewegung war für ihn die beste Möglichkeit, den unerklärlichen Vorfall zu verarbeiten. Sie hingegen blieb im Gasthaus und dachte angestrengt nach. Sie ging im Geiste alle Ungeheuer durch, die sie in ihrem Leben schon bekämpft hatte. Sie kam auf eine enorme Zahl, doch es fand sich keines, das einen so plötzlichen Überfall tätigen und ohne jede Spur wieder verschwinden konnte. Noch eine Weile zerbrach sie sich den Kopf, bis sie es satt hatte und ebenfalls raus musste.

Auch wenn ihr nicht danach war, so entschied sie sich, Auguste Baldore aufzusuchen. Gedankenversunken lief sie durch die belebten Straßen von Archadis, deren Trubel und Pomp sie im Moment nicht im Geringsten beeindruckten. Schwer wog die Aufzeichnungsmateria in ihrer Tasche. Einen Moment lang erwog sie die Möglichkeit, dass das Ganze eine Falle gewesen sein konnte, doch sie verwarf den Gedanken schnell wieder. Warum wäre dann nur Selphie angegriffen worden, und warum hatte der unsichtbare Angreifer sein Werk nicht zu Ende gebracht? Fragen über Fragen, doch sie fand keine Antworten. Schließlich stand sie in dem Cafe, in dem sie am Morgen den Auftrag erhalten hatten.
 

„Ah, da sind sie ja, verehrtes Fräulein Rinoa!“ begrüßte sie Auguste Baldore, der nun allein am Tisch in dem Straßencafe saß. „Nehmen sie doch Platz“, wies er sie freundlich an. Sie nahm das Angebot an. „Ich hoffe doch, dass auch ihre Freunde wohlbehalten zurückgekehrt sind?“ fragte er, als er ihre bedrückte Miene bemerkte. Rinoa nickte, schüttelte dann aber den Kopf.

„Ja… ich meine, nein, nicht ganz. Wir haben das Ding erledigt, dass sie uns gezeigt haben… aber dann…“

Zuerst fiel es ihr schwer, es zu erzählen, doch mit der Zeit kam es immer flüssiger aus ihr heraus. In allen Details schilderte sie ihre Erlebnisse, nur die Konfrontation mit den Kopfgeldjägern sparte sie wohlweislich aus. Baldore lauschte ihr aufmerksam.

„Das ist… faszinierend! Bitte verstehen sie mich nicht falsch, meine Sorge gilt natürlich ihrer Freundin, der ich eine schnelle Genesung wünsche, aber… von einem derartigem Vorfall höre ich zum ersten Male, seien sie versichert.“ Seufzend schüttelte er den Kopf. „Zu gern würde ich zur Aufklärung dieses… Vorfalls beitragen, ja, ich würde mit Freuden dieses mysteriöse Ungeheuer als Mobjagd ausschreiben, doch ohne Beschreibung… ist das natürlich problematisch.“

Rinoa fühlte sich unwohl. Eigentlich hatte sie sich vorgenommen, den Mann dafür zu hassen, dass er sie auf diesen Auftrag geschickt hatte. Aber seine Anteilnahme klang ehrlich, und letztendlich war sie selbst es gewesen, die dazu gedrängt hatte… Schnell wechselte sie das Thema.

„Ja, das ist… es geht ihr ja schon besser. Übrigens… gibt es vielleicht Neuigkeiten von- “

Der begeisterte Monsterforscher kam ihr zuvor.

„Ja, da fällt mir ein- es ist wirklich ein grandioser Zufall- tatsächlich gibt es zum ersten Male seit langem Indizien zu der Kreatur Gilgamesch!“ sagte er mit vor Enthusiasmus geweiteten Augen. Rinoa schnellte vor und hätte beinahe ihre Kaffeetasse umgeworfen, die ihr in der Zwischenzeit gebracht worden war.

„Echt!? Sie wissen, wo er ist?“

Auguste Baldore nickte langsam und lächelte geheimnisvoll.

„Ich habe heute von einem meiner Informanten einen ziemlich konkreten Hinweis bekommen. Und da ihr euch als sehr talentiert erwiesen habt, werde ich diese Neuigkeit mit ihnen teilen.“
 

„Ich bin in Ordnung, eeehrlich! Sagt mir lieber, ob euch das Diiing nicht an etwas erinnert.“

Sie alle saßen im Kreis um Selphie herum. Mittlerweile hatte sie sich einigermaßen erholt und saß fröhlich auf einem breiten Lehnstuhl in dem Luftschiff. Inzwischen hatte sie ihnen berichtet, woran sie sich erinnern konnte. Als Rinoa den Lenker des Fahrzeugs, das als Taxi innerhalb des Stadtgebiets fungierte, mit ihrem Reiseziel angesprochen hatte, hatte dieser nur den Kopf geschüttelt. Als sie ihm dann die 3000 Gil unter die Nase gehalten hatte, wandelte sich seine Meinung schnell.

„Nein… tut mir leid“, antwortete Rinoa ratlos. „Es kommt auch mir irgendwie bekannt vor, aber… ich kann im Moment nicht sagen, was es sein könnte.“

„So’n komischer Feind. Friert uns ein, um dann dich anzugreifen“, sagte Xell verärgert. Dann schlug er sich mit der Faust auf die Handfläche. „Also ich hätte das Ding- “

„Vielleicht hat es ja was mit dem Colonel und seinen Kumpanen zu tun“, mutmaßte Irvine und unterbrach damit den hitzköpfigen Kampfsportler. Rinoa spürte sofort wieder Schuldgefühle in sich aufsteigen. Noch bevor sie sich eine Antwort überlegen konnte, meine Selphie: „Das glaube ich weniger. Nein, das ergiiibt keinen Sinn. Es hätte uns alle angreifen können… hat aber dann nur mich…“ Nachdenklich blickte sie zu Boden.

„Wie auch immer, wir müssen in Zukunft noch vorsichtiger sein“, sprach Irvine weiter. „Diesmal ist es ja nochmal gutgegangen.“ Sein Blick streifte Rinoa, und sie glaubte, einen leisen Vorwurf darin auszunehmen.

Die anderen fläzten auf den bequemen Sesseln und Lederbänken herum, der das Innere des kleinen Schiffes wie einen Salon wirken ließ. Rinoa stand gedankenversunken an einem der kleinen Bullaugen und sah, wie eine graubraune Einöde an ihnen vorbeizog.

„Rinoa…“

Sie erschrak leicht, und als sie sich umdrehte, stand Irvine vor ihr.

„Ja?“

„Ich wollte sagen… dass ich dir keinen Vorwurf mache. Auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind, so wäre das wohl in jedem Fall passiert. Ich gebe dir daran keine Schuld.“

Rinoa atmete auf.

„Das bedeutet mir viel…“, erwiderte sie zaghaft. „Aber ich bin mir nicht mehr sicher, ob es richtig war, schon aufzubrechen- “

„Die Spur ist vielversprechend“, unterbrach er sie. „Meiner Meinung nach können wir diesem Baldore vertrauen. Wir müssen die Gelegenheit nutzen. Selphie hat mir versichert, dass sie in Ordnung ist.“

„Gut… dieser Ort, Nabudis, soll gefährlich sein. Der Fahrer wollte uns erst gar nicht hinfahren. Aber wenn wir dort diesen Gilgamesch finden können, dann… dann…“ Ihre Stimme stockte. Irvine legte ihr aufmunternd die Hände auf die Schultern.

„Wir werden ihn finden. Auf keinen Fall verlasse ich diese Welt ohne unseren Mr. ‚nicht wirklich‘. Versprochen.“

Die Anspielung auf Squall und sein warmherziges Versprechen ließen sie wieder lächeln. Er nickte ihr noch aufmunternd zu, dann ging er wieder zu Selphie. Seufzend zog Rinoa das Gerät aus der Tasche, das ihnen Dodonna mitgegeben hatte, damals, bei Anbruch dieser Reise. Es sollte die Gegenwart eines Tores anzeigen, dass ihnen die Rückkehr ermöglichen könnte. Doch bis jetzt war die Anzeige leer geblieben. Und wenn schon, dachte sie, ohne ihn kehre ich nicht zurück…
 

„Weiter fliege ich nicht ran, nicht für alles Geld der Welt“, rief ihnen der Fahrer zu, als sie alle ausstiegen. „Die Mystkonzentration ist zu stark, nichts kann über Nabudis fliegen. Lebt wohl“, sagte er eilig, und schon wendete er das Schiff. Verdutzt blickten sie ihm nach, und bald verschwand es in einer Staubwolke am Horizont. Dann blickten sie sich um. Der feste Boden der sandigen Ebene um Archadis herum ging hier allmählich in eine nebelverhangene Sumpflandschaft über. Dichte Schilfgewächse wurden von riesigen Insekten umflattert. Irrlichter aus Sumpfgas glühten wie Gespenster im Dickicht auf, und durch den Dunst erkannten sie schemenhaft die Umrisse ihres Ziels, das ihnen Auguste Baldore als möglichen Aufenthaltsort der Kreatur Gilgamesch verraten hatte. Die Hauptstadt der Toten, Nabudis.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2008-11-07T09:39:52+00:00 07.11.2008 10:39
Hey ;-)
So, ich hab Kapitel fünf jetzt auch endlich gelesen und wieder mal bin ich begeistert. Sehr spannend und gefühlvoll geschrieben und vor allem ist deine FF sehr abwechslungsreich. Da verliert man nie die Lust am Lesen ;-)
Mir sind zwei kleine Sachen aufgefallen, beide im ersten Teil mit Cloud und den anderen.
[...]Alarmiert blickten sie sich um. Aus der vor Hitze wabernden Luft erschienen vierbeinige Gestalten aus allen Richtungen. Ihr langsamer, schleppender Gang ließ vermuten, dass selbst sie unter der Hitze litten. Squall nahm sein Schwert langsam vom Rücken.[...]
Da bist du wohl mit den Namen durcheinander gekommen, müsste nämlich Cloud heißen. Ist nicht weiter schlimm, mir ist es nur aufgefallen.
[...]Trotzdem schielte er in Richtung der Stelle, an der der Dexter zusammengebrochen war. Tatsächlich stand dort ein Gegenstand im Sand.[...]
Dieser Teil bezeiht sich ja auf die Wunderlampe, die im Sand liegt. Deshalb finde ich den Ausdruck 'stand' ein wenig wenig unpassend. Vielleicht würde 'lag' oder 'befand sich' oder etwas in der Art besser passen.
Ansonsten fand ich das Kapitel wieder einmal super gelungen. Vor allem die Sache, dass sich Diabolos mit Vincent und Karbunkel mit Selphie vereint haben und dass die Aufrufmateria in Kapitel eins bzw. zwei ja verschwunden sind. Scheint wohl irgendwie zusammen zu hängen.
Rinoa und Irvine haben sich ja ganz schön gezofft, aber ich muss zugeben, dass ich an Irvines Stelle wohl ähnlich reagiert hätte. Aber schön, dass sich alle wieder vertragen haben und ich bin schon gespannt, ob Nabudis der richtige Weg ist.
Cloud und die anderen scheinen ja noch nicht auf den Hinweis mit Nabudis gestoßen zu sein. Mal sehen, ob sie auch noch darauf kommen und ob sie sich irgendwann begegnen. Auf alle Fälle freue ich mich schon auf Kapitel sechs, wo es ja mit Tifa und Squall und Reno und Rude weiter geht ;-)

LG, Doris
Von: abgemeldet
2008-04-18T22:24:22+00:00 19.04.2008 00:24
Hab' vor kurzem deine FF entdeckt und bin ganz begeistert! Bis jetzt ist die Geschichte spannend und abwechslungsreich. Warte sehnsüchtig auf das nächste Kapitel, mal schauen was da noch auf unsere Helden zukommt...

mfg
Inukin xD
Von:  fahnm
2008-04-18T21:53:40+00:00 18.04.2008 23:53
Super Kapitel, ich bin hell auf begeistert. Ich bin schon gespannt wie es weiter geht. Aber zwei Fragen hätte ich noch. 1.: Warum die G.F. Diablos sich mit Vincent und Carbunkel mit Selphie vereint hat? und 2.: Ob dann Cloud auch mit einer G.F. kämpfen muss? ich hätte fast was vergessen zu fragen. Was ist mit Reno und Rude treffen sie auf das team von Rinoa?
auf jedenfall danke für die ENS und sag bescheid wenn es weiter geht.

mfg
fahnm


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