Ein lüsterner und heulender Hund
Lost Angel
Kapitel 4 – Ein lüsterner und heulender Hund
Jemil’s PoV
Nervös trippelte ich mit einem Stift auf dem Tisch herum. Aus Einzelunterricht
wurde wohl heute nichts.
„Jemililein?“ Dieses Quietschen in meinen armen Ohren. Wieso musste Mila mich
immer so nennen? Sie musste doch merken, dass es mich zur Hölle nochmal nervte,
wenn sie das tat.
„Was ist?“, knurrte ich. Wie gerne wäre ich gerade wo ganz anderes. Am besten
bei meinem Lustwölfchen Jesko. Denn lieber würde ich jetzt ficken. Das hier
brachte doch sowieso nichts. Für was lernten wir hier überhaupt? Keiner
interessierte sich dafür, dass wir irgendetwas wussten.
„Wo warst du gestern Nacht? Ich hab dich vermisst!“ Sie blickte verlegen auf den
Boden. Was ich nur mit einem meiner kalten Blicke erwiderte. „Ich war einen
entlaufenen Wolf einsammeln.“ Eigentlich ging es sie gar nichts an, aber
vielleicht würde sie dann ruhig sein.
„Einen Wolf? Hast du ihn getötet?“ Sie sah mich geschockt an. Aus irgendeinem
Grund bemitleidete sie diese Biester. Dabei hatten sie es meinst nicht einmal
verdient. Nicht einmal der Köter, der gerade in meinem Zimmer hockte und
hoffentlich darauf wartete, dass ich zurückkam. Es entlockte mir ein Lächeln,
wenn ich daran dachte, wie friedlich er geschlafen hatte, als ich gestern mit
dem Essen zurückgekommen war. Und es jagte mir ein Gefühl von Lust durch den
Körper bei dem bloßen Gedanken, wie er mich befriedigt hatte. Er war zwar
wirklich noch unerfahren in dieser Sache, hatte es aber dennoch richtig gut hin
bekommen. Zu einem solchen Stöhnen hatte mich eigentlich noch nie jemand
getrieben.
„Dem Wölfchen geht es gut“, meinte ich kühl. Ich wusste es immer hin am besten.
Hatte er nicht bei mir die ganze Zeit gelegen.
Sie atmete erleichtert auf. „Du weißt, dass ich es nicht mag, wenn ihr ihnen
wehtut. Das haben nicht einmal sie verdient.“ Verdient? Diese kleine Missgeburt
war weggelaufen. Und dann hätte ich sie nicht einmal quälen dürfen, wenn ich
gewollt hätte. Mila war wirklich ein Spezialfall unter uns Vampiren.
Ich seufzte. Stunden lang würde ich sie jetzt wohl noch am Hals haben. Und sie
würde mich zu reden. Die ganze Zeit. Wie es eben immer war. Dass sie mich
wirklich manchmal nervte bemerkte sie gar nicht.
„Wie lange dürfen wir uns das hier eigentlich noch antun?“, knurrte ich. Mich
langweilte das alles, viel lieber würde ich jetzt meinen Köter zu stöhnen
bringen. Das wäre um einiges lustiger, als hier sinnlos herumzusitzen. „Du weißt
genau, dass du gar nicht hier sein müsstest... Wenn dein Vater dich nicht
zwingen würde!“ Ich gab etwas von mir, was einem Knurren glich. „Erinnere mich
nicht an den!“ Die ganzen letzten Wochen heizte er mich dazu an, dass ich mir
eines von diesen Nervenbündeln aussuchen sollte um sie zur Braut zu nehmen.
Dabei konnte ich keine ausstehen. Mir waren Mädchen zuwider. Die konnten doch
sowieso nur quatschen und dann lief im Bett nicht einmal irgendetwas. Dabei
brauchte ich meinen Sex. Ohne würde ich nochmal zu Grunde gehen. Irgendwie
freute ich mich, dass Jesko gestern abhauen wollte. Sonst hätte ich ihn gar
nicht bis zu mir schleifen können.
„Wo ist der Wolf jetzt eigentlich?“ Mila riss mich wieder aus meinen Gedanken.
„Weiß ich nicht.“ Ich konnte ihr nicht sagen, dass er in einem meiner Zimmer
hockte und wartete, dass ich – wie ich es selbst bezeichnet hatte – mit ihm
spielte. Und doch war es nicht mehr als ein Spiel. In dem ich ihn ausnützen
würde. Mir war er sowieso nichts wehrt. Selbst wenn er erwischt werden würde.
Ich könnte immer noch sagen, dass er über mich hergefallen war. Ihm würde sie
nicht glauben. Egal wie lange er auf den Knien herumrutschen würde.
„Das ist schade. Er wird jetzt sicherlich gequält.“ Mila senkte den Kopf. Wirkte
sogar wirklich traurig. Wie konnte man sich nur solche Sorgen um so eine
Dreckköter machen. Er war es doch nicht einmal wert, dass sie das machte. „Hör
auf hier so mitleiderregend zu reden!“, knurrte ich. Sie hob wieder leicht den
Blick. Wanderte damit auf das Blatt, das vor mir lag. „Wer ist Jesko?“, fragte
sie. Sah mich verwirrt an. Ich warf selbst einen Blick auf den Fetzen, der vor
mir lag. Und wirklich. Ich hatte ihm mit dem Namen dieses Werwolfes voll
geschrieben. So gut war er doch nur wirklich nicht, dass ich das machen hätte
müssen.
Ich gab keine Antwort auf ihre Frage. Hätte eigentlich gar keine parat gehabt.
War doch eigentlich selbst darüber erstaunt, was ich da gemacht hatte.
„Eure Lordschaft!“ Ich zuckte zusammen. „Was?“, fauchte ich. „Ihr sollte besser
das abschreiben, statt mit der werten Lady zu reden.“ Mila begann leicht zu
kichern, als ich wieder nach unten sah. Es war mein letztes Blatt gewesen und
jetzt war es voll. Voll mit dem Namen dieses Köters.
„Brauchst du etwas Papier?“ Mila fächerte mit ihrem Block vor meiner Nase herum.
„Nein“, meinte ich nur knapp. Sammelte meine Sachen zusammen. „Eure Lordschaft,
wo wollt ihr hin?“, fragte mich mein – eigentlich – Privatlehrer. „In mein
Zimmer. Ich hab keinen Bock mehr!“ Ohne auf ein weiteres Kommentar zu warten
verließ ich den Raum.
Ich sog die stickige Luft tief in meine Lungen auf. Das ich überhaupt atmete. So
oft. Darüber hatten sich schon genügend gewundert und ich hatte es auch erst vor
einigen Monaten erfahren. Die Vampirin, die ich für meine Mutter hielt – all die
Jahre – war es gar nicht. Mein Vater war damals fremdgegangen. Mit einer
Menschenfrau. Und sie hatte ein Kind von ihm bekommen. Mich. Das war der einzige
Grund, wieso ich so oft atmete und wieso mein Herz so häufig schlug. Nur weil
meine richtige Mutter ein Mensch war. Und dennoch konnte ich nicht an die Sonne.
Wie gerne hätte ich einmal einen Sonnenaufgang ganz gesehen. Aber es war mir
einfach nicht erlaubt. Für immer würde ich, wie alle anderen Vampire, in der
Dunkelheit verharren müssen. Obwohl ich doch nur ein halber war.
Ich bog in den Gang ab in dem meine Zimmer waren. Das dritte auf der linken
Seite. Da hatte ich ihn zurückgelassen. Meinen kleinen Lustknaben. Ob er wohl
noch da war? Vielleicht hatte er sich getraut und war weggelaufen. Wirklich
vorstellen konnte ich mir das nicht. Dafür war doch die Angst in ihm zu groß.
Ich könnte ihn ohne mit der Wimper zu zucken töten und würde es wohl auch tun.
„Wölfchen?“ Ich betrat den Raum. Doch er war nicht da. In mir stieg schon die
Wut. „Wölfchen!“, brüllte ich. Da schlitterte schon etwas draußen an der Tür
vorbei. Ein schmerzverzerrter Schrei folgte gleich darauf.
Ich schreckte den Kopf aus der Tür. Jesko lag auf dem Boden. Alle Viere von sich
gestreckt. „Was machst du da?“, fragte ich. Konnte mir ein Grinsen nicht
verkneifen. Es sah zu süß aus, wie er da auf dem Boden kugelte. „Mir war
langweilig, Meister, da bin ich hier auf dem Gang hin und her gerutscht“, meinte
er nur und setzte sich auf. Er wirkte wie ein verspielter, junger Hund, den man
eigentlich nicht alleine lassen durfte, da er sonst irgendeinen Mist baute. „Und
ich habe mich einsam gefühlt“, fügte er noch hinzu. Blickte mich mit großen
Augen an.
Wie oft ich mich doch schon alleine gefühlt hatte. Und dabei war meist
irgendjemand um mich. Aber niemand hat es gesehen. Wie es mir ging. Je gespürt.
Wie ich mich fühlte. Es hatte nie jemanden gegeben, der das konnte. Nie.
„Meister, geht es euch nicht gut?“
Jesko hatte seine Hände auf meine Schulter gelegt. Sah mich besorgt an.
„Nimm deine Pfoten weg!“
Ich schüttelte ihn ab. Drehte mich weg.
„Aber Meister, mit euch stimmt doch irgendetwas nicht!“
Wieso konnte er das spüren? Wieso gerade er? Ein Werwolf wusste, dass mit mir
etwas nicht stimmte, aber meine gesamte Verwandtschaft konnte das nicht.
Er schlag zärtlich die Arme um meinen Bauch. Mein Herz begann wie wild zu
schlagen. Was war denn nur los mit mir?
„Sagt es mir doch, Meister!“
Er schmiegte seinen Kopf an meinen Hals. Rieb leicht daran. Jedes seiner Haare
kitzelte mich. Aber kichern oder gar lachen konnte ich darüber nicht. Es machte
mich nur an.
„Du fühlst dich verdammt gut an“, flüsterte ich.
„Tue ich das?“, fragte er. Ließ mich für einen Moment wieder los. Hielt es aber
irgendwie nicht lange aus. Ich nickte langsam. „Das tut ihr euch, Meister!“,
seufzte er. Drückte den Kopf wieder an mich.
Wie mich sein Gefasel von 'Meister' doch plötzlich nervte. Sollte er doch meinen
Namen sagen. Ich wollte ihn von ihm hören.
„Sag ihn“, flüsterte ich.
Ich spürte, wie er aufsah.
„Was soll ich sagen?“
Er klang so süß, wenn er verwirrt war. So wie eben ein kleiner Hund, wenn er
etwas nicht verstand. Ja, er war ein kleiner, unwissender Hund.
„Sag meinen Namen.“ Ich gab es kaum hörbar von mir. Aber er würde es verstehen.
Er war ein Werwolf. Wölfe hörten doch so unglaublich gut.
„Jemil“, murmelte er mir ins Ohr. Wie schön das klang. Aus seinem Mund.
Ich keuchte. Er war mit den Händen unter mein Shirt. Knetete meine Brustwarzen.
So angenehm. Aber, das durfte er doch gar nicht. Nicht ohne meine Erlaubnis.
Krampfhaft versuchte ich mich aus seinem Griff zu befreien. Aber er konnte mich
mühelos festhalten. Ich kam nicht los. Mein Atem begann zu rasen.
„Du hast mir dieses Spiel gezeigt, also spiel es auch mit mir“, hauchte er mir
ins Ohr. Was sollte das werden?
„Lass mich los!“, zischte ich. Wurde wütend. Keiner durfte mich so anfassen.
„Spiel mit mir!“ Er biss mich ganz leicht ins Ohrläppchen. Zog daran. Wirklich
ein verspielter Hund. Oder eigentlich nur ein streunender Köter.
„Wenn dich jemand erwischt, bist du tot!“, knurrte ich. Wollte er mich denn mit
seiner Aktion reizen? Oder einfach nur scharf auf ihn machen?
„Das ist mir auch egal! Ihr habt es mir doch erlaubt. Ich darf mit euch schlafen!
Und das will ich jetzt auch!“
Hatte er einen verdammten Knall. Ich könnte dabei genauso draufgehen, wenn uns
jemand erwischte. Das wollte ich ganz sicher nicht!
„Lass mich ... los!“
Irgendwie versuchte ich mich loszureißen. Wieso war er plötzlich so stark? Oder
war ich nur einfach zu schwach? Es fühlte sich so erniedrigend an, wenn er mich
so festhielt. Gerade da er nur ein Werwolf war. So eine niedrige Kreatur. Ohne
Rechte. Ich hätte ihn doch gestern gleich töten sollen. Dann würde ich jetzt
nicht in dieser Lage sein.
„Ich will nicht. Euer ... nein, dein Körper ist so schön. Seit heute Morgen weiß
ich das!“
Was redete er da überhaupt? Das sollte doch gerade kein Kompliment an meinen
Körper sein?
„Hör auf mit dem Mist!“
Ich versuchte mich wieder aus seinem Griff zu befreien. Doch erneut kam ich
nicht weit. Er war doch wirklich stärker als ich. Wie konnte denn ein Werwolf in
seiner menschlichen Form stärker sein als ein Vampir? Ich war doch so ein
verdammter Loser.
„Wieso willst du denn von mir weg? Ich will doch nur das mit dir machen, was du
von mir willst, dass ich tue!“
Das stimmte doch auch, aber nicht jetzt und nicht so.
„Lass mich trotzdem los“, flehte ich. Ich flehte ihn wirklich an. Wie erniedrigend.
Und das bei einem Straßenköter, wie ihm.
Er lockerte langsam den Griff um mich. Wanderte aber nur mit den Händen bis zu
meiner Hüfte hinunter. Hielt dort Inne. Ich schluckte, als er mich leicht
anschob.
Mit dem Fuß schließlich der Tür einen Stoß gab, die mit einem Knall ins Schloss
viel. Ich hatte mich derweilen aufs Bett gesetzt. Sah ihn mit kritischen Blick an.
„Was glaubst du was passiert wäre, wenn uns jemand da draußen gesehen hätte?“,
zischte ich. Er richtete seinen Blick auf seine Füße. „Einer von uns beiden wäre
auf alle Fälle tot.“ Hatte ich ihn eingeschüchtert? „Genau, also wage es nochmal
mich außerhalb dieses Raumes so anzufassen und du bist einen Kopf kürzer!“
Er sah langsam wieder auf. Irgendetwas glitzerte seltsam in seinen Augen. Bevor
er zu schluchzen anfing. Verdammt! Ich hatte ihn doch wirklich zum Heulen
gebracht. Mein kleines Hündchen weinte.
Nervös blickte ich mich um. Wie man jemanden tröstete war mir schon immer ein
Rätsel. Gerade wo ich meistens der Grund dafür war, wieso überhaupt jemand
Tränen vergoss. Wie gerade jetzt.