Erlöse mich
Eine Haarsträhne wird hinter ihr Ohr gestrichen, leise Worte werden gegen ihr Ohr geraunt. Sie lacht. Warm, herzlich, so wie ich es bei Zeiten ebenfalls von ihr zu hören bekomme und doch gilt es diesmal nicht mir. Ich nippe an meinem Dink und wende den Blick ab. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Abend in einer Bar so verläuft, wenn wir einmal die Gelegenheit zu einem solchen vergnügen bekommen, und es wird sicher nicht das letzte Mal sein. Und das hier ist nur das, was wir zu sehen bekommen, momentan möchte ich mir wirklich nicht ausmalen, was sie tut, wenn sie mit diesen Fremden in irgendeinem Zimmer verschwindet.
„Alles in Ordnung?“ Franky zieht eine Augenbraue hoch, während er mich beobachtet. Ich nicke nur leicht und hoffe, dass er es dabei belässt.
„Stört dich das etwa?“ er deutet in Namis Richtung, die sichtlich ihren Spaß mit diesem Kerl zu haben scheint, was mich aufseufzen lässt.
„Sie ist alt genug, warum sollte es mich stören?“
„Gute Frage.“ Er sagt eine ganze Weile nichts mehr dazu und kurz hoffe ich, dass er es tatsächlich aufgegeben hat. Allerdings sollte ich ihn besser kennen und wissen, dass er mich in solchen Situationen nie so einfach davon kommen lässt.
„Du solltest es ihr sagen“, spricht er schließlich etwas ernster. Ich schüttele den Kopf und leere mein Glas, ehe ich mich erhebe und mir meine Jacke wieder über die Schultern ziehe. Für heute habe ich eindeutig genug davon, hinzu kommt, dass Nami inzwischen deutlich auf Tuchfühlung mit dem Fremden gegangen ist, was mir zusätzlich übel aufstößt.
„Ich weiß wirklich nicht, wovon du sprichst“, gebe ich ihm noch eine Antwort, ehe ich etwas Geld auf den Tisch lege und mich dann zum gehen wende.
„Du solltest endlich aufhören dich so zu quälen! Davon wird es auch nicht besser!“ höre ich ihn hinter mir noch, aber ich reagiere nicht. Ich weiß, dass ich es sollte, das es mir nicht gut tut. Doch so einfach ist es eben nicht. Weder kann man Gefühle erzwingen, noch sie einfach verschwinden lassen. Und so weiß ich, als ich hinaus auf die verschneite Straße trete, dass meine Qualen noch eine geraume Zeit andauern werden, bevor ich endlich Erlösung finde.