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Unter Krähen

Shihos Vergangenheit
von

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Harte Zeiten

Entschuldigt die lange Pause! Zur Entschädigung werde ich direkt zwei Kapitel hochladen.

Viel Spass beim Lesen!
 

Meine ersten Jahre in Amerika waren sehr schwierig für mich. Mein Leben stand vollkommen auf dem Kopf.

Anfangs hatte ich große Probleme mit dem amerikanischen Englisch, ich verstand nicht immer alles auf Anhieb.

Akemi hatte mir zwar Einiges beigebracht, doch ich musste mich vom Britischen Englisch auf die amerikanische Sprechweise umstellen.

In der Grundschule fiel ich natürlich auf; als Japanerin mit braunrotem Haar und dem seltsamen Englisch… ich war den anderen Kindern unheimlich und suspekt.

Im Unterricht und bei den Hausaufgaben gab es nie Probleme, ich gewöhnte mich ein. Doch ich hatte keine Freunde.

Etwa in der dritten Klasse hatten sich die Kinder an mich gewöhnt, sprachen mit mir… doch sie interessierten sich nicht für mich. Sie hatten alle ihre eigenen, festen Freundschaften.

In den Pausen saß ich alleine am Tisch, beobachtete die anderen Kinder mit einer Mischung aus Neid und Tapferkeit.

Morgens und Mittags fuhr ich nicht wie meine Mitschüler mit dem Bus, sondern wurde pünktlich von Gin abgeholt.

Darauf konnte ich mich fest verlassen. Er war zuverlässiger als jeder Bus oder Bahnfahrer.

Wie jeden Mittag stand er am Auto gelehnt, die Arme verschränkt und eine Zigarette im Mund.

Während der Fahrt sprach er selten mit mir, stattdessen betrachtete Gin mich immer wieder im Rückspiegel.

Noch immer wusste ich ihn nicht einzuschätzen. Er kümmerte sich zwar darum, dass es mir an nichts fehlte, doch er zeigte mir gegenüber keine Gefühle. Irgendwie wünschte ich mir Zuneigung von ihm, wenn wir uns doch schon jeden Tag sahen.

Aber nach einiger Zeit erwartete ich nichts anderes mehr…

Nur sein Blick wurde mit der Zeit immer eisiger und kälter. Womit das zusammenhing, war mir nicht wirklich bewusst.
 

An einem Mittag lief ich über den Vorhof der Schule und stieß versehentlich gegen einen älteren Schüler.

„Entschuldigung!“, murmelte ich zurückhaltend, doch das Gelächter der Mitschüler verhieß nichts Gutes. Ganz plötzlich hatten sich vier Typen um mich herum versammelt.

„Ne Entschuldigung reicht aber nicht, musst schon anders beweisen, dass es dir leid tut.“

Wieder dummes Gelächter.

Auf einmal griff jemand von hinten nach meiner Jacke und schubste mich, genau in dem Moment wichen die beiden Jungen vor mir aus und ich flog mit viel Schwung in den Dreck.

Zähneknirschend wischte ich mir den Schlamm aus dem Gesicht und spuckte den Sand aus meinem Mund.

Plötzlich verstummte das ohrenbetäubende Gelächter. Ich öffnete meine verklebten Augen und sah hoch.

Gin stand vor mir, sein Gesichtsausdruck war mörderisch. Selbst ich hatte in diesem Moment ein wenig Angst vor ihm.

Er griff nach meinem Arm und zog mich ohne Mühe auf die Beine.

Ich warf einen Blick über die Schulter und musste mir das Grinsen verkneifen.

Gin musste erst gar nichts sagen, die Jungs hatten eindeutig Schiss vor ihm. Mit weit aufgerissenen Augen starrten sie auf den blonden Riesen mit dem Mörderblick.

Ja, schon damals machte er auf seine Mitmenschen einen gefährlichen Eindruck.
 

„Kommt, wir verpissen uns!“, raunte der Typ leise, den ich versehentlich angerempelt hatte.

Ängstlich traten sie einige Schritte rückwärts , dann machten sie sich aus dem Staub.

Ich spürte die Blicke anderer Schüler auf uns ruhen. Wir hatten die gesamte Aufmerksamkeit auf uns gezogen.

Gin ließ sich davon nicht stören. „Gehen wir!?“, er drehte sich herum, ohne meine Antwort abzuwarten.

Statt wie gewohnt auf den Rücksitz zu klettern, setzte ich mich auf den Beifahrersitz.

Verwundert sah er mir ins Gesicht, erwiderte jedoch nichts und fuhr los.
 

„Danke, dass du mir geholfen hast.“, erwiderte ich sehr verlegen nach einiger Zeit.

„Ich kann nicht immer da sein. In Zukunft solltest du lernen, auf dich selbst aufzupassen. Wenn sie dich verletzen, musst du deine Schmerzen vergessen und dich wehren.“

Mit seinen Worten tadelte er mich, doch ich war glücklich. Ich war ihm nicht egal, das bewies seine schnelle Reaktion auf das Geschehen. Und für einen kurzen Moment, eine winzige Sekunde, waren Gins Augen voller Sorge gewesen.

Ich konnte nicht anders, als zu lächeln. Mein kleines Herz pochte vor Glück so schnell gegen meinen Brustkorb, dass mir schwindlig wurde.

„Er mag mich doch“, dachte ich nur.
 

Gleichzeitig nahm ich mir seine Worte zu Herzen. Versuchte mich jemand zu ärgern oder fertig zu machen, gab ich passende Antworten zurück. Ich griff niemals jemanden körperlich an, das hätte ich auch gar nicht fertig gebracht. Doch ich entwickelte nach und nach meinen beißenden Sarkasmus, der bis heute die Leute verstummen lässt.

Damit machte ich mir keine Freunde und auch wenn ich einsam war, zeigte ich niemanden diese Gefühle.

Die Lehrer und Schüler kannten mich als intelligentes, jedoch kühles Mädchen mit frechem Mundwerk.

Ich setzte ständig meinen Kopf durch, hinterfragte Alles und brachte damit einige Lehrer aus dem Konzept. Ich versuchte meine Neugier anhand von schwieriger Lektüre zu befriedigen, doch es gelang mir nicht. Vieles verstand ich einfach noch nicht, so fragte und drängelte ich weiter und tatsächlich lernte ich dabei sogar noch.

Mein Einsamkeit verschwand dadurch nicht.

Akemi hatte ich in den knapp vier Jahren nur drei Mal gesehen. Das erste Treffen war zwei Wochen nach meiner Ankunft in L.A. gewesen. Zu meinem achten Geburtstag war sie ganz überraschend auch gekommen.

Danach bin ich in den Sommerferien nach Japan gereist.

Für vier Wochen konnte und durfte ich wieder ganz Kind sein. Während dieser Zeit wohnte ich bei meiner Schwester, die inzwischen in einer eigenen Wohnung lebte, finanziert von der Organisation. Es war ein Traum morgens aufzuwachen und das Frühstück ans Bett gebracht zu bekommen. Wir gingen einkaufen, besuchten den Tokyo Tower und sie zeigte mir die schönsten Plätze der Stadt, in welcher ich vier Jahre nicht gewesen war. Ich war so glücklich und zufrieden in diesen vier Wochen. Auch wenn ich wusste, dass ich bald wieder nach Amerika zurückkehren musste, ging es mir gut.

Es war irgendwie ein schönes Gefühl, wieder Japanisch zu sprechen. Zudem Amerika und Japan nicht unterschiedlicher sein konnten, zumindest was die Kultur und die Sitten betraf.

Am letzten Abend versprachen wir, uns in Zukunft öfter zu sehen.

Daraus wurde nichts. Akemi kam bald auf die Oberschule und ich würde ebenfalls eine weiterführende Schule besuchen.

Die unterschiedlichen Ferienzeiten und die strenge Überwachung der Organisation verhinderte regelmäßige Treffen.
 

Gin holte mich Samstagnacht vom Flughafen ab. Auf der gesamten Fahrt nach Hause weinte ich bitterlich. Mir war egal, dass Gin sah, wie erbärmlich und schwach ich doch eigentlich war.

Ich wollte nicht mehr alleine sein. Ich wollte jemanden um mich herum haben, der mir Halt gab und mir zuhörte.

Als der Wagen hielt, brannten meine Augen und mich plagten Kopfschmerzen.

Während ich vor mich hinschluchzte, machte Gin keine Anstalten aus dem Auto zu steigen.

Nachdenklich beobachtete er mich. Verschämt wischte ich mir die Augen trocken.

Ich könnte ihm nicht ins Gesicht sehen. Ein kleines, schwaches und verheultes Kind musste man einfach verachten.
 

Und da drückte er mich plötzlich an sich.

Ich war erst ganz erschrocken. Erst dann wurde mir bewusst, wie gut mir diese Umarmung tat.

Ich schloss die Augen und lehnte meinen Kopf an seine warme Brust. Es war so ruhig, dass ich sein Herz hören konnte.

Und dieses starke, regelmäßige Pochen beruhigte mich.



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