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Unter Krähen

Shihos Vergangenheit
von

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Schmerz

Es spielte keine Rolle, wie sicher ich zu sein schien. Meine Vergangenheit verfolgte mich wie eh und je, ließ mich in keinem Augenblick meines Lebens los.

Nacht für Nacht sahen wir uns in meinen Träumen wieder… dieses hämische Grinsen und die unbarmherzigen Augen ließen mich schreiend erwachen.

Seit unserer letzten Begegnung war inzwischen einige Zeit vergangen, doch wenn ich daran dachte, dann war ich sofort wieder dort, auf dem Dach des Hotels. Blutend im weißen Schnee liegend und Gins Waffe auf meinen Körper gerichtet. In dieser Nacht hätte ich fast mein Ende gefunden, aber auch nur fast. Manchmal wünschte ich mir, es wäre endlich vorbei gewesen. Ein für alle mal. Zu gern würde ich die Alpträume und die ständige Angst hinter mich lassen.
 

Doch letztendlich, schien auch der Verrat an der Organisation, ein unvermeidliche Konsequenz meines bisherigen Lebens zu sein.

Wenn ich zurückblicke, dann bestand mein damaliger Lebensinhalt aus Arbeiten und Überleben. Seit meiner Jugendzeit hatte ich hauptsächlich gearbeitet und versucht, dass Projekt meiner Eltern zu vollenden. Der Lohn für meine Tüchtigkeit? Hin und wieder durfte ich meine Schwester treffen.

Aber diese seltenen Treffen machten es mir nicht unbedingt leichter. Egal was wir unternahmen, wir standen unter ständiger Beobachtung. Genießen konnten wir diese gemeinsame Zeit nie und danach war ich noch verzweifelter als zuvor.

Einzig die Tatsache, dass Akemi nicht für die Organisation arbeiten musste, beruhigte mich.

Zumindest war es anfangs so…

Von ihrem Versuch, uns aus der Organisation freizukaufen, erfuhr ich erst spät nach ihrem Tod.

Den Grund für ihre Ermordung war mir bis dahin völlig unbekannt geblieben, niemand hielt es nötig mich aufzuklären. Nach ihrem Tod fühlte ich mich einsamer denn je, meine gesamte Familie war tot und die Organisation benutzten mich einzig für ihre Zwecke, welche mir bis heute nicht völlig bekannt sind.

Jeder Tag war kalt, leer und die Verzweiflung quälte mich, zerfraß mich von innen auf.

Schließlich stand der Entschluss, die Organisation zu verlassen, fest und dies wurde von deren Mitgliedern nicht gut aufgenommen.
 

Und plötzlich… war ich eine Verräterin.

Zerrissen

Mit fünf Jahren trennten sie mich von meiner Schwester. Damals verstand ich nicht weshalb, verstand die Beweggründe der Organisation nicht. Inzwischen sind sie mir natürlich klar.

Schon damals sah die Organisation in mir Potenzial, ein fähiges Mitglied ihrer Machenschaften zu werden.

Es passierte alles recht schnell, wirklich realisieren konnte ich erst, als ich meinen ersten Tag in den Staaten verbrachte.

Akemi erzählte mir am Morgen, dass ich in Amerika zur Schule gehen und danach ein Studium beginnen sollte.

Die Nachricht ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen, ich fing an zu zittern und mein Mundwinkel zog sich gefährlich runter.

Akemi war blass, ihre Lippen bebten, während sie leise mit mir sprach. Tränen glitzerten in ihren blauen Augen.

„Shiho-chan, ich weiß, es wird in Los Angeles anfangs nicht einfach für dich. Aber du bekommst die Möglichkeit, sehr viel zu lernen und ganz viele neue Dinge kennen zu lernen. Und du wird es dort sicher gefallen.“

Die Stimme meiner Schwester zitterte, fahrig strich sie sich eine Strähne aus dem Gesicht.

Ich konnte und wollte nicht fassen, was Akemi mir eröffnete. Völlig aufgelöst schüttelte ich den Kopf, griff fest nach ihrer Hand.

„Ich will aber nicht alleine dort hin, ich will, dass du mitkommst.“

Unter Tränen lächelte sich mich an.

„Das geht nicht, aber ich werde dich ganz oft besuchen kommen!“, erwiderte Akemi. Ein Versprechen, welches sie nicht einhalten konnte. Nicht, weil sie es nicht wollte… sondern weil es die Organisation nicht zuließ. Doch damals ahnte ich noch nichts davon.

Zu dieser Zeit war Akemi selbst erst 12 Jahre alt.

Einige Jahre später erzählte sie mir, dass sie schon länger von den Plänen der Organisation wusste. Doch sie hatte keine Möglichkeit, etwas dagegen zu unternehmen. Sie war vollkommen machtlos.

Nach dem Tod unserer Eltern bekamen wir einen Vormund, den wir einmal trafen und danach nie wieder zur Gesicht bekamen. Ich weiß nicht, was geschehen war. Aber seitdem kümmerte sich jemand anderes um uns, es war immer jemand Fremdes.

Akemi kannte diese Personen teilweise, jedoch zeigte sie ihnen deutlich ihre Ablehnung.

Unser beider Leben war vollkommen von der Organisation beeinflusst. Nichts sollte dem Zufall überlassen werden. Besonders meine Zukunft nicht.

Sie mussten gewusst haben, dass ich extrem lernfähig war. Dank Akemi, sprach ich bereits in frühen Jahren ein recht passables Englisch.

Und auch sonst, war ich sehr wissbegierig.

Mit Vier Jahren wollte ich unbedingt Lesen lernen, also musste Akemi mit mir üben. Wir hatten eine Menge Spaß dabei und nach wenigen Tagen gelang es mir, die ersten Schriftzeichen zu entziffern.

Da meine Schwester und ich unter ständiger Beobachtung standen, blieb mein Talent nicht unbemerkt.

Schon in dieser Zeit, war er für mich zuständig, wenn man so will.

Gin war selbst noch recht jung und stand in den Anfängen, als Mitglied der Organisation. Und einer seiner ersten Aufgaben bestand darin, die Verantwortung für mich zu übernehmen, mich zu beobachten und aufzupassen.

Ich weiß noch, dass er ständig darüber schimpfte, keinen Babysitter für mich spielen zu wollen.

Doch mit der Zeit legte sich sein Ärger, jedoch nicht nur, weil Gin sich daran gewöhnte…
 

Auch an diesem Tag, war er da.

Gin sollte sich darum kümmern, dass ich rechtzeitig zum Flughafen kam, um dann mit ihm in die Staaten zu fliegen.

Während Akemi hastig einige Koffer für mich packte, saß ich in meinem Lieblingssessel und wischte mir die Tränen von den Wangen.

Gin stand etwas abseits von mir, am Türrahmen gelehnt und rauchte eine Zigarette. Die blonden fielen ihm damals locker auf seine Schulter und die grünen Augen sprühten noch keine so eisige Kälte aus. Dafür waren sie scharf und blickten mich missmutig an.

Als ich seine Blick erwiderte, sah er schnell auf seine Armbanduhr.

„Wenn sie sich nich’ beeilt, verpassen wir den Flug.

In kindlicher Trotzigkeit verschränkte ich die Arme. „Mir egal!“, erwiderte ich und blickte zu Boden.

Ich verstand nicht, weshalb Akemi nicht mit mir in die Staaten gehen durfte, doch ich wusste instinktiv, dass es nicht an ihr lag.

Meine Schwester kam die Treppen hinuntergestürmt, zusammen mit einem Koffer und einer Reisetasche. Ihr freundliches Lächeln vertuschte nicht die Spuren ihrer Tränen.

Ich sprang vom Sessel auf und sie umarmte mich fest. In diesem Moment wollte ich sie nicht loslassen, ich hätte alles dafür gegeben, bei ihr bleiben zu dürfen.

„Ich warte draußen.“, murmelte Gin und verließ hastig den Raum.

Akemi drückte mich und strich mir zärtlich über die Haare.

„In zwei Wochen komme ich dich besuchen und denk dran; sei brav und mach alles, was dir gesagt wird! Dann kriegst du auch keinen Ärger, okay?“

Heftig nickte ich mit dem Kopf. Akemi nahm mein Gesicht in ihre Hände und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.

„Ich hab dich lieb Akemi-oneechan.“, flüsterte ich ihr ins Ohr.

„Ich dich auch.“, antwortete sie leise und nahm mich bei der Hand.
 

Über das dünne Kleid zog ich meine Lieblingsjacke und trat aus der Haustür.

Gin lehnte neben dem schwarzen Porsche.

Er nahm mir schließlich den Koffer und die Tasche ab, verstaute sie im Kofferraum und hielt mir die Tür auf.

Nach einem letzten Blick auf meine Schwester stieg ich ein. Ein trauriges Ausdruck lag in ihren Augen und sie winkte mir noch kurz zu. Mein Herz begann wild zu klopfen, von nun an war ich auf mich alleine gestellt. Meine Schwester konnte mich nicht mehr beschützen.

Gin fuhr los und ich biss mir fest auf die Lippen, um ja nicht vor ihm zu heulen. Dafür war ich viel zu stolz und vor allem zu trotzig.

Nach einer halben Stunde erreichten wir den Narita International Airport.

Im noch ziemlich frischen Frühlingswind fröstelte ich, als wir den Parkplatz überquerten.

„Los, wir müssen uns beeilen.“, murmelte Gin und schmiss die Kippen auf dem Boden, drückte sie mit den schweren Stiefeln aus.

Ich bemühte mich, mit ihm Schritt zu halten.

Einige (falsch angegebene) Formalitäten später, saßen wir im Flieger.

Es war mein erster Flug. Zwar war ich extrem aufgeregt, doch gleichzeitig völlig erschöpft. So schlief ich nach kurzer Zeit ein und wachte erst einige Stunden später wieder auf.

Gin saß einen Sitz neben mir und tippte nervös auf seiner Armlehne herum. Wahrscheinlich war es die Sucht nach einer Zigarette, vielleicht hatte es auch einen anderen Grund.

Er muss bemerkt haben, dass ihn beobachtete.

„Was ist?“

Seine tiefe Stimme verunsicherte mich etwas. Gin musterte mich aufmerksam und ich blickte auf meine Schuhe. Eingeschüchtert erwiderte ich nichts und Gin wendete seinen durchbohrenden Blick ab.

Diesen Mann kannte ich erst seit einem halben Jahr. Akemi mochte ihn von Anfang an nicht, das merkte ich schnell. Auch wenn sie nie etwas in der Richtung gesagt hatte. Doch ich erkannte es an ihrem misstrauischen Blick und ihrem unfreundlichen Ton, wenn sie wenige Worte mit Gin gewechselt hatte. Dementsprechend hielt och mich ebenfalls zurück.

Nach endloser Flugzeit erreichten wir den Flughafen von L.A.

Immer wieder fielen mir die Augen zu, als wir am Gepäckband auf unsere Koffer warteten. Später trottete ich halb schlafend neben Gin her.

Irgendwann standen wir auf einem riesigen Parkplatz. Gin zündete sich sofort eine Zigarette an und zog genüsslich daran. Der leichte Wind wehte den grauweißen Qualm in meine Richtung und ich musste heftig husten. Ich hasste Zigaretten und mag es bis heute nicht, wenn jemand raucht.

Gin schielte in meine Richtung und seufzte.

War er genervt von mir?

„Auf was warten wir?“, traute ich mich nach einer halben Stunde des Schweigens zu fragen. Ich wollte in ein warmes, kuscheliges Bett, oder besser: Nach Hause, zu meiner Schwester.

„Auf die Person, die uns abholt.“, war seine nicht besonders auskunftsfreundliche Antwort.

Er sah auf die Uhr. „Aber er kommt zu spät…“, grummelte Gin.

In diesem Moment blendeten mich zwei Scheinwerfer. Das Auto hielt genau vor uns.

Ein mir unbekannter Mann stieg aus.

„Das ist die Kleine?“, fragte er in einem gebrochenem Japanisch und ohne Begrüßung.

Er war mir sofort unsympathisch. Und dann erschauderte ich, als ich sah, dass Eines seiner Augen in einem milchigen Weiß strahlte.

Das Andere stierte mich neugierig an.

Gin nickte und griff wortlos nach meinen Taschen. Ich öffnete die Tür und kroch auf die dunkle Rückbank.

Die Heizung lief, es war dunkel und dadurch fast schon gemütlich. Erneut schlummerte ich ein.

Ich weiß nicht, wie lange wir fuhren oder wohin. Irgendwann öffnete sich die Tür und ich erwachte von einem Luftzug.

Im Halbschlaf merkte ich noch, wie Gin mich von der Rückbank abschnallte und hochhob.

Um mich dagegen zu wehren, fehlte mir die Kraft.

„Nimm ihre Sachen“, forderte Gin leise.

Irgendwann wurde ich vorsichtig auf ein weiches Bett gelegt und jemand deckte mich zu. Daraufhin fielen mir endgültig die Augen zu.
 

Am nächsten Morgen erwachte ich in einer völlig fremden Stadt.

Harte Zeiten

Entschuldigt die lange Pause! Zur Entschädigung werde ich direkt zwei Kapitel hochladen.

Viel Spass beim Lesen!
 

Meine ersten Jahre in Amerika waren sehr schwierig für mich. Mein Leben stand vollkommen auf dem Kopf.

Anfangs hatte ich große Probleme mit dem amerikanischen Englisch, ich verstand nicht immer alles auf Anhieb.

Akemi hatte mir zwar Einiges beigebracht, doch ich musste mich vom Britischen Englisch auf die amerikanische Sprechweise umstellen.

In der Grundschule fiel ich natürlich auf; als Japanerin mit braunrotem Haar und dem seltsamen Englisch… ich war den anderen Kindern unheimlich und suspekt.

Im Unterricht und bei den Hausaufgaben gab es nie Probleme, ich gewöhnte mich ein. Doch ich hatte keine Freunde.

Etwa in der dritten Klasse hatten sich die Kinder an mich gewöhnt, sprachen mit mir… doch sie interessierten sich nicht für mich. Sie hatten alle ihre eigenen, festen Freundschaften.

In den Pausen saß ich alleine am Tisch, beobachtete die anderen Kinder mit einer Mischung aus Neid und Tapferkeit.

Morgens und Mittags fuhr ich nicht wie meine Mitschüler mit dem Bus, sondern wurde pünktlich von Gin abgeholt.

Darauf konnte ich mich fest verlassen. Er war zuverlässiger als jeder Bus oder Bahnfahrer.

Wie jeden Mittag stand er am Auto gelehnt, die Arme verschränkt und eine Zigarette im Mund.

Während der Fahrt sprach er selten mit mir, stattdessen betrachtete Gin mich immer wieder im Rückspiegel.

Noch immer wusste ich ihn nicht einzuschätzen. Er kümmerte sich zwar darum, dass es mir an nichts fehlte, doch er zeigte mir gegenüber keine Gefühle. Irgendwie wünschte ich mir Zuneigung von ihm, wenn wir uns doch schon jeden Tag sahen.

Aber nach einiger Zeit erwartete ich nichts anderes mehr…

Nur sein Blick wurde mit der Zeit immer eisiger und kälter. Womit das zusammenhing, war mir nicht wirklich bewusst.
 

An einem Mittag lief ich über den Vorhof der Schule und stieß versehentlich gegen einen älteren Schüler.

„Entschuldigung!“, murmelte ich zurückhaltend, doch das Gelächter der Mitschüler verhieß nichts Gutes. Ganz plötzlich hatten sich vier Typen um mich herum versammelt.

„Ne Entschuldigung reicht aber nicht, musst schon anders beweisen, dass es dir leid tut.“

Wieder dummes Gelächter.

Auf einmal griff jemand von hinten nach meiner Jacke und schubste mich, genau in dem Moment wichen die beiden Jungen vor mir aus und ich flog mit viel Schwung in den Dreck.

Zähneknirschend wischte ich mir den Schlamm aus dem Gesicht und spuckte den Sand aus meinem Mund.

Plötzlich verstummte das ohrenbetäubende Gelächter. Ich öffnete meine verklebten Augen und sah hoch.

Gin stand vor mir, sein Gesichtsausdruck war mörderisch. Selbst ich hatte in diesem Moment ein wenig Angst vor ihm.

Er griff nach meinem Arm und zog mich ohne Mühe auf die Beine.

Ich warf einen Blick über die Schulter und musste mir das Grinsen verkneifen.

Gin musste erst gar nichts sagen, die Jungs hatten eindeutig Schiss vor ihm. Mit weit aufgerissenen Augen starrten sie auf den blonden Riesen mit dem Mörderblick.

Ja, schon damals machte er auf seine Mitmenschen einen gefährlichen Eindruck.
 

„Kommt, wir verpissen uns!“, raunte der Typ leise, den ich versehentlich angerempelt hatte.

Ängstlich traten sie einige Schritte rückwärts , dann machten sie sich aus dem Staub.

Ich spürte die Blicke anderer Schüler auf uns ruhen. Wir hatten die gesamte Aufmerksamkeit auf uns gezogen.

Gin ließ sich davon nicht stören. „Gehen wir!?“, er drehte sich herum, ohne meine Antwort abzuwarten.

Statt wie gewohnt auf den Rücksitz zu klettern, setzte ich mich auf den Beifahrersitz.

Verwundert sah er mir ins Gesicht, erwiderte jedoch nichts und fuhr los.
 

„Danke, dass du mir geholfen hast.“, erwiderte ich sehr verlegen nach einiger Zeit.

„Ich kann nicht immer da sein. In Zukunft solltest du lernen, auf dich selbst aufzupassen. Wenn sie dich verletzen, musst du deine Schmerzen vergessen und dich wehren.“

Mit seinen Worten tadelte er mich, doch ich war glücklich. Ich war ihm nicht egal, das bewies seine schnelle Reaktion auf das Geschehen. Und für einen kurzen Moment, eine winzige Sekunde, waren Gins Augen voller Sorge gewesen.

Ich konnte nicht anders, als zu lächeln. Mein kleines Herz pochte vor Glück so schnell gegen meinen Brustkorb, dass mir schwindlig wurde.

„Er mag mich doch“, dachte ich nur.
 

Gleichzeitig nahm ich mir seine Worte zu Herzen. Versuchte mich jemand zu ärgern oder fertig zu machen, gab ich passende Antworten zurück. Ich griff niemals jemanden körperlich an, das hätte ich auch gar nicht fertig gebracht. Doch ich entwickelte nach und nach meinen beißenden Sarkasmus, der bis heute die Leute verstummen lässt.

Damit machte ich mir keine Freunde und auch wenn ich einsam war, zeigte ich niemanden diese Gefühle.

Die Lehrer und Schüler kannten mich als intelligentes, jedoch kühles Mädchen mit frechem Mundwerk.

Ich setzte ständig meinen Kopf durch, hinterfragte Alles und brachte damit einige Lehrer aus dem Konzept. Ich versuchte meine Neugier anhand von schwieriger Lektüre zu befriedigen, doch es gelang mir nicht. Vieles verstand ich einfach noch nicht, so fragte und drängelte ich weiter und tatsächlich lernte ich dabei sogar noch.

Mein Einsamkeit verschwand dadurch nicht.

Akemi hatte ich in den knapp vier Jahren nur drei Mal gesehen. Das erste Treffen war zwei Wochen nach meiner Ankunft in L.A. gewesen. Zu meinem achten Geburtstag war sie ganz überraschend auch gekommen.

Danach bin ich in den Sommerferien nach Japan gereist.

Für vier Wochen konnte und durfte ich wieder ganz Kind sein. Während dieser Zeit wohnte ich bei meiner Schwester, die inzwischen in einer eigenen Wohnung lebte, finanziert von der Organisation. Es war ein Traum morgens aufzuwachen und das Frühstück ans Bett gebracht zu bekommen. Wir gingen einkaufen, besuchten den Tokyo Tower und sie zeigte mir die schönsten Plätze der Stadt, in welcher ich vier Jahre nicht gewesen war. Ich war so glücklich und zufrieden in diesen vier Wochen. Auch wenn ich wusste, dass ich bald wieder nach Amerika zurückkehren musste, ging es mir gut.

Es war irgendwie ein schönes Gefühl, wieder Japanisch zu sprechen. Zudem Amerika und Japan nicht unterschiedlicher sein konnten, zumindest was die Kultur und die Sitten betraf.

Am letzten Abend versprachen wir, uns in Zukunft öfter zu sehen.

Daraus wurde nichts. Akemi kam bald auf die Oberschule und ich würde ebenfalls eine weiterführende Schule besuchen.

Die unterschiedlichen Ferienzeiten und die strenge Überwachung der Organisation verhinderte regelmäßige Treffen.
 

Gin holte mich Samstagnacht vom Flughafen ab. Auf der gesamten Fahrt nach Hause weinte ich bitterlich. Mir war egal, dass Gin sah, wie erbärmlich und schwach ich doch eigentlich war.

Ich wollte nicht mehr alleine sein. Ich wollte jemanden um mich herum haben, der mir Halt gab und mir zuhörte.

Als der Wagen hielt, brannten meine Augen und mich plagten Kopfschmerzen.

Während ich vor mich hinschluchzte, machte Gin keine Anstalten aus dem Auto zu steigen.

Nachdenklich beobachtete er mich. Verschämt wischte ich mir die Augen trocken.

Ich könnte ihm nicht ins Gesicht sehen. Ein kleines, schwaches und verheultes Kind musste man einfach verachten.
 

Und da drückte er mich plötzlich an sich.

Ich war erst ganz erschrocken. Erst dann wurde mir bewusst, wie gut mir diese Umarmung tat.

Ich schloss die Augen und lehnte meinen Kopf an seine warme Brust. Es war so ruhig, dass ich sein Herz hören konnte.

Und dieses starke, regelmäßige Pochen beruhigte mich.

Dreizehn

Meine neue Schule war natürlich größer als die Grundschule. Es erwarteten mich viele neue Gesichter, neue Lehrer und vor allem: neue, interessante Fächer.

Die naturwissenschaftlichen Fächer hatten es mir sofort angetan, ich liebte Chemie und Biologie und freute mich auf jede Stunde. Größere Herausforderungen erwarteten mich jedoch nicht. Die anderen Fächer langweilten mich, vieles wusste ich bereits im Voraus oder war schon ganz selbstverständlich. Trotzdem gab ich mir Mühe.

Meine Mitschüler hielten mich für eine elende Streberin, doch es machte mir nichts aus, den Klugscheißer zu geben. Ich fühlte mich den Anderen überlegen, das gab mir Kraft und den festen Willen, mehr zu lernen.

Die Lehrer zeigten sich bei meinen Arbeiten und Referaten überrascht, doch es war keineswegs mein Ziel, jemanden zu beeindrucken. Es war reine Ablenkung, die nicht immer funktionierte.

Die Mädchen aus meiner Klasse schwärmten zumeist für die Jungen aus der Footballmannschaft, in welchen ich nur unreife Idioten sah.

Diese Typen interessierten mich nicht die Bohne.

Allein ER sollte mir Aufmerksamkeit schenken.
 

Mit 13 änderte sich Einiges in meinem Leben.

Es begann damit, dass ich im Sommer meine erste Periode bekam. Zuerst erschrak ich furchtbar, doch ich war aufgeklärt und so lief ich zum nächsten Supermarkt und einzukaufen.

Ich war furchtbar traurig, diese Erfahrung mit niemanden teilen zu können. Andere Mädchen erzählen es ihrer Mutter oder ihrer besten Freundin. Beides hatte ich nicht.

Ich schrieb Akemi eine E-Mail. Gern wäre ich bei dir gewesen, hätte mit ihr darüber gesprochen. Dadurch vermisste ich sie wieder einmal unendlich. Weinend lag ich mit Unterleibschmerzen in meinem Bett, abgeschottet vom Rest dieser Welt durch die heruntergelassenen Rollläden. Niemand sollte mich in diesem Zustand sehen.

Ich fand es ungerecht und gemein, dass sie mich derart von meiner Schwester fernhielten. Zumal ich nicht mal genau wusste, weshalb man uns wirklich getrennt hatte.

Ich vermisste ihre liebevollen und aufmunternden Worte, die mich immer wieder aufbauten.

Telefonieren war zu teuer, so blieben uns nur Briefe und E-Mails. Manchmal schickte Akemi mir Pakete mit Disketten, auf welchen sie Fotos oder sogar Vides von sich gespeichert hatte.

Nicht selten sah ich mir diese Fotos und Videos stundenlang an, versuchte mir ihr Gesicht so gut wie möglich einzuprägen. Wobei ich sowieso immer ein Foto meiner Schwester mit mir rumtrug.
 

Ende August fing die Schule wieder an. Ich bekam eine neue Klassenlehrerin und dank ihr verbrachte ich nur zwei Wochen in der siebten Klasse.

Sie war sehr engagiert und merkte früh, dass ich anders war als die Kinder in meinem Alter.

Schon nach drei Tagen schickte man mich zum Jugendamt, ich musste diverse Tests durchführen und plötzlich stand fest, dass ich hochbegabt war und einen überdurchschnittlichen I.Q. besaß.

Auf einmal herrschte ein ziemlicher Trubel. Es gab eine Lehrerkonferenz wegen mir und unser Vormund (welchen ich noch nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte) tauchte auf. Ich war damit total überfordert, auch wenn ich schon lange geahnt hatte, das etwas mit mir nicht stimmen konnte. Ich freute mich der Hochbegabung wegen nicht unbedingt. Gleichzeitig hoffte ich darauf, dass sich nun doch einiges ändern würde.

Dann wurde ich in die achte Klasse versetzt. Dort war ich nun die Jüngste und wurde wie ein Weltwunder gehandhabt.

Die Lehrer nahmen nur die ersten Tage Rücksicht auf mich, danach ging es auch für mich ganz normal weiter mit dem Schulstoff. Das fand ich in Ordnung, auch wenn meine Noten für wenige Monate wieder etwas schlechter worden.

So schnell wie er gekommen war, verschwand auch mein Vormund wieder. Ich weiß bis heute nicht, ob er wirklich mein Vormund war oder ob die Organisation ihn geschickt hatte.

Er war ein kleiner, schmächtiger Brite mit großer Brille und sehr nervösen Augen. Später habe ich Akemi nach ihm gefragt, auch sie kannte ihn nicht.
 

Drei Monate vor meinem 14. Geburtstag bot man mir von Seiten der Organisation Nachhilfe in Chemie und Biologie an. Nicht, dass es nötig gewesen wäre. Doch ich brannte darauf, mehr und vor allem interessantere Dinge als im Schulunterricht zu lernen. Ich nahm das Angebot dankend an.

So gewährte man mir den Zutritt zu den geheimen Laboratorien der Organisation. Ich war hellauf begeistert.

Vier Nachmittage in der Woche verbrachte ich in diesen Laboratorien. Mein Wissensdurst wurde endlich gestillt, doch je mehr ich lernte, desto mehr Neues wollte ich wissen. Mir hatten es die biochemischen Experimente angetan.

Ich ahnte ja nicht, dass man in der Organisation meine Entwicklung so guthieß, weil ich an dem Projekt meiner Eltern forschen sollte.

Von Akemi wusste ich lediglich, dass unsere Eltern ebenfalls Wissenschaftler waren. Und schließlich entdeckte ich dieses Ziel ebenfalls für mich.

Die Möglichkeit, eine richtige Wissenschaftlerin zu werden, eröffnete sich dann rascher, als ich gedacht hätte.
 

„Morgen kann ich dich nicht abholen.“, verkündigte Gin mir einen Tag vor meinem 14. Geburtstag.

„Wieso nicht?“

Bevor er antwortete, schnippte er den Zigarettenstummel aus dem Wagenfenster.

„Ich habe eine Besprechung. Du kannst ja immer noch mit dem Bus fahren oder zu Fuß gehen.“, antwortete er kühl.

Ich verschränkte die Arme. „Was ist das für eine Besprechung? Kann ich nicht einfach mitkommen?“

Er lachte auf. „Die Besprechung beginnt, wenn du noch mit deinem hübschen Hintern in der Schule sitzt.“

„Ist dein… Boss dabei?“, fragte ich Gin und für meinen Moment schien er irritiert.

„Ja…“

Ich griff nach meiner Tasche und stieg aus. „Ich würde deinen Boss zu gern mal kennen lernen…“, sagte ich nachdenklich und ließ die Wagentür zuschnappen.
 

Am nächsten Morgen lief ich zur Schule.

Es wäre aufgefallen, hätte ich den Bus genommen. Lustigerweise wussten alle, dass ich immer von einem großen, unheimlichen Typen abgeholt wurde.

Um mir lästige Fragen zu ersparen, ging ich zur Fuß.

In der Schule sah meine Lehrerin im Klassenbuch, dass ich Geburtstag hatte und gratulierte mir überschwänglich. Hier und da kamen wenige Glückwünsche, was nicht nur mir unangenehm war.
 

Nachdem ich eine halbe Stunde zu Hause war, klingelte es an der Tür.

Gin hielt mir einen gekauften Kuchen vor die Nase und murmelte leise „Alles Gute“. Ich war darüber so erfreut, dass ich ihn umarmte.

Etwas perplex setzte er sich auf die Coach.

Ich habe etwas mit dir zu bereden.“

Verwundert ließ ich mich gegenüber von ihm aufs Sofa nieder. Er zog an seiner Zigarette und drehte den Kopf beiseite, damit ich den Qualm nicht ins Gesicht bekam.

„Mein Boss hält es für eine gute Idee, dich in die Organisation aufzunehmen.“

Erschrocken hielt ich die Luft an. „Mich!?“

Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich wusste nicht viel über die Organisation, in welcher auch meine Eltern gearbeitet hatten. Ich wusste, dass deren Mitglieder in einigen kriminellen Aktivitäten verwickelt waren, das gesamte Ausmaß ihrer Taten war mir unbekannt. In meiner Naivität verschwendete ich keine Gedanken daran, dass diese Menschen Schwerverbrecher waren.

Auch wenn Akemi mich immer wieder gewarnt hatte, wollte ich nicht glauben, dass die Organisation gefährlich war.

Erst später wurde mir bewusst, dass ich für diesen Haufen von Arschlöchern nur ein Mittel zum Zweck gewesen bin.
 

Doch an diesem Tag schwellte mir die Brust vor Stolz.

„Du bekommst einen Decknahmen und wirst anfangs kleinere Tätigkeiten übernehmen. In den Laboratorien bist du ja ganz gut aufgehoben, wie ich sehe. Wenn du dir Mühe gibst, kannst du vielleicht schon im nächsten Jahr richtig für die Organisation arbeiten. Es gibt einige Projekte, für die wir noch fähige Wissenschaftler suchen.“

Mit gespitzten Ohren lauschte ich seinen Worten.

„Deine Entscheidung sollte gut überlegt sein. Die Organisation kann nicht immer für dich sorgen. Arbeitest du mit uns, so werden sich dir neue Türen öffnen und verdienst nebenbei noch ein wenig.“

Gin sah mich eindringlich an. Ich würde mehr Zeit mit ihm verbringen und irgendwann eine richtige Wissenschaftlerin werden. Das waren Aussichten, die mir sehr zusagten.

„Denkst du, ich darf Akemi-chan dann öfter sehen?“ Meine Stimme zitterte während dieser Frage.
 

„Wenn du uns deine Loyalität beweist, wird dir niemand Steine in den Weg legen.“
 


 

Danke für's Lesen. Im nächsten Kapitel beginnt dann endlich Shihos Arbeit für die Organisation!

Gewissheit

Zunächst schenkte man mir in den Laboratorien der Organisation kein großes Vertrauen. Ich wurde ein weiteres Mal in die Sicherheitsmaßnahmen unterwiesen und durfte die Drecksarbeit übernehmen, die Laborgeräte säubern und den anderen Forschen hinterher räumen.

Man klärte mich über diverse Stoffe und Chemikalien auf, an welchen Projekten die Organisation arbeitete, blieb mir zunächst noch verwehrt.
 

Seit meinem offiziellen Eintritt bemerkte ich zudem, dass ich nun ständig observiert wurde. Stieg ich morgens aus Gins Wagen, bemerkte ich Blicke in meinem Rücken. In den Pausen oder Freistunden fühlte ich mich auf Schritt und Tritt beobachtet.

Das endete, wenn ich in Gins Wagen stieg und begann erneut, sobald ich allein in meiner Wohnung war. Nie weit von der Wohnung entfernt, stand einer von Ihnen.

Ich entwickelte eine gewisse Paranoia und durchsuchte nervös meine komplette Wohnung auf Kameras und Wanzen. Jedoch wurde ich nicht fündig und es beruhigte mich, dass die Organisation scheinbar nicht so weit gegangen war.

In dieser Zeit entwickelte ich meinen sechsten Sinn; die Fähigkeit zu spüren, sobald sich ein Mitglied in meiner Nähe befand. Diese Fähigkeit erwies sich jedoch als Fluch. Ich wurde zunehmend nervöser. Nachts schlief ich unruhig. Das hatte zur Folge, dass ich unter chronischen Schlafmangel und häufigen Kopfschmerzen litt.

Ich begann Kaffe zu trinken, um nicht in der Schule einzuschlafen. Davon wurde ich zittrig und ließ nicht selten ein Reagenzglas zu Boden fallen. Das brachte mir bei den anderen Forschern Spott und Verachtung ein. Diese verstanden ohnehin nicht, was so ein junges Ding bei ihnen verloren hatte.

Dumme Sprüche durfte ich mir fast täglich bieten. Zähneknirschend verrichtete ich meine Arbeit, um mir bloß nichts anmerken zu lassen.

Ich wurde immer wortkarger, antwortete bei jeder Frage die man mir stellte, nur noch mit wenigen Worten und nahm auch ziemlich ab, weil ich manchmal einfach zu essen vergaß.

In der Schule sprach man mich bereits darauf an, ich schob es aufs Lernen.

Tatsächlich versuchte ich meinen Notenspiegel trotz des Stresses konstant zu halten.
 

An einem Freitagnachmittag wurde es meinem Körper zuviel.

Ich sollte einige Disketten in den vierten Stock bringen, das Labor lag im Untergeschoss. Da der Aufzug mal wieder ausgefallen war, hastete ich die Treppen hoch. Auf dem Rückweg erfasste mich ein heftiger Schwindel und plötzlich wurde mir schwarz vor den Augen.

Wieder bei Bewusstsein pochte es in meinem gesamten Schädel.

Total verwirrt schleppte ich mich die restlichen Treppen hinunter.

Als ich im Erdgeschoss auf Gin traf, der gerade auf dem Weg ins Labor war, sah ich ihn in doppelter Ausführung und musste grinsen.

Seinen, etwas panischen Blick konnte ich nicht deuten, als er mit schnellen Schritten auf mich zukam.

Weil ich so verdammt schwankte, packte Gin mich fest an den Schultern und drückte mich auf eine Treppenstufe.

„Was ist passiert?“, fragte er leise und strich mir vorsichtig über die Stirn, um die Platzwunde zu begutachten. Mir war nicht bewusst gewesen, dass ich blutete und zuckte bei seinen Berührungen zusammen.

„Mir war nich’ gut, bin die Treppe runtergefallen, glaub’ ich…“ Vor meinen Augen drehte sich alles nach links.

„Dass muss genäht werden. Kannst du laufen?“

Skeptisch betrachtete er meine Versuche, auf die Beine zu kommen. Doch ich plumpste unwillkürlich zurück auf meinen Hintern. Ich muss extrem bedeppert ausgesehen haben, als Gin seufzte und mich ohne Mühe auf seine Arme nahm und zum Auto trug.

„Fahr’n wir ins Krankenhaus?“, frage ich lallend.

„Nein. Ich bringe dich zu einem von unseren Ärzten. Er wohnt nur einige Blocks entfernt.“
 

Als wir ankamen, war mir noch immer schwindlig und ich hatte das dringende Bedürfnis mich zu übergeben. Mit Mühe und Not unterdrückte ich den Würgereiz, um mir nicht noch mehr die Blöße zu geben.
 

Commotio cerebri, auch Gehirnerschütterung genannt.“

Der Mann, der meinen Kopf wieder zusammenflickte und mich lange untersucht hatte, war ein amerikanischer, offiziell in Ruhestand getretener Chirurg mit starken Akzent in seinem Japanisch.

„Du sagst also, dir ist schwindlig geworden und du bist die Treppe hinunter gefallen!? Wie alt bist du noch gleich?“

„Sie ist 14.“, antwortete Gin.

„In vier Monaten werde ich 15.“, fügte ich unnötigerweise hinzu und der alte Arzt grinste.

„Jugendliche klagen häufig über Schwindel, das kommt vor allem vom Stress in der Schule. Und ihr lasst sie auch noch in dem Alter bei euch arbeiten!“ Der Mann schüttelte den Kopf.

„Ich hab sie nicht hergebracht, damit du die Moralapostel spielst.“, knurrte Gin.

„Ist ja gut…“ Der Arzt reichte mir eine Packung. „Das hilft gegen die Kopfschmerzen.“, erklärte er mir und wandte sich dann an Gin.

„Sie sollte heute Nacht nicht allein bleiben. Sollte es mit dem Schwindel allzu schlimm werden oder sollte sie noch einmal bewusstlos werden, dann ruf sofort an. Ansonsten verordne ich für die nächsten Tage viel Ruhe.
 

„Wohin fahren wir?“, wollte ich im Auto wissen. In diesem Teil der Stadt war ich noch nie gewesen.

„Zu meiner Wohnung. Du bleibst heute Nacht dort.“

Ich unterdrückte ein Seufzen. Gin nahm die Worte des Arztes tatsächlich ernst. Doch ich war gleichzeitig neugierig, wie er so lebte. Zuvor war ich noch nie in seiner Wohnung gewesen.

Wir hielten vor einem kleinen Wohnhaus.

Als Gin im Flur nach meiner Hand griff, erschrak ich.

„Die Lampe ist durchgebrannt. Es wäre schlecht, wenn du noch mal auf deinen hübschen Kopf fällst.“

Ich zählte die Treppenstufen. Es waren 15.

Gin brauchte länger um die Tür zu öffnen.

Entweder gab es mehrere Schlösser an der Wohnungstür… oder er sah in der Dunkelheit einfach nichts.

Die Wohnung war viel kleiner als meine und nur spärlich eingerichtet. Trotzdem war alles sauber und ordentlich.

„Ich hab nichts zum Schlafen da.“, stellte ich fest.

„Nicht schlimm, wir machen das schon…“ Gin führte mich ins Schlafzimmer.

Ich setzte mich auf das kleine Bett und sah zu, wie er im Kleiderschrank wühlte.

Er warf mir ein T-Shirt zu.

„Da passe ich zweimal rein.“, lachte ich und fasste mir sofort an den Kopf. Lachen war nicht angebracht.

Gin zuckte mit den Schultern. „Das ist nur kleiner als die anderen, weil es im Trockner eingelaufen ist. Zum schlafen reicht es. Nebenan ist das Bad, im Schrank müssten noch ne Packung mit Zahnbürsten liegen.“

Für einen Moment musterte er mich, dann wandte er sich herum. „Ich bin im Wohnzimmer, falls du noch was brauchst.“

Vorsichtig zog ich mich um und stellte mich vor den Spiegel.

Mit dem dicken Verband um den Kopf und dem Shirt, dass mir bis zu den Knien reichte, sah ich recht seltsam aus.

Kurz verschwand ich im Bad und tappte dann ins Wohnzimmer rüber.

Gin saß auf dem Sofa, die langen, blonden Haare zurückgebunden. So hatte ich ihn bisher noch nie gesehen und es würde auch in Zukunft ein sehr seltener Anblick sein.

Süffisant grinste er, als ich das Zimmer betrat und ich wurde rot. Trotzdem ließ ich es mir nicht nehmen, mich im Schneidersitz aufs Sofa zu setzen.

„Bist du nicht müde?

Ich schüttelte den Kopf… das schmerzte.

„Mir ist ein bisschen komisch, mehr auch nicht.“

Lang sah er mich an, bis ich verschämt die Augen nieder schlug.

Für eine Weile saßen wir ganz ruhig auf dem kleinen Sofa. Während Gin eine Zigarette nach der anderen qualmte, pulte ich einem kleinen Loch im T-Shirt.

„Sag mal… hast du eigentlich eine Freundin, oder so?“

Er grinste wieder, blies den Qualm lange aus, bevor er antwortete. Lachte Gin mich aus?

„Wofür brauche ich eine Freundin, wenn ich dich bereits an der Backe kleben hab’?

„Ist das etwa dein Ernst?“ Ich tat beleidigt und schob die Unterlippe vor.

„Wer weiß…“, antwortete er nur. Gin drückte die Kippe im Aschenbecher aus, stand auf und nahm ein Glas aus der Vitrine.

Leise plätscherte glasklarer Alkohol hinein.

„Aber keine Sorge…“

Gin strich mir eine Strähne aus dem Gesicht, berührte mit seinen Fingerkuppen für eine winzige Sekunde meine Wange.

„Du bleibst vorerst die einzige Frau in meinem Leben.“
 

Mir blieb der Mund offen stehen. Als ich das bemerkte, schämte ich mich sofort für meine Fassungslosigkeit.

„Vorerst?“, fragte ich stattdessen leise.

Gin nippte an dem Glas. „Ja, aus zwei Gründen: Erstens habe ich keine Zeit und keine Lust mich mit irgendwem rumzuschlagen und zweitens… kann ich nicht immer auf dich aufpassen.“

Mein Herz raste nur so vor sich hin.

„Geh jetzt schlafen.“

„Und was ist mit dir?“

Gin ließ sich wieder aufs Sofa nieder, leerte sein Glas in einem Zug.

„Ich kann im Wohnzimmer übernachten.“

Mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtete ich die Beulen in dem Sofa. „Ist das nicht ziemlich unbequem?“

Er verdrehte die Augen und ich stand lachend auf.

„Shiho?“

Ich drehte mich herum.

„Schlaf gut.“

„Du auch…“, erwiderte ich leise und lief ins andere Zimmer hinüber. Schnell schlüpfte ich in die dicke Decke und zog sie mir bis zum Kinn. Mein Puls pochte laut in meinen Ohren und ließ mich nicht einschlafen.

Es gab nur einen Grund für diese euphorischen Gefühle und das Glück, das ich verspürte.

Der Gedanke war gewagt. Doch er schien mir nach all der Zeit ziemlich logisch.
 

Ich war in Gin verliebt.

Sherry

Am nächsten Morgen wachte ich früh auf. Leicht desorientiert bemerkte ich erst nach einigen Momenten, dass ich mich ja in Gins Wohnung befand.

Ich tappte aus dem Bett, in den Flur und ging erst mal ins Badezimmer rüber.

Nachdem ich mich frisch gemacht hatte und angezogen war, lief ich ins Wohnzimmer.

Gin war ebenfalls wach und bei seinem Anblick errötete ich.

Er trug nur die dunkle Hose, sein Oberkörper war frei. Nach der Erkenntnis am Tag zuvor, war mir das irgendwie peinlich.

Gin schien das zum Glück nicht zu bemerken.
 

„Morgen.“, murmelte er und griff nach einem Pullover, den er sich über seinen muskulösen Oberkörper zog.

Ich wand den Blick von ihm ab und hockte mich aufs Sofa.

Gin musterte mich mit skeptischen Blick, bis er an mich herantrat und meine Wange berührte.

„Alles in Ordnung? Du bist ganz rot im Gesicht.“

„Mir geht’s gut.“, erwiderte ich mit klopfenden Herzen.

„Dann fahre ich dich jetzt nach Hause, ich muss nämlich arbeiten.“

Stumm nickte ich.
 

Seitdem ich mir meine Gefühle für Gin eingestanden hatte, konnte ich ihm nicht mehr ins Gesicht sehen, ohne dass mein Herz für einen Moment aussetzte.

Ich ärgerte mich darüber, während der Arbeit war ich mit den Gedanken ständig woanders.
 

Etwa ein halbes Jahr später wurde ich zum ersten Mal in eines der geheimen Projekte involviert. Ich war sehr stolz, endlich aktiv mitarbeiten zu dürfen.

Bei diesem Projekt handelte es sich um ein Gift, dass jedoch keine größeren Schäden im Körper des Opfers anrichtete. Es sollte ausschließlich die Symptome einer Lebensmittelvergiftung hervorrufen. Der Zeitpunkt des ersten Einsatzes wurde mir nicht anvertraut und mir kamen die ersten Zweifel. Zuvor hatte ich auch nie einen Gedanken daran verschwendet, was in der Organisation wirklich vor sich ging.

Ich schätzte mich glücklich, ein Dach über den Kopf zu haben und versorgt zu sein. Das es mir untersagt war, meine Schwester zu sehen, schien mir ein geringes Opfer. Ich vermisste sie sehr, doch solange es Akemi gut ging, wollte ich nicht so undankbar sein und mich über meine Situation beklagen.

Doch was die Organisation wirklich bezweckte, warum und wofür sie gegründet wurde… das weiß ich bis zum heutigen Tag nicht, ich kann es nur vermuten.

Selbst wenn ich Gin nach den Hintergründen gefragt hätte, eine Antwort wäre mir ja doch verwehrt geblieben. Vielleicht wusste er es selbst nicht so genau…
 

Während der Forschungsarbeiten an dem sogenannten TFFP1 sah ich Gin nur selten. Das lag zum einen daran, dass er selbst auch hart arbeitete und zum anderen, dass ich immer mehr Zeit im Labor verbrachte.

Wenn ich nicht an TFFP1 mitforschte, ließ ich keine Gelegenheit aus, anderweitig im Labor zu helfen oder auch zu lernen.

Mit meinem Wissen über die Biochemie war ich längst über den gewöhnlichen Chemieunterricht voraus.

Inzwischen war mein Körper auch mehr oder weniger auf Dauerstress eingestellt und so machte ich hin und wieder eine Nacht im Labor durch.
 

An einem späten Abend stand ich wie häufig am Labortisch und führte einige Experimente aus. Ich beobachtete die diversen Vorgänge und Reaktionen, notierte mir alles sehr sorgfältig. Mir war es eigentlich strengstens untersagt, auf eigene Faust mit den chemischen Substanzen zu arbeiten.

Doch ich wusste, wann ich ungestört Gelegenheit dazu hatte und hielt mich nicht an das Verbot.
 

An diesem Abend erwischte mich jedoch einer der Forscher…

Sein Name war Arak, seinen richtigen Namen kannte ich natürlich nicht.

Ohnehin interessierte es mich nicht, denn er war ein unangenehmer Zeitgenosse. Mit seinen 21 Jahren zählte er schon zu den jüngsten Wissenschaftlern und er bildete sich darauf mächtig etwas ein. Gerne kommandierte er mich herum, wahrscheinlich sah er in mir auch eine Art Konkurrentin.

Als Arak mich dann während des Experiments erwischte, trieb er es auf die Spitze.

Zunächst ließ ich mir nichts anmerken, machte mir scheinbar unberührt Notizen, als er ins Labor trat.

„Aha. Was machen wir denn da?“

Ich ignorierte, dass er wie ein Kleinkind mit mir sprach und dabei dämlich grinste.

Arrogant lehnte er an einem Tisch.
 

„Siehst du das nicht!?“

„Oh… aber ich würde es gerne von dir wissen.“, antwortete er mit seiner schleimigen Stimme.

„Hast du eigentlich nichts Besseres zu tun, als mich zu nerven?“, fragte ich. Das war ein Fehler.

Arak packte mich an den Schultern und blitzschnell hatte er mich gegen die Wand gedrängt. Er holte mit Schwung aus und verpasste mir eine saftige Ohrfeige. Der Schlag war so heftig, dass ich benommen zu Boden ging.

„Du kleine Schlampe bist nicht in der richtigen Position, um SO mit mir zu sprechen!“
 

„ARAK!“

So erschrocken ich eben noch gewesen war, so erleichtert war ich, als ich seine Stimme vernahm.

Mit aufgerissen Augen ließ er mich los. „Gin…“ Arak lachte auf, zeigte mit seinen Wurstfingern auf mich.

„Sie -“

Gin sah so aus, als würde er dem jungen Wissenschaftler gleich den Hals umdrehen.

„Schnauze, Arak! Es interessiert mich nicht, was du zu sagen hast. Und jetzt verpiss dich gefälligst!“

Araks Mine erstarrte und er hastete an Gin vorbei, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen.

Noch immer hockte ich wie gebannt an der Wand, meine Hände zitterten. Ich dachte an damals, als diese dummen Jungen mich herumgeschubst hatten. Und wieder hatte er mich gerettet.

Gin reichte mir die Hand und zog mich zu sich hoch. Wortlos strich er über meine schmerzende Wange und ich konnte die Tränen nicht zurückhalten.

„Warum weinst du?“, fragte er mit leiser Stimme.

Ich schüttelte schluchzend den Kopf. „Ich weiß nicht…“

Gin sah mich nachdenklich an.

„Räum auf, dann fahre ich dich nach Hause…“
 

Auf dem Rückweg ärgerte ich mich schon wieder über meine Hilflosigkeit. Ich wollte aber nicht schwach und hilflos sein.

„Wie geht’s im Labor voran?“, fragte Gin und unterbrach damit meine aufkommende Selbstverachtung.

„Eigentlich ganz gut…“, erwiderte ich.

Da fiel mir eine ganz andere Sache ein.

„Sag mal… bekomme ich irgendwann einen Namen?

Gin grinste wieder so seltsam, wurde aber schnell wieder ernst.

„Ich habe dem Boss bereits einen Namen vorgeschlagen. Du musst nur noch zustimmen.“

Neugierig sah ich auf. „Und welchen?“

Gin parkte am Straßenrand. „Wie gefällt dir Sherry?“

„Hm…“ Wie kam er gerade auf diesen Namen?

„Ich finde, er passt zu dir.“

„Naja… wenn du das sagst, wird’s schon stimmen. Ich bin einverstanden!“

Ich griff nach meiner Tasche und öffnete die Wagentür. „Bis nächste Woche…“

„Schönen Feierabend und träum süß… kleine Sherry.“

Ich errötete, dann lächelte ich und stieg aus dem Auto.

Jetzt war ich offiziell Sherry, das Mitglied einer geheimen Organisation.

Und ab diesem Zeitpunkt nannte mich Gin auch nicht mehr beim Vornamen. Ich war ein vollwertiges Mitglied der Organisation. Nur war mir die Bedeutung dessen noch nicht wirklich bewusst. Noch ahnte ich nicht, wie hoch man Loyalität in der Organisation wirklich schätzte.

Mit einem Lächeln auf den Lippen lief ich die Treppen zu meiner Wohnung hinauf.
 

Auf der letzten Stufe erstarrte ich.

Ein kalter Schauer rann mir den Rücken hinunter.

Vor der Tür stand eine junge Frau. Lange, braune Haare, ehrliche Augen und mit einem skeptischen Ausdruck im hübschen Gesicht.

„Shiho-chan!“
 

Jetzt mal eine kleine Aufgabe für euch; Wer mir als Erstes sagen kann, wofür die Abkürzung TFFP1 vollständig ausgeschrieben steht, der bekommt 10 KaroTaler von mir! Noch ein kleiner Tipp. Erinnert euch an die Funktion des Giftes. Und denkt daran, dass das Gift natürlich einen Namen erhält, der international verständlich sein muss.

Das nächste Kapitel ist bereits fertig und wird morgen hochgeladen! Dann gibt es auch die Auflösung des kleinen Rätsels.

Besuch

Da sich bisher niemand an das Rätsel vom vorherigen Kapitel rangetraut hat, gibt es auch erstmal keine Auflösung. :P Kann ja sein, dass doch noch jemand drauf kommt.

Wie am Tag zuvor versprochen; das nächste Kapitel!

Ich darf euch verraten... dass das Kapitel DANACH eine entscheidene Wendung mit sich bringt.

Viel Spass beim Lesen. Über Kritik freue ich mich nach wie vor...
 


 

Als mir die Tränen in die Augen schossen, wich der skeptische Ausdruck aus dem Gesicht meiner Schwester.

Ich stolperte auf Akemi zu und sie empfang mich mit offenen Armen. Ganz fest hielt sie mich, strich mir zärtlich übers Haar.

Knapp drei Jahre hatten wir uns nicht mehr zu Gesicht bekommen und in diesem Moment fühlte es sich so an, als würde die gesamte Anspannung dieser Zeit sich nun auflösen.

„Was machst du denn hier, Akemi-oneechan?“

Sie lachte leise auf, wie sehr hatte ich ihre unbeschwerte Art vermisst.

„Es ist eine Überraschung! Natürlich wussten sie davon, aber ich hoffte, sie wurden es dir nicht sagen.“

„Sie?“, fragte ich ganz naiv.

Akemi seufzte schwer. „Na, die Organisation. Auf dem gesamten Weg hierher klebten sie an mir dran. Echt lästig. Aber willst du nicht rein? Dir scheint kalt zu sein.“

Es stimmte, dass mein gesamter Körper furchtbar zitterte. Doch ihr fror nicht, es war allein die Aufregung, die meinen Körper verrückt spielen ließ.
 

„Hübsch hast du es hier. Klappt auch das denn alles mit dem Haushalt schmeißen und so?“

Ich nickte und nahm ihr die Jacke ab. Den Koffer stellten wir im Flur ab.

Als ich mich umdrehte, grinste Akemi breit. Ihre Augen glänzten.

„Du bist noch hübscher geworden, Shiho-chan! Vielleicht nur ein wenig zu blass…“

Verlegen zuckte ich mit den Schultern. Meine Schwester selbst war erwachsen geworden. Sie war jetzt 22 und beendete ihr Studium bald.

„Woher bist du jetzt eigentlich so spät gekommen? Doch nicht etwa aus der Schule?“

Ich stand in der Küche und setzte Kaffee auf.

„Nein… ich war im Labor.“, antwortete ich zögernd. „Gin hat mich nach Hause gefahren.“

Akemi hob die Augenbrauen. Sie wusste zwar, dass ich inzwischen für die Organisation arbeitete, war jedoch wenig begeistert davon.

„Ich finde das nicht gut!“ Sie nahm kopfschüttelnd die Tasse Kaffee entgegen, die ich ihr reichte.

„Danke… Aber du solltest die Schule beenden, bevor du anfängst zu arbeiten. Außerdem… hättest du nicht in der Organisation anfangen sollen. Niemals!!“

Ich runzelte die Stirn. „Warum denn nicht?“

Meine Schwester holte tief Luft, seufzte.

„Weil das alles Kriminelle sind, Shiho! Verstehst du das denn nicht? Kriegst du überhaupt nicht mir, was da vor sich geht? Sie begehen Verbrechen im großen Stil! Die Organisation schreckt vor nichts zurück, noch nicht einmal vor Mord!!“

Ich schlug die Augen nieder. „Damit habe ich nichts zu tun…“

Akemi verdrehte die Augen. „Ach, nein? Du unterstützt ihre Schandtaten aber, indem du Gift und andere Substanzen herstellst!“

Sie nahm einen großen Schluck aus ihrer Tasse.

„Was glaubst du, weshalb sie uns getrennt haben? Damit sie die völlige Kontrolle über dich haben! Shiho… ich mache mir doch nur Sorgen.“

Ich schwieg. Es mag sein, dass Akemi Recht hatte.

Inzwischen konnte ich die Ängste und die Sorgen meiner Schwester gut verstehen.

Doch dafür musste ich erst das wahre Gesicht der Organisation kennen lernen.

„Warum… musst du nicht für die Organisation arbeiten? Ich meine… hast du dich dagegen gewehrt, oder so?“

Akemi strich sie die Haare aus dem Gesicht.

„Nein. Mir wurde das bisher nicht angeboten, worüber ich sehr glücklich bin. Ich nehme an, ich war bereits zu alt, beziehungsweise… ich war nicht mehr so gut manipulierbar wie du.“

Sie verzog das Gesicht, als hätte sie etwas Bitteres gegessen.

„Auch wenn ich nicht für diese Schweine arbeitete, werde ich des öfteren beobachtet. Als ich volljährig geworden bin, überlegte ich, dass Sorgerecht für dich zu übernehmen und dich nach Japan zurück zu holen. Aber wenn ich dem Jugendamt unsere Situation schildere… dann war’s das. Die Organisation würde NIEMALS zulassen, dass Informationen über sie herausgegeben werden. Ich wäre schneller beseitigt, als ich gucken könnte!“

Erschrocken riss ich die Augen auf.

„Dann mach es nicht, bitte!! Es wird hier schon alles klappen und irgendwann kann ich sicher nach Japan zurück!“

Niemals wollte ich, dass meiner Schwester wegen mir etwas geschieht. Umso schlimmer war es für mich, als sie Jahre später, beim Versuch mich aus der Organisation zu befreien, sterben musste.

Akemi sah mich bekümmert an. „Wahrscheinlich ist es sowieso schon zu spät. Sie werden dich nicht gehen lassen. Wer einmal in den Fängen der Organisation ist, kommt nicht wieder raus. Außer er stirbt.“

Dass sie derart drastische Worte wählte, schockte mich nur noch mehr.
 

Als ich später im Bett lag, zweifelte ich das erste Mal an meiner Entscheidung, der Organisation beizutreten. Durch Akemi sah ich die Dinge etwas klarer. Doch es reichte nicht aus, mich dummes Ding vollständig zu überzeugen.
 

Am nächsten Morgen stand ich früh auf. Akemi hatte bei mir übernachtet und ich wollte Frühstück für uns machen.

Gerade hatte ich den Tisch fertig gedeckt, als meine Schwester mit nassen Haaren aus dem Bad kam. Sie grinste. „Was für ein Service…“
 

„Wie lange kannst du eigentlich in L.A. bleiben?“, fragte ich während des Frühstücks. Am Abend zuvor hatte ich völlig vergessen, mich danach zu erkundigen.

Sie strich Marmelade auf das Brot und leckte sich kurz über den Finger.

„Also… meine Semesterferien sind am Montag vorbei, dann muss ich spätestens am Freitagabend den Flieger nehmen.“

„Hm, Vormittags habe ich eigentlich Schule, aber wenn ich ein paar Tage fehle - “

„Kommt nicht in Frage!“, rief Akemi dazwischen. „Ich will nicht, dass du die Schule wegen mir schwänzt.“

Ich stöhnte auf. „Aber wenn ich Nachmittags im Labor arbeiten muss, dann sehen wir uns überhaupt nicht!“, erwiderte ich verzweifelt.

Akemi schien kurz zu überlegen. „Vielleicht kannst du es ja organisieren, einige Tage frei zu bekommen.“

„Vielleicht…“, meinte ich skeptisch. Ich hatte da einige Zweifel.

„Ich werde mal mit Gin darüber sprechen.“, sagte ich und begann den Tisch abzuräumen.

„Er ist also immer noch für dich zuständig? Nach all den Jahren?! Meine Schwester verzog das Gesicht.

„Ich mag ihn nicht, er ist mir so was von unsympathisch. Er ist ein seltsamer Kerl.“ Verächtlich rümpfte sie die Nase.

„Aber er ist zumindest kein schlechter Mensch.“, antwortete ich leise.

Eigentlich kann ich es nicht fassen, dass ich mal gut über Gin gesprochen habe. Doch zu diesem Zeitpunkt kannte ich seine tödliche, brutale Seite noch nicht.

Und Liebe macht bekanntlich blind.

Zunächst…

Tatsächlich schaffte ich es, einige Tage frei zu bekommen. Nur Montag und Dienstag musste ich für jeweils zwei Stunden im Labor bleiben.

Die freie Zeit nutzten wir natürlich. Und für wenige Tage fühlte ich mich wie eine gewöhnliche Jugendliche, die mit ihrer Schwester shoppen ging und Spaß hatte. Ganz unbeschwert waren wir jedoch nicht, da man uns auf Schritt und Tritt beobachtete. Doch Akemi ignorierte diese Tatsache gekonnt und ich ließ mich von ihrer Fröhlichkeit ein wenig anstecken.
 

Wir gingen auch ins Kino. In meiner Freizeit hatte ich bis dahin noch nie einen Film im Kino gesehen. Es schien so unglaublich, dass Akemi mich auslachte. Zuerst war ich ein wenig eingeschnappt, doch als der Film anfing, sprang ich über meinen Schatten und war nicht mehr sauer.

Stattdessen konzentrierte ich mich auf den Film. Es war ein Drama, in welchem eine Frau ihren Mann mit einem Jüngeren betrügt und ihr Ehemann diesen schließlich umbringt.

Die Hauptdarstellerin war Sharon Vineyard, eine sehr berühmte Schauspielerin und auch wenn sie bereits Mitte 40 war, sah sie noch immer unheimlich gut aus. Sie spielte hervorragend und ich war von ihrem Können sehr beeindruckt.

„Sogar in Japan ist sie sehr berühmt!“, erzählte Akemi, nachdem wir den Kinosaal verlassen hatten.

„Aber ich glaube, das liegt vor allem an ihrer Freundin Yukiko Kudo. Früher war sie auch Schauspielerin, jetzt ist sie mit diesem Schriftsteller verheiratet und hat einen Sohn.“

„Du weißt aber eine Menge über diese Sharon.“, meinte ich verwundert, Akemi winkte jedoch nur ab. „Quatsch. Es weiß niemand etwas Genaues über Sharon. Sie schottet sich dermaßen ab, wenn sie nicht gerade vor der Kamera steht. Stellen die Reporter ihr Fragen, lächelt sie nur ganz geheimnisvoll. Total seltsam, die Frau. Aber trotz allem ist sie eine brilliante Schauspielerin, findest du nicht auch?“

Ich nickte zustimmend.

Wer hätte gedacht, dass mir diese Frau Jahre später nach dem Leben trachten würde?
 

Freitagabend musste ich mich wieder von meiner Schwester verabschieden.

Tapfer lächelte ich, als Akemi mich umarmte und mir einen Kuss auf die Stirn gab.

„Mach’s gut, Shiho-chan und pass bitte auf dich auf.“

„Natürlich!“, erwiderte ich. “Und du auf dich…“

„Wir sehen uns, Shiho-chan.“

Mit diesen Worten stieg sie ins Taxi. Ich sah dem Wagen hinterher, bis er um die nächste Ecke bog. Lang stand ich noch auf dem Bürgersteig, bevor ich der untergehenden Sonne den Rücken zukehrte.

Ganz automatisch liefen mir die Tränen herunter, nachdem ich die Wohnungstür hinter mir zugezogen hatte. Weinend sank ich auf die Knie.

Ich fragte mich, wie viele Jahre erst wieder ins Land gehen mussten, bis wir uns erneut sahen. Gleichzeitig hasste ich es, heulend auf dem Boden zu sitzen und in Selbstmitleid zu versinken.

Ich biss die Zähne zusammen und wischte mir wütend übers Gesicht.

Mit diesem Geheule muss Schluss sein, dachte ich entschlossen.

Auch wenn es schon spät war, griff ich nach meiner Tasche und machte mich anschließend auf den Weg ins Labor.

Grau

[Dieses Kapitel ist nur Volljährigen zugänglich]

Schock

Endlich ist dieses Kap fertig. Ich muss sagen, es war nicht gerade leicht einen Anfang zu finden… nach der gemeinsamen Nacht. ;)

Aber nun ist es soweit. Und ich darf euch sagen, ihr habt bereits über die Hälfte dieser FF gelesen.

Mein endgültiger Plot steht jetzt fest, vielleicht werde ich hier und da noch etwas verändern.

Doch es wird jetzt noch 4 Kapitel und einen Epilog geben. Ich hoffe, ich bekomme meinen Gedankenamok noch unter…

Viel Spaß beim Lesen.
 


 

„Sag bloß, du musst jetzt arbeiten?“

Frisch geduscht und angezogen hatte ich das Wohnzimmer betreten.

Gin packte hastig eine Tasche, die Kippe locker im Mund. Er schien über etwas verärgert, den der Ausdruck in seinem Gesicht verriet alles Andere als gute Laune.
 

„Jemand aus der Organisation hat Scheiße gebaut und ich darf mich um den Dreck kümmern.“

Seine Stimme klang irgendwie kalt… und erbarmungslos. Aber es war nicht nur Gins Stimme, seine ganze Haltung schien vollkommen verwandelt und ich war total erschrocken darüber.

Obwohl ich ihn nun all die Jahre kannte und seine Launen oft genug mitmachte, nach gestern Abend kam er mir wie ein anderer Mensch vor.
 

„Du kannst solange hier bleiben und wenn ich zurück bin, fahre ich dich nach Hause.“

Gin war im Begriff zu gehen, als ich ihn am Arm festhielt.

„Ich will mitkommen!“, sagte ich entschlossen.

Fast grinste ich über den überraschten Blick, nachdem er mir an diesem Morgen das erste Mal ins Gesicht geblickt hatte.

„Das geht nicht…“, erwiderte Gin knapp und zog sich die Jacke über.

„Warum?“

Für einen Augenblick kam ich mir wie ein Kind vor; neugierig, voller Ungeduld und anhänglich.

Doch ich wollte bei ihm sein, mit ihm Zeit verbringen. Egal wie. Ich wusste, eine Hilfe konnte ich ihm wahrscheinlich nicht sein und trotzdem wollte ich ihn begleiten, ihn in meiner Nähe wissen.

Er gab seufzend auf. „Zieh deine Schuhe an, beeil dich.“
 

Wir fahren fast eine dreiviertel Stunde unterwegs, bis wir eine ziemlich herunter gekommene Gegend erreichten. Der Abfall stapelte sich am Straßenrand und an den Fenstern der grauen Mietswohnungen standen Frauen, unterhielten sich auf fremden Sprachen mit ihren Nachbarn.

„Wohin fahren wir?“ Ich sah aus dem Fenster und beobachtete einen etwa Fünfjährigen, wie er im Müll wühlte. War er etwa auf der Suche nach etwas Essbarem?

„Gleich um die Ecke ist eine alte Lagerhalle“, antwortete Gin und er bog um die Kurve.

Vor der Halle war ein verbeulter Ford geparkt.
 

„Er ist schon da.“, murmelte Gin und schnallte sich den Sicherheitsgurt ab. Er zündete eine Zigarette an und öffnete die Wagentür.

„Du bleibst hier! Es dauert nicht allzu lange.“

Brav nickte ich und sah noch, wie er eine Tasche aus dem Kofferraum herausnahm. Aber wofür?

Ich lehnte mich zurück, klappte den Blendschutz herunter und betrachtete mich kurz in dem kleinen Spiegel.

Bereute Gin, mit mir geschlafen zu haben? Vielleicht bedeutete es ihm auch nichts weiter und der Sex war nur eine nette Abwechslung gewesen.

Es schmerzte, dass er mich so abweisend behandelte. Oder lag es nur an seiner schlechten Laune? Ich hätte gern mit ihm darüber gesprochen. Und doch war es mir unangenehm, solch ein Thema anzuschlagen. Ich wollte nicht, dass er mich für eine pubertäre Zicke hielt.

Etwas vorgeheult hatte ich ihm schon oft genug.

Doch mit Gin über Gefühle zu reden…

Meine Gedanken schweiften wieder zum vorherigen Abend. Wenn ich an seine Finger dachte oder an seinen warmen Atem an meinem Ohr… bekam ich augenblicklich eine Gänsehaut. Ob sich dieser Abend wiederholen würde, fragte ich mich.
 

Ich wurde urplötzlich aus meinen Gedanken gerissen, als ein Schuss ertönte.

Die Haare stellten sich mir zu Berge, mein Puls raste. Alles war auf Alarmbereitschaft gestellt.

Ich starrte zu dem geschlossenen Tor der Halle.

Was geschah dort? Wer hatte geschossen? Und auf wen?

Leichtsinnig und völlig unbewaffnet rannte ich auf das Tor und öffnete es einen Spalt weit. Ich schlüpfte lautlos hindurch.
 

Meine Augen gewöhnten sich nur langsam an das Dämmerlicht. Panisch blickte ich mich um. Wo war Gin?

Kies und Sand knirschten unter meinen Schuhen, als ich wenige Schritte geradeaus ging.

Dann erstarrte ich und eine Welle der Übelkeit überkam mich.

Genau vor mir lag ein Mann auf dem Boden. Er war eindeutig tot. Zwischen den Augen trat stetig hellrotes Blut aus einer Schusswunde und bildete eine Pfütze um den Kopf des Mannes.

Es war grässlich. Zum ersten Mal in meinem Leben sah ich eine Leiche.

Seine verzerrten Gesichtszüge und die aufgerissenen, leeren Augen ließen mich erschaudern.

Dermaßen geschockt, bemerkte ich die Schritte hinter mir nicht und schrie auf, als Gin mich an der Schulter herumriss.

„Was machst du hier? Hab ich nicht gesagt, du sollst im Wagen warten?“ Er sprach leise, doch die Wut in seiner Stimme überhörte ich nicht.

Ich überging seine Bemerkungen.

„HAST DU IHN UMGEBRACHT? WARST DU ES?!“ Lauter als beabsichtigt, schrie ich Gin an. Ich drehte mich von ihm und von der Leiche weg und vergrub das Gesicht in den Händen.

„Oh, Gott…“
 

„Was glaubst du eigentlich, was mein Job in der Organisation ist?“

Das reichte mir als Antwort und ich schüttelte entsetzt den Kopf.

Der Nebel in meinem Gehirn hatte sich plötzlich aufgelöst und ich konnte klar sehen.
 

Der Mann, den ich liebe, ist ein Mörder.
 

Es hätte mir schon längst bewusst sein müssen. Doch ich war so dumm und naiv, dass ich nicht glauben wollte, was Gin wirklich für ein Mensch war.
 

Als Gin mich aus dem Fabrikgebäude zog, ahnte ich ja nicht, was die Zukunft für mich bereithielt.

Ich hätte sofort fliehen und mit meiner Schwester untertauchen sollen, dann wäre sie vielleicht noch am Leben.

Oder… wir wären beide schon längst tot.
 

Zitternd saß ich auf dem Beifahrersitz.

„Deshalb solltest du nicht dabei sein. Ich wollte dir diesen Anblick ersparen.“, sagte Gin nach einer Weile.

Ich starrte aus dem Fenster, versuchte diesen bitteren Geschmack auf meiner Zunge runterzuschlucken. Es gelang mir nicht und ich unterdrückte das aufkommende Würgen.

„Bleibt… bleibt der Typ da liegen, bis er… gefunden wird?“, fragte ich leise. Ich musste mich ablenken und ein anderes Thema wollte mir nicht in den Sinn kommen.

„Nein. Während du in die Halle gestürmt bist, habe ich telefoniert. Ein Aufräumkommando kümmert sich bereits um den Saustall. Es dürfen keine Spuren zurückbleiben, das ist eine der wichtigsten Regeln der Organisation. Alles, was die Existenz der Organisation belegt, muss beseitigt oder sicher verwahrt werden.“

Ich sah ihn an, selten sprach er über die Methoden der Organisation.

„Dieser Mann…“, er zog heftig an seine Zigarette, „ …hat versucht uns zu erpressen.“ Gin lachte leise auf. „Uns, als wären wir eine kleine Bande von Gaunern. Eigentlich wollte er sich bei uns ein wenig Geld verdienen. Er war kein richtiges Mitglied, hat nur kleinere Aufträge übernommen. Daher war er auch so dumm und glaubte, sich mit uns anlegen zu können.“
 

Langsam verstand ich. Es konnte Fluch oder Segen bedeuten, in der Organisation mitzuwirken. Denn es kam einzig darauf an, wie loyal man der Organisation begegnete.

Es musste einem bewusst sein, welchen Preis man dafür zahlte…
 

Gedankenverloren bemerkte ich nicht, wie Gin vor meinem Apartment parkte.

Er schnipste mir vor die Augen und ich sah mich orientierungslos um.

„Schläfst du schon?“

Seine Stimme klang wieder etwas weicher und sanfter.

Ich schüttelte den Kopf und seufzte.

„Wir sollten uns darum kümmern, dass du in die Wohnung kommst und dich ausschläfst.“, meinte Gin grinsend.

Ich stöhnte auf. Ich hatte vollkommen vergessen, dass ich nicht in die Wohnung kam.

„Keine Sorge. Ich kenne eine paar Tricks, wie wir die Tür aufkriegen.“
 

Und wirklich, Gin hatte die Tür innerhalb von wenigen Sekunden geöffnet.

Seltsam, wieso war ihm das am Abend vorher nicht schon eingefallen?
 

Erleichtert stellte ich fest, dass der Schlüssel noch am Haken hing und ich ihn doch nicht verloren hatte. Sonst hätte ich das ganze Schloss austauschen müssen.

Ich verabschiedete mich von Gin.

„Danke, dass du… mich nach Hause gebracht hast…“ Weil ich an den Abend zuvor denken musste, war ich total verlegen und es fiel mir schwer, die richtigen Worte zu wählen.

„Schon gut…“ Gin grinste kurz, dann sah er mich lange an und strich mir sanft über die Wange.

„Schlaf dich gut aus, wir sehen uns am Montag.“

Bei seinem Blick wurden meine Beine ganz weich und ich konnte nur nicken.

Dann ging er und ich schloss die Tür.

Unglaublich, was innerhalb von zwei Tagen passieren konnte. Für meinen Geschmack war es jedenfalls zuviel.

Total erschöpft ließ ich mich aufs Bett fallen und fiel glücklicherweise in einen traumlosen Schlaf.
 


 

Ich hasse Betteln, das müsst ihr mir glauben...

Aber ich frage mich langsam wirklich, weshalb ich bei Animexx kaum Kommentare für diese FF bekomme. o.o Ist die Geschichte langweilig, dauert es euch zu lange, bis ein neues Kap hochgeladen wird? Lasst es mich unbedingt wissen!

Macht

Dieses Kapitel hat mich wieder einige Mühen gekostet. Ich hoffe sehr, mir ist es einigermaßen gelungen, diesen seltsamen Konflikt zwischen Gin und Sherry darzustellen.

Viel Spass beim Lesen!
 

Es vergingen einige Monate, in denen nicht viel geschah.

Ich ging zur Schule und fuhr danach immer ins Labor. Da TFFP1 inzwischen fertiggestellt war und es nur wenig zu arbeiten gab, langweilte ich mich des öfteren. Trotzdem blieb ich meistens bis Abends im Labor, sei es um zu lernen oder zu experimentieren.

Gin sah ich nur noch, wenn er mich Abends nach Hause brachte. Oft war er ziemlich wortkarg und sah schlecht gelaunt aus. Ich fragte mich, was in ihm vorging, doch wagte es nie nachzuhaken.

Es gab natürlich auch Ausnahmen. In diesen Momenten wurden seine unbarmherzigen Augen weicher, fast zärtlich. Dann strich er mir über die Wange und küsste mich. An den Wochenenden war ich bei ihm und wir schliefen miteinander. Er holte mich ab und ich blieb dann über Nacht. Es war immer dasselbe Ritual.

Wenn Gin überraschend einen Anruf erhielt und er arbeiten musste, begleitete ich ihn nicht. Ich saß dann in seiner Wohnung, wartete auf seine Rückkehr und versuchte zu verdrängen, dass er vielleicht gerade wieder zum Mörder wurde. Diese Tatsache wollte ich vergessen, sie vollkommen aus meinem Kopf ausblenden. Es klappte nicht immer.
 

An einem Samstagnachmittag kam Gin erst gegen Mitternacht zurück. Ich war fast auf dem Sofa eingeschlafen und erschrak, als er plötzlich im Wohnzimmer stand.

In der linken Hand hielt er den silbernen Koffer, die andere hatte er an den zerfetzen Mantelärmel gepresst. Seine Finger glänzten blutig und ich hielt die Luft an.

Sofort sprang ich auf. „Was ist passiert?“, fragte ich panisch.

Doch Gin blieb gelassen. Den Koffer stellte er auf dem Boden ab, dann zog er sich den Mantel und das langärmlige Shirt über den Kopf.

„Es ist nicht schlimm. Ein Schuss hat mich gestreift.“ Er wirkte ganz ruhig und gefangen.

Ich fragte nicht weiter, wie es dazu gekommen war, lief stattdessen ins Bad und holte den Verbandskasten.

Gin hatte sich auf das Sofa gesetzt und bereits eine Kippe zwischen den Lippen. Sollte ich ihn für seine Ruhe bewundern oder mich ärgern?

Schnell verwarf ich den Gedanken und sah mir die Verletzung an. Die Wunde war tiefer, als ich gedacht hatte.

„Das muss genäht werden!“

„Unnötig. Sie wird auch so verheilen.“, erwiderte Gin nur.

Ich unterdrückte ein Seufzen und säuberte die Wunde vorsichtig. Danach legte ich sorgfältig den Verband um seinen Oberarm. Während der ganzen Aktion zuckte er noch nicht einmal mit der Wimper.

„Fertig.“, sagte ich leise.

„Meine Sherry ist nicht nur Wissenschaftlerin, sondern auch Krankenschwester.“

Gin grinste und mir stieg die Hitze in den Kopf. Trotz seiner Verletzung beugte er sich über mich, so dass ich plötzlich an seiner Stelle auf dem Sofa lag.

„Eine Krankenschwester würde dir jetzt Ruhe verordnen!“, tadelte ich ihn kaum hörbar.

Doch Gin hatte bereits die ersten Knöpfe meiner Bluse geöffnet.
 

Mein Kopf ruhte auf seiner Brust während er mir das Haar verwuschelte.

Neugierig streckte ich die Hand nach der Pistole aus, die Gin auf dem Tisch abgelegt hatte.

In meiner Hand fühlte sich die Waffe schwer. Wie viele Leben waren durch dieses Ding bereits ausgelöscht worden? Allerdings wollte ich gleichzeitig nicht weiter darüber nachdenken.

„Interessiert du dich für Waffen?“

„Nicht sehr. Ich kenne mich überhaupt nicht aus.“, antwortete ich nachdenklich und strich mir eine schulterlange Strähne aus dem Gesicht. Es wurde Zeit für einen Frisörbesuch.

„Das ist eine Beretta M9, eine halbautomatische Selbstladepistole. Normalerweise verwendet die US Army oder auch die Polizei solch eine Waffe. Aber sie liegt gut in der Hand, deshalb benutze ich sie.“

Beretta, das ist eine italienische Waffenfabrik. Ich hatte davon gelesen. Deren Waffen wurden oft in Filmen verwendet.

„Wenn du möchtest, bring ich dir das Schießen bei. Ich wäre ein guter Lehrer. Und es wäre dir sicher noch von Nutzen.“, fügte Gin hinzu.

Ich dachte darüber nach. Es lag nicht in meinem Sinne jemanden zu verletzten oder sogar zu töten. Doch wenn ich mit einer Waffe umgehen konnte, wäre ich in der Lage mich selbst zu verteidigen. Vielleicht war es keine schlechte Idee.

„Doch, ich will es lernen. Aber ich will, dass du es mir beibringst! Niemand sonst!“, meinte ich eindringlich.

Gin nickte. „Das lässt sich einrichten. Nur brauche ich dafür eine Genehmigung vom Boss und das wird etwas dauern. Solange wirst du dich gedulden müssen.“
 

Tatsächlich vergingen noch einige Wochen und dann brachen die Ferien auch schon an.

Am Tag vor meinem 16. Geburtstag ging ich endlich zum Friseur. Zuvor bat ich meine Schwester um Rat und sie schickte mir einige Bilder. Aus meiner langweiligen Mähne, die mir bei der Arbeit immer ins Gesicht fiel, sollte eine kurze und unkomplizierte Frisur werden.

Noch während des Schneidens war ich skeptisch, doch das Ergebnis überraschte mich.

Bisher hatte ich mir nicht viel Gedanken darum gemacht, ob ich gut aussah oder modisch gekleidet war.

Doch mit dem neuen Haarschnitt kam mir zum ersten Mal der Gedanke, dass ich ein recht hübsches und sehenswertes Gesicht habe. Zudem hatte ich den Eindruck nun ein wenig erwachsener auszuschauen.

Gut gelaunt stand ich am nächsten Morgen mit diesem tollen, neuen Gefühl auf.

Es klingelte ich und ich lief mit schnellen Schritten zur Tür.

Gin zog die Augenbrauen überrascht hoch.

„Hübsch.“, meinte er und ich strahlte ihn an.

„Ich nehme an, du hast Zeit?“

Ich nickte neugierig. „Ja, wieso? Was hast du vor?“

Gin schüttelte den Kopf, nahm meine Tasche von der Garderobe und zog mich aus der Wohnung. „Darf ich nicht verraten, sonst wär’s keine Überraschung mehr.“

Erstaunt sah ich auf.

Eine Überraschung?

Für mich?

Von ihm geplant?
 

Nach der Fahrt im Auto schnappte ich nach Luft. Es war ein seltsam schwüler Tag und meine Bluse schien an mir zu kleben.

Wir liefen durch eine Parkanlage und standen ganz plötzlich vor einem riesigen, grauen Gebäudekomplex.

„Ein Militärstützpunkt?“ Wenig romantisch, wie ich feststellen musste.

„Die Organisation hat hier einige Räume gemietet. Normalerweise dürfen hier Zivilisten nicht hin.“

Am Eingang erwartete uns ein Pförtner.

Gin zückte eine Art Pass aus der Tasche, welche der Pförtner sorgfältig begutachtete. Wir durften weiter, doch er starrte uns misstrauisch hinterher.

Wir betraten das kühle Gebäude und ich atmete auf.

„Du erregst zuviel Aufmerksamkeit.“, knurrte Gin leise vor sich hin.

Ich hob die Augenbrauen. „ICH?“ Mein Blick wanderte über seine, immer länger werdenden Haare.

„Er hat dich angestarrt, als wollte er dich fressen!“ Seine Miene verfinsterte sich und ich lachte belustigt auf.

„Du bist ja eifersüchtig!“, stellte ich fest und kicherte.
 

Auf seine Reaktion war ich ganz und gar nicht gefasst.

Ruckartig hatte Gin mich gegen die Wand gepresst. Sein Gesicht war ganz nah bei meinem.

Erschrocken hielt ich den Atem an.

„Kein Mann hat dich SO anzustarren!! Stehst du etwa darauf ,wenn die Typen dich mit ihren Blicken ausziehen?“

Er war laut geworden und ich schüttelte verunsichert den Kopf.

Da ließ Gin mich wieder los.

„Denk immer daran, dass du zu mir gehörst!“

Stumm nickte ich und Gin ging weiter, als wäre nichts geschehen.

Über seinen plötzlichen Ausbruch war ich verwirrt. Weder hatte ich bemerkt, dass der Wärter mich angestarrt hatte, noch das ich eine so anziehende Wirkung auf Männer haben sollte.

Oder war es nur in Gins Augen so?

Letztendlich war meine gute Laune wie verflogen und ich schritt planlos hinter ihm her.

Mit dem Aufzug fuhren wir in den zweiten Stock und nach wenigen Schritten standen wir vor einer Stahltür. Diese öffnete Gin mit einer Chipkarte.

Ich betrat den Raum und wusste sofort, worum es sich bei seiner Überraschung handelte.

Vor mir befand sich ein langer Schießstand.

„Warum bin ich da nicht eher drauf gekommen?“, fragte ich mich laut. Gin gab mir jedoch keine Antwort. Wortlos drückte er mir eine Waffe in die Hand. Es war das gleiche Modell, das er hatte.

Sorgfältig erklärte er mir die Handhabung: Wie man die Pistole lud, sie sicherte und entsicherte. Die einzelnen Schritte ließ er mich einige Male wiederholen.

„Jetzt setz den Gehörschutz auf.“ Ich fummelte solange an diesem Ding rum, bis es mir halbwegs bequem auf den Ohren lag. Meine Haare standen wahrscheinlich von allen Seiten ab.

Gins Stimme klang nun total gedämpft und lustig, doch ich verkniff mir das Grinsen.

Er stellte sich hinter mich auf und zeigte mir die richtige Körperhaltung. Das er noch sauer war, merkte ich an seiner fast groben Art mit mir umzugehen. Doch es machte mir nichts aus. Nein, im Gegenteil. Ich fühlte mich gut. Es war ein richtiges Hochgefühl, dass ich in diesem Augenblick erlebte.

Wenn Gin dermaßen heftig wegen einer solchen Kleinigkeit reagierte, dann schien ihn doch so einiges an mir zu liegen.

Beim ersten Schuss stand Gin noch immer hinter mir und seine Hände lagen auf meinen. Wir trafen fast ins Schwarze der Schießscheibe.

„Versuch es alleine.“, meinte er und beobachtete mich kritisch.

Ein voller Reinfall. Der starke Rückstoß riss mich fast um und die Scheibe hatte ich nicht mal annähernd getroffen.

Ich verzog das Gesicht.

„Macht nichts! Noch mal!“

Ich atmete tief durch und zielte.

„Stell dich gerader hin. Nein! So wie ich es dir gezeigt habe. Du musst lockerer werden und hör gefälligst auf, so dämlich zu grinsen!“

Lachend nahm ich die Arme herunter und er seufzte. Erneut zeigte Gin mir die korrekte Haltung.

Dann trat er einen Schritt zurück, sodass er mich nicht mehr berührte.

„Konzentrier dich!“, befahl er.

Genau das fiel mir schwer. Im Labor hatte ich nie ein Problem damit. Dort lief alles einwandfrei.

Doch an diesem Schießstand zitterten meine Hände.

Ich riss mich zusammen, zielte und gab den Schuss ab.

„Gut gemacht!“

Zwar traf ich nicht genau die Mitte, war jedoch schon viel näher dran.

Ich gab weitere Schüsse ab und bekam langsam ein Gefühl für die Waffe. So langsam wurde ich sicherer.

Als Gin mir neue Munition reichte und ich nachlud, legte er seine Hände um meine Taille und zog mich an sich.

„Du siehst verdammt sexy aus, mit der Waffe und dem ernsten Blick.“

Das Blut schoss mir augenblicklich in den Kopf. Das Letzte, woran ich beim Schiessen dachte, war Erotik.

Und doch drehte ich mich zu ihm herum und funkelte ihn mit zusammen gekniffenen Augen an.

„So wie Bonnie Parker*?“

Sein Grinsen wurde noch breiter. „Ja, das kommt hin.“
 

*Bonnie Elizabeth Parker. Sagt euch Bonnie und Clyde etwas? Ja? Dann wisst ihr, woher ich unter anderem meine Inspirationen habe.

Besonders Faye Dunaway gefiel mir in ihrer Rolle als Bonnie. Seht euch Bilder an, dann wisst ihr, was ich meine!

Kälte

Hui, wir nähern uns immer mehr dem Ende… auch das folgende Kapitel ist schon fertig und muss nur noch abgetippt werden. (Ich schreibe mit der Hand vor und tippe dann erst ab…) Vom vielen Schreiben schmerzt bereits meine Hand… und auch, wenn mich diese FF langsam fertig macht, ist sie mein Lieblingsprojekt. +lach+
 

Mein letztes High School Jahr brach an und ich begann, mir Gedanken über meine weitere Zukunft zu machen. Ich wollte Chemie studieren, soviel stand fest. Aber war es mir von Seiten der Organisation gestattet?

Ich nahm mir fest vor, Gin darauf anzusprechen.

Doch es gab nur wenig Gelegenheit dazu und meistens war er dermaßen schlecht drauf, dass ich es nicht wagte, ihn anzusprechen.

Das Hochgefühl war verschwunden. Nach wie vor wollte ich ihn in meiner Nähe wissen, doch meine anfängliche Schwärmerei und Verliebtheit hatten sich aufgelöst.

Naiverweise hatte ich mir eine besondere Beziehung zu ihm gewünscht und wurde durch und durch enttäuscht.

Gin sprach kaum noch mit mir, zeigte mir des öfteren die kalte Schulter und wenn er sich mir annährte, war er sehr grob.

Ich war verzweifelt, gab die Hoffnung dennoch nicht auf. Ich glaubte fest daran, dass sich eines Tages alles ändern würde. Fest davon überzeugt, gab ich mich völlig der Arbeit hin.
 

Der Winter kam und brachte ganz überraschend Schnee mit sich. Ich freute mich über jede einzelne Flocke, die vom Himmel fiel. Lange hatte ich keinen Schnee mehr gesehen.

Die Straßen waren glatt und so machte ich mich zu Fuß auf den Weg zur Schule.

Fast keine Autofahrer waren unterwegs und ich genoss die frische, eisigkalte Luft.

Auf dem Rückweg ließ ich mir viel Zeit. Ausnahmsweise war heute niemand im Labor und ich musste erst am nächsten Tag wieder arbeiten. Ich überlegte bereits, wie ich meine freie Zeit nutzen konnte.
 

„Hey, warte mal…“

Aus meinen Gedanken gerissen, sah ich auf. Neben mir lief ein Junge in meinem Alter her. Er war sehr groß und seine blonden Haare hingen ihm ins Gesicht.

Er war auf meiner Schule, ganz sicher. Aber ich konnte ihn absolut nicht einordnen. Vielleicht war er in einem meiner Kurse…

Ich blieb stehen.

„Du bist Shiho, oder?“ Er strahlte mich an und ich runzelte misstrauisch die Stirn. Was wollte er von mir? Seine Frage war überflüssig, niemand sonst sah aus wie ich. Eine Japanerin mit rotblondem Haar.

Langsam ging ich weiter. „Ja. Und mit wem habe ich die Ehre?“

Seine braunen Augen wurden groß. „Oh, sorry. Ich bin Thomas Harper! Wir haben Chemie zusammen.“ Er hielt mir seine Hand hin und ich nahm sie kurz. Seine Finger waren angenehm warm.

Vage erinnerte ich mich und nickte. „Stimmt.“

„Also die Stevens ist ja echt voll die Schlaftablette, findest du nicht auch?“

„Kann sein.“, meinte ich nervös.

„Was machst du heute noch so?“ Gute Frage.

Ich wusste es selbst nicht. So zuckte ich mit den Schultern. Doch ich riss mich zusammen und versuchte den Mund aufzukriegen. „Ich weiß noch nicht. Eigentlich würde ich ja arbeiten…“ Sofort verstummte ich. Fast hätte ich mich verraten.

„Ach, du hast auch einen Job? Was machst du denn? Ich helfe hin und wieder meinem Vater in der Werkstatt.“ Thomas klang ehrlich interessiert, also sog ich mir irgendwas aus den Fingern.

„Ähm, ich… helfe im Supermarkt aus. Ja… aber, heute… da hab ich frei.“, erzählte ich.

Er klatschte in die Hände und ich zuckte unwillkürlich zusammen. Soviel Lebensfreude war ich nicht gewohnt.

„Hast du dann Lust, mit mir essen zu gehen?“

Zögernd blickte ich ihn an. Mich hatte noch nie jemanden eingeladen. Sonst ignorierte man mich für gewöhnlich.

Aber wieso sollte ich sein Angebot ablehnen? Zeit hatte ich genügend und Thomas schien ein netter Kerl zu sein.

„Klar… gerne.“ Ich versuchte mich an einem Zahnpastalächeln.

Er führte mich in eine rappelvolle Pizzeria.

Der Laden schien beliebt zu sein, ich erkannte einige Leute aus meiner Schule.

Wir hatten Glück und erwischten einen Platz am Fenster.

„Hast du großen Hunger?“, fragte Thomas grinsend. Seine weißen Zähne strahlten zwischen den vollen Lippen.

„Es geht…“, erwiderte ich. Mein Magen fühlte sich aufgrund der ungewohnten Situation ganz flau an.

Wir bestellten und während wir aufs Essen warteten, sah ich aus dem Fenster.

Aus diesem dunkelgrauen Himmel fielen doch tatsächlich diese wunderschönen, weißen Flocken. Die Welt sah unter dieser Schneedecke so friedlich aus… warum konnte es nicht wirklich so sein?

Völlig in Gedanken versunken, vergaß ich Thomas’ Anwesenheit und bemerkte erst nach einigen Minuten, wie er mich musterte.

Verlegen strich ich mir über die Haare. „Ich… entschuldige bitte…“ Wie peinlich. Da wurde ich von einem Jungen eingeladen und starrte nur so vor mich hin.

Er lachte leise, aber es klang in keiner Weis gemein.

„Schon okay. Du siehst süß aus, wenn du so träumerisch aus dem Fenster blickst.“

Ich errötete. War das etwa eine Anmache? Aber er machte nicht den Eindruck eines Playboys. Ich fasste seinen Kommentar einfach als Kompliment auf.

„Danke.“

Thomas lächelte. Unsere Bestellung kam und eine zeitlang waren wir mit Essen beschäftigt.

Darüber war ich etwas erleichtert, da mir nicht wirklich ein Gesprächsthema einfiel. Worüber sprachen Jugendliche in meinem Alter?

Kinofilme? Den letzten und einzigen Film hatte ich mit meiner Schwester gesehen, ich war also nicht auf dem neuesten Stand.

MTV? Innerlich stöhnte ich auf.

Er tupfte seinen Mund mit der Serviette ab.

„Gehst du auf den Frühlingsball?“

Schnell senkte ich den Blick und mir wurde schlagartig bewusst, was ich eigentlich alles verpasste.

„Ich glaube nicht.“, antwortete ich.

Thomas nippte an seinem Colaglas, trank einige Schlücke. „Du gehst nicht viel weg, hm? Was machst du sonst so?“

Arbeiten, dachte ich.

„Ich lese sehr viel.“, erwiderte ich stattdessen. Tolle Antwort, Shiho. Du bist eine wirklich interessante Persönlichkeit.

„Tatsächlich!? Was liest du denn so? Ich mag Stephen King! Seine Bücher sind richtig genial.“

„Ich… interessiere mich für Chemie.“

Es war die Wahrheit, nicht mehr und nicht weniger. Genauso wie die Tatsache, dass ich weder Freunde, noch Hobbies hatte. Es gab meine Schwester, Gin und die Arbeit. Alles weitere hatte ich aufgegeben.

„Es tut mir Leid, wenn ich dich langweile!“

Die ganze Szene wurde mir plötzlich schrecklich unangenehm und ich sprang auf, kramte nach meinem Portemonnaie.

„Ich muss gehen!“, sagte ich panisch.

Er griff nach meinen Händen und ich zuckte erschrocken zurück.

Thomas schüttelte den Kopf. „Nicht doch… du warst eingeladen, schon vergessen?“

Hastig zog ich mir die Jacke über.

„Gehen wir bald noch mal zusammen essen?“, fragte er. Thomas wirkte ratlos und doch hatte er mich noch nicht abgeschrieben.

In diesem Moment fühlte ich mich wirklich schlecht. Er war so freundlich zu mir und gab sich große Mühe. Und doch konnte ich nicht mit ausgehen. Ich hatte keine Zeit, mit irgendwem Pizza zu essen oder zu einer Party zu gehen. Ich war ein Organisationsmitglied und Wissenschaftlerin.

„Ich glaube nicht.“, antwortete ich und hastete aus dem Restaurant.

Was musste dieser Junge von mir denken?

Ich wollte es nicht wissen.

Nie war ich ein normales Kind gewesen, dass unbeschwert mit seinen Freunden gespielt hatte.

Weder eine Kindheit, noch Jugend hatte ich gehabt.

Ich war in die Organisation hineingeboren und auch wenn sie mich von meiner Schwester trennten, so sorgte man für mich und gab mir die beste Ausbildung. Es war ganz natürlich, dass ich daher für die Organisation arbeitete.

Es erschien mir wie eine logische Konsequenz.

Dass ich für die Organisation meine gesamte Freizeit opferte und meine Kindheit aufgegeben hatte, war mir nicht weiter schlimm vorgekommen. Schließlich kannte ich nichts anderes… bis Thomas mir an jenem Nachmittag die Augen öffnete.

Unheimlich deprimiert schloss ich die Tür meiner Wohnung auf und kleidete mich im dunklen Flur aus. Ich machte mir nicht die Mühe, das Licht anzuknipsen.

Seufzend stellte ich meine Schuhe neben der Kommode ab und erstarrte.

Im Wohnzimmer stand regungslos eine Person am Fenster.

Adrenalin schoss durch meinen Körper und fast hätte ich aufgeschrieen, bis ich die blonden Haare erkannte.

„Gin…“ Atemlos keuchte ich auf. Er stand mit dem Gesicht an dem großen Fenster, hatte mir seinen Rücken zugewendet. Draußen schneite es noch immer.

„Ich hab auf dich gewartet, Sherry. Wo warst du?“

Ich schluckte und versuchte, gelassen zu wirken.

„Pizza essen.“, antwortete ich knapp.

„Und wer ist der Junge?“

Ich bemerkte den bedrohlichen Unterton in seiner Stimme und biss mir auf die Lippe. Natürlich hatte man mich die ganze Zeit über observiert. Keine Minute war ich aus den Augen gelassen worden.

„Er ist ein Mitschüler.“

„So, so…“

Beunruhigt trat ich an Gin heran, wollte ihm ins Gesicht blicken.

Gin wandte sich herum, holte urplötzlich aus und ich fiel zu Boden. Dabei schlug ich mit dem Kopf auf dem Tisch auf.

Benebelt lag ich vor seinen Füßen. Ängstlich blickte ich hoch, in sein wutentbranntes Gesicht.

„Was glaubst du, wer du bist!?“ Er packte mich am Kragen meiner Bluse und zog mich zu sich hoch.

„Ich lasse nicht zu, dass DU ein kleines Flittchen wirst! Du gehörst MIR und wenn sich dieser Wichser noch einmal in deine Nähe wagt, kann er was erleben!“

Er ließ mich los und ich prallte unsanft auf den Fliesen auf.

Wimmernd blieb ich liegen. Blut tropfte auf meine Bluse und als ich mir später durchs Gesicht fuhr, wusste ich, dass es aus meiner Nase lief.

„Ab sofort bist du nicht mehr alleine unterwegs, dafür werde ich sorgen!“

Lautlos liefen mir die Tränen über die Wangen, vermischten sich mit dem Blut.

Gin sah wieder aus dem Fenster. Es schneite mich mehr allzu stark, doch stetig die Schneedecke und die Welt verwandelte sich in ein Winterwunderland.

Es war so ruhig. Eine unnatürlich Stille hatte sich in der Wohnung ausgebreitet.

Innerlich schrie ich aus Leibeskräften.

Gift

Beim Schreiben rast mein Herz manchmal derart stark, sodass ich zwischendurch aufhören muss. Das ist echt verrückt. Dabei gebe ich mir alle Mühe, die Szenen in meinem Kopf auf dem Papier umzusetzen.
 


 

Meine Nase war glücklicherweise nicht gebrochen, nur einige Gefäße mussten aufgeplatzt sein. Jedoch bereitete die Beule an meiner Stirn noch einige Tage Kopfschmerzen.

Sprach mich in der Schule jemand auf meine Verletzungen an, erwiderte ich mit einem verkrampften Lächeln, ich sei die Treppe heruntergestürzt. Nun dachte jeder, ich wäre einfach ein dummer Tollpatsch.

Nach diesem Vorfall bekam ich Gin zwei Wochen nicht mehr zu Gesicht.

Als ich am Morgen danach auf die Straße trat, stand ein Mann im schwarzen Anzug auf der anderen Seite. Obwohl Winter war, trug er eine Sonnenbrille.

Ganz instinktiv wusste ich, dass es sich nur um ein Mitglied der Organisation handeln konnte.

Er entdecke mich und auf mich zu.

„Ich hab den Auftrag, dich abzuholen.“, sagte er ohne Begrüßung.

Zunächst erwiderte ich nichts. Es war mir sogar ganz recht, dass ich mich nicht direkt mit Gin auseinander setzen musste.

„Du bist doch Sherry, oder?“

Ich nickte und er schien aufzuatmen.

Ich setzte mich auf den Rücksitz.

Trotzdem beobachtete dieser Typ mich ganz ungeniert im Rückspiegel. Mir waren seine neugierigen Blicke unangenehm und ich war froh, als wir bei der Schule ankamen.

„Nachher hole ich dich auch ab.“, sagte er unnötigerweise, obwohl ich mir dessen schon längst bewusst war.

Ich fragte mich, wie lange Gin mir wohl aus dem Weg gehen würde. Oder war er etwa schon nicht mehr für mich zuständig? Hatte er die Schnauze voll von mir? Trotz des Vorfalls erschreckte mich dieser Gedanke. Gin war in meiner Umgebung der einzige Mensch, dem ich vertraute. Auch wenn es mir missfiel, ich fühlte mich von ihm abhängig.

Trotz meiner Angst stellte ich keine Fragen.

Und man ließ mich zwei Wochen in völliger Ungewissheit.

Und dann, an einem Januarmittag, stand Gin an seinem Auto gelehnt.

Fast hätte ich vor Erleichterung geweint.

Mit pochenden Herzen stand ich vor ihm. Er sagte nichts. Er hob die Hand und strich mir vorsichtig über die Stirn. Fast glaubte ich, er würde sich entschuldigen. Aber diesen Gefallen tat er mir nicht.

Wir stiegen ins Auto und fuhren los. Ich war so glücklich, so verdammt glücklich ihn wieder zu sehen.

„Du hast mir gefehlt.“, sagte ich leise.

Kurz bereute ich meine Worte, aus Angst vor seiner Reaktion. Ich wusste nicht, worauf ich mich gefasst machen sollte.

Ganz überraschend hielt Gin an der Straßenseite und wandte sich zu mir herum.

„Ich will dich nie wieder mit einem anderen Mann sehen, hast du verstanden?“

Nur nicken konnte ich, der Kloß in meinem Hals saß zu fest.

Da zog er mich an sich und küsste mich mit einer Heftigkeit, wie ich sie nicht gewohnt war. Ich schloss die Augen.

Ich war nicht mehr allein.
 

„Es wird ein neues Projekt geben?“, fragte ich neugierig.

An einem warmen Maiabend saß ich in Gins Wohnung, er hatte mich abgeholt.

„Ich hab es selbst erst erfahren. Worum es sich handelt ist unbekannt. Der Boss erwähnte jedoch ausdrücklich, dass du an diesem Projekt teilhaben wirst.“

Ich strahlte übers ganze Gesicht. „Und wann geht’s los?“

Gin zuckte mit den Schultern. „Du wirst es noch früh genug erfahren.“
 

Ich musste mich noch weitere drei Wochen gedulden, bis Gin an einem Nachmittag ins Labor kam.

Zwei dicke Ordner legte er auf dem Tisch ab.

„Was ist das denn jetzt?“, fragte ich stirnrunzelnd.

Er grinste. „Ich darf dir gratulieren. Du bist ab sofort Leiterin des neuen Projekts APTX 4869.“

Meine Augen wurden groß. „Wie… aber, warum ich? Ich meine…“

Er legte mir einen Finger an die Lippen und ich verstummte.

„Das Nötigste werde ich dir jetzt berichten. Alles Andere findest du in diesen Akten.“

Ich nickte und nahm den Stift zur Hand.

„Dieses Projekt besteht schon länger. Deine Eltern haben daran mitgewirkt.“

Mein Herz schien für einen Moment stehen zu bleiben.

„Doch nach ihrem Tod wurde das Projekt aufgegeben. Jetzt soll es neu aufgenommen werden und man hält dich dafür geeignet, es fertig zu stellen. Also vermassel es nicht!“, fügte er hinzu.

Worum handelte es sich bei APTX?“ Ich hielt es kaum aus vor Spannung, wollte am liebsten sofort mit der Arbeit beginnen.

„Es ist ein Gift. Ziel sollte sein, dass es absolut nicht mehr im Körper nachzuweisen ist.“

Ich sah mit zusammengekniffenen Lippen zu Boden. So enttäuscht war ich selten gewesen!

„Das ist unmöglich! So was funktioniert nicht, niemals!“

Gin seufzte und verdrehte die Augen.

„Sherry! Der Boss hätte dich nicht dafür ausgewählt, wenn er nicht von deinen Kompetenzen überzeugt wäre!“

Heftig schüttelte ich den Kopf.

„Ich weiß selbst, was ich kann und was nicht! Und ich kann keine Wunder vollbringen!“, erwiderte ich.

„Du solltest dir gut überlegen, ob du dieses Projekt wirklich ablehnen willst. Es könnte dich in deiner Position als Wissenschaftlerin weit bringen. Sieh dir erst einmal die Akten an.“

Er war im Begriff zu gehen, als er inne hielt und ein Päckchen aus der Tasche zog. „Deine Schwester hat dir ein Paket geschickt.“

Ich nahm es und legte es zur Seite, wo ich das Paket erst mal vergaß.
 

Die gesamte Nacht durchsah ich die Akten und diversen Disketten. Sie waren umfangreich und voller Informationen. Als der Morgen anbrach, verfluchte ich die Schule. Doch in den letzten Wochen vor den Prüfungen durfte ich nicht fehlen und so brach ich total übermüdet auf.

In dieser ersten Nacht hatte ich bereits einen Narren an diesem Projekt gefressen.

Dieses Apoptoxin4869 war unheimlich komplex, doch gerade deshalb reizte es mich so sehr.

Ich beschloss, mich daran zu versuchen und die Arbeit meiner Eltern fortzuführen.

Meine Entscheidung teilte ich Gin mit und mir wurde sofort ein Team von zehn Wissenschaftlerin zugeteilt.

„Brauchst du mehr Leute, gib mir Bescheid. Ach ja… und sollten sie aufmucken, kannst du mich sofort anrufen. Sie mögen zwar älter und erfahrener sein, sind aber noch lange nicht so kompetent wie du!“

Ich nickte und sah mir ihre Daten auf der Diskette an. Jeder von diesen Personen hatte studiert und arbeitete bereits jahrelang in der Organisation. Das ausgerechnet ich die Leitung übernahm, machte mich stolz.

Allerdings musste ich mich zunächst auf die Abschlussprüfungen konzentrieren und konnte die Forschungen noch nicht beginnen.

Daher machte ich mir zunächst nur Notizen und schrieb das Wichtigste heraus. Dabei tauchte das vergessene Paket meiner Schwester wieder auf. Ich wunderte mich über die beiliegenden Disketten und las den Brief. Es musste sich um Urlaubsfotos handeln. Ich sah sie mir lange auf dem PC an. Meine Schwester wirkte so glücklich und unbeschwert. Im Gegensatz zu mir hatte sie einen recht großen Freundeskreis und ausreichend Freizeit.

Das stimmte mich traurig, also verstaute ich die Disketten wieder. Ich würde sie umgehend an Akemi zurückschicken, denn ich wusste, ab sofort wurde ich noch stärker observiert und kontrolliert.

Mein Abschluss verlief nicht besonders aufregend.

Natürlich war ich eine der Besten aus meinem Jahrgang. Hier und da warf man mir bewundernde Blicke zu und gratulierte mir. Alle gingen davon aus, dass ich ab sofort auf eine berühmte Universität gehen würde. Niemand ahnte, wie die Wirklichkeit aussah.

Nur meine Schwester schickte mir einen Brief, in welchem sie mir überschwänglich gratulierte. Auch schrieb Akemi, dass sie hoffte, mich bald noch mal zu Gesicht zu bekommen. Beim Lesen stiegen mir die Tränen in die Augen. Jetzt, wo die Forschungen zu APTX4869 begannen, würde mich die Organisation nicht einfach in den Urlaub fahren lassen.

Von morgens bis abends arbeitete ich im Labor. Vieles hätten die anderen Wissenschaftler auch alleine geschafft, doch ich hatte die Verantwortung und es ließ mir keine Ruhe, dass während meiner Abwesenheit etwas passieren könnte.

Dann bemerkte ich, dass eine der Disketten fehlte und verfiel in Panik. Ich durchsuchte das gesamte Labor, wurde aber nicht fündig.

Bis mir in den Sinn kam, dass ich sie mit den Disketten meiner Schwester verschickt haben könnte. Ich hätte Akemi bitten können, sie mir zurück zu schicken.

Doch würde die Organisation meine Post durchsuchen, gäbe es mit Sicherheit Ärger.

Ich entschied mich dafür, die Daten einfach auf eine andere Diskette zu kopieren.

Glücklicherweise bemerkte niemand etwas von meinem Missgeschick.

Monatelang widmete ich mich einzig diesem Projekt. Von morgens bis spät abends blieb ich im Labor, manchmal auch über Nacht.

Selbst während ich schlief, beschäftigten sich meine Gedanken ausschließlich mit dem geheimnisvollen Gift.

Vollkommen auf die Forschungen fixiert, ignorierte ich die Signale meines Körpers.

Schwarzer Kaffe wurde zu meiner Droge.

Eines Nachts, alle anderen Wissenschaftler waren schon längst gegangen, schrak ich auf, als die Tür aufging. Ich war völlig in die Formeln vertieft gewesen und hielt in der anderen Hand die heiße Tasse.

Ich zuckte derart zusammen, dass der Kaffe überschwappte und ich mir die Hand verbrühte. Fluchend ließ ich alles stehen und liegen, hastete zum Waschbecken.

„Du bist noch immer hier, ich fasse es nicht!“

Gin stand gelassen am Schreibtisch und durchblätterte meine Notizen.

„Und ich fasse es nicht, dass du mich derart erschrecken musst!“

Er hob mein Kinn an, sodass ich ihm in die Augen blicken musste.

„Ich fahre dich sofort nach Hause!“

„Nein!“, protestierte ich. „Ich bin noch nicht fertig!“

„Du kommst gefälligst mit! Und dann will ich dich bis übermorgen nicht im Labor sehen! Eine übermüdete Wissenschaftlerin kann hier niemand gebrauchen! Du siehst doch selbst, wozu es führt!“ Gins laute Standpauke saß und ich gab auf. Ich gestand mir schließlich ein, dass ich dringend Schlaf nötig hatte.

Mit meinen zitternden Händen wäre mir jedes Reagenzglas aus der Hand gefallen und weitere Verletzungen würden mich bei der Arbeit behindern.

„Eigentlich bin ich gekommen, um dir mitzuteilen, dass die Forschungsarbeiten verlegt werden.“

Sofort hielt ich inne. „Und wohin?“

„Nach Japan. Wir werden schon nächste Woche den Flieger nehmen!“

Fassungslos starrte ich ihn an. Ich würde nach Japan zurückkehren. Ich wäre wieder in Akemis Nähe.

Rückkehr

Ein schwieriges Kap! Aber dazu mehr am Ende… viel Spass.
 

Müde, aber überglücklich stieg ich mit Gin aus dem Flugzeug. Tief atmete ich ein und streckte meine schmerzenden Glieder.

Ich konnte kaum fassen, dass ich tatsächlich nach Japan zurückkehrt war. Nach all diesen Jahren in Amerika, konnte ich es mir nur schwer vorstellen wieder hier zu leben. Doch nun erhielt ich die Möglichkeit meine Schwester regelmäßig zu sehen und dieser Gedanke machte mir Mut.

Es fiel mir schwer, doch ich versuchte positiv in die Zukunft zu blicken.
 

„Hör auf, Löcher in die Luft zu starren und beeil dich.“ Gin brachte mich blitzschnell in die Realität zurück.

Er trug einen Hut, den er ab sofort nur noch selten abnehmen würde. Und aus dem neuen Mantel zog er ein kleines Handy.

„Bist du schon da? …. Hast du den Wagen!? … Gut, wir kommen. …“ Gin legte auf, nahm die Zigarettenschachtel aus der Tasche und steckte sie sogleich wieder weg, da das Rauchen auf dem Flughafengelände nicht erlaubt war.

„Wer war das?“, fragte ich neugierig. Und von welchem Wagen hatte er gesprochen?, fügte ich in Gedanken zu.

„Wodka. Du kennst ihn doch.“, antwortete Gin leicht gereizt.

Ich schüttelte den Kopf, da mir der Name nichts sagte. „Nein.“

„Natürlich!“, erwiderte Gin. „Dämliches Grinsen, schwarze Sonnenbrille… er hatte mal den Auftrag, dich abzuholen.“

Es klickte plötzlich bei mir. Dieser Typ war also Wodka?

„Er holt uns ab… beziehungsweise, er bringt mir meinen Wagen.“

Wir betraten den Parkplatz und ich war schwer beeindruckt. Da stand doch tatsächlich ein glänzend schwarzer Porsche 356 A.

„Ist das dein Auto?“, fragte ich verdutzt. Gin grinste. „Allerdings. Ehemals gehörte er meinem Vater, aber im Jenseits braucht man kein Auto.“

Wodka stand am Wagen gelehnt, grinste mich ebenfalls breit an. „Hallo, Sherry.“

Ich erwiderte nichts, nickte nur kühl. Ich mochte diesen Kerl nicht.

„Nicht besonders gesprächig, die Kleine.“

Gin verstaute unser Gepäck und öffnete mir die Tür.

„Mit dir würde ich als Frau auch nicht sprechen.“, erwiderte er und ich musste mir das Grinsen verkneifen.

„Die heutige Nacht verbringst du noch in meiner Wohnung und morgen bringe ich dich zu deinem neuen Apartment.“

Ich nickte widerstandslos und unterdrückte ein Gähnen. Viel lieber wäre es mir gewesen, Gin würde mich auf der Stelle bei meiner Schwester absetzen. Doch ich ahnte, dass ich mit meinen Forderungen nicht sehr weit kommen würde. Zumal es halb Drei in der Frühe war.
 

Am nächsten Morgen war es schließlich doch noch soweit. Bis ein neues Labor eingerichtet war, brauchte ich noch nicht zu arbeiten und Gin setzte mich bei meiner Schwester ab. Zwar spürte ich noch immer die Müdigkeit in meinen Knochen, doch diese Tatsache ignorierte ich gekonnt.

Als Akemi die Tür öffnete, strahlte sie und umarmte mich innig. Unsere letzte Begegnung war so lange her…

„Du siehst gut aus, Shiho-chan. So fröhlich, irgendwie.“

„Ich bin froh, nach all den Jahren wieder hier zu sein.“, antwortete ich seufzend. „Japan ist doch so ganz anders als Amerika. Ich muss erst einmal umgewöhnen… Als Gin mir sagte, wir würden nach Japan zurück kehren, konnte ich es kaum fassen.“

Akemi lächelte. „Glaub mir, ich auch nicht. Aber hey… du wirst dich sicher schnell zurechtfinden. Ich werde dir tolle Geschäfte zum shoppen zeigen!“ Doch schnell wurde sie wieder ernst. „Aber… du bist zum Arbeiten hergekommen, habe ich Recht?“

Ich nickte. Gern wollte ich ihr mehr über dieses Projekt und meine neue Stellung verraten. Doch Gin hatte mir ausdrücklich verboten, über meine Arbeit zu sprechen. Selbst die Tatsache, dass unsere Eltern an diesem Gift beteiligt waren, musste ich ihr verschweigen.

So schlug ich die Augen nieder. „Ja, aber… ich kann dir nichts darüber sagen. Es tut mir Leid…“

Sie verzog das Gesicht, dann schüttelte sie den Kopf und seufzte. „Schon gut, das macht nichts. Die Organisation macht aus allem ein Geheimnis. Ich kann nur nicht fassen, wie sehr sie dich ausnutzen. Du solltest studieren! Stattdessen hockst du von Morgens bis Abends in diesen Laboratorien und arbeitest dich kaputt.“

„Das geht schon in Ordnung. Ich kann auch noch nächstes Jahr mit einem Studium beginnen.“, meinte ich.

Akemi seufzte erneut und sie sah mich traurig an. „Du gehörst nicht in die Organisation, Shiho-chan. Es ist falsch… sie hätten das auch nicht gewollt.“

Kurz erschrak ich, weil wir so gut wie nie über unsere Eltern gesprochen hatten. Ich wusste fast nichts über die Menschen, die kurz nach meiner Geburt gestorben waren. Doch sie waren tot und konnte weder mir noch Akemi helfen. So erwiderte ich nichts. Vielleicht hat sie Recht, dachte ich damals. Doch wie sollte ich mich wehren, wie aus der Organisation aussteigen? Ich wusste, was mit Verrätern und Aussteigern passierte. Vielleicht konnten sie entkommen, doch die Organisation würde immer alle Mittel einsetzen um dieses ehemalige Mitglied aufzuspüren. Es gab keinen Ausweg.

Schon lange war ich in den Fäden der Organisation verheddert. Und je mehr ich wusste und über sie erfuhr, desto fester zogen sich die Fäden zusammen.
 

Doch in der ersten Zeit verlief alles gut.

Die neuen Laboratorien befanden sich im Gebäude einer angeblichen Arzneimittelfirma.

Für die Forschungen standen uns nun ausreichend große Räume zur Verfügung, die bereits alle eingerichtet waren.

Auch die Computer und Arbeitsmaterialien waren auf dem neuesten Stand. Ideale Arbeitsbedingungen.

Hellauf begeistert begann ich die Forschung an Apoptoxin 4869 fortzusetzen.
 

An einem Nachmittag geschah etwas Unerwartetes.

Ich war fest in meine Arbeit vertieft, als die Tür aufging und mir ein eiskalter Schauer über den Rücken lief. Ich drehte mich auf meinem Stuhl herum, um zu sehen, wer den Raum betreten hatte.

Eine schlanke, recht große Frau kam zielstrebig auf mich zu. Sie trug einen blütenweißen Laborkittel, der vollständig zugeknöpft war. Die braunen Haare waren zu einer kinnlangen Frisur geschnitten. Irgendwie passte die Frisur nicht zu dem Gesicht der Frau, schien mir.

„Gin hat mich in diese Abteilung eingeteilt.“

Für einen Moment war ich von ihren stechend blauen Augen gefesselt. Rasch senkte ich den Blick und durchsuchte meine Unterlagen nach ihren Daten.

„Wie ist dein Name?“, fragte ich nervös. Mit einem Mal war ich völlig verunsichert. Aber weshalb? Lag es an dieser Frau?

„Cinzano.“ Neugierig blinzelte sie mich an.

Ihr Name stand auf keiner Liste und meine innere Anspannung wuchs.

„Ist… in Ordnung, lass dich von den Anderen in die Sicherheitsvorkehrungen einweisen.“, erwiderte ich hastig. Eigentlich wäre dies meine Aufgabe gewesen, doch diese Cinzano war mir unheimlich. Einfach abweisen konnte ich sie auch nicht. Meine Daten waren vielleicht nicht auf dem neuesten Stand. Also blieb mir nichts anderes übrig, als auf Gin zu warten und ihn nach ihr zu fragen. Falls diese Cinzano mich belogen hat, ist sie so gut wie tot! , dachte ich bitter.

Ich griff nach der Diskette, auf welche die gesamte Datenbank der Organisation verzeichnet war.

Mir trat der Schweiß auf die Stirn. Ein Mitglied namens Cinzano existierte nicht.

Ich warf einen Blick über die Schulter.

Cinanzo schien mich aus dem Augenwinkel zu beobachten. Was ging hier vor sich?

War sie eine Spion oder Ähnliches?

Sollte ich jetzt schon während der Arbeit observiert werden? Unauffälliger wäre es gewesen, ein Mitglied meines Teams damit zu beauftragen.

Oder war mir ein derart schwerer Fehler unterlaufen, sodass meine Zuverlässigkeit auf den Prüfstand gestellt wurde?

Ich spürte die Blicke dieser Frau in meinem Rücken. Fieberhaft dachte ich nach, durchstöberte meine Gedanken nach den Abläufen der letzten Tage.

Vielleicht lag es aber auch nicht an mir, stand etwa einer der anderen Forscher unter Beobachtung?

Nein, so wie sie mich musterte, stand ich in dem Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit.
 

Ein weiteres Mal ging die Tür auf und mir plumpste ein Stein vom Herzen.

Gin blickte erst zu Cinzano, dann zu mir und ich erkannte, wie wütend er war.

„Was soll der Scheiß, Vermouth?

Die Frau lachte. „Oh, Darling. It was meant as a joke.” Sie riss an der braunen Perücke und darunter kam eine lange, blonde Haarpracht zum Vorschein.

„Ich wollte doch nur deine kleine Sherry kennen lernen.“ Sie knöpfte den Kittel auf und warf ihn über einen Stuhl. Darunter trug sie ein tief ausgeschnittes Kleid, dass ihre große Oberweite noch stärker betonte.

Fassungslos starrte ich sie an und ärgerte mich zu Tode. Diese Kuh hatte sich also nur über mich lustig gemacht?

„Hübsch ist deine Freundin ja und einen klugen Kopf scheint sie auch zu haben. Allerdings sollte sie besser darauf achten, wer hier aus und ein spaziert.“, erwiderte sie mit hochgezogenen Augenbrauen.

Ich biss die Zähne zusammen. Hätte ich sie doch bloß rausgeschmissen!

„War klar, dass du eine Show daraus machen musst.“, knurrte Gin. „Was machst du überhaupt hier? Ich dachte, du wärst in den Staaten.“

Sie grinste mich an. „Mein neuer Film wird in Tokyo gedreht. Ich dachte, ich statte euch einen kleinen Besuch ab.“

Ich wurde stutzig. Sie war Schauspielerin? Daher kannte ich also ihr Gesicht.

Vermouth lenkte das Thema erneut auf mich, musterte mich noch immer neugierig.

„Jedenfalls kann ich jetzt nachvollziehen, weshalb du so vernarrt in sie bist.“

Er warf ihr einen bösen Blick zu, doch das schien die selbstbewusste Frau nicht im Geringsten zu stören. Sie spazierte an ihm vorbei, wandte sich ein letztes Mal zu mir herum.

„See you, little Sherry.“, verabschiedete sich Vermouth mit einem Lächeln. Und dann hatte sie auch schon wieder den Raum verlassen.

Gin schüttelte den Kopf. „Diese verdammte … immer muss sie ihre bescheuerten Spielchen treiben.“ Er war sichtlich aufgebracht. „Sie glaubt wohl, sie kann sich alles erlauben, nur weil sie der Liebling vom Boss ist.“

Der Liebling? Was bedeutete das?

„Ich hab mich schon gewundert.“, meinte ich leise. „Eine Cinzano schien nicht zu existieren.“

Er schmunzelte. „Mich hätte sie damit nicht reinlegen können. Wenn man Vermouth kennt, ist es leichter sie zu durchschauen. Zumindest ihre albernen Verkleidungen.“ Dann grinste Gin. „Cinzano ist übrigens eine italienische Wermutsorte.“
 

Diese Frau ging mir erst einmal nicht aus dem Kopf.

Am Abend sah ich mir ihr Foto an und plötzlich fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

Sie war der Schauspielerin Sharon Vineyard wie aus dem Gesicht geschnitten.

Das konnte doch kein Zufall sein?
 

Am folgenden Nachmittag traf ich mich mit Akemi. Wir hatten uns vor ihrem Lieblingscafé verabredetet.

Als ich um die Ecke bog, blieb ich vor Überraschung stehen. Neben meiner Schwester stand ein junger Mann. Er trug dunkle Kleidung und eine Strickmütze auf seinem Kopf. Seine schwarzen Haare reichten ihm bis zur Hüfte. Bisher hatte ich keinen Mann kennen gelernt, der solch langes Haar wie Gin trug.

Er schien sich angeregt mit Akemi zu unterhalten und ich wollte nicht stören. Ich fragte mich jedoch, wer dieser Fremde war. Vielleicht ein Organisationsmitglied? Ich hoffte, dass Akemi keinen Ärger hatte.

Doch dann hatte sie mich plötzlich entdeckt und winkte mir strahlend zu.

„Darf ich vorstellen, dass ist Dai Moroboshi! Ein… Bekannter von mir. Dai, meine kleine Schwester Shiho.“

Der Mann nickte mir zu und musterte mich mit seinen grünen Augen. Seine Mimik verriet rein nichts über seine Gedanken.

„Ich muss jetzt aber auch gehen, wir sehen uns.“, verabschiedete sich Dai und berührte für einen kurzen Moment die Schulter meiner Schwester.

Akemi nickte und für einen Augenblick verschleierte Wehmut ihren Blick. Doch dieser Ausdruck verschwand so schnell, dass ich an meiner Wahrnehmung zweifelte.

Fröhlich hakte sie sich bei mir unter und wir betraten das Café.
 

„Wer ist er?“, fragte ich zwischen zwei Gabeln Erdbeerkuchen. Eigentlich mochte ich keine Erdbeeren, doch die roten Früchte hatten mich einfach angesprochen.

Akemi runzelte die Stirn. „Ein Bekannter, hab ich dir doch gesagt, oder?“

Noch gab ich nicht auf. „Ist er von der Organisation?“, wollte ich wissen.

Sie seufzte, schien nachzudenken. „Ja. Ich hab ihn als Rye kennen gelernt. Aber eben haben wir uns nur zufällig getroffen.“, antwortete sie. „Zufrieden?“ Akemi grinste und ich erwiderte nichts.

Stattdessen hatte ich das starke Gefühl, dass meine Schwester mir etwas verschwieg. Doch ich konnte mir nur schwer vorstellen, weshalb und was dieser Dai damit zu schaffen hatte.

Aber ich wollte Akemi nicht verärgern, sondern einen schönen Nachmittag mit ihr verbringen. So hakte ich nicht weiter nach und wechselte das Thema.

„Sag mal… du kennst dich doch gut mit dieser Schauspielerin, Sharon Vineyard, aus!?

Akemi nickte. „Ja, warum?“

„Hat sie eine Tochter? Oder… eine jüngere Schwester?“

Meine Schwester halbierte ihr Stück Kuchen. „Soweit ich weiß, hat sie eine Tochter namens Chris. Genau wie ihre Mutter ist sie eine begabte Schauspielerin, aber mindestens doppelt so scheu wie sie. Bei Sharons Beerdigung - “

„Wie bitte!?“ Entsetzt sah ich sie an, traute meinen Ohren kaum. „Sharon Vineyard ist tot?”

“Das wusstest du nicht?“, fragte Akemi verwundert. „Es ist schon fast ein halbes Jahr her…“

„Nein… davon habe ich nichts mitbekommen.“, sagte ich leise.

„Kein Wunder, du hängst ja auch nur in deinem Labor rum. Aber… warum interessiert dich die Frau so?“

Ich zögerte damit, ihr meine Theorie zu erzählen. Doch dann sprach ich das aus, was mich in den letzten Stunden so stark beschäftigt hatte.

„Es gibt da ein Mitglied namens Vermouth. Sie ist ebenfalls Schauspielerin. Und sie sieht wie eine jüngere Ausgabe von Sharon aus.“

Akemi lachte auf. „Und du glaubst, dieses Mitglied ist Chris Vineyard!?“ Wahrscheinlich schaute ich derart beleidigt, dass sie ganz schnell wieder ernst wurde.

„Wer weiß… dann wäre der Grund für ihre Geheimniskrämerei geklärt.“

Ich nickte. Warum sollte es nicht möglich sein? Eine amerikanische Schauspielerin, die Sharon wie aus dem Gesicht geschnitten war. Nein. Sie musste Chris Vineyard sein. In der Organisation gab es scheinbar einige berühmte Persönlichkeiten. Eine interessante Entdeckung, dachte ich bitter.

Diese Erkenntnis brachte mir jedoch herzlich wenig. Ich dachte an Vermouths Augen und mir lief ein kalter Schauer über den Rücken.
 


 

Das Schreiben hat mir mal wieder den letzten Nerv geraubt. Ich war dermaßen unzufrieden mit diesem Kapitel. Naja, ich habe es etwas überarbeitet und kann mich einigermaßen damit abfinden.

Die Sache mit Dai bzw. Shuichi… wenn ihr mal überlegt... Wer beim Manga gut aufgepasst hat, weiß, dass meine Theorie zeitlich überhaupt nicht hinhauen kann. Schließlich hat Shuichi zwei Jahre vor Akemis Tod die Organisation verlassen und sie danach nicht mehr gesehen. Also muss er Shiho damals schon kennen gelernt haben. Naja, jetzt ist es einfach so gekommen und ich hoffe, es ist nicht allzu schlimm für euch, dass ich diese Tatsache geändert habe.(Obwohl ich mich eigentlich an alle Fakten halten wollte!)

Versuche

Erinnert ihr euch daran, dass ich im achten Kapitel meinte, es gäbe jetzt noch vier Kapitel und einen Epilog?

Das hier ist das sechs Kapitel und vom Epilog sind wir noch weit entfernt. +kicher+

So kann’s gehen.

Dieses Kap ist vielleicht nicht ganz so spannend, dafür gibt’s aber schon morgen das neue Kapitel.

Viel Spaß!
 

Ich starrte auf die Kapseln vor mir. Sie waren ordentlich in kleinen, schwarzen Boxen verstaut.

100 Kapseln des neue entwickelten Apoptoxin4869. Sechs Monate nach meiner Ankunft war das Gift fertig gestellt. Sechs Monate von denen ich fast jeden Tag im Labor verbracht und ununterbrochen gearbeitet hatte.

Und nun war mein Werk fertig. Die Arbeit meiner Eltern war so gut wie beendet.

Zunächst war ich völlig euphorisch gewesen, doch dann … verspürte ich nur noch Leere.

Der Zweck dieses Giftes war einzig und allein Menschenleben zu nehmen. Und die Verantwortung dafür, trug ich. Ich hatte es entwickelt.

Seufzend schloss ich die Boxen.

Nun würden die ersten Versuche und Tests beginnen. Ich blickte auf den Tisch am anderen Ende des Raumes.

Dort standen enge Käfige mit kleinen, weißen Mäusen, welche ihr Leben für die Wissenschaft lassen würden.

Die Tür ging auf. Ich drehte mich nicht herum, da ich ohnehin wusste, wer eingetreten war.

„Ich hab dem Boss Bescheid gegeben, dass es fertig ist. Du sollst morgen mit den Versuchen anfangen.“, sagte mir Gin.

Ich nickte, ohne ihn anzublicken.

Er hob mein Kinn an, sodass er mir ins Gesicht schauen konnte.

„Du siehst müde aus.“

Ich wich seinem Blick aus, starrte auf den Boden.

„Das bin ich immer …“, erwiderte ich leise und verfluchte mich auf der Stelle. Warum sagte ich ihm das? Ich hasste es, mir die Blöße zu geben, indem ich zugab wie schwach ich doch war.

Ja, die letzte Zeit war besonders anstrengend gewesen.

Ich sollte Stress gewöhnt sein, redete ich mir ein.

Stattdessen ließ ich mich völlig gehen.

Ich schloss die Augen und lehnte mich an Gins Brust. Sofort umschlossen mich seine starken Arme und ich fühlte mich so geborgen, wie schon lange nicht mehr.

Vergessen war, dass er mich geschlagen und hinterher ignoriert hatte. Ich verdrängte die Tatsache, dass ich mich, Akemi wegen, hinterher furchtbar schuldig fühlen würde.

Sie wusste nichts von dem, was zwischen mir und Gin vorging. Vielleicht ahnte Akemi es … doch ich brachte es nicht übers Herz, ihr davon zu erzählen. Ich wollte sie nicht verletzen oder ihr gekränktes Gesicht sehen, weil ich ihr jahrelang die Wahrheit verschwiegen hatte.

Doch irgendwann würde ich meiner Schwester alles beichten, ich nahm es mir fest vor.
 

Um Sechs in der Früh war ich schon im Labor und traf alle Vorbereitungen für die Versuche des Prototyps.

Ich legte mir alles zurecht und nach und nach trudelte mein Team ein.

Pünktlich um Acht konnten wir beginnen.

Gebannt sah ich zu, wie der ersten Maus das Gift mithilfe einer Pipette in den Rachen geflößt wurde.

Nur Sekunden später fing die Maus unter heftigen Krämpfen zu quicken an. Sie wandte such hin und her und ich unterdrückte das Bedürfnis die Augen zu schließen.

Weitere 10 Sekunden war die Maus endgültig tot und mir speiübel.

Und ein Mensch sollte vor seinem Tod die gleichen Qualen durchmachen müssen?

Verbittert sah ich zu, wie ein Forscher das tote Tier am Schwanz aus dem Käfig hob und auf ein silbernes Tablett ablegte. Für die Nekropsie* war ich glücklicherweise nicht zuständig.

Eine halbe Stunde später lagen die ersten Ergebnisse vor und ein Schauer lief meinen Rücken hinunter. Im Körper der Maus waren keinerlei Spuren des Giftes gefunden worden. Nirgends.

Ein Volltreffer!

Die weiteren 43 Versuche an den Mäusen verliefen immer gleich: Das Tier starb qualvoll, es wurde seziert und die Ergebnisse waren dieselben wie zuvor.

Nach drei Tagen waren noch elf Mäuse übrig.

Es war spät am Abend um mein Team war schon längst gegangen, als ich am PC saß und den Tagesbericht schrieb.

Hinter mir quiekte es leise und ich drehte mich herum. Ich wollte an diesem Abend noch ein letzten Versuch durchführen.

Inzwischen hatte ich mich an die Prozedur gewöhnt und konnte meine Gefühle dabei abstellen, wie man einen Lichtschalter umlegte.

Ich flößte der Maus das Mittel ein und wartete.

Es geschah … nichts.

Stirnrunzelnd trat ich näher an den Käfig ran.

Da quiekte – nein, das Tier quiekte nicht mehr, es schien kleine Schreie von sich zu geben und mir trat der kalte Schweiß auf die Stirn.

Entsetzt beobachtete ich die Maus und als sie sich nicht mehr rührte und ich glaubte, sie sei tot, geschah das Unfassbare:

Das Tier schrumpfte!!

In rasender Geschwindigkeit verkleinerte sich die Maus, die Gliedmaßen, der Kopf… die Haare fielen aus…

Geschockt starrte ich auf das nackte, rosafarbige Jungtier. Ich konnte und wollte nicht fassen, was geschehen war.

Das Mittel hatte das Tier ins Babystadium zurück versetzt. Das war doch völlig unmöglich!

Mit zitternden Händen wollte ich das Jungtier aus dem Käfig heben, als es sich plötzlich regte. Keuchend riss ich die Hand weg.

Die Maus lebt noch!?

Heftig schüttelte ich den Kopf. Was ich mit meinen eigenen Augen gesehen hatte, war wissenschaftlich gesehen nicht möglich! Und trotzdem war es geschehen.

Die halbtote Maus zuckte noch einige Male, bis sie endgültig starb.

Ratlos ließ ich mich auf dem Stuhl nieder.

Eigentlich hätte ich diese Beobachtung sofort melden und mein Team herbestellen müssen.

Doch stattdessen tat ich nichts dergleichen.

Ich fragte mich nur, ob meine Eltern damals ähnliche Beobachtungen gemacht hatten. Doch bisher hatte ich derartiges nicht in den Akten gefunden.

Ich griff nach dem alten Ordner und durchblätterte ihn von vorn bis hinten. Fündig wurde ich nicht. Nur hier und da fielen doch tatsächlich Berichte zu fehlen. Das bemerkte ich an der Angabe des Datum. Also wurden Berichte aus diesem Ordner entfernt oder waren erst gar nicht geschrieben worden.

Aber wer war für die fehlenden Berichte verantwortlich? Meine Eltern?
 

Ich konnte nur spekulieren. Aber ich musste unbedingt herausfinden, weshalb das Tier sich ins Babystadium zurück verwandeln konnte.

Ich griff in den Käfig und nahm das Tier zwischen meine Hände.

Da ich nicht wusste, wer für die fehlenden Berichte verantwortlich war, musste ich diese unerwartete Entwicklung vorerst für mich behalten.

Wie einen verendeten Fisch entsorgte ich das Tier in der Toilette, ich korrigierte meinen Bericht und verließ das Labor mit klopfenden Herzen. Von jetzt an, musste ich noch vorsichtiger sein. Vielleicht gab es noch eine Person, die von den fehlenden Berichten und dieser seltsamen Nebenwirkung wusste.
 

„Wo ist die elfte Maus?“

Ich zuckte zusammen und drehte mich ruckartig herum. Einer der Forscher stand stirnrunzelnd vor dem Käfig. Schon immer war dieser Mann einer der Aufmerksameren gewesen. Er war mir schon des öfteren als überkorrekt aufgefallen. Natürlich musste ihm die fehlende Maus auffallen.

„Das Tier lag gestern Abend tot im Käfig, da habe ich es entsorgt.“, antwortete ich möglichst gelassen.

„Entsorgt? Ohne es zu untersuchen?“ Verärgert schüttelte er den Kopf, fragte jedoch nicht weiter nach.
 

Die Versuche an den restlichen Tieren verliefen ohne besondere Vorkommnisse.

Ich forderte weitere Versuchstiere an, welche ich jedoch nicht erhalten würde.
 

„Das Gift wird jetzt seine Bestandsprobe machen.“, erklärte mir Gin einige Tage später.

Erstaunt sah ich auf.

„Was?“

„Wir werden es an Menschen testen.“, antwortete er gelassen.

„Wie bitte?“ Ich glaubte fast, mich verhört zu haben. „Dafür ist es doch noch viel zu früh. Wir müssen noch weitere Experimente durchführen, bevor wir es an Menschen testen!“ Ich dachte nur noch an die geschrumpfte Maus.

„Der Boss hat’s angeordnet.“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein! Dann sag ihm, es geht noch nicht!“

Gin grinste und brachte mich damit fast auf die Palme.

„Es gefällt mir, wenn du so energisch bist!“

Er zog mich an sich, wollte mich küssen. Doch ich wandte das Gesicht ab.

Ein Fehler, wie sich herausstellte.

Er schleuderte mich gegen die Wand und ich knallte mit dem Kopf gegen den harten Stein.

Gin riss mein Gesicht beiseite und ich konnte seinen Atem an meinem Ohr spüren. Benommen nahm ich seine Worte wahr.

„Dein erstes Versuchskaninchen ist ein Mann namens Kiichiro Numabuchi. Er wird morgen hier aufkreuzen, im Glauben, dass er ein neues Medikament testet."

Er ließ mich los.

„Wehe, du vermasselst es!“ Das waren Gins letzte Worte, bevor er mich allein ließ und ich weinend zusammenbrach.
 

Der Begriff Nekropsie wird für die Sektion/Obduktion von Tieren verwendet.

Misstrauen

Die Szene im Café wird euch bekannt vorkommen. Sie ist eins zu eins aus Band 18 übernommen worden. Natürlich habe ich noch Shihos Gedanken hinzugefügt

Dieses Kap ist (wirklich) das Vorletzte.

Wann das letzte Kapitel kommt, kann ich noch nicht sagen. Aber es wird in den nächsten zwei Wochen sein! Dann wird es zusammen mit dem Epilog hochgeladen.
 

Viel Spass beim Lesen!
 

Kiichiro Numbabuchi hatte eingefallene Wangen und war für einen Japaner recht groß. Aufgrund seiner physischen Fähigkeiten sollte er für die Organisation als Auftragskiller arbeiten.

Doch nachdem die ersten Symptome seiner psychischen Erkrankung auftauchten, wurde er als untauglich eingestuft und man brach Numabuchis Ausbildung ab. So wurde er meiner Abteilung zugewiesen und sollte als Versuchsobjekt für APTX4869 dienen.

Eigentlich.

Denn an seinem vermeintlichen Todestag flüchtete Numabuchi.

Noch einen Moment sah ich auf das Foto des Mannes, dessen Gesicht wie ein Totenkopf aussah. Dann schloss ich seufzend seine Akte.

Sobald die Organisation ihn gefunden hatte, war er tot. Ein totes Versuchsobjekt konnte ich nicht gebrachen, als würde es schon bald einen neuen Probanden geben.
 

Doch ohne, dass ich darauf Einfluss nehmen konnte, änderten sich die Pläne des Bosses.

Einen Monat nach der Fertigstellung des Giftes, präsentierte man mir eine Liste von 50 Personen, denen das Gift verabreicht worden war.

49 waren sicher an den Folgen des APTX gestorben.

Nur bei einer einzigen Person herrschte Unwissenheit: Shinichi Kudo

Er war ein berühmter Schülerdetektiv nur ein Jahr jünger als ich. Und nun sollte ich herausfinden, ob er wirklich das Zeitliche gesegnet hatte.

Eigentlich war ich für den Nachmittag mit meiner Schwester verabredet, aber diese Verabredung musste nun ausfallen.

„Du wirst dem Haus von Kudo einen kleinen Besuch abstatten.“, sagte Gin mir später.

„Warum habt ihr nicht abwarten können, ob er wirklich an dem Gift stirbt?“, fragte ich leicht verärgert.

„Ging nich’… waren ja überall Bullen wegen dem Vorfall da …“, meinte Wodka. Er schnüffelte an einigen Reagenzgläsern und bekam einen Hustenanfall.

Ich verdrehte die Augen. „Muss das unbedingt heute noch sein?“

„Deine Schwester wird morgen auch noch da sein.“, meinte Gin grinsend.

Wodka lachte. „Wenn se nich’ noch mehr Scheiß baut.“

Ich stutzte. Was hatte er eben gesagt?

Gin warf Wodka einen eisigen Blick zu und sein dämliches Grinsen verging ihm auf der Stelle.

Steckte Akemi etwa in Schwierigkeiten? Gins Reaktion nach zu urteilen, hatte Wodka sich nur verplappert. Also schien etwas passiert zu sein, von dem ich nichts wissen durfte. Als wir Shinichi Kudos Haus durchsuchten, musste ich mich schwer zusammenreißen.

Dennoch nahm ich mir vor, schnellstmöglich mit Akemi darüber zu sprechen.

Wir erreichten das Beika Viertel. Es war eine ruhige Gegend, mit vielen Villen.

Auch Kudos Haus war recht groß und wir hielten uns fast 20 Minuten auf dem Grundstück auf. Nichts deutete darauf hin, dass dieses Haus zurzeit bewohnt wurde. Überall lag der Staub auf den Möbeln und im Kühlschrank fanden sich nur abgelaufene Lebensmittel.

Neugierig stöberte ich in Kudos Schlafzimmer herum. Doch dort fanden sich keine weiteren Hinweise auf seinen Verbleib.

So verließen wir das Haus und kehrten erst einen Monat später zurück.

Nichts hatte sich verändert, nur die Staubschicht war noch dicker geworden. Wie schon beim letzten Mal betrat ich sein Zimmer. Als ich die Tür öffnete, wirbelte der Staub im Licht auf und ich musste niesen.

Mein Blick fiel auf die Kleiderkommode und für einen Moment schien mein Herzschlag auszusetzen.

Die untere Schublade stand einen Spalt weit offen.

Es musste jemand hier gewesen sein, denn ich hatte penibel darauf geachtet, nichts zu verändern.

Mit zitternden Händen zog ich die Schublade auf und bekam augenblicklich eine Gänsehaut.

Sie war leer!!!

Vor einem Monat hatten in dieser Schublade noch Kinderklamotten gelegen und plötzlich waren sie fort!

Ich schluckte, schloss die Schublade und verließ das Zimmer.

Kurz stand ich noch im Flur, versuchte einen klaren Kopf zu bekommen.

Dann atmete ich tief durch und trat die Treppe herunter.

„Wir können gehen!“, sagte ich mit überraschend fester Stimme.

Nach diesem Besuch hatte ich frei und Gin fuhr mich nach Hause.

„Worüber denkst du nach?“, fragte er plötzlich und ich schrak hoch. „Ich … über nichts! Ich bin einfach nur müde.“, erwiderte ich hastig.

Er hatte vor meiner Wohnung angehalten und eigentlich wollte ich aussteigen, als er mich zurück hielt und mich nah an sich zog.

„Du hast doch keine Geheimnisse vor mir, Sherry?“ Seine Stimme klang ruhig und … ungefährlich.

Doch in diesem Moment wusste ich, würde ich seinem stechenden Blick ausweichen, wäre ich fällig.

Ich hatte Angst, richtige Todesangst.

Seine grünen Augen musterten mich durchdringend. Diese Augen, die schon etliche Menschen hatten sterben sehen.

Ich versuchte mich an einem ungezwungenen Lächeln. „Wovon sprichst du?“, fragte ich und legte den Kopf schief.

„Du wirst mich doch nicht verlassen, oder?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein.“

Kurz war es still.

„Gut. Wenn doch, werde ich dich töten.“

Schlagartig setzte mein Herz aus und ich fürchtete, einfach bewusstlos zu werden.

„Hast du das verstanden, Sherry?“

Ich nickte zitternd.

Der Griff um meine Schulter wurde lockerer und Gin ließ von mir ab.

Mit rasendem Herz öffnete ich die Wagentür und freute mich über die frische, kalte Luft an diesem Abend.

„Wir sehen uns morgen.“, meinte Gin und ich nickte erneut.

Als ich die Wohnungstür hinter mir geschlossen hatte, ließ ich mich kraftlos zu Boden sinken. Fast hätte ich laut aufgelacht.

Stattdessen weinte ich lautlos.

Ich weinte über mich, über meine eigene Dummheit.
 

Ich hatte ihn angelogen. Ich hatte Ergebnisse unterschlagen und eine – wahrscheinlich – geschrumpfte Versuchsperson in der Akte als tot umgeschrieben.

Was mutete ich mir mit diesem Projekt nur zu? Wenn mein Betrug aufflog, war ich tot. Daran gab es nichts zu rütteln.

Daher musste ich dafür sorgen, dass mir nichts mehr anzumerken war.

Gleichzeitig war es jedoch nur eine Frage der Zeit, bis sich vielleicht ein anderes Opfer in ein Kind zurück wandelte.

Irgendwie musste ich Kudos derzeitigen Aufenthaltsort herausfinden. Ich MUSSTE herausfinden, wie sich eine derartige Wandlung vollzog.

Ich wurde urplötzlich aus meinen Gedanken gerissen. Das Telefon klingelte.

Es war meine Schwester.
 

„Hast du morgen Zeit, Shiho-chan?“

Zwei Wochen hatten wir uns schon nicht mehr gesehen, obwohl wir nur einige Blöcke auseinander wohnten.

Ich seufzte. „Eigentlich nicht. Aber ich versuche zur Mittagspause wegzukommen.“

„Na gut…“, erwiderte meine Schwester. „Dann sehen wir uns morgen um 1 im Café, in Ordnung?“
 

Gerade pünktlich kam ich im Café an.

„Ich habe schon bestellt, ich hoffe, es macht dir nichts aus! Du trinkst ja immer Kaffee oder wolltest du was anderes haben?“

Akemi hatte ganz fröhlich los gezwitschert und lächelte mich an. Im Gegensatz zu mir war sie so eine Frohnatur.

Atemlos ließ ich mich auf der Bank nieder.

„Nein, schon okay. Wie war dein Tag?“, fragte ich. Von meinem konnte ich ihr ja kaum erzählen…

„Ganz lustig eigentlich.“, meinte sie grinsend. „Ich habe heute wieder diesen Conan Edogawa getroffen.“

Ratlos blickte ich sie an. „Conan Edogawa?“

„Genau.“, meinte Akemi. „Der kleine Junge mit der Brille, von dem ich dir neulich erzählt habe!“

Vage erinnerte ich mich. Bei unserem letzten Treffen hatte sie auch schon von ihm erzählt.

„Du warst doch vor kurzem auch im Beika Viertel, um irgendjemandes Haus aufzusuchen, oder?“

Ich nickte. „Ja, das Haus von Shinichi Kudo.“

Sie schnipste mit den Fingern.

„Ja, genau! Und dieser Kleine wohnt ganz in der Nähe! Der ist echt irgendwie komisch …“, meinte Akemi nachdenklich. „Obwohl er noch ein Kind ist, wirkt er irgendwie so gelassen und erwachsen …“

Ich schüttelte den Kopf. Was interessierte mich ein frühreifes Balg? Ich wollte endlich wissen, was an Wodkas Bemerkung dran war.

„Sag mir lieber, ob bei dir alles in Ordnung ist. Ich hörte, du würdest in Schwierigkeiten stecken …?“

Sie lachte leise auf. „Ach was, du brauchst dir keinerlei Sorgen zu machen!“, erwiderte meine Schwester und schnappte sich die Rechnung.

„Vielmehr mach ich mir Sorgen um dich, Shiho! Anstatt ständig im Forschungslabor über irgendwelchen neuen Stoffen zu brüten, solltest du dir endlich mal einen Freund zulegen.“ Sie zwinkerte mir zu. „Um mich brauchst du dich nicht zu sorgen.“
 

Ihre Worte beruhigten mich nicht wirklich. Ich hatte noch immer ein ungutes Gefühl.

Doch niemals hätte ich geahnt, dass ich Akemi an diesem Tag das letzte Mal gesehen hatte.

Verrat

Ich sollte keine Versprechungen mehr machen bezüglich, wann ich ein Kapitel hochlade. +kicher+ Jetzt hat es doch wieder länger gedauert, als ich gesagt habe.

Es tut mir wirklich Leid.

Aber das letzte Kapitel sollte gut werden. Diese Fanfiction ist mein Lieblingsprojekt gewesen und daher etwas Besonderes für mich. Ganz zufrieden bin ich natürlich nicht, das werde ich auch nie sein … aber ich finde es akzeptabel und hoffe, dass es euch gefällt.
 

Ja und da kommen wir an die Stelle, an dem ich mich bei euch bedanken muss. Alle die meine FF bis hierher gelesen, sie kommentiert und auf ihre Listen genommen haben:
 

VIELEN DANK!!!!
 

Und zum Schluss … noch eine kleine Empfehlung:
 

„Canta per me“ von Yuki Kajiura aus dem Anime Noir. Ich habe diesen Song beim Schreiben oft gehört und er hat mich wirklich sehr inspiriert. Hören kann man ihn beispielsweise auf Youtube.

Vielleicht hört ihr ihn beim Lesen, es würde mich freuen.

Zudem kann ich vom Noir Album folgende Songs empfehlen: Salva nos und Kireina kanjo
 

Viel Spass beim Lesen!!
 

Er stieß ein letztes Mal zu und ich unterdrückte den Schmerzensschrei.

Kurz darauf ließ Gin von mir ab und ging ins Badezimmer, ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen.

Einige Tränen verirrten sich auf meine Wange und ich wischte sie hastig davon.

Es war eine Woche vergangen, ohne dass ich Gin zu Gesicht bekommen hatte. Und am Freitagabend stand er plötzlich vor meiner Tür.

Bevor ich auch nur ein Wort sagen konnte, hatte er seine Lippen auf meine gepresst und mich Richtung Schlafzimmer gedrängt.

Ohne Rücksicht zu nehmen, riss er meine Lieblingsbluse auf und die Knöpfe flogen nur so zu allen Seiten weg.

Zunächst hatte ich mich an seiner groben Behandlung nicht großartig gestört.

Doch nachdem Gin mir den Rest meiner Kleidung vom Leib gerissen hatte, war er fast sofort in mich eingedrungen.
 

Zwischen meinen Schenkeln pochte es schmerzhaft und ich wandte mich stöhnend zur Seite.

Ich fühlte mich wie benutzt und weggeworfen, kein angenehmes Gefühl.

Gin trat aus dem Bad und griff nach seinem Pullover.

„Du gehst schon?“, fragte ich leise. Ich konnte es kaum fassen, dass ich ihm in diesem Augenblick noch solch eine Frage stellte.

„Du kriegst wohl nicht genug von mir …“, meinte er grinsend und verließ das Zimmer.

Kurz darauf fiel die Tür ins Schloss.
 

Verbittert dachte ich daran, dass es auch andere Zeiten gegeben hatte. Ich erinnerte mich daran, wie er mich als Kind beschützt hatte oder als ich traurig war, er mich in den Arm nahm.

Der Wunsch, Gin näher zu sein, war mit den Jahren gewachsen und auch in Erfüllung gegangen. Ich lebte in einer kleinen, schillernden Seifenblase. Diese platze jedoch, als ich Gins wahres Gesicht kennen lernte.

Was war nur geschehen? Hatte ich nur nie bemerkt, was für ein Mensch er wirklich war? War ich wirklich so blind gewesen?

Oder hatte sich seine Persönlichkeit einfach im Laufe der Zeit verändert? Wodurch? Lag es an der Organisation?

Ich schüttelte den Kopf und wischte die aufkommenden Tränen davon. Es brachte nichts, mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Ich musste mich damit abfinden, es irgendwie akzeptieren. Doch so einfach war es nicht. Liebe hin oder her …
 

Am folgenden Morgen wachte ich früh. Meine Glieder schmerzten und ich schaffte es nur schwer aus dem Bett, um mir Kaffee zu kochen.

Ich öffnete die Wohnungstür und hob die Zeitung von der Fußmatte. Achtlos warf ich sie auf den Tisch und goss mir den dampfenden Kaffee ein. Dabei schielte ich auf die Uhr. Es war noch zu früh, um Akemi aus dem Bett zu klingeln. Nach unserem letzten Treffen hatte sie versprochen, sich zu melden. Doch bisher war nichts geschehen.

Ich schlenderte zum Tisch, um in der Zeitung zu blättern.
 

Mir fiel die Schlagzeile sofort ins Auge und ein undefinierbares Gefühl machte sich in mir breit.
 


 

Milliarden – Räuber begeht Selbstmord
 

Schnell überflog ich den Artikel, stockte und die Tasse fiel mir aus der Hand. Geräuschvoll zersprang sie auf dem Boden und der brühend heiße Kaffee ergoss sich über meine bloßen Füße. Doch das nahm ich schon nicht mehr wirklich wahr.

Das Blut schien in meinen Adern zu gefrieren, eine eisige Kälte ließ mich erzittern. Ich wollte schreien, doch aus meiner Kehle drang nur ein erbärmliches Wimmern.
 

Die Bank in der meiner Schwester arbeitete – der falsche Name, welchen sie verwendete …
 

Meine Beine ließen nach und ich sank zu Boden.
 

Nein, das konnte nicht sein! Niemals! Akemi würde niemals einen Geldtransporter überfallen, dazu hatte sie keinen Grund. Und umbringen würde sie sich erst Recht nicht. Ungläubig schüttelte ich den Kopf.

Ich wankte zum Telefon. Dabei verschleierten Tränen meine Sicht und immer wieder verwählte ich mich. Als ich glaubte, die Nummer richtig eingegeben zu haben, ertönte eine durchdringende Frauenstimme. Kein Anschluss unter dieser Nummer!

Ich nahm tief Luft, amtete ganz bewusst aus und versuchte es ein weiteres Mal.

Doch zwecklos.

Mein Herz raste und ich fürchtete, es würde mir gleich aus der Brust springen.

Hektisch zog ich mich an und verließ die Wohnung.

Ich musste einfach selbst nach meiner Schwester sehen. Sie war nicht tot, es musste sich um ein Missverständnis oder einen Zufall handeln, ganz sicher!
 

Ich bog um die Ecke und lief die Treppen herauf. Gleich würde sie mir ganz verschlafen die Tür öffnen und mich dann lächelnd begrüßen.

Völlig außer Atem stand ich vor der Tür und ein Stein fiel mir vom Herzen, als ich ihre Stimme hörte.

Sie schien zu telefonieren.

Erleichtert hämmerte ich gegen die Türe. „Akemi! Ich bin’s!“

Mit einem Ruck wurde die Tür aufgezogen und ein fremder Mann stand vor mir, beäugte mich misstrauisch. „Was soll der Krawall?“

Eine Frau tauchte im Flur auf und blickte mich neugierig an.

„Wer sind Sie? Wo ist meine Schwester?“ Panisch bemerkte ich, dass der Flur vollständig leer geräumt war. Was ging hier vor sich?

„Schwester?“ Der Mann runzelte die Stirn. „Diese Kriminelle ist Ihre Schwester gewesen!?“

Entsetzt wich ich zurück, der Mann wechselte einige Blicke mit der Frau.

„Hören Sie, ich bin der Vermieter dieser Wohnung. Gestern kamen ein paar Leute und haben die Wohnung leergeräumt. Wussten Sie etwa nichts davon?“

Seine Rufe nahm ich nur vage wahr, als ich mit unsicheren Schritten die Treppen runter stolperte.
 

Nein. Nein. Nein. Nein.
 

Irgendwie erreichte ich meine Wohnung, sank dort in mich zusammen und schluchzte auf.

Ich schloss die Augen und übrig blieb Schmerz, der sich mit jedem meiner Herzschläge zu verstärken schien.
 

„Um mich brauchst du dich nicht zu sorgen!“
 

Ihre Worte hallten in meinem Kopf wieder.

Meine große Schwester … die immer ein Lächeln auf den Lippen hatte, die für mich da war und mich liebte … sie war tot. Gestorben. Nie mehr würde sie mich anlächeln oder mich umarmen. Es gab niemanden mehr, der mich „Shiho-chan“ nannte. Nie wieder.

Ich war allein, ganz allein. Und ich fühlte mich jetzt schon wie tot. Wofür lebte ich, wenn nicht für meine Schwester?
 

Wie lange ich in dieser Starre verharrte … ich weiß es nicht.

Doch irgendwann waren meine Tränen getrocknet, meinen Gedanken wieder klarer und mir wurde schlagartig bewusst, dass dieser Zustand real war. Es war kein Alptraum, ich konnte der Leere nicht entkommen. Panik erfasste mich durch die plötzliche Erkenntnis und drückte mir schwer auf die Brust, sodass ich nach Luft schnappte. Schlagartig nahm ich alles ganz intensiv wahr. Meine schmerzenden Glieder, das Rauschen meines Blutes in den Ohren und auch die verbrühte Haut an meinen Füßen.
 

„Akemi hat sich nicht umgebracht!“, schoss es mir durch den Kopf.

Sie war kein Mensch, der Selbstmord beging … egal wie aussichtlos eine Lage war. Meine Schwester hatte immer versucht, Mittel und Wege zu finden. Und was auch immer geschehen war, ich musste es herausfinden.

Warum sollte Akemi einen Geldtransporter überfallen? Dazu gab es keinen Grund. Es konnte also nur die Organisation ihre Finger im Spiel haben.

Um alle verräterischen Spuren zu beseitigen, spritze ich mir kaltes Wasser ins Gesicht.

An diesem Samstag war eigentlich mein freier Tag. Und trotzdem machte ich mich auf den Weg zur Fabrik. Ich hoffte, dort auf Gin zu treffen und mit ihm zu reden.

Dass ich Überstunden machte, war nichts Ungewöhnliches und zog zum Schein meinen Laborkittel über. Kurz zögerte ich, doch dann nahm ich meine Beretta aus meinem Spind. Was hatte ich schon zu verlieren? Nichts.

Ich erkundigte mich, wo Gin sich gerade aufhielt. Ich fand ihn zusammen mit Wodka und einem, mir unbekannten, Mitglied im PC Raum. Da ich für einen anderen Bereich zuständig gewesen war, hatte ich diesen Raum nie zuvor betreten. Doch mir war bewusst, dass von hier aus viele Fäden gespannt wurden. Ich hielt inne, denn mein Körper bebte vor Anspannung.
 

„Was gibt’s, Sherry? Hast du nicht frei?“

Ich schluckte. „Ich muss mit dir sprechen!“, erwiderte ich mit halbwegs fester Stimme. Der fremde Mann verließ rasch den Raum und schloss die Tür hinter sich.

Gins Mine war ernst geworden. Ahnte er, welche Fragen mir auf der Zunge lagen?

Ich verschränkte die Arme, eine reine Abwehrgeste. Ich wollte mir meine Gefühle nicht anmerken lassen.

„Ich will wissen … was meine Schwester mit diesem Überfall zu schaffen hat und … warum sie jetzt tot ist!?“ Und nun begann meine Stimme doch zu zittern.

Ich konnte es kaum fassen, dass Gin mich angrinste. „Darüber solltest du dir deinen hübschen Kopf nicht zerbrechen!“

Diese arrogante, widerliche Art ließ mich vor Wut erzittern. Ich hatte genug von seinen dämlichen Sprüchen und diesem Macho Gehabe! Wie konnte er den Tod meiner Schwester derart abtun? Und diesen Mann hatte ich geliebt …

Ohne zu zögern griff ich nach der Waffe und richtete sie auf Gin.

„Ich will wissen, was passiert ist!“, sagte ich mit Nachdruck.

Gin wirkte amüsiert, sein Grinsen wurde nur noch breiter.

„Du solltest dir darüber im Klaren sein, was du gerade tust! Du hast es weit gebracht, Sherry. Willst du dir mit so einem Blödsinn wirklich die Zukunft verbauen?“

Aufgebracht schüttelte ich den Kopf. „Das interessiert mich nicht!“, erwiderte ich. „Sag mir, warum sie sterben musste!! Was hat sie getan, habt ihr sie dazu gezwungen?? Ich werde Forschungen einstellen, solange ich die Wahrheit nicht erfahre!“

Auf meine Forderungen ließ er sich nicht ein. Stattdessen wechselten seine amüsierten Gesichtszüge, bis ich wieder ihn vor mir stehen hatte; einen Mörder, eiskalt und skrupellos.

„Gib mir die Waffe, Sherry!“ Langsam kam er auf mich zu.

Meine Finger waren fest um diese Waffe gekrallt. Ich brauchte nur abzudrücken, dann wäre ich so gut wie frei. Ich bekam meine Informationen auch irgendwie anders …

Doch ich konnte es nicht.

Seine grünen Augen hielten mich wie gebannt.

„Shiho.“
 

Ich zuckte zusammen. Er nannte mich bei meinem Vornamen?

Meine Fassungslosigkeit nutzte Gin und verdrehte mir blitzschnell den Arm, sodass ich unter Schmerz die Waffe fallen ließ. Daraufhin verspürte ich nur noch einen glühenden Schmerz in meinem Schädel und mir wurde schwarz vor den Augen.

Nur kurz war ich bewusstlos. Doch der Schwindel hielt an und ich konnte mich nicht gegen den groben Griff um meinem Arm wehren. Man zerrte mich durch die Gegend, ich wusste nicht wohin.

Ganz plötzlich wurde ich unsanft in eine Ecke gestoßen, wo ich sofort zu Boden sank. Ein metallisches Klicken ertönte, eine Tür wurde sorgfältig verriegelt und ich saß benommen auf dem kalten Boden.

Es brauchte eine ganze Weile, bis ich wieder einigermaßen klare Sicht hatte und mich orientieren konnte.

Ich sah mich um – in dem Raum gab es nichts, was mich aus meiner misslichen Lage befreit hätte. Ein paar Regale standen an den Wänden, Kisten, Putzmittel … so wie der Raum aussah, musste ich mich in einem der Heizungskeller befinden.

Erst wollte ich mich aufrichten, bis ich die Handschelle um mein Gelenk bemerkte. Ich war an ein Rohr gekettet worden.

Erschöpft sackte ich in mich zusammen.

Ich hatte mich gegen Gin – und damit gegen die Organisation gestellt. Mein Leben war vorbei. Ganz endgültig. So glaubte ich es zumindest.

Kurz trauerte ich um mein junges Leben. Ich wusste, ich hätte viel erreichen können, auch ohne den Einfluss der Organisation. Doch diese Chance hatte ich nie erhalten. Meine Eltern waren tot, Akemi tot. Und mich würde es auch erwischen. Vielleicht war es besser so. Ja, ich begrüßte den Tod sogar. Es war besser als ein Leben in der Organisation. Und ein Leben ohne meine Schwester wollte und konnte ich nicht führen.

Ich griff in die rechte Tasche meines Kittel, suchte und atmete erleichtert auf, als ich fündig wurde. Eine Kapsel des Apoptoxin 4869 hatte ich zu jeder Zeit bei mir getragen und nun wusste ich auch wofür.

Kurz noch starrte ich auf mein todbringendes Wunderwerk.

Mir war es eindeutig lieber, mithilfe des Giftes durch die eigene Hand zu sterben, als Gins Gesicht ein weiteres Mal ertragen zu müssen.

Ich steckte mir die Kapsel in den Mund, schluckte und wartete sehnsüchtig auf deren Wirkung.

Dann geschah es. Lodernde Hitze durchzog rasendschnell meinen Körper und ich schrie auf.

Ich verbrenne!, war mein einziger Gedanke, als ich gequält nach Luft schnappte.

Unter höllischen Schmerzen, wandte ich mich hin und her, verfluchte dieses verdammte Gift und sehnte mich nach einem alles erlösenden Ende.

Und dann, endlich, klinkte das Feuer plötzlich auf und ich hatte das Gefühl, immer tiefer und tiefer in diese angenehm kühle Schwärze zu sinken.

Flucht

Langsam kam ich wieder zu mich. Nach und nach begannen meine Sinne ihre Arbeit wieder aufzunehmen.

Zunächst verspürte ich den kalten Boden unter mir.

Dann vernahm ich diesen Duft nach Vermoderung, welcher oft in Kellern zu finden war.

Keller …

Ich erinnerte mich. Ich war eingesperrt und hatte das Gift zu mir genommen.

Stöhnend begriff ich, dass ich noch lebte und das Gift seine Wirkung verfehlt hatte.

Mühsam öffnete ich die Augen, konnte zunächst nur verschwommen sehen.

Mit den Händen drückte ich mich vom Boden ab, um mich aufzurichten.

Das Gift hatte eine seltsame Wirkung auf meine Wahrnehmung. Alles erschien mir so riesig …

Mit der Hand wollte ich mir die verschwitzten Haare aus dem Gesicht streichen. Erstaunt bemerkte ich, dass mein Arm vollständig im Ärmel des Kittels verschwunden war.

Ich sah an mir herunter und meine Knie gaben nach.
 

Ich war ein kleines Kind!!
 

Wie die Labormaus war ich geschrumpft.

Doch es blieb keine Zeit, mir darüber Gedanken zu machen.

Denn ein enger Müllschluckerschacht war in mein Blickfeld geraten.

Ich robbte mich bis zur Wand, kletterte in den Schacht und landete unsanft in einem Müllcontainer. Ächzend richtete ich mich auf. Es war verrückt, doch ich war frei!

Meine Schuhe verbuddelte ich tief im Müll und hoffte, dass man meine Spuren so nicht zurückverfolgen konnte.

Mit bloßen Füßen stand ich auf der nassen Straße, raffte den Kittel fest um mich und rannte los. Ich wusste erst nicht wohin. Nur weg von dieser Fabrik, von Gin und von meinem alten Leben.

So rannte ich immer weiter, bis ich im Beika Viertel landete.

Noch immer wusste ich nicht, wohin. Zu meiner Wohnung konnte ich schlecht zurückkehren, dort würde man mich als Erstes vermuten. Doch ich musste weg, untertauchen. Wahrscheinlich waren sie schon auf der Suche nach mir.

Und plötzlich kam mir Shinichi Kudo in den Sinn. Er befand sich doch in der selben Lage wie ich. Nur seinen Aufenthaltsort musste ich finden. Der einzige Anhaltspunkt war sein Haus.

Orientierungslos irrte ich durch die verlassenen Straßen. Nach gefühlten Stunden erreichte ich die Villa. Doch, was nun? Wenn dieser Kudo schlau war, hatte er schon längst die Stadt verlassen. Da konnte ich ihn lange suchen …

Erschöpft brach ich ein weiteres Mal zusammen.
 

Ganz unverhofft wurde ich von Professor Agasa gefunden und aufgenommen. Eine gewisse Ähnlichkeit bestand natürlich zu Shinichis Lage, als er geschrumpft wurde. Allein die große Kleidung reichte als Beweismittel. Er sprach mich darauf an und ich konnte kaum fassen, dass dieser Professor Shinichi Kudo kannte und wusste, wo er sich derzeit aufhielt.

Ich erzählte ihm meine Geschichte, natürlich lange nicht alles. Doch ich berichtete von meiner Arbeit. Er war ganz aufgeregt und schlug mir vor, für eine Weile bei ihm zu wohnen. Ich sollte Shinichi in seiner Gestalt als Conan kennen lernen und zur Schule gehen.

Ich stand dem Vorschlag skeptisch gegenüber, da ich große Angst hatte, man könnte mich finden und nicht nur mich, sondern auch den Professor töten. Doch letztendlich nahm ich sein Angebot an und ab sofort war ich eine kleine Grundschülerin namens Ai Haibara.
 

Das Ende des Epilog mag vielleicht etwas hastig zu wirken, doch ich fand es besser, die Situation mit Professor Agasa nicht weiter auszuführen, weil es sonst vielleicht keinen richtigen Schluss gegeben hätte …



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Kommentare zu dieser Fanfic (27)
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Von: abgemeldet
2011-03-16T16:01:52+00:00 16.03.2011 17:01
Endlich bin ich dazu gekommen, das erste Kapitel zu lesen und ich bereue nichts^^
Ich finde es toll.
Interessant, dass man Gin hier auch in jüngeren Jahren erlebt. Da ist er ja aschon auf dem besten Weg dahin, ein kalter, herzloser ... (ich sag jetzt einfach mal) Killer zu werden.
Dass Shiho und Akemi getrennt werden, finde ich so trarurig =(
Mir gefällt die Sache mit dem Vormund, den sie nie zu Gesicht bekamen, wozu hier ja auch schon jemand was erwähnt hat.
Du hast , finde ich, auch gut dieses Traurige rübergebracht.
Bei der Situation im Flugzeug merkt man direkt, dass die arme Shiho jetzt ganz auf sich alleine gestellt ist.

Und Akemi kam sehr herzlich und fürsorglich rüber, so wie sie laut den Mangas ja auch ist.
Sie war mir direkt symapthisch =)
Schade, dass sie jetzt ja nicht mehr vorkommt.
Aber ich bin schon gespannt, wie es mit Shiho weitergeht.
Von: abgemeldet
2011-03-16T15:47:00+00:00 16.03.2011 16:47
Hier erstmal ein paar Fehler, die ich gefunden habe:
"Zu gern würde ich die Alpträume und die ständige Angst hinter mich lassen." (hinter mir lassen)
" und versucht, dass Projekt meiner Eltern zu vollenden." (das Projekt)
"zerfraß mich von innen auf." (fraß mich von innen auf oder zerfraß mich innerlich)

Nun zum Inhalt und deinem Schreibstil:
Deinen Schreibstil finde ich im Prolog okay, die Idee für den Prolog finde ich gut und vor allem der letzte Satz gefällt mir.
Ich bin schon gespannt darauf, wie es weitergeht. :)
Von:  Fine-Chan
2011-02-01T23:08:14+00:00 02.02.2011 00:08
oh man ich les ja eigentlich nicht viele fanfic aber deine gefällt mir richtig gut, außerdem passen die anspielungen vom manga/anime in deine story und ja ich konnt nicht mehr aufhören zu lesen also danke für den guten stoff, mach weiter so !
Von: abgemeldet
2010-07-12T17:01:03+00:00 12.07.2010 19:01
Hi^^
also erstmal: es ist aus?? T,T
Aber gut, es war ja klar, dass es hier enden wird... wie auch immer, ich finde die FF nach wie vor sehr gut und sie stellt Shihos Situation meiner Meinung nach nahezu perfekt dar.
Der Epilog war tatsächlich etwas übereilt und ich denke nicht, dass eine nähere BEschreibung der SItuation dem Ganzen geschadet hätte, aber auch so ist es nachvollziehbar, zummal das Ganze für SHiho wohl ebenso schnell gegangen sein muss wie für uns Leser hier.
Insgesamt hat's mir wie gesagt sehr gut gefallen und ich hoffe, du schreibst noch mehr ^^
LG Ryoko
Von: abgemeldet
2010-07-12T16:48:46+00:00 12.07.2010 18:48
Also, ich muss sagen, dass ich nicht wirklich grade ein Fan von Ai/Shiho/Sherry bin bzw. es gibt einige Punkte, bei denen sie nicht zu meinem Liebling gehört *g*, aber ich finde diese Fanfiction einfach so toll, da musste ich sie zu Ende lesen und auch meinen Mist abgeben ^///~

Ich will nicht lang reden; sie war einfach nur toll! :)
Die Gefühle und Beschreibungen kamen authentisch und plausibel rüber und bei manchen Punkten würde ich Gosho durchaus es zutrauen, so etwas Ähnliches zu machen ;D

Ich wünsch dir weitere Leser, ist nämlich für so eine tolle Geschichte ein bisschen arg wenig ^.~
Von:  CarrieS
2010-07-03T01:16:37+00:00 03.07.2010 03:16
freitagnacht, viel zu warm um sich zu bewegen und kein bisschen müde. was macht man da? genau, man durchstöbert animexx auf der suche nach guten FFs. und tada! man wird doch tatsächlich fündig!

ich mag Shiho/Ai sehr, und das Pairing mit Gin auch, also hab ich mal angefangen zu lesen und - ich mag deine FF wirklich sehr! du hast einen sehr guten Schreibstil und ich glaube, du hast die Charaktere ziemlich gut getroffen. bisher hab ich mir nie gross gedanken über den lebenslauf von Shiho gemacht, aber jetzt hab ich 'ne vorstellung davon. du hast dir offensichtlich viel mühe gegeben mit dem ablauf, und auch die anderen charas wie z.b. vermouth passend eingebaut.
nur der altersunterschied zwischen Shiho und Gin schien mir zu anfang ihrer beziehung etwas gross, aber dafür kannst du ja nichts xD
(leider konnte ich das eine kapitel nicht lesen. bin zwar alt genug, aber hab keinen altersnachweis eingesandt. naja)

jedenfalls freu ich mich auf das finale ^^ und jetzt geh ich doch mal ins bett und versuch zu schlafen xD
Von:  Hannibal
2010-06-21T19:34:24+00:00 21.06.2010 21:34
Das ganze wird sicher ein böses Ende nehmen XD
Von:  Hannibal
2010-06-20T16:20:43+00:00 20.06.2010 18:20
Sehr wissenschaftlich diesmal, aber trotzdem spannend ^^
Von: abgemeldet
2010-06-11T19:43:46+00:00 11.06.2010 21:43
xD ALso du hast schon Recht, zeitlich geht das alles überhaupt nicht, jedenfalls die Sache mit Rye, bei Vermouth bin ich grad noch am nachrechnen, das müsste doch etwa zu der zeit gewesen sein, als ´Sharon Shinichi und Ran in LA getroffen hat, oder nicht? Naja, okay, halbes Jahr hin oder her, aber SHaron ist doch kein halbes Jahr nach dem Treffen gestorben, oder? (Ist schon länger her, dass ich sowas nachgerechnet hab xD)
Wie auch immer, ist ja egal ^^
Was mir aufgefallen ist ist, dass du vor allem am Anfang deine Wörter teilweise nur halb hingeschriebn hast, beispielsweise bei 'Arzneimittelfabrik' fehlt die Fabrik und so macht das Wort in dem Satz keinen SInn, wäre schön, wenn du das noch verbesserst, sind aber nur Kleinigkeiten.
Insgesamt hab ich mich erstmal total gefreut, dass es weitergeht und ihc muss sagen ich hätte mir etwas mehr SHihoxGIn gewünscht, auch wenn das Hauptaugenmerk nun eh erstmal auf Akemi liegen wird, aber Ginny is doch soo toll *.*
Ähm ja...recht viel passiert ist ja sonst nicht in dem Kapi, aber du hast keinen Grund unzufrieden zu sein, das Niveau deiner FF ist ohnehin hoch und dem wird dieses Kapitel keinen Abbruch tun.
Also: Ich hoffe es geht bald weiter =)
LG Ryoko
Von:  Hannibal
2010-06-10T21:23:02+00:00 10.06.2010 23:23
So...auch dieses Kapitel hat man wieder mit Freude verschlungen :)
Und natürlich musste Wermut die arme Sherry wieder ärgern xDDD


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