Hass
»Solang es so bleibt wie im Moment, ist es mir egal. Aber sobald es zu einer Beziehung wird, kannst du die Varia vergessen.«
Du glaubst, zu spüren, wie unter den Verbänden deine Knöchel zu bluten beginnen, doch es ist dir egal. Du machst weiter.
»Und sieh zu, dass du wieder auf dein normales Level kommst. Du hast nachgelassen. Könnte bald eng werden.«
Noch ein Schlag. Rechts. Links. Ein Tritt von unten, sodass der ganze Sandsack wackelt. Nochmal. Links. Zweimal die starke Rechte. Tritt in die Seite. Ellenbogen. Ein Aufbrüllen.
Du hasst ihn. Du hasst ihn. Du hasst ihn.
Was geht es die Varia schon an, mit wem du zusammen sein könntest und mit wem nicht?
Was geht Xanxus schon dein verficktes Leben an?
Ein weiterer, wütender Kriegsschrei erfüllt den Trainingsraum im Keller des Vongola-Hauptquartiers, als du erneut auf den Boxsack losgehst.
Du hasst ihn.
Nicht nur, dass er plötzlich aufploppen und dir eine verdammte Beziehung verbieten muss.
Tritt in die rechte Seite, Tritt in Richtung Kopf, selbe Bewegung.
Nein, er muss dich damit auch wieder daran erinnern, wie aussichtslos deine Lage ist.
Aus dir und Tsuna kann nicht nur nichts werden, aus dir und Tsuna darf auch noch nichts werden.
Die Rechte. Die Rechte. Ellenbogen. Nochmal die Rechte. Keine Verschnaufpause. Nur nicht aufhören.
Du hattest nie große Hoffnung, dass aus dieser kopflosen Verliebtheit irgendwann irgendwas werden könnte. Aber wenn du zwischendurch mal gehofft hast, dann warst du sehr glücklich.
Das hat er dir jetzt auch versaut.
Noch ein Tritt. Mit der Fußsohle direkt in die Mitte. Nicht aufhören. Zuschlagen.
Und dann noch diese Anmerkung. Scheiße, ja, du weißt, dass du nachlässt. Deshalb wollest du ja gehen und in Italien weiterarbeiten, aber das lässt der Wichser ja auch nicht zu.
Die Linke. Tritt von unten. Mit dem ganzen Körper dagegen werfen.
Du hasst ihn.
Egal, was passiert, mit dir und der Varia scheint es zu Ende zu gehen. Wenn du etwas mit Tsuna anfängst, werfen sie dich raus. Wenn du nichts mit Tsuna anfängst, wirst du immer schlechter und am Ende werfen sie dich auch raus.
Nichts, was du tun könntest.
Rechts. Links. Rechts. Links. Ellenbogen. Links. Links.
Früher oder später wird dein Zuhause dich rauswerfen. Ganz klare Sache.
Links. Rechts. Knie. Du wirst schwächer. Deine Beine zittern. Deine Hände bluten.
Du willst die Varia nicht verlieren. Du willst aufhören, so fühlen zu müssen. Du willst aufhören, Tsuna zu lieben. Du willst aufhören, Xanxus zu hassen.
Der Sandsack schwingt. Du stützt die Hände auf deinen Knien ab und keuchst, beobachtest, wie sich die Verbände über deinen Knöcheln langsam blassrot färben.
Du hasst ihn. Scheiße, du hasst ihn immer noch. Du kannst diesen Boxsack gar nicht genug verprügeln. Du hasst ihn. Soll er doch in der verfickten Hölle schmoren.
Eine leise Stimme ruft vorsichtig deinen Namen und dein Kopf schnellt hoch. Tsuna steht in der Tür und betrachtet dich besorgt – und der ganze Hass fällt mit einem Mal von dir ab.
»Alles okay?«, fragt er.
Du grinst wackelig. »Geht schon«, lügst du.
»Brauchst … du Eis?«
»Häh?«, machst du und Tsuna gestikuliert aus seinen einigen Metern Entfernung vage in deine Richtung.
»Für deine Hände.«
»Oh«, machst du und betrachtest wieder die blutigen Verbände. »Ja. Wäre vielleicht nicht schlecht«, murmelst du, siehst ihn an und grinst wieder dämlich. »Dachte schon, du willst mir Eis andrehen … zum Essen.«
Und dann grinst Tsuna genauso dämlich zurück. »Eis essen gehen können wir auch, wenn du magst«, sagt er.
Du hast das Gefühl, kotzen zu müssen – vor Freude. Und Erschöpfung. Du nickst, dann springst du unter die Dusche, lässt dir von Tsuna Kühlpacks für deine aufgewetzten Knöchel andrehen, und dann gehst du wirklich einfach so mit ihm Eis essen.
Und obwohl es sich falsch anfühlt, lauert in deinem Kopf sogar ein Hauch von Genugtuung.
Dein Boss kann dich einfach mal gehörig am Arsch lecken.
