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Due mondi [Tsuna X Reader]

Ein langer Weg
von

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Zerbrochen

Das habt ihr nicht verdient.

Nicht nach allem, was passiert ist. Das habt ihr einfach nicht verdient.

Tsuna behauptet, er ginge in Ordnung, und du weißt genau, dass er lügt. So wie du selbst lügst. Ihr wollt einander die Sorge um den anderen nicht auch noch antun.

Das ist okay. Er darf dich jetzt anlügen. Du machst dir keine Sorgen.

Tatsächlich hast du damit aufgehört, um Tsunas Leben und Gesundheit zu bangen. Diese Gedanken sind völlig in den Hintergrund gerückt, denn du bist mittlerweile viel zu sehr damit beschäftigt, dich aufzuregen.

Belphegor hätte dafür bestimmt irgendeine Reihenfolge gewusst, die angeblich in der menschlichen Psyche verankert ist oder irgendsoetwas. Erst Optimismus, dann Verzweiflung, dann Sorge, dann Wut. Mal sehen, was danach kommt.

Vielleicht Tod.

Oder Wahnsinn.

Scheiße, das ist einfach nicht gerecht.

Und du weißt, dass das Leben nicht fair ist, du hast Tsuna selbst erklärt, wie Alpträume manchmal zur Realität werden – aber das hier übersteigt einfach alles, was du bisher erlebt hast.

Während ihr schweigend durch das trockene Gras stapft, denkst du daran zurück, wie Tsuna dir nachträglich alles über sich erzählt hat. Wie lang mag das her sein? Drei, vier, fünf Tage? Du bist nicht mehr sicher, wie lang ihr schon unterwegs seid und hast keine Ahnung, wie lang ihr vorher bei euren Entführern wart. Aber alles, was davor passiert ist, kommt dir wie ein anderes verdammtes Leben vor.

Ihr habt auf einem Hügel gesessen, nein, Tsuna lag am Boden, und du wolltest ihn trösten, und er hat dir sein Leben chronologisch vorgebetet.

Ein Junge, der die ersten vierzehn Jahre seines Lebens der festen Überzeugung war, es niemals zu irgendetwas bringen zu können. Ein Junge, den niemand mochte, und der sich folglich auch selbst nicht wirklich leiden konnte. Ein Junge, der schlecht in der Schule war und dort regelmäßig verprügelt wurde, ohne Freunde, die ihm halfen, ohne irgendwen, der ihn aufbauen konnte. Ein Junge, der seinen Vater vermisste und keine Verbindung zu seiner Mutter fand. Ein Junge, der vor vielem Angst hatte, weil es niemanden gab, der ihm beibrachte, dass das nicht nötig war. Der Alptraum einer Kindheit. Und dann wird er in etwas hineingeworfen, was er nie selbst wollte, in eine Welt, die ihm ferner liegt als alles andere. Seine neuen Freunde wären nicht mit ihm befreundet, müsste ein alter Mann in Italien nicht langsam abdanken; Menschen, die er nie vorher gesehen hat, wollen ihn umbringen, er bekommt es mit Mächten zu tun, an die er vorher nicht geglaubt, nicht einmal gedacht, hat. Er reist in andere Länder und fremde Zeiten, verliert Freunde, die er gerade erst kennen gelernt hat, begegnet dem Wahnsinn, erleidet Schmerzen und setzt sein Leben aufs Spiel für das der anderen – nur, um danach wieder in die Welt zurückzukehren, aus der er kam. In eine Welt, in der es, unglaublicherweise, immer noch jugendliche Vollidioten gibt, die ihn verprügeln wollen, und weil er ist, wie er ist, lässt er es mit sich machen, er, der Junge, der in die Zukunft reiste und dort die Menschheit vor dem Untergang bewahrte, kehrt zurück in die Schule und lässt sich zusammenschlagen.

Ein Junge, der nun sechzehn Jahre alt ist und verdient hätte, dass endlich alles gut wird, dass in seinem Leben endlich alles funktioniert.

Ein Junge, der jetzt neben dir her schlurft und einer wandelnden Leiche ähnelt.

Du schielst ihn von der Seite an und denkst, dass er ein kaputter Charakter ist. Eine zerstörte Persönlichkeit, zerbrochen – zerbrochen an allem, was ihm wildfremde Menschen auf die Schultern geschmissen haben. Und du fragst dich, ob das vor dir noch nie jemand bemerkt hat. Ob vor dir noch nie jemand den Schmerz bemerkt hat, den dieser Junge völlig allein mit sich herumträgt.

Zerbrochen.

Er hätte verdient, dass jemand seine Scherben aufsammelt und für ihn wieder zusammenklebt, anstatt sie am Boden liegen zu lassen und auch noch auf ihnen herumzutreten.

Du beißt die Zähne zusammen und willst ihn vor lauter plötzlichem Mitleid (vielleicht die nächste Phase?) nur noch in die Arme schließen. Stattdessen wendest du den Blick von ihm ab und starrst weiter in die Ferne –

Und machst im nächsten Moment einen Satz zur Seite, springst Tsuna um den Hals und schließt ihn tatsächlich in die Arme.

»Wa-wa-was?!«, macht er erschrocken und sieht dich entgeistert an.

»Da vorne!«, quietschst du, deine Stimme überschlägt sich vor Heiserkeit und Freude gleichermaßen, als du mit einem Arm wild in Richtung Horizont gestikulierst. »Siehst du es nicht? Siehst du es? Da ist eine Stadt!«

Langsam wendet Tsuna den Kopf in die entsprechende Richtung, und als du schon Angst hast, Opfer einer Fata Morgana geworden zu sein, weiten sich seine Augen und auf seinen trockenen Lippen breitet sich das erste ehrliche Lächeln seit Tagen aus. »Oh Gott«, haucht er. »Oh Gott…«

Und dann lacht ihr, weil es wahr ist.

Es ist keine Fata Morgana. Es ist robust, echt und es kommt näher.

Das habt ihr verdient.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Raishyra
2011-09-21T17:26:39+00:00 21.09.2011 19:26
Huhu, eine Stadt!
Na endlich! Vor lauter Spannung wäre ich fast geplatzt. XD
Freu mich schon auf die nächste Seite.^^


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