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Drachenchronik

~ Erstes Buch ~
von

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Carvahal und der Drachenrücken

Kapitel 9: Carvahal und der Drachenrücken
 

~~~~~~~~~~~~~~~~ Was beim letzten mal geschah ~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Ein paar Tage nach dem Verlassen von Landir rastet die Gruppe in einem kleinen Gasthaus mitten im Wald, in welchem Tinúviel ihre Begleiter ein wenig über die Gegend aufklärt, wobei sie auch ein Geisterdorf erwähnt, welches ganz in der Nähe des Gasthauses liegt. Sie folgen am Abend einer Gruppe Abenteurer, die sich ebenfalls zu diesem Dorf begeben, um einen Schatz zu suchen. Stattdessen ziehen sie aber ein Monster aus dem Brunnen. Sie können es nicht los werden, und aus dem Brunnen strömen immer mehr Monster, und schließlich verbarrikadieren sie sich, in der Hoffnung, dass diese Wesen am Tag schwach genug sind, um sie zu töten. Als sie am Morgen aufwachen, merken sie, dass diese Wesen zwar schwächer geworden sind, sich ab auch deutlich vermehrt haben. Sie sind in der Klemme, werden dann jedoch von einem Wesen gerettet, das ähnlich aussieht wie die Monster. Wie sich raus stellt, heißt dieses Wesen Ryusuke und ist der Junge, dessen Verwandlung Ryu beim Kampf im Labor unterbrochen hatte. Und sie erfahren, was es mit den Monstern auf sich hat.

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Am nächsten Morgen erwachte Ryu und sah an die Decke. Er hatte fast einen Tag geschlafen, und doch fühlte er sich wie gerädert. Er drückte eine Hand an seinen Kopf und knurrte leise. Irgendwas stimmte nicht. Er hatte das Gefühl, ganz leise Stimmen in seinem Kopf zu hören. Zu leise, als das er verstehen konnte, was sie sagten. Also seufzte und stand auf. Schnell wusch er sich und zog sich an, ehe er rüber in die Kirche ging. Die Gästezimmer dieser Gaststätte waren in einem separaten Gebäude untergebracht.

Als er das Gebäude betrat, sah er Nicole und Tinúviel bereits an einem Tisch sitzen und Frühstücken. Er setzte sich zu ihnen und gähnte: “Morgen.“

“Morgen.“ Antwortete Nicole fröhlich und sah zu ihm. “Hast du nicht gut geschlafen? Du siehst noch erschöpft aus.“

Er seufzte und schüttelte den Kopf. “Überhaupt nicht. Ich hab keine Ahnung, wieso.“ Erklärte er, während er sich was von Brot und Schinken abschnitt.

“Sollen wir dann noch einen Tag hier bleiben, damit du dich noch ausruhen kannst?“

“Nein, mir wäre es lieber, bald weiter zu kommen.“ Er nahm das Brot in den Mund und holte den Atlas hervor. Nachdem, was er hier sah, bräuchten sie noch gut vier Tage.

“Weißt du, ich fand, Ryusuke sah aus wie ein Dämon.“ Meinte Nicole plötzlich, während sie in ihrem Tee rührte. “Ich meinte, mit der schwarzen Haut, den Hörnern und den roten Augen.“

“Dämon? Ich kenne nur Katzendämonen.“ Antwortete Tinúviel und blätterte in einer Zeitung. “Solch einen Dämon habe ich noch nie gesehen.“

Katzendämonen? Erzähl.“ Fragte Nicole nun neugierig und sah Tinúviel mit funkelnden Augen an. “Was sind Katzendämonen? Wie unterscheiden sie sich von Felyn?“

“Na, Vor allen im Aussehen.“ Erklärte die Halbelfe und musterte ihre Begleiterin. “Felyn sehen meistens so aus wie du: Mit Ausnahme von schweif und Ohren meistens menschlich. Es gibt sicher auch ein paar, die mal mehr, mal weniger nach Katze aussehen, Manchmal so extrem, das man nicht unterscheiden kann, ob sie nun Felyn oder Katzendämon sind. Katzendämonen hingegen…“ Tinúviel unterbrach sich um einen Schluck zu trinken.

“Katzendämonen hingegen.“ Fuhr sie fort. “kannst du dir am besten Vorstellen, in dem du dir aufrecht auf zwei Beinen gehende Katzen vorstellst.“

“Oh, ich weiß, was du meinst.“ Nicole nickte begeistert. “Gibt es sonst Unterschiede?“

“Allerdings. Wie du vielleicht schon weißt, kämpfen Felyn normalerweise nur mit Faustwaffen und Nahkampftechniken. Katzendämonen hingegen sind Krieger, die Breitschwerter und Äxte schwingen. Ausnahmen natürlich immer ausgeschlossen. Und dann gibt’s natürlich Unterschiede in ihrem Sozialverhalten.

Männliche Katzendämonen sind Weiberhelden. Es ist bei ihnen nicht unnormal, dass ein Mann vier Weibchen hat. Begünstigt wird das natürlich dadurch, dass es mehr Weibchen als Männchen gibt. Felyn hin gegen sind meistens einem Partner treu.“

Erzählte Tinúviel weiter, während Nicole neugierig zuhörte.

Ryu hörte nur halb zu. Er dachte an die Ereignisse von gestern. Irgendwie fühlte er sich seitdem komisch. Hatte er sich beim Kampf gegen diese Wesen vielleicht was eingefangen?

“Ryu?“ Nicole sah fragend zu ihm. Er blinzelte und sah zu ihr.

“Ja?“ fragte er ein wenig verwirrt.

“Warst du in Gedanken? Tinúviel hat hier wahnsinnig interessante Sachen erzählt. Die Unterschiede zwischen Katzendämonen und Felyne.“

“Ja.“ Ryu nickte leicht. “Ich habe noch an gestern gedacht.“

“Ach so. Ryusukes Magie war wirklich beeindruckend.“ Meinte Nicole ebenfalls nickend. “Was hatte er noch mal gesagt, was das war?“

“Er meinte, das war eine Art umgekehrte Beschwörungsmagie. Anstatt etwas in den Kampf zu schicken, hat er etwas vom Kampf weg geschickt.“ Erklärte Ryu ihr und überlegte. “Aber es war in der Tat beeindruckend.“

“Aber wie er auch gesagt hatte, ist Beschwörung die Magieart, die am meisten Energie verbraucht. Immerhin ruft man dabei Wesen aus einer anderen Dimension.“ Fügte Tinúviel hinzu. Ryu horchte auf. Andere Dimension? Tinúviel hatte Recht. Beschwörungsmagier waren zudem in der Lage, was er und Nicole suchten. Sie manipulierten die Dimensionen, und vielleicht wusste ein Beschwörer, wie sie wieder nach Hause kamen.

Er aß das Frühstück auf und sah zu seinen Begleiterinnen. “Seit ihr fertig?“ fragte er sie. Er wollte unbedingt weiter. Nach Carvahal, um von dort aus weiter nach Feuerland zu reisen. Die beiden jungen Frauen nickten, also reisten sie los.
 

Sie erreichten die Stadt Carvahal nach vier Tagen. Damit waren sie, den einen Tag Rast in der alten Kirche mit eingerechnet, einen Tag schneller gewesen, als Tinúviel gerechnet hatte. Und nun wusste Ryu, wieso die Stadt zwar weniger Einwohner hatte, aber laut seinem Atlas genau so groß sein sollte wie Nirás: Offenbar hatten die Schreiber des Atlasses die ganzen Felder, die die Stadt umsäumten, mit eingerechnet. Ohne diese war der Ort nur halb so groß wie Nirás.

“Wie es aussieht, müssen wohl ein wenig warten.“ Murmelte Tinúviel. Sie wanderten grade durch die Felder, die immer wieder kaum merklich anstiegen und auch wieder sanken. Nach dem dritten dieser sanften Hügel hatten sie endlich einen guten Blick über den Ort, und Ryu sah, wieso sie warten mussten: Es war grade kein Schiff im Hafen vor Anker.

“Oh, und das da hinten ist übrigens der Drachenrücken und im Hintergrund die Berge von Kiri.“ Fügte Tinúviel hinzu und zeigte in die Ferne. Ryu beschattete seine Augen mit der hand und spähte in die Ferne. Er erkennte sofort, woher dieser kleine Vorläufer des Gebirges seinen Namen hatte. Der Drachenrücken war Rund gewölbt und lief vorne und hinten flach aus. Vor der Flanke des Berges gab es eine große graue Stelle, wo es wohl mal einen Geröllrutsch gegeben hatte.

“Mit ein wenig Fantasie könnte man tatsächlich meinen, das wäre ein gigantischer, schlafender Drache.“ Meinte er und schmunzelte.

“In der Tat.“ Bestätigte auch Nicole. Tinúviel nickte und ging mit den beiden weiter.

“Wie ihr euch vermutlich vorstellen könnt, gibt es auch zum Drachenrücken eine Legende.“ Begann sie zu erklären, während sie an einigen arbeitenden Bauern vorbei kamen. “Früher, bevor es überhaupt Elfen, Menschen und sonstige Wesen gab, sollte es einst wirklich solch riesige Drachen gegeben haben. Die ersten frühzeitlichen Elfen, welche angeblich grade auf die Welt kamen, als diese Drachenart auszusterben begann, nannte sie ehrfurchtsvoll Titanendrachen. Eine Erklärung des Namens ist wohl nicht von Nöten.“

Die drei gingen weiter und grüßten einen fahrenden Händler, der ihnen entgegen kam. Während sie Platz machten, um ihn auf dem Schmalen Weg durch zu lassen, erzählte Tinúviel weiter: “Einer dieser Titanendrachen soll genau an der Stelle gestorben sein, wo nun der Drachenrücken liegt.“ Ryu sah noch mal zu dem Berg und schluckte. Wenn er ihn mit dem Gebirge weiter im Hintergrund verglich, dann maß der Drachenrücken doch ungefähr einen Kilometer in der Höhe. Und wenn er sich nun vorstellte, ein solch gigantisches Lebewesen würde umherwandern.

“Da hätte bei jedem Schritt die gesamte Erde gebebt.“ Flüsterte er leise.

“Bitte was?“ Tinúviel sah ihn fragend an.

“Ach Nix.“ Er schüttelte den Kopf und ging mit ihnen weiter. Während dessen war Tinúviel noch immer nicht fertig mit erzählen.

“Auf dem Drachenrücken wachsen spezielle Bäume, die wir aufgrund dieser Story als Titanenbäume bezeichnen. Sie sind fast so hart wie Diamant und schwierig zu bearbeiten. Aber wenn man es geschafft hat, ist das, was man daraus gemacht hat, beinahe unzerstörbar.“ Erklärte sie den beiden, während sie die Stadt nun betraten. “Sämtliche Türen im königlichen Palast von Landir und die Stadttore waren zum Beispiel aus Titanenholz.“

“Ein beinahe unzerstörbares Holz? Was könnte Titanenholz den trotzdem Zerstören?“ fragte Nicole neugierig.

“Was dieses Holz zerstören könnte? Naja, die Werkzeuge, mit denen es bearbeitet werden kann, zum Beispiel. Wenn man eine Axt hat, mit der man diese Bäume fällen kann, dann kann man auch einen Speerschaft aus diesem Material zerstören.“ Tinúviel blinzelte und blieb stehen, als sie gegen eine auf Kniehöhe angebrachte Kette stieß. Nicole und Ryu blieben hinter ihr stehen und sahen sich um.

“Ich habe gar nicht bemerkt, das wir schon im Hafen sind.“ Bemerkte sie überrascht. “Ich frage mal in der Hafenbehörde nach einer Fahrt nach Feuerland. Seht ihr euch doch eine Weile um.“ Erklärte sie und ging in ein kleines Gebäude ein wenig links am Pier entlang.

Ryu atmete tief ein. Die Seeluft tat irgendwie gut. Die letzten Tage hatte er immer Kopfschmerzen gehabt. Und manchmal waren da die Stimmen, die er nicht verstand. Doch momentan war alles okay. Während Nicole am Strand Muscheln sammelte, sah er sich die Stege ein wenig an. Irgendwas war komisch. Wenn hier regelmäßig Schiffe anlegten, mussten die Taue dann leicht feucht und vielleicht ein wenig vom Grünspan angelaufen sein? Doch diese hier waren trocken und sauber. Beinahe, als hätte hier schon länger kein Schiff mehr angelegt.

Tinúviel bestätigte den Verdacht, als sie wieder aus der Hafenbehörde heraus kam. “Das ist doch komisch.“ Meinte sie verwundert. “Der Angestellte hatte wir gesagt, es wären seit zwei Wochen keine Schiffe mehr eingelaufen.“ Sie schüttelte den Kopf. “Planmäßig wäre schon morgen ein Schiff gekommen, das uns hätte mitnehmen können. Aber er bezweifelt es eher, das es wirklich ankommen wird.“

“Und nun?“ Nicole sah Ryu fragend an.

“Naja. Ich würde sagen, wir suchen eine Übernachtungsmöglichkeit. Vielleicht haben wir Glück und das Schiff kommt.“ Er sah Tinúviel an. “Was gäbe es sonst für einen Weg nach Feuerland?“

“Entweder zurück nach Nirás, um von dort ein Schiff zu nehmen. Aber das wäre idiotisch, wo wir jetzt schon mal hier sind.“ Tinúviel blickte zum Drachenrücken. “Dann müssen wir über den Drachenrücken und durch Kiri. Aber wenn wir jetzt gehen, müssten wir auf dem Rücken übernachten. Ich würde sagen, wir bleiben für heute hier in der Stadt und ziehen morgen früh los. Dann sollten wir bis morgen Abend Kirana, Kiris Hauptstadt, erreichen.“

“Du bist die Expertin hier.“ Antwortete Ryu und nickte leicht. “Wenn du es so für besser findest, machen wir es.“

“Gut. Dann folgt mir. Ich kenne eine gute Herberge.“ Tinúviel sah noch mal kurz zum entfernten Drachenrücken, ehe sie los ging. Nicole und Ryu folgten ihr und sahen sich um.

“Lass mich raten.“ Meinte Nicole grinsend und sah Tinúviel an. “Diese Herberge wird mal wieder von einem alten Bekannten von dir geleitet?“

“Naja, so alt nicht.“ Antwortete sie mit einem Schulterzucken. “Sie hat die Herberge erst vor kurzem von ihrem Vater übernommen. Ich habe sie auf einem Zunftstreffen einmal kennen gelernt.“

“Ein Zunftstreffen?“ Nicole sah sie fragend an. “Was soll das sein?“

“Na, die Schankzunft.“ Antwortete Tinúviel. Sie sah ihre Begleiterin ebenso fragend an. “Gibt es das bei euch nicht?“

“Ich glaube nicht. Oder?“ fragend sah Nicole zu Ryu. Dieser seufzte, ehe er antwortete.

“Zünfte gab es bei uns einmal. Im Mittelalter ungefähr kamen sie auf. Hauptsächlich Handwerker, aber auch andere Personengruppen wie zum Beispiel Wirtsleute und sogar Diebe schlossen sich zu Zünften zusammen. Meistens hatten diese Zünfte irgendwo eine Art Hauptquartier, wo regelmäßig Treffen stattfanden und wo der Meister der Zunft wohnte.“ Erklärte er. “Die Treffen hatten vor allem den Zweck des Informationsaustauschs und des Handels. Ebenso konnten sich Zunftsmitglieder in Notsituationen an die Zunft wenden, welche ihrem Mitglied dann bestmöglich half, wieder aus der Not zu kommen.“

“Hört sich nett an.“ Kommentierte Nicole, welche aufmerksam zugehört hatte. “Wieso gibt es das heutzutags nicht mehr?“

“In dieser Form gibt es das nicht mehr. Aber so was Ähnliches gibt es bei uns noch heute. Heutzutage wird es aber als Gewerkschaft bezeichnet.“

“Hm…“ Nicole nickte. “Jetzt habe ich verstanden.“

Nach zehn Minuten Fußmarsch blieb Tinúviel mit ihnen vor einem Gebäude am Rand des Ortes stehen. Es hatte ungefähr dieselbe Größe wie Tinúviels Gasthaus in Nirás und war auch im selben Stil erbaut.

“ich glaube, das da ist das Symbol eurer Zunft, kann das sein?“ fragte Ryu. Ihm war ein kleines Schild aufgefallen, auf dem ein Bierkrug mit einem Teller und Besteck abgebildet war. Dasselbe Schild hatte er auch in Tinúviels Gaststätte und in der Herberge von Kyle in Landir gesehen.

“Ganz genau. Dasselbe Bild haben wir noch mal transportabel.“ Bestätigte Tinúviel und zog ein kleines Holzschild in der Größe einer Streichholzschachtel hervor. “So können sich Mitglieder untereinander identifizieren und bekommen dann von den anderen Mitgliedern meist Vergünstigungen, wenn man in ihrem Laden absteigt.“ Sie stieß die Türe auf und sah sich um.

Obwohl es erst früher Nachmittag war, war das Gasthaus gut besucht, es gab nur noch wenige freie Plätze. Sie setzten sich an einen Tisch direkt am Fenster.

“Die sehen alle aus wie Seeleute.“ Meinte Tinúviel mit einem Blick durch den Raum. “Offenbar haben sie nichts zu tun, da keine Schiffe einlaufen.“ Sie gab der Bedienung ein kurzes Zeichen.

“Dann haben sie hier hoffentlich noch freie Zimmer.“ Nicole hatte sich ebenfalls umgesehen. “Der Laden muss aber gut sein, wenn sie alle hier her kommen, anstatt in ein Gasthaus am Hafen zu gehen. So verpassen sie doch eventuell, wenn doch noch ein Schiff einlaufen sollte.“

“Oh, ihr werdet es schon sehen.“ Als die Bedienung kam, stand Tinúviel auf und reichte ihr die Hand. “Schon, dich wiederzusehen, Amalia.“ Begrüßte sie diese Lächelnd.

Amalia war jung. Ryu schätzte, das sie nicht viel älter war als er selbst. Ihr Haar war lang und von meeresblauer Farbe, welches sie zu einem Zopf gebunden hatte. Ihr Kleid hatte einen dunkleren, beinahe schwarzen Blauton. Über dem Kleid trug sie eine weiße Schürze mit blauen Nähten und dem Symbol ihrer Zunft auf der Brust.

Mit einem Lächeln umarmte sie Tinúviel und antwortete: “Mich freut es auch. Schön, das du mich einmal hier besuchst.“ Sie musterte Tinúviel und zog eine Augenbraue hoch. “Aber wie siehst du aus? Was ist mit diesen merkwürdigen Kleidern, die du sonst immer getragen hast?“

“Du meinst die Kimonos? Die trage ich momentan nicht, weil dies hier kein Vergnügungsbesuch ist.“ Auf diese Antwort runzelte Amalia die Stirn. Sie gab ihren beiden Mitarbeiterinnen ein Zeichen, dann setzte sie sich zu ihnen.

“Was meinst du denn damit?“ fragte sie Tinúviel. “Dies sein kein Vergnügungsbesuch?“

“Na, ich habe es so gemeint, wie ich es sagte: Wir sind auf der Durchreise.“

“Oh, du reist also wieder?“

“Ja. Meine Begleiter hier brachten mich dazu.“ Mit einem Schmunzeln nickte sie zu Ryu und Nicole. “Ich begleite sie auf ihren Weg, um einen weg nach Hause zu finden.“

Amalia musterte Ryu und Nicole neugierig. “Und wer seid ihr?“ fragte sie dann.

Dieses Mal war Nicole schneller mit Antworten. “Mein Name ist Nicole.“ Erklärte sie der Wirtin. “Und das hier ist Ryu.“

Amalia nickte und stand wieder auf. “Wenn ihr bald weiter reisen wollt, dann wollt ihr euch sicherlich stärken. Ich bereite was für euch vor.“

“Das wäre nett. Und hast du noch Zimmer, die du für uns vorbereiten könntest?“

“Hm, ich hab nur noch zwei freie Zimmer. Das bedeutet, zwei von euch müssten sich eines teilen.“ Erklärte Amalia, während sie was notierte. “Das müsst ihr aber unter euch ausmachen. Ich bringe euch jetzt jedenfalls mein Spezialmenue!“

Mit diesen Worten verneigte sich die Wirtin und ging nach hinten in die Küche.

“Sie ist aber keine Kämpferin, sowie Kyle und du, oder?“ fragte Nicole. Tinúviel lachte nur und schüttelte den Kopf.

Amalia hatte ihr Spezialmenue `Meeresengel´ getauft. Es war eine Art Fisch, mit Reis als Beilage und Zitronengras. Doch Gewöhnungsbedürftig war die Farbe. Das Fleisch des Fisches hatte eine satte, himmelblaue Farbe. Und noch dazu hatte Amalia es irgendwie auch noch geschafft, den Reis ebenfalls blau zu färben.

Ryu musterte seinen Teller. War das wirklich essbar? Er kam zwar aus Japan, aber dennoch schreckte ihn diese Farbe irgendwie ab.

“Ich gebe es ja zu.“ Meinte Amalia, als sie Ryus Blick bemerkte. “Die Farbe ist außergewöhnlich. Aber es schmeckt wirklich sehr gut.“ Erwartungsvoll blickte sie ihn an. Ryu seufzte leise und nickte nur, dann nahm er mit der Gabel einen Bissen vom Fisch.

Und er erstarrte. Es schmeckte einfach himmlisch. So etwas hatte er noch nie gegessen, er konnte es einfach nicht mit irgendwas bekannten aus seiner Welt vergleichen.

“Wirklich sehr gut.“ Meinte er zwischen zwei Bissen und sah zu Amalia. “Der Fisch ist wirklich ausgezeichnet.“

“Danke. Ich habe mein bestes gegeben, alles aus den Zutaten raus holen.“ Amalia wirkte erleichtert, das es allen schmeckte. Sie lächelte und legte zwei Schlüssel auf den Tisch. “Ich habe mittlerweile die Zimmer für euch vorbereiten lassen. Die Treppe raus und dann die letzten beiden Türen.“

“Ah, meine Lieblingszimmer. Wie passend.“ Tinúviel nahm die beiden Schlüssel und reichte Ryu einen. Sie hatten abgemacht, das Tinúviel und Nicole gemeinsam ein Zimmer nahmen, während Ryu das andere alleine nahm. Sie blieben noch bis zur Abenddämmerung im Gastraum. Manchmal unterhielten sie sich mit Amalia, wenn diese etwas Zeit hatte, oder belauschten die anderen Gäste. Diese hatten viele Ideen, wieso keine Schiffe mehr einliefen, doch eine war verrückter als die andere.

Gegen zehn Uhr allerdings sah Tinúviel auf und streckte sich, ehe sie aufstand. Auch Ryu und Nicole erhoben sich und gemeinsam gingen sie nach oben.
 

“Endlich. So lange warte ich schon.“

Ryu sah sich um. Was war nun schon wieder? Er stand auf einer leeren, weiten Steppe. Hier und da gab es ein paar vertrocknete, krüppelige Bäume.

“Hallo?“ rief er unsicher. Wo war er hier? Vorhin hatte er sich doch in Amalias Gasthaus schlafen gelegt, und nun stand er hier in dieser einsamen Steppe?

“Wie stark du bist.“

Ryu drehte sich um. Doch hinter ihm war nichts. So langsam wurde ihm diese Sache hier unheimlich. Kurz überlegte er, ehe schließlich los lief. Wohin, das war schwer zu sagen, da hier alles gleich aussah.

“Ja. Komm zu mir. Befreie mich!“

“Lass mich in Ruhe!“ knurrte Ryu und blieb stehen. “Komm raus und zeig dich! Was ist hier los? Wo bin ich?“

“Raus kommen? Ich will es versuchen.“ Mann konnte ein knistern hören. Ryu drehte sich um und sah, das einer der Bäume in pechschwarze Flammen aufgegangen war. Diese stiegen immer höher und schließlich bereitete der schwarze Flammenvogel die Flügel aus. “Mein Name ist Su…“

Ryu blinzelte und sah an die Decke. Er war aufgewacht. Also ist das alles offenbar nur ein Traum gewesen. Er schloss die Augen und versuchte sich daran zu erinnern. Die leere Steppe. Die Stimme. Und die schwarzen Flammen, welche die Form eines Vogels bildeten. “Was hatte das zu bedeuten?“ flüsterte er leise und sah auf die Uhr. Sie zeigte sieben Uhr morgens, also noch etwa eine Stunde, ehe die beiden Frauen aufwachten.

Mit einem Seufzer stand er auf. Er machte sich am Wasserbottich frisch, ehe er sich anzog und hinaus ging. Nach einer Minute, die er zur Orientierung im Dunkeln brauchte, ging er hinab in den Gastraum, in welchem Amalia bereits am hantieren war.

Als sie ihn bemerkte, schrak sie auf. “Oh, hast du mich erschreckt.“ Meinte sie und holte tief Luft. “Schleich dich nicht noch einmal so an. Sonst krieg ich noch einen Herzinfarkt!“

“Verzeihung. Ich wollte dich nicht erschrecken.“ Gab Ryu mit einem Schmunzeln zurück. “Ich konnte nicht mehr schlafen, da bin ich schon mal runter gekommen. Könnte ich eine Schokolade zu trinken bekommen?“

Natürlich. Dauert fünf Minuten.“ Amalia holte einen Topf raus, in welchem sie nun Milch zu erhitzen begann. “Du konntest nicht mehr schlafen? Hattest du vielleicht einen Alptraum?“

“Alptraumhaft würde ich ihn nicht nennen. Gruselig war zumindest nicht.“ Als Amalia ihm eine Tasse mit heißer Schokolade nahm er einen tiefen Schluck und seufzte.

“Um was ging es denn?“

“Hm, nichts besonderes eigentlich. Ich war in einer leeren Steppe, nur ein paar verdorrte Bäume in der Nähe. Doch immer wieder hörte ich eine Stimme.“ Erklärte er und schloss die Augen. “Es war nur ein Traum.“

Den Rest der Stunde verbrachte er an einem Tisch mit seiner Tasse Schokolade. Außer Amalia, die in der Küche das Geschirr abwusch, rührte sich nichts, bis etwa um acht Uhr Nicole und Tinúviel runter kamen. Während des Frühstücks erklärte Tinúviel, wie es weiter ging. Wie sie von ihr erfuhren gab es einen Fluss, welcher von Carvahal aus bis zu einem See führte, der am Fuße des Drachenrückens lag. Und dann mussten sie den Berg auch nicht komplett besteigen, sondern seitlich an seiner Seite entlang wandern. Wenn es keine Probleme gab, so Tinúviels Vermutung, sollte die Grenze etwa am frühen Nachmittag erreicht sein, ehe sie ein paar Stunden später die Hauptstadt des Nachbarreiches erreichten.

Nach dem Frühstück packten sie ihre Sachen und machten sich auf, um den Weg in Anspruch zu nehmen. Während er an diesem Morgen alleine im Schankraum gesessen hatte, hatte Ryu überlegt. Es war mittlerweile schon über einen Monat her, dass sie hier in dieser Welt aufgetaucht waren. Ihre Verwandten und Bekannten in der anderen Welt machten sich sicherlich Sorgen um die beiden. Doch sie konnten nichts tun, außer den Weg weiter zu gehen, den sie in Landir geplant hatten.

“Da wären wir.“ Tinúviel hatte die beiden zu einer kleinen Hütte an einem Fluss geführt. Im Wasser waren Stege angebracht, an welchen lange, beinahe zerbrechlich wirkende Boote fest gemacht waren. Und als Ryu sah, das Tinúviel nur nach einem Boot verlangte, schüttelte er den Kopf. Sie glaubte doch nicht allen ernstes, das diese zerbrechlichen Dinger auch nur einen von ihnen tragen konnte. Doch da sprang Tinúviel auch schon ins Boot, welches zwar schwankte, aber hielt. Nicole folgte ihr kurz darauf. Wieder schwankte es, doch es blieb über Wasser. Also blieb ihm letzten Ende nichts anderes übrig, als ebenfalls ins Boot zu klettern. Er konnte spüren, dass es in der Tat deutlich stabiler war, als der äußere Eindruck vermuten ließ.

“Wir müssen stromaufwärts.“ Erklärte Tinúviel, während sie einen langen Stab nahm, mit der sie das Boot vom Ufer abstieß.

“Mit dem Steuern sollten wir uns abwechseln, da das sehr anstrengend sein wird.“ Die anderen beiden nickten, und Tinúviel begann das Boot mit Hilfe des Stabes den Fluss entlang zu führen. Sie wechselten sich halbstündlich ab. Nach etwa zwei Stunden, Tinúviel hatte grade zum zweiten Mal den Stab an Ryu weiter gereicht, konnten sie das Brausen eines Wasserfalls hören. Zehn Minuten später, nachdem sie eine Biegung des Flusses hinter sich gelassen hatten, konnte sie ihn schließlich sehen. Der Fluss hatte sie zu einem mittelgroßem See gebracht, welcher am Fuße des Drachenrückens lag. Das Grün um den See herum war prächtig gewachsen und manchen Stellen so dicht, das wohl nicht mal mehr Insekten durch kamen. Der Wasserfall stürzte aus einem Felsen, der einige Meter über den See ragte, hinaus in den See. Mit ein wenig Fantasie konnte man sagen, es wäre ein Drachenkopf, aus dessen halb geöffneten Maul das Wasser kam.

“Bring uns dort hinten an das Ufer.“ Wies Tinúviel Ryu an. Dieser nickte und führte das Boot an das Ufer, wo Tinúviel hinaus sprang und das Boot an Land zog, damit auch Ryu und Nicole ohne Probleme an Land kamen.

“Was machen wir mit dem Boot?“ fragte Nicole die Halbelfe. “Lassen wir es hier liegen?“

“Nein. Wir werden es mit nehmen.“ Als Nicole sie verwirrt ansah, schmunzelte Tinúviel. “Diese Boote sind dafür konstruiert worden. Sie wurden extra so leicht gebaut, dass zwei Leute es problemlos auch über Land transportieren können. Hilf mir mal, Ryu.“ Meinte sie schließlich an ihn gewandt und ging zum Bug des Bootes. Hier waren, ebenso wie am Heck, Griffe angebracht, an denen die beiden nun das Boot aus dem Wasser hoben.

“Nun dann.“ Tinúviel holte tief Luft. “Machen wir uns an den Aufstieg auf den Drachenrücken.“

Die anderen beiden nickten, und so machte sich die Gruppe auf den Weg Richtung Norden.
 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ Kapitel 8 Ende ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
 

Beim nächsten mal:
 

Nach dem Erfolgreichen Aufstieg des Drachenrückens erreicht die Gruppe am Abend endlich Kirana, die Hauptstadt von Kiri. Doch hier scheint nicht alles mit Rechten Dingen zuzugehen, und erneut geraten sie in eine Verfahrene Situation, in die auch der König seines Landes die Finger im Spiel hat. Und dann geschieht auch noch etwas…
 

Das nächste Kapitel heißt:
 

Ich rufe dich!

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Aftershow:
 

“`Ich rufe dich!`. Was soll das für den merkwürdiger Titel sein?“ fragte Nicole und schlug das Skript zu. “Wer ruft hier wen?“

“Nun, ich denke, das ist es grade.“ Antwortete Tinúviel und schloss ihr Skript ebenfalls. “Die Leser sollen sich genau diese Frage stellen. Und das soll sie so neugierig machen, das sie das nächste Kapitel ebenfalls lesen werden.“

“Klingt logisch.“ Nicole sah zu ihr. “Aber wieso trägst du dein Kostüm eigentlich noch? Hast du nicht einmal gesagt, das wäre ziemlich unbequem?“

“Das einzig unbequeme daran ist das hier!“ Mit einem Schnauben knallte Tinúviel das Schwert auf den Tisch, welcher unheilvoll knarrte. “Welcher Depp kam auf die Idee, ein derart idiotisch großes Schwert zu erfinden? Ich kann nur froh sein, das dass hier eine Gummiattrappe ist.“ Mit einem Murren ließ sie die Schultern kreisen. “Ein echtes Schwert wäre vermutlich noch schwerer. Vermutlich hat meine Rolle damals ihr Abenteuerleben nicht aufgegeben, weil es ihr zu langweilig wurde, sondern weil sie dieses Schwert nicht mehr ertragen hatte.“

“So schlimm?“ fragte Nicole und griff nach dem Griff des Schwertes. Langsam hob sie es an und schnaubte. “Uff! In der Tat. Wie erträgst du das?“

“Oh, ich hab einen Massagesessel in meinem Wagen. Das entspannt mich am Ende immer ganz gut.“ Erklärte Tinúviel, während sie nun auch die Spitzen ihrer Ohren abzog. “Aber was ist mit dir, Ryu? Du hast die ganze Zeit geschwiegen.“

“Ich habe nur nach gedacht.“ Brummte dieser. Er hielt immer noch das vorige Skript in Händen. Das neue hatte er noch gar nicht angerührt. “Diese Nummer mit den Booten, die man über Land tragen kann, kommt mir irgendwie bekannt vor.“

“Meinst du?“ auch Nicole lugte wieder in das vorige Manuskript. “Also, mir sagt es nichts.“

“Naja, vielleicht auch nur Einbildung.“ Mit einem Seufzer schloss er das Skript.

Doch dann zuckten alle zusammen, als sie eine Stimme hörten: “Oder vielleicht auch nicht!“ Alle drei sahen sich um und erblickten am Ende des Tisches eine Person. Sie war klein und…

“Hoppla, beinahe hätte ich mich selbst beschrieben.“ Lachte die Person und sah wieder zu Ryu. “Es könnte sein, das dir diese Idee bekannt vor kommt, weil ich sie geklaut habe. Glaube ich zu mindestens.“ Grübelnd sah die Person an die Decke.

“Was soll das heißen?“ fragte Ryu verwirrt.

“Wer bist du?“ wollte Nicole wissen.

Und Tinúviel fragte: “Wie bist du hier rein gekommen?“

“Was das heißen soll? Nun, ich glaube, dass ich in einem anderen Buch mal über solch eine Idee gelesen hatte. Ich glaube, es war Eragon, bin mir aber nicht sicher. Und was eure Fragen angeht.“ Mit einem schelmischen Grinsen wandte sich der Fremde an Nicole und Tinúviel und schob seine Brille grade. “Ich bin hier der Autor."



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