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Naomi

Weg in die Schatten
von

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Vaterfreuden

Wo das Leben der kleinen Naomi begann, das konnte Rio niemand wirklich sagen, es gab eine Menge Vermutungen, aber jeder Hinweis, dem er nachging, verlor sich irgendwann im Nichts. So entschied er, dass es nicht so wichtig war, woher sie kam, sondern nur wohin sie gehen würde und bei jedem neuen Schritt, würde er sie von nun an begleiten. Ihre Geschichte begann also vor der Tür einer sehr fragwürdigen Spelunke. Dort gab es alles, Prostitution, Drogen, Alkohol und Gauner. Also eigentlich kein Platz für ein kleines Kind. Doch die Frau des Besitzers, die sich schon lang ein Kind gewünscht hatte, sah nicht ein, dass man das Kind irgendwo hingeben musste, wo es besser versorgt gewesen wäre. Als dann jedoch die Frau sehr krank wurde und kurz darauf verstarb geriet sie in Vergessenheit. Ihr Mann hatte zwar versprochen auf das Kind achtzugeben, aber er war sichtlich genervt und überfordert. Denn ein drei Jahre altes Kind tut in der Regel nicht das, was man von ihm erwartet.

Hier kam schließlich Rio ins Spiel. Er und ein paar Freunde aus der Gilde kamen in diese Spelunke.

Warum genau die Gruppe dort war? Rio hatte die Gruppe dorthin gerufen, weil man ihn gebeten hatte, dort nach dem Rechten zu sehen, außerdem waren sie schon lange nicht mehr zusammen trinken gewesen. Ein gewisses Interesse an leicht bekleideten Frauen war sicher auch mit im Spiel, aber das sollte sich schneller ändern, als die Herren gedacht hatten. Ein Goldschimmer lenkte Rio von seinen Freunden ab. Die Luft stand vor Zigarettenrauch und Biergestank, Männer saßen oder hingen besoffen an ihren Tischen und schummeriges Kerzenlicht erhellte den Raum nur mäßig. Doch in diesem heillosen Durcheinander konnte er sie sehen, sie saß in einer Ecke und spielte mit ein paar Plastikbechern, als wären es Bauklötze. Sie saß einfach nur da und stapelte diese übereinander, doch es wollte ihr nicht allzu gut gelingen. Immer wieder wackelte es, oder sie stieß dagegen. Neugierig, was ein so kleines Kind hier verloren hatte, hockte er sich zu ihr. Es schien ihr nichts auszumachen, als er sich ihr vorstellte, nannte sie ihm ihren Namen. Naomi, so hieß das kleine Mädchen, mit dem langen goldgelben Haar. Es wusste nicht, woher es kam, oder wieso es hier war. Rio glaubte ihm diese Antwort, aber es schien an diesem Ort, nicht besonders glücklich zu sein, auch wenn sie ihm beteuerte, dass es ihm an nichts fehlte. Es war deutlich zu sehen, dass sie das nur aus Respekt vor den Besitzern des Hauses sagte, immerhin konnte ein Kind diese Umgebung keinesfalls als eine Wohltat ansehen. Nach einem Gespräch mit dem Wirt erfuhr der Magier die Hintergründe dieses komischen Umstandes. Der alte Herr war sogar richtig begeistert, als der Rotschopf anbot eine Weile mit der Kleinen an die frische Luft zu gehen.

Naomi war ebenso begeistert, sie konnte wohl selten einfach so vor die Tür gehen und zeigte ihrem Begleiter auch gleich verschiedene Orte in der Nähe des Hauses, die sie gerne besuchte. Da es dunkel war, musste Rio darauf achten, dass sie ihm nicht verloren ging, denn sie war ganz schön schnell unterwegs. Begeistert stolperte sie mit ihm durch die Wiese und zeigte dem jungen Mann einige Blumen, deren Namen sie noch nicht ganz so elegant aussprechen konnte. Soweit er verstand was sie vor sich hin brabbelte, schlief sie oft den ganzen Tag, weil eh niemand wach war, um mit ihr zu spielen. Nah ja wie auch, wenn man nachts ein solches Lokal führte. Doch sie beschwerte sich nicht, sie genoss ihr Leben, ganz egal wie eigenartig es bis jetzt verlaufen war und dafür bewunderte er sie. Gegen Morgen schleifte der kleine Energieball ihn auf einen Hügel, von dem aus man wohl einen herrlichen Ausblick hatte. Mit Volldampf lief sie den Berg hinauf und Rio folgte ihr gemütlich, doch behielt sie gut ihm Auge. Oben angekommen blieb sie stehen und ruderte mit den kleinen Ärmchen, als wollte sie ihm winken. In diesem Moment kletterte die Sonne über den Horizont und strahlte sie an. Im Licht der aufgehenden Sonne schimmerte ihr Haar wie Gold. Eine Weile blieb der Magier gefesselt stehen, es war wirklich ein hübscher Anblick. Danach schloss er zu ihr auf und sah mit ihr gemeinsam den Sonnenaufgang an. Im Anschluss daran war sie so müde, dass er sie nach Hause tragen musste. Während wir gingen, schlief sie friedlich ein.

Auch wenn seine Freunde es für eine Schnapsidee hielten, fasste Rio den Entschluss sie nicht dort zu lassen. Er war nicht wirklich überrascht, dass der Wirt froh war, als ich er fragte, ob er Naomi mitnehmen könnte. Naomi schien es auch nichts auszumachen. Allzu sehr schien ihr, die Umgebung nicht ans Herz gewachsen zu sein. Also nahm Rio die Kleine mit nach Hause nach Magnolia. Dort besaß der junge Herr de Avillon eine kleine Wohnung, sie war nicht sehr groß, aber sie reichte für zwei. Er holte sogar die Erlaubnis des Vermieters ein um eine Trennwand im Wohnzimmer einzufügen, so verkleinerte sich zwar sein Lieblingsort, aber Naomi bekam ihr eigenes Zimmer. Auch wenn es nicht sehr groß war, fand sie es toll, besonders als sich nach und nach die Möglichkeit fand, billig recht hübsche Möbel dafür zu erhalten. Mal ganz davon abgesehen, dass sämtliche Mütter der Nachbarschaft dem jungen Mann die abgetragenen Kleidungsstücke ihrer Kinder vorbei brachten. Sie hatten die Kleine wohl genauso schnell ins Herz geschlossen wie er. So war es recht billig für ihn sein Findelkind gründlich auszustatten. Die Magierkollegen sorgten dafür, dass Rio nur noch an kurzen Missionen teilnehmen musste, die nicht allzu gefährlich wahren. Während seiner Abwesenheit konnte sein kleiner Engel immer bei einem der Nachbarn unterkommen und er wusste, dass es ihr dort gut gehen würde. Sie war immer fröhlich, wenn ich nach Hause kam. Meist erwartete sie ihn schon und kam ihm entgegen gelaufen. Aufgeregt erzählte sie ihrem neuen Vater dann, was sie erlebt hatte, während er nicht zu Hause gewesen war. So kam es auch dazu, dass sie ihm einmal unseren Garten präsentierte. Dieser war während seiner Abwesenheit von ihr und einer Nachbarin ordentlich bepflanzt worden und roch nun nach den verschiedensten Kräutern.

Ein Gedicht, musste er zugeben und mit knapp zehn Jahre präsentierte sein kleiner Schatz ein wahres Festmahl. Neidlos musste er zugeben, dass sie wirklich eine Bereicherung für sein Leben darstellte. Wie sehr er jedoch auf ihre Hilfe angewiesen sein würde, wusste er zu dieser Zeit noch nicht.

Von mehreren Leuten, die sich länger mit Naomi beschäftigten, bekam er die Rückmeldung, dass an dem Kind etwas sprichwörtlich zauberhaftes war. Wie auch Rio vermuteten sie, dass das Mädchen das Zeug dazu hatte, einige Zauber zu lernen. Also entschied er sich dazu ihr seine Magie zu lehren, die Schattenmagie. Eigentlich hatte er fast befürchtet, dass so ein zierliches, fröhliches und heiteres Kind sich zu sehr vor Schatten fürchten würde, aber dem war nicht so. Mit Begeisterung lernte sie alles, was ich Rio darüber sagen konnte und verlangte immer gieriger nach mehr. Der Mann besorgte ihr also Bücher, in denen sie ihren Wissensdurst stillen konnte und sie verschlang sie im wahrsten Sinne des Wortes. Bald war sie gut genug einen Zauber anzuwenden und bat ihn darum, sie auf eine meiner Missionen mitzunehmen. Er versprach ihr sie mitzunehmen, wenn sich eine Geeignete darbot. Geduldig ließ sie sich damit zufriedenstellen und wartete auf diese Möglichkeit, die ihr recht schnell eröffnet werden sollte.

Die Gruppe, mit der Rio unterwegs war, war recht tolerant und die meisten kannten sein kleines Goldkind bereits. Es dauerte keinen halben Tag, da hatte sie die drei gestandenen Männer um den Finger gewickelt mit dem unwiderstehlichen Charme den nur ein süßes kleines Mädchen wie sie haben konnte. Bald hatte sie die Kontrolle über die Gruppe an sich gerissen, auf eine liebenswürdige und doch unumstößliche Weise. Die Magier mussten eigentlich nur ein paar Pferde von einer Stadt zur nächsten bringen. Jeder von ihnen hatte eines unter dem Hintern und sie saß bei ihrem Vater vorne auf.

Eigentlich gab es keine Anzeichen dafür, dass ihnen irgendetwas bevorstand. Doch dieser Frieden war trügerisch. Warum das passierte, war jedem unklar, aber plötzlich standen einige Magier vor der Gruppe und holten schon den Ersten von seinem Pferd. Die Übrigen verschanzten sich so gut es ging hinter einigen Bäumen am Wegrand, bevor sie begannen, die Feinde zu bekämpfen. Diese hatten scheinbar doch mehr auf dem Kasten als sie gehofft hatten. An diesem Tag, in diesem Kampf, verlor Rio alle seine besten Freunde. Nach und nach fielen sie den Unbekannten zum Opfer, doch auch die Angreifer mussten ein paar Verluste verbuchen. Zum Schluss war es einer gegen einen und einen Halben. Naomi war die ganze Zeit bei ihrem Vater, an ihn gedrückt, beschützt. Er verfluchte sich immer wieder von Neuem, sie mitgenommen zu haben, das war kein Ort für ein Kind, kein Ort für sein Kind, ihr Leben war in Gefahr, weil er einfach zu dumm und zu leichtsinnig gewesen war. Er entschied sich dafür, seinen Gegner anzugreifen. Der Zauber, den er wählte, traf seinen Gegner kritisch, doch auch dieser hatte sich gerade zum Angriff entschieden und verwundete ihn schwer. Sein ganzer Körper brannte und das Gefühl in seinen Beinen schwand. Rio knickte weg und landete unsanft auf dem Boden. Er konnte Naomi sehen, die sich schützend vor ihm aufbaute. Sie wollte ihn also beschützen, sein kleines Mädchen, er hatte sie noch nie so entschlossen gesehen. Sein Gegner war angeschlagen und sah in dem kleinen Mädchen nur eine Schwache oder überhaupt keine Bedrohung, vielleicht war genau das sein Fehler, denn einen Zauber beherrschte sie immerhin schon. Er war noch nicht sehr kraftvoll, aber die Schattenfaust, die sie dem verblüfften Kerl ins Gesicht schmetterte, hatte ihn so überrascht, dass er nichts unternommen hatte, um sie abzuwehren. Er ging von der Faust getroffen zu Boden und sieh sah Rio stolz an. "Ich hab es geschafft Papa", als sie das sagte, hätte er am liebsten angefangen zu weinen. Es war das erste Mal, dass sie ihn so nannte.

Wie sie es geschafft hatte Rio nach Hause zu bringen sollten nicht ungeklärt bleiben. Die Pferde waren vor Schreck geflüchtet, doch eines von ihnen hatte sie wohl gefunden und zur Rückkehr bewegt. Der Magier wusste nicht, dass Pferde so was überhaupt taten, aber es hatte sich neben ihm niedergelassen und Naomi half ihm auf den Rücken. Die Schmerzen hatten seine Sinne total vernebelt und er konnte seine Beine nicht mehr rühren. In diesem Moment fühlte er sich so hilflos wie noch nie und war dankbar, dass sein kleiner Engel immer noch bei ihm war. Sie führte das Pferd mit ihm zurück in die Stadt und berichtete dort von dem Überfall. Im Krankenhaus wachte sie an seinem Bett und teilte ihm mit, was die Ärzte über seine Beeinträchtigungen sagten. Zu der Zeit, wirkte sie plötzlich so erwachsen und voller Ruhe. Wie eine Mutter kümmerte sie sich um Rio und verbrachte ihre Tage an seinem Krankenbett. Einmal kam jemand aus der Gilde, der ihr ein Kreuz mitbrachte. Man hatte es wohl in den Tiefen der Gildenschatzkammer gefunden und wollte sie für ihre Tapferkeit entlohnen. Dieses Kreuz trägt sie mit Stolz und Begeisterung. Doch nicht, weil es eine Art Auszeichnung für sie sein sollte, sondern weil sie es mochte. Es gefiel ihr und sie versprach, dass sie so bald es ging der Gilde beitreten wollte, um die missliche Lage ihrer Familie zu beenden.

So langsam gewöhnte Rio sich an den Rollstuhl und seinen Alltag konnte er inzwischen auch alleine bewältigen, wenn es sein musste. Meist jedoch war Naomi an seiner Seite, die sich rührend um ihn und sein Wohlbefinden sorgte. Ihr Unterhalt war gesichert, weil es eine Art Arbeitsunfall gewesen war, wurden sie stellvertretend für den Verursacher von der Stadt versorgt, aber er wusste, dass es Naomi in den Fingern kribbelte, seinen Platz in der Gilde einzunehmen. Irgendwie schien es ihr nicht zu gefallen ein faules Leben zu führen und irgendwo musste sie ihre Energie hineinstecken. Also entschied Rio eines Morgens, dass es vielleicht Zeit war, sie in die Gilde eintreten zu lassen. Sie war begeistert, sie würde andere Magier treffen und mit ihnen spannende Abenteuer erleben. Auch wenn es bis dahin noch ein etwas längerer Weg war.

Sie blieb eben bei allem was sie tat mit dem Boden der Tatsachen in Verbindung und versuchte alles so realistisch zu halten, wie es eben ging. Dazu gehörte wohl auch, sich nicht einfach in das nächst beste Abenteuer zu stürzen und für Ruhm und Ehre, Kopf und Kragen zu riskieren. Mit diesem Schwall der Begeisterung nahm man sie natürlich in die Gilde auf und die Tatsache, dass sie jeden Tag fröhlich nach Hause kam, sprach dafür, dass es ihr dort gut ging.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  fahnm
2014-07-10T00:28:02+00:00 10.07.2014 02:28
Super Kapi^^
Antwort von:  Lyraci
10.07.2014 16:37
Auch hier danke, ich dachte nicht, dass es wirklich jemand liest und mag. ^^


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