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One on one

Oneshot-Sammlung
von

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Stolz und Hinterlist

Alles Gute zum Geburtstag, Franzi <3

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Die meisten Menschen denken, dass Kise ein naiver Volltrottel ist. Voller Talent und ein hübscher Bursche, aber auch nicht sonderlich hell im Kopf. Kise kann mit diesem Image leben. Er verdient sein Geld schließlich mit seinem Aussehen und nicht mit seinem Grips und solang er selber weiß, dass er nicht blöd ist, ist alles in Ordnung. Menschen denken auch, dass Kise ein gutmütiger, treudoofer Armleuchter ist, der es nicht merkt, wenn Leute auf ihm herum trampeln. Aber Kise kennt sich besser und Yukio kennt ihn besser und Kuroko kennt ihn besser. Bei Aomine ist Kise sich nicht sicher, da sein ehemaliger Teamkollege gern so tut, als würde er sich einen feuchten Dreck um seine Umwelt scheren.
 

Kise ist außerdem sehr empfänglich für die Gefühle anderer Leute. Im Gegensatz zur beliebten Annahme, dass Models einfach nur wahnsinnig arrogant und dadurch ignorant für die Emotionen anderer Menschen sind, ist Kise ziemlich gut darin andere Menschen zu lesen. Er kennt all ihre kleinen Macken und sieht leicht Anzeichen dafür, dass es jemandem nicht gut geht, auch wenn derjenige versucht, dies zu verschleiern. Und Kise merkt, wenn Leute an ihm interessiert sind. Da viele Leute an ihm interessiert sind, schaltet er diesbezüglich meistens auf Durchzug, es sei denn natürlich, er ist auch an dem betreffenden Menschen interessiert.
 

All seine Fans haben Pech gehabt, was das angeht. Kise ist seit Ewigkeiten in jemanden verknallt und hat nicht wirklich Augen für jemand anderen, auch wenn er sich gerne mal von eben jenem Menschen ablenkt, da sein Herzensmensch leider ein arroganter, ignoranter, stumpfsinniger Holzkopf ist. Die Rede ist von seinem ehemaligen Kollegen Aomine Daiki, Ass der Generation der Wunder und selbsternannter unbesiegbarer Champion in Japans Jugendbasketballligen. Kise ist sich nicht mehr sicher, wann genau dieses Drama eigentlich angefangen hat, aber manchmal denkt er sich, dass er vermutlich auf den ersten Blick zu spät war, als Aomine ihm diesen Ball an den Kopf geworfen und Kise sich umgedreht hatte. Dieses Lächeln hätte jeden umgehauen.
 

Kise hat sich nach ziemlich kurzer Zeit damit angefunden, dass er unrettbar und unwiderruflich verknallt ist. In Aomine Daiki und sein strahlendes Lächeln und seine unberechenbaren Bewegungen und in seinen Stil, den Kise nicht kopieren kann, und in seine dunkle Stimme und den ansteckenden Enthusiasmus, wenn es ums Basketballspielen geht. Am Anfang war Kise sich sicher, dass Aomine sich niemals in ihn verknallen könnte, weil Aomine um Kuroko herumschwänzelt wie eine Motte um eine Straßenlaterne. Aber Kise hat nach ein paar Monaten herausgefunden, dass Aomine und Kuroko nur beste Freunde sind. Und dass all die Trainingsspiele zwischen Kise und Aomine nicht nur bedeuten, dass sie Spaß daran haben, miteinander Basketball zu spielen, sondern dass dies auch die einzige Art ist, wie sie Zeit miteinander verbringen können, ohne, dass es sich in irgendetwas anderes verwandelt. Aomine ist ein Holzkopf und ein Feigling. Und ein Arschloch. Aber Kise ist trotzdem in ihn verliebt. Wahrscheinlich macht ihn das ebenfalls zu einem Holzkopf.
 

Der Grund, warum Kise Aomine besiegen will, ist, weil er den Satz »Der einzige, der mich besiegen kann, bin ich« nicht mehr hören kann und weil er Aomine wieder so lächeln sehen will wie früher. Er weiß, dass Kuroko dieselbe Motivation hat. Neben Kise sind Kuroko und Momo die beiden Menschen, denen am meisten an Aomine liegt, auch wenn Aomine ein Arschloch ist und sie alle immer wieder von sich wegstößt. Es ist zum Mäusemelken.

Und als dann das Spiel kommt, in dem Kise so nah dran ist, Aomine zu besiegen, da beschließt er, dass er keinen Nerv mehr für Aomines Arroganz hat. Kise wird den nächsten Schritt nicht machen, soviel steht fest. Soll Aomine doch zusehen, dass er ihn auf Knien um Verzeihung bittet, nachdem er Kise hat auf dem Boden liegen lassen wie ein Stück Abfall, das es nicht wert ist, aufgehoben zu werden. Kise hat die Schnauze voll. Und als sich ihm die Gelegenheit bietet, Aomine eins auszuwischen, ergreift er sie nur zu gerne und lädt eine seiner Modelkolleginnen auf diese beknackte Gala ein, auf die er normalerweise nicht gehen würde. Aber aus zuverlässigen Quellen – mit anderen Worten Momo – weiß Kise, dass Aomine auf jeden Fall dort erscheinen wird. Also wird Kise auch hingehen.

»Ich hoffe du erwartest nicht von mir, dass ich dir den ganzen Abend am Arm rumhänge«, sagt Yukiko, als Kise ihr seinen Plan unterbreitet. Kise muss lachen. Yukiko ist nicht ohne Grund seine liebste Kollegin. Sie interessiert sich kein Stück für ihn, findet Frauen mit wenigen Ausnahmen besser als Männer und geigt ihm gnadenlos ihre Meinung, auch, wenn er sie eigentlich nicht hören will. Wenn er nicht so in Aomine verschossen wäre, hätte er vielleicht versucht sie zu umwerben.
 

»Keine Sorge. Sobald ich ihn genug auf die Palme gebracht habe, darfst du fliegen gehen«, verspricht Kise ihr grinsend und Yukiko mustert ihn kopfschüttelnd.

»Ich bin schon ziemlich gespannt auf deinen Herzbuben. Muss ja ein toller Typ sein«, meint Yukiko nachdenklich. Kise lacht ein wenig gequält auf.

»Vor allem ist er ein arroganter Volltrottel«, erklärt Kise resigniert und Yukiko schüttelt den Kopf.

»Du könntest jeden haben, weißt du das?«
 

»Jap.«
 

»Oh, bei den Göttern, du bist auch ein arroganter Volltrottel. Kein Wunder, dass ihr euch gegenseitig an die Wäsche gehen wollt!«
 

Kise kann ihr nicht widersprechen und fragt sich leicht benommen, ob Aomine sich von ihm provozieren lassen wird, wenn er mit Yukiko bei dieser Gala auftaucht. Er drückt sich selbst alle Daumen und Zehen.
 

*
 

Kise ist froh, dass er und Yukiko nicht als erste ankommen und er sofort ein paar bekannte Gesichter entdeckt. Midorimacchi sieht zwar aus, als würde er gleich jemanden ermorden und auch Kagamis fragwürdige Augenbrauen blicken kritisch drein, – Kise ist sich sicher, dass diese Brauen ein Eigenleben haben und niemand wird ihn vom Gegenteil überzeugen – doch Kise stört sich nicht weiter daran und zieht begeistert und erleichtert ein paar Stühle an den Tisch der anderen. Aomine scheint noch nicht da zu sein. Kises Augen finden ihn immer als allererstes, der blöde Sack zieht seinen Blick an wie ein besonders starker Magnet und es kostet Kise meistens alle Willenskraft, die er hat, um ihn nicht dauernd anzustarren. Früher hat es mehr Spaß gemacht, Aomine anzuschauen, als er noch ehrlich gelächelt, gelacht und sich verlegen die eigenen Haare zerwuschelt hat. Das waren Zeiten. Kise beschließt, dass er besser nicht darüber nachdenken sollte.
 

»Das hier ist Yukiko-san. Yukiko-san, das sind–«
 

Kise kommt nicht dazu Yukiko mit allen Leuten am Tisch bekannt zu machen. Sie sieht entzückend aus, wirklich. Ihr rotes Kleid passt zu seiner Krawatte, ebenso wie zu der Blume in seinem Knopfloch und ihrem ausgewählten Lippenstift. Das Rot sieht toll aus zu ihren schwarzen Haaren und ihr Lächeln lässt keinen Zweifel daran, dass sie angeblich entzückt darüber ist, mit Kise hier auf dieser totlangweiligen Gala zu sein. Sobald dieses Spektakel vorbei ist, wird er sie zum Essen einladen und sie mit Blumen und selbstgebackenen Keksen überhäufen. Wieso kann er sich nicht einfach in Yukiko verlieben?
 

Weil er sich stattdessen in den Besitzer der unhöflichen Stimme hinter sich verknallt hat.
 

»Ich versteh immer noch nicht, was wir hier eigentlich wollen, Satsuki. Außerdem ist dein Kleid lächerlich tief ausgeschnitten. Meine Fresse. Hast du noch was Größeres vor heute?«
 

Da sind sie also. Momo hat nicht gelogen – natürlich hat sie das nicht, aber es hätte ja sein können, dass sie daran scheitert, Aomine mit sich auf die Gala zu schleifen – und Kise wagt es nicht, sich umzudrehen, aus Angst, dass seine Augen an Aomine kleben bleiben und sich nie wieder lösen. Er trägt sicher einen Anzug. Verfluchter Mist.
 

Er ist sehr dankbar, als Yukiko ohne Umschweife näher an ihn heran rückt, einen Blick nach hinten wirft, um Aomine kurz zu mustern, und sich dann nach vor beugt, um ihr Gesicht ganz nah an das von Kise zu bringen. Ihr verliebtes Strahlen würde er ihr abkaufen, wenn er nicht wüsste, dass sie nur spielt.

»Er sieht gut aus«, flüstert sie ohne mit dem Strahlen aufzuhören.
 

»Ich weiß«, erwidert Kise und lächelt Yukiko so charmant an, als hätte er ihr gerade das schönste Kompliment auf Erden gemacht. Hinter ihnen geht ein Tumult los, weil Kagami Aomine am Kragen gepackt hat und Kuroko und Momo versuchen, die beiden auseinander zu bringen. Kise würde sehr viel darum geben, hinzusehen, aber Yukikos Hand auf seiner Wange ist sanft aber entschlossen und sie stupste ihre Nase gegen die von Kise.

»Tu so, als gäbe es nur mich auf der Welt«, sagt Yukiko zuckrig und Kise muss leise lachen. Sie macht es ihm so einfach und er ist ein Trottel. Allein schon, weil sie sich dazu bereit erklärt hat, sich hier für ihn zu Tode zu langweilen, sollte er sich zusammenreißen.
 

»Deine ehemaligen Kollegen wirken alle ein bisschen wahnsinnig«, wispert sie in der Nähe seines Ohres und Kise bekommt eine Gänsehaut.

»Falls du den mit den komischen Augenbrauen meinst, der gehört nicht zur Generation der Wunder. Das ist Kagamicchi, Kurokocchis neuer Freund und personifizierter Dorn in Aominecchis Auge«, erklärt Kise sehr leise und legt seinen Arm um Yukiko. Hinter ihm flucht Aomine, während Momo ihn zurecht stutzt. Momo ist wunderbar. Kise wünschte sich, Aomine wäre netter zu ihr.

»Nenn ihn nicht so. Glaub mir, das wird ihn so richtig auf die Palme bringen«, meint Yukiko und Kise blinzelt verwirrt. Ihre dunklen Augen glitzern schelmisch und Kise möchte sie wirklich gern so richtig umarmen. Mädchen sind einfach so viel cooler als Jungs, denkt er sich im Stillen und drückt Yukiko einen Kuss auf die Stirn. Hinter ihnen geht ein Glas zu Bruch und Kise drückt sich selbst die Daumen, dass es Aomines Glas war.
 

Yukiko hat Recht. Kise hatte sich eigentlich ohnehin vorgenommen, Aomine nicht mehr mit diesem Spitznamen zu bedenken, spätestens nach dem Spiel gegen ihn, bei dem er sich dermaßen scheußlich verhalten hatte, dass Kise kurz davor gewesen war, seine kompletten Gefühle für Aomine in eine Besenkammer in seinem Kopf zu sperren und sie nie wieder hervor zu lassen.

»Oh, da hinten ist Kasamatsu-senpai! Senpai! Hey!«

Kise muss sich ablenken und er will aus Aomines Reichweite. Dauernd kribbelt es ihn im Nacken, das hält er nicht mehr lang aus, ohne sich umzudrehen.
 

Yukiko findet Kasamatsu-senpai sehr nett und unterhält sich eine Weile angeregt mit ihm, bis ihre Augen Aomines Basketball-Kapitän finden, der im Anzug nicht minder gruselig aussieht, als in seiner Basketballkluft.

»Wer ist das?«, will Yukiko von ihm wissen. Sie lassen Kasamatsu allein, denn der hat scheinbar Lust zu tanzen und verabschiedet sich in Richtung Midorimas Maskottchen, dessen Namen Kise leider vergessen hat. Scheint ein netter und gutmütiger Kerl zu sein, wenn er es so lang mit Midorima aushält.

»Aominecc–… Aomines Kapitän. Imayoshi-san. Er ist super gruselig und ich würde mich nicht wundern, wenn er ein paar Leichen im Keller verscharrt hat!«, erklärt Kise beunruhigt und der Blick auf Yukikos Gesicht behagt ihm gar nicht. Kann sie sich nicht irgendwen anders zum Flirten aussuchen? Der Typ ist möglicherweise ein Psychopath!

»Er sieht ziemlich gut aus und er kann tanzen«, meint Yukiko unbeeindruckt von Kises dunklen Vorhersagen. Kise schnaubt.

»Ich sehe gut aus und kann tanzen!«, empört er sich.
 

Yukiko verdreht die Augen und schüttelt den Kopf.

»Du klingst wie ein trotziger Fünfjähriger. Lass uns da rüber gehen und ein bisschen rumkuscheln, da sieht Aomine uns ganz bestimmt«, entgegnet sie und zieht ihn mit sich quer über die Tanzfläche. Dort lehnt sie sich gegen eine Wand und Kise folgt ihrer wortlosen Einladung, indem er seine Arme um Yukiko schlingt und seine Stirn an ihre lehnt.

»Er ist da hinten an einem Tisch mit seiner Begleitung«, informiert Yukiko Kise hilfreich und streicht ihm beruhigend über den Rücken. Kise fragt sich, ob das alles wirklich hilft, oder ob Aomines Stolz einfach zu riesig ist, als dass er sich daran vorbeischieben könnte. Wundern würde es ihn nicht.

»Er starrt uns schon die ganze Zeit an, keine Sorge. Du knackst ihn heut Nacht sicher noch«, versichert Yukiko ihm und lächelt ehrlich zu ihm hoch.

»Ich würde dich gern aus Dankbarkeit küssen«, informiert Kise sie. Yukiko lacht.
 

»Bitte nicht. Sobald er sich nicht mehr beherrschen kann, hoffe ich, jemanden anders zu küssen.«
 

»Oh Gott. Doch nicht Imayoshi-san, oder?«
 

»Ich glaube, er findet mich attraktiv.«
 

»Jeder hier im Saal findet dich attraktiv! Kannst du dir nicht wen anders suchen?«
 

»Psst! Ich glaube, sie verleihen gleich den dämlichen Preis!«
 

»Wird auch Zeit…«
 

Wie es sich herausstellt, gewinnt Seirin den Preis und Kise freut sich für Kuroko und Kagami, auch wenn er damit wohl einer der wenigen Anwesenden ist. Er stellt sich Midorimas wütendes Brille-Hochschieben vor und Aomine verächtliches Schnauben und–
 

»Na endlich!«, sagt Yukiko und presst sich plötzlich sehr eng gegen Kise, der ein überraschtes Geräusch macht, ehe Yukiko auch schon von ihm fortgezogen wird.

»Ich muss dich sprechen«, grollt Aomine und Kise wünscht sich, dass er nicht allein beim Klang dieser Stimme weiche Knie kriegen würde. Mist, Mist, Mist. Yukiko zwinkert hinter Aomines Rücken und wirft Kise eine Kusshand zu, dann wird Kise sehr unsanft in Richtung Herrentoiletten geschleift. Aomines Berührung brennt auf seiner Haut und Kise versucht so tief und ruhig zu atmen wie möglich.
 

Er wird nicht einfach in eine emotionale Pfütze zerfließen, er wird seinen Mann stehen und Aomine die Meinung geigen. Aomine verdient keine schnelle Vergebung, soviel steht fest!

»Wer ist die Braut?«, herrscht Aomine Kise an und Kise holt tief Luft. Er erinnert sich daran, wie es war, beim Spiel gegen Aomine langsam aber sicher zu Aomine zu werden, ihn zu kopieren, seine kalte Arroganz wie einen Mantel anzulegen und seine Emotionen in seinen Hinterkopf zu schieben. Genau das muss er jetzt auch tun. Er zieht seine Augenbrauen hoch und verschränkt die Arme vor der Brust.
 

»Ich fände es angebracht, wenn du ein wenig respektvoller über meine Freundin sprichst, Aomine-kun.«
 

So. Er hat es gesagt. Er hat nicht den Spitznamen verwendet. Und wie Yukiko prophezeit hat, sieht Kise eine Regung in Aomines Gesicht. Verwirrung, Wut, vielleicht sogar ein winzig kleines bisschen Unsicherheit? Kise wünscht sich nicht zum ersten Mal, Aomines Gedanken lesen zu können.

»Deine Freundin? Dass ich nicht lache«, schnaubt Aomine und schaut Kise an, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank.

»Nur weil du beziehungsunfähig bist, heißt das nicht, dass es uns allen so geht«, sagt Kise kühl und er ist stolz auf sich. Und er hofft, dass Yukiko später auch stolz auf ihn sein wird.
 

»Du hast die Schnalle doch nur mitgebracht, um mir eins auszuwischen«, schnarrt Aomine und macht einen Schritt auf Kise zu. Er sieht durchaus kampfbereit aus, als würde er sich gern mit Kise prügeln.

»Auszuwischen? Wofür?«, fragt Kise ungerührt, obwohl sein Herz hämmert und es in seinen Ohren rauscht. Es ist wie bei einem Modeljob, redet er sich ein, du musst eine Rolle spielen. Gib nicht nach. Sein Leben lang haben Leute unter ihm nachgegeben, du kannst ihm nicht auch noch diesen Sieg gönnen.
 

»Für deine Niederlage«, kommt prompt die Antwort von Aomine und Kise verengt die Augen zu Schlitzen. Er meint zu wissen, dass Aomine eigentlich die Szene nach dem Spiel meint und nicht unbedingt die Niederlage an sich. Kise hat keinen Nerv dazu, dieses Versteckspiel mit Aomine. Angriff ist in diesem Fall die beste Verteidigung.

»Du meinst die Niederlage, nach der ich nicht aufstehen konnte und du mich behandelt hast wie ein Stück Dreck?«, gibt er lässig zurück und prüft seine Fingernägel, als wäre er absolut uninteressiert an diesem Thema. »Ich wüsste nicht, wie ich dafür eins auswischen kann, indem ich mit einer Frau ausgehe. Es wäre nett, wenn du auf den Punkt kommen würdest, ich will Yukiko nicht so lang allein draußen stehen lassen.«
 

»Red doch keinen Scheiß! Als wärst du echt mit der zusammen!«
 

»Und wieso sollte ich nicht mit ihr zusammen sein?«
 

Kises Stimme wird lauter. Aomine ist rot im Gesicht vor lauter Wut und Kise ist wirklich kein gewalttätiger Mensch, aber in diesem Moment würde er Aomine gern schlagen.
 

»Weil du auf Kerle stehst, verdammt!«
 

»Ich stehe auf Frauen und Männer. Und ich weiß wirklich nicht, was dieser Unsinn soll! Du hast gesagt, du willst was mit mir besprechen? Dann spuck’s aus!«
 

Aomine ist nicht gut mit Worten, das war er noch nie. Deswegen tut er das Einzige, was er kann: Handeln. Er packt Kise beim Krage und Kise gibt ein überraschtes Geräusch von sich, kurz bevor Aomine seinen Mund auf Kises Lippen presst. Mit Aomine ist alles ein Gezerre und Geschubse und hart und rau. Kise beißt Aomine in die Unterlippe und stößt ihn von sich, sodass Aomine gegen eine der Toilettentüren stolpert.
 

»Tu doch nicht so«, schnarrt Aomine und fährt sich mit dem Handrücken über seine blutende Unterlippe.

»Verpiss dich einfach«, schnauzt Kise ihn an und Aomine streckt erneut die Hände nach Kise aus. Kise ist zwar leichter und kleiner als Aomine, aber er trainiert mehr als Aomine, also hat Kise kein Problem seine Hände wegzuschlagen.

»Du bist nicht mit der Tussi zusammen.«
 

»Es geht dich einen Scheißdreck an, ob ich mit ihr zusammen bin!«
 

»Ich weiß, dass du nicht mit ihr zusammen bist!«
 

»Und woher willst du das wissen, Aomine-kun? Weil du dich so mit meinem Privatleben beschäftigst?«
 

Mittlerweile schreien sie sich an. Kise hat vergessen, dass er nicht emotional werden wollte, er hat vergessen, dass sie auf einer Herrentoiletten auf einer Sportgala sind und es hier drin hallt und Leute vielleicht die Kabinen benutzen wollen. Alles, was er nicht vergessen hat, ist Aomines Verachtung nach Kises Niederlage und dass er seinen ehemaligen besten Freund nicht mehr bei seinem Spitznamen nennen will. Und Aomine sieht unglaublich zornig aus, was Kise wiederum triumphieren lässt.
 

»Was soll der Scheiß mit meinem Namen?«
 

»Wovon sprichst du?«
 

Kise hat keine Ahnung, wer von ihnen anfängt, das zweite Mal Körperkontakt zu initiieren, aber plötzlich ist er sein Jackett los und die rote Blumen aus seinem Knopfloch kullert traurig über den gefliesten Fußboden. Aomines Hose rutscht ihm nach hastigem Öffnen bis in die Kniekehlen. So hat Kise sich das nicht vorgestellt. Er spürt, wie seine Augenwinkel anfangen zu brennen.
 

Aomine vergräbt eine Hand in Kises Haaren und presst seine Stirn gegen die von Kise.
 

»Du bist nicht… mit der zusammen«, keucht Aomine atemlos, als wäre er gerade kilometerweit gerannt. Kise schluckt und will auf keinen Fall anfangen zu heulen. Seine Hände krallen sich in Aomines Hemd fest und einer der Knöpfe springt ab. Kise schert sich nicht darum.
 

»Warum?«, krächzt er als Antwort. Aomine soll es einfach sagen. Wenn er es nicht sagt, wird Kise sein Jackett wieder anziehen und Aomine hier stehen lassen und sich nie wieder nach ihm umdrehen. Soviel steht fest. Und er versucht es Aomine stumm mit seinem entschlossenem Blick mitzuteilen. Aomine knurrt und Kise weiß, dass er sich windet. Aber dieses Zugeständnis wird Kise ihm nicht machen. Aomine wird es mit ihm nicht so leicht haben wie mit dem Basketballspielen.
 

»Weil…«
 

Kise umfasst Aomines Gesicht mit beiden Händen. Es ist schon bewiesen, dass seine List mit Yukiko funktioniert hat, aber er wird nicht ganz nachgeben, ohne es aus Aomines Mund zu hören.

»Weil du mir gehörst, verfluchter Scheißdreck«, zischt Aomine und Kise unterdrückt ein Wimmern, ehe er seine Lippen auf Aomines Mund drückt und ihn so hungrig küsst, dass Aomine tatsächlich erstaunt nach Luft schnappt. Kiste drängt Aomine gegen eine der geschlossenen Türen und presst sich der Länge nach gegen den muskulösen Körper vor sich.
 

Jahrelang hat er darauf gewartet. Viel zu lange. Auf Aomines schlanke, raue Hände auf seiner Haut, auf Küsse und Körperkontakt und die Anerkennung der Tatsache, dass Aomine Kise genauso sehr will, wie andersherum.
 

»Ryouta«, knurrte Aomine und Kise läuft es heiß den Rücken hinunter. »Werd die verfluchte Hose los!«
 

Kise ist gerade dabei, der Aufforderung Folge zu leisten, als…
 

»Was zur Hölle? Das hier ist ein Klo! Alter, jetzt bin ich geblendet bis an mein Lebensende!«
 

»Kagami-kun, ich hab dir doch gesagt, dass die Toilette momentan besetzt ist.«
 

»Nen Scheiß hast du! Mir war nicht klar, dass die beiden hier drin ihre sexuelle Frustration aneinander auslassen!«
 

»Kagami-kun, wir sollten wirklich besser gehen. Das hier ist wichtig, verstehst du? Sie warten schon seit Jahren darauf.«
 

»Das ist mir doch egal, ich – AU! Kuroko, was zum…?«
 

»Tut mir Leid, Kise-kun! Viel Spaß noch!«, ruft Kuroko, während er Kagami bei seiner Krawatte gepackt hält und ihn aus der Herrentoilette zerrt und dabei scheinbar nach den leicht würgenden Geräuschen Kagamis zu urteilen beinahe erstickt.
 

Aomine und Kise starren den beiden hinterher, dann richten sich ihre Blicke aufeinander. Aomines Kopf ist knallrot, etwas, das Kise noch nie gesehen hat. Jetzt, da die Katze aus dem Sack und die Hitze des Moments verflogen ist, scheint Aomine mit sich selbst zu ringen. Natürlich. Gefühle sich gruselig. Und darüber reden zu müssen ist noch gruseliger.
 

»Vielleicht sollten wir die Toilette freigeben«, sagt Kise matt und bückt sich nach seinem Jackett, ehe er seine Hose wieder zuknöpft. Aomine steht wie angewurzelt da.
 

»Was soll das heißen, seit Jahren?«, will er wissen. Kise seufzt resigniert und zuckt mit den Schultern.
 

»Heißt, dass ich seit Jahren verschossen bin in dich, du arroganter Schnösel«, meint er und fragt sich, wann genau die Situation eigentlich so eskaliert ist. Yukiko wird garantiert mit ihm schimpfen. Und es hat so vielversprechend angefangen. Er wendet sich ab und wirft sich das Jackett elegant über die Schulter. Eine Hand an seinem Ärmel hält ihn zurück. Kise blinzelt und wirft einen Blick über die Schulter. Aomine hat seine Hose wieder hochgezogen, seine Haare sehen unglaublich zerwuschelt aus und der fehlende Knopf an seinem Hemd legt ein Stück brauner Haut frei. Mit der freien Hand, die Kise nicht am Ärmel gepackt hält, hält er Kise die rote Blume aus seinem Knopfloch entgegen, ohne Kise anzuschauen. Mit flammenden Wangen und Ohren starrt er der Decke entgegen, als wäre sie besonders spannend. Kises Herz schlägt einen Salto, als er die Blume entgegen nimmt. Alles an Aggressionen, was Aomine in sich hatte, scheint verpufft zu sein.
 

»Warum hast du nichts gesagt?«
 

Kise schnaubt und steckt die Blume vorsichtig zurück in sein Knopfloch. Wahrscheinlich sehen sie aus, als hätten sie gerade ein Wrestlingmatch hinter sich.
 

»Du hast auch nichts gesagt.«
 

Aomine plustert sich auf und nuschelt Dinge von wegen es hätte nichts zu sagen gegeben. Kise hebt seine perfekt geschwungenen Augenbrauen.
 

»Achso? Na, dann kann ich ja wieder raus zu Yukiko gehen«, meint er lässig:
 

»Ok, ok! Scheiße. Ich bin ein Arsch«, gibt er zu und stopft seine Hände in die Hosentaschen. Kise nickt nachdrücklich.
 

»Das ist wahr.«
 

»Tut mir Leid wegen des Spiels…«
 

Aomine ringt offensichtlich mit sich. Kise verkneift sich ein liebevolles Lächeln.
 

»Ok«, sagt Kise. Sein Geschmack, was Männer angeht, ist wirklich unterirdisch. Aber immerhin hat Aomine ihm gerade metaphorisch eine Blume geschenkt und sich bei ihm entschuldigt und sich selbst als Arsch betitelt. Das sind so viele Fortschritte auf einmal, dass Kise kaum mithalten kann.
 

Sie schweigen einen langen Augenblick lang, dann angelt Kise nach Aomines Handgelenk, zieht seine Hand aus der Hosentasche und verhakt seine Finger probehalber mit Aomines. Aomine sieht wirklich sehr überfordert aus mit sich und der Welt. Kise beschließt, dass er diesen Gesichtsausdruck in sein Gehirn einbrennen will. Wer weiß, wann er wiederkommt.
 

»Also, ich bin nicht mit Yukiko-san zusammen«, meint Kise. Aomine atmet hörbar ein und aus.
 

»Gut«, knurrt er.
 

»Bin ich überhaupt mit irgendwem zusammen?«, will Kise schelmisch wissen und Aomine grollt neben ihm, drücke Kises Finger fester und marschiert in Richtung Ausgang der Herrentoilette.
 

»Ja, verdammt!«
 

Kise lächelt zufrieden. Er schuldet Yukiko wirklich ein paar sehr große Blumensträuße.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Grave
2014-04-22T16:10:00+00:00 22.04.2014 18:10
Wirklich, wirklich gut!! Es war also doch eine gute Idee mal in deine fanfictions zu schauen und zu gucken was du so geschrieben hast! ^^/

Als jemand der sich windet und immer am liebsten die Augen zuhält mittlerweile bei deutschen fanfiction hab ich das hier sehr, sehr genossen! Guter Stil, toller Rhythmus und süße Geschichte. Ich mag die beiden einfach am liebsten wenn sie eigentlich große idioten miteinander sind und auch wenn kise genauso austeilen kann wie Aomine und nicht nachgibt. Daumen hoch!! :D
Von:  Tyelpe
2014-03-31T14:01:37+00:00 31.03.2014 16:01
Oha, Daumen steil nach oben.
In der Gegenwart zu schreiben und es dann auch noch gut klingen zu lassen, empfinde ich als äußerst schwierig.
Aber du hast es echt toll hinbekommen.
Das Pairing ist sowieso toll und die Charas so sehr IC wie sie sein können.
Echt schön zu lesen gewesen.
Von:  -Loki-
2014-02-26T18:25:51+00:00 26.02.2014 19:25
Ahhh, herrlich <3
Du hast einen schönen Schreibstil... und wie du die Charaktere rüberbringst, finde ich sehr schön.
Ich hoffe, ich bekomme noch mehr von dir zu lesen!

Danke für diesen schönen kleinen Zeitvertreib nebenbei x33

Grüßle...
Von:  herzausglas
2014-02-08T13:03:44+00:00 08.02.2014 14:03
AHHHHHHHHH!!!! MIRIAM ICH LIEBE DICH!!!!!
Vielen, vielen Dank für dieses wundervolle Geschenk! Ich liebe jede einzelne Silbe *______* (kein Scherz!)
(Leider hab ich gerade keine Zeit noch mehr zu schreiben, weil mein Bruder+Anja in einer halben Stunde kommen und ich noch nicht mal geduscht habe....aber ich werde dir später noch eine ausführlichere Rückmeldung geben ;))

Alles Liebe, Franzi <3


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